Ärger
Sri Aurobindo | Die Mutter
Alle Streitigkeiten rühren vom Egoismus her, der auf seiner eigenen Meinung und seiner eigenen Wichtigkeit besteht und glaubt, dass er allein recht hat und jeder andere unrecht. Dadurch gibt er Anlass zu Ärger, dem Gefühl des Gekränktseins usw. Diese Dinge darf man nicht zulassen; sie müssen auf der Stelle zurückgewiesen werden.
– Sri Aurobindo
Sri Aurobindo | Die Mutter ÄRGER
Kapitel 1
Ströme von Ärger
Worte Sri Aurobindos
Fremde Empfindungen strömten hindurch wie Wellen
Und ließen erzittern des feinen Körpers Gestalt,
Ihr Ärger galoppierte rasend in roher Attacke,
Ein Ansturm trampelnder Hufe auf bebendem Grund…
Er fühlte das pochende Leben in anderen Menschen
In sich eindringen mit ihrem Glück und ihrem Schmerz;
Ihre Liebe, ihr Ärger, ihre unausgesprochenen Hoffnungen
Traten ein in Strömen und sich ergießenden Wogen
In den unbeweglichen Ozean seiner Ruhe.
Kapitel 2
Zu Ärger werden
Worte Sri Aurobindos
Diese Fähigkeit zu exklusiver Konzentration ist nicht beschränkt auf die Absorption in einer bestimmten Art und Weise des Arbeitens des eigenen höheren Selbst, sondern erstreckt sich auf die vollständige Selbstvergessenheit bei einer Handlung, die wir zufällig in diesem Augenblick ausführen. Der Handelnde vergisst in Momenten großer Intensität, dass er der Handelnde ist, und wird zu dem, was er auf der Bühne spielt; nicht, dass er sich selbst für Rama oder Ravana hält, aber er identifiziert sich für gewisse Zeit mit der Form des Charakters und der Handlung, welche der Name repräsentiert, und dass so vollkommen, dass er den wirklichen Menschen, der die Rolle spielt, vergisst. So vergisst der Dichter sich selbst in seinem Schaffen, den Menschen, den Arbeiter, und er ist für den Moment nur die inspirierte unpersönliche Energie, die sich selbst in der Formung von Wort und Rhythmus ausdrückt; alles andere nimmt er nicht wahr. Der Soldat vergisst sich selbst bei seinem Handeln und wird zum Angriff, der Wut und dem Töten. Gleichermaßen vergisst sich der Mensch, der von heftigem Ärger überrollt wird, wie es allgemein heißt oder noch passender und kraftvoller gesagt wird: er wird zum Ärger; und diese Formulierungen drücken eine reale Wahrheit aus, die nicht die ganze Wahrheit des menschlichen Wesens in diesem Augenblick ist, sondern eine praktische Tatsache seiner bewussten handelnden Energie. Er vergisst sich wirklich selbst, vergisst sein ganzes übriges Wesen mit all seinen Impulsen und Fähigkeiten zu Selbstbeherrschung und Selbstausrichtung, so dass er einfach als die Energie der Leidenschaft handelt, die ihn beherrscht, und für den Augenblick zu dieser Energie wird. Nur bis hierher kann das Selbst-Vergessen in der normalen menschlichen Psychologie gehen; denn es muss bald zu dem weiteren Selbst-Bewusstsein zurückkehren, von dem es nur eine zeitlich begrenzte Bewegung ist.