Die inneren Kräfte
Auszüge aus den Werken von
Sri Aurobindo und der Mutter
Zusammenstellung und Einführung
A.S. Dalal
SRI AUROBINDO ASHRAM
PUDUCHERRY
EINFÜHRUNG
Der Begriff „Macht“ bezieht sich im allgemeinen Sprachgebrauch oft auf die Macht des Einflusses im politischen, sozialen oder finanziellen Bereich.
Diese äußere Macht unterscheidet sich von der inneren Macht, von der dieses Buch handelt. Die innere Macht besteht aus geistigen Anlagen, Talenten und Fähigkeiten, die mehr oder weniger schlummernd oder unentwickelt in der menschlichen Natur liegen.
Kräfte des Bewusstseins
Entsprechend der vedischen Sicht ist die grundlegende Realität, die sowohl den Menschen als auch den Kosmos ausmacht, „Chit“ oder Bewusstsein.
Alle Energie, Dynamik und Kraft kommt vom Bewusstsein, denn, wie Sri Aurobindo sagt: „Absolutes Bewusstsein ist in seiner Natur absolute Macht;“ (Sri Aurobindo, The Life Divine, Centenary Library Band 18, S. 570) die Natur dieses Bewusstseins (Chit) ist Kraft (Shakti). Deshalb wird Chit auch Chit-Shakti genannt, Bewusstseins-Kraft.
Die verschiedenen Formen des Bewusstseins – physisch, vital, mental, subliminal unterbewusst und überbewusst, sind daher unterschiedliche Ausdrucksformen der Bewusstseins-Kraft.
In unserem gewöhnlichen Bewusstseinszustand identifizieren wir uns mit unserem einzelnen individuellen Ego, und suchen nach Macht für die Ausweitung des Egos.
Von einem tiefer gehenden Standpunkt aus betrachtet sind jedoch alle Bemühungen des Egos unbewusst durch den Drang motiviert, das eigene wahre Selbst und seine Bewusstseinskräfte zu entdecken.
Latente Kräfte des Bewusstseins
Wir unterscheiden zwei Arten von latenten Kräften. Es gibt Kräfte in uns, die bisher unentwickelt und zum größten Teil unbekannt sind oder gar angezweifelt werden, wie Hellsichtigkeit, Hellhörigkeit, Telepathie und andere okkulte Kräfte, von denen im letzten Teil dieses Buches gesprochen wird. Andere Kräfte besitzen und benutzen wir schon, aber sie sind nur latent vorhanden und existieren in rudimentärer oder unentwickelter Form. Letztere haben scheinbar nichts Außergewöhnliches an sich, und wir betrachten sie nicht als „Kräfte“. Gedankenkraft, Imaginationskraft, Willenskraft, Konzentrationskraft, Intuition und andere Kräfte sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt in den meisten Menschen völlig unterentwickelt im Vergleich zu dem, was sie in ihrem höchsten Potential sein könnten. Was wir in einem Genie erkennen, ist nur das Aufblühen von Kräften, die entweder unentwickelt oder vollkommen verborgen auch in uns schlummern. Wie die Mutter bemerkt: „In jedem von uns steckt ein Genie.“
Es besteht die Möglichkeit das eigene Potential der physischen Kräfte und Fähigkeiten, die den Körper betreffen, bis zu einem bemerkenswerten Grad zu entwickeln. Ein olympischer Athlet hat lediglich Fertigkeiten entwickelt, die in gewissem Maße in jedem Menschen angelegt sind. Die Mutter gibt Beispiele dafür, wie sogar unsere sensorischen Fähigkeiten wie Seh- und Hörvermögen bis zu einem übernatürlichen Grad gesteigert werden können und bemerkt: „Wir können unendlich viel mehr als das, was wir tatsächlich tun.“
Okkulte Kräfte
Wenn Menschen, besonders im Osten, an verborgene Kräfte denken, meinen sie damit oft okkulte Kräfte, wie vorher schon erwähnt. Im Westen und Osten existieren unterschiedliche Einstellungen gegenüber solchen Kräften. Im Westen, wo diese Kräfte allgemein als „übersinnliche Fähigkeiten“ bezeichnet werden, betrachtet eine Mehrzahl der Menschen sie mit Skeptizismus, und verbindet den Glauben daran mit Leichtgläubigkeit und Naivität. Immer mehr westliche Menschen jedoch halten die Fähigkeiten von medial begabten Menschen für glaubwürdig, die behaupten, Informationen über außersinnliche Wahrnehmung zu erlangen, auf Objekte und Personen aus der Ferne einzuwirken, mit unsichtbaren Mitteln heilen zu können usw. Trotz ihrer nicht erklärbaren Natur wurden diese Fähigkeiten immer wieder in zahlreichen Bereichen einschließlich der Medizin und Zahnheilkunde, Psychotherapie und Beratung, in der Polizeiarbeit, in Landwirtschaft, Archäologie und auf vielen anderen Gebieten angewandt.
Psychiater tendieren dazu, Personen, die anscheinend übersinnliche Kräfte besitzen als anormal, das heißt unter einer psychiatrischen Störung leidend, zu betrachten. Dr. Judith Orloff, Psychiaterin aus Los Angeles und Autorin des Buches: „Das Zweite Gesicht“ (Thomas Moore, 1997) schreibt, dass sie seit ihrem neunten Lebensjahr paranormale Fähigkeiten zeigte, aber jahrelang nicht darüber sprach, weil ihre Mutter und andere Personen in ihrem Umkreis kein Verständnis dafür aufbrachten, und ihr das Gefühl vermittelten, sie sei anormal. Erst als sie nach einer außerkörperlichen Erfahrung ein Institut für paranormale Erfahrungen aufsuchte, erfuhr sie, dass sie nicht psychiatrisch krank sei, sondern vielmehr über eine besondere Begabung verfüge. Entsprechend ihrer Schätzung, die vielleicht hauptsächlich auf ihrer eigenen Arbeit in der Psychiatrie basiert, sind etwa 25 % derjenigen, die psychiatrische Hilfe suchen, und bei denen eine Psychose diagnostiziert wird, in Wirklichkeit nicht psychotisch sondern medial veranlagt.
Im Osten sind die Menschen geneigt übernormale Kräfte, oder „Siddhis“ wie sie in Indien genannt werden, als Zeichen der Entwicklung spiritueller Fähigkeiten anzuerkennen. Spirituelle Lehrer von hohem Rang jedoch haben okkulte Kräfte als untergeordnet, und der spirituellen Verwirklichung nicht zugehörig betrachtet. Ramakrishna bemerkte: „Jemand der nach okkulten Kräften strebt, ist wie einer, dem vom König ein Wunsch freigestellt wird, und der daraufhin um einen Kürbis bittet.“ Manche sind sogar der Ansicht, dass man auf dem spirituellen Weg nicht nur davon Abstand nehmen muss, nach spirituellen Kräften zu suchen, sondern auch davon, sie zu benützen, wenn man sie erlangt hat. Was diese Einstellung betrifft, schreibt Sri Aurobindo:
„Ich halte die Idee, dass Yogis bestimmte Kräfte nicht gebrauchen sollten (wie Geschehnisse aus der Ferne wahrzunehmen und in diese einzugreifen), für asketischen Aberglauben. Ich glaube, dass alle Yogis, die diese Kräfte haben, sie auch benützen, wann immer sie fühlen, dass sie innerlich dazu aufgefordert werden. Sie mögen sich zurückhalten, wenn sie denken, dass der Gebrauch in einem bestimmten Fall dem göttlichen Willen entgegensteht, oder wenn sie sehen, dass sie durch das Verhindern eines Übels die Tür für ein schlimmeres öffnen, oder aus irgendeinem anderen triftigen Grund, nicht jedoch wegen eines allgemeinen Verbots.
Was sich für jeden mit einer starken spirituellen Wahrnehmung jedoch verbietet, ist als Wundermacher aufzutreten, der außergewöhnliche Dinge um der Show willen ausführt, um berühmt zu werden oder zur materiellen Bereicherung oder aus Eitelkeit und Stolz.“ (Sri Aurobindo, Letters on Yoga, Centenary Library Band 22, S. 481)
Okkultismus im täglichen Leben
Sri Aurobindo definiert Okkultismus als
„Die Kenntnis der verborgenen Kräfte der Natur und ihr richtiger Gebrauch … – besonders der Kräfte der subtil-physischen und supraphysischen Ebenen.“ (Sri Aurobindo, Letters on Yoga, Centenary Library Band 22, S. 75)
Wie die Mutter ausführt, praktiziert jeder Okkultismus ohne es zu wissen, denn jeder gebraucht die Kraft der Gedanken und der Vorstellung, welche tatsächlich okkulte oder verborgene Kräfte sind, die sichtbare Wirkungen auf einen selbst und andere hervorbringen. Die Wirkungen, die wir durch unser gewöhnliches Denken und unsere Vorstellungskraft erzeugen, sind dürftig, verglichen mit dem, was sie sein könnten, wenn ihre Kraft durch Schulung entwickelt werden würde. Tatsächlich nehmen die meisten Menschen nicht einmal die Resultate wahr, die durch Gedanken und Imagination in unserem Körper und in unserem äußeren Leben hervorgerufen werden. Deswegen werden diese Kräfte oft in einer Weise gehandhabt, die schädlich für uns selbst und andere ist. Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Fähigkeiten unserer inneren Kräfte besteht darin, uns stärker bewusst zu machen, welche Kräfte wir schon besitzen und gebrauchen, und welche Wirkungen sie in unserem täglichen Leben hervorrufen, sodass wir lernen, mit ihnen bewusster und heilsamer umzugehen.
Innere und äußere Kräfte
Wir können Kraft aus äußeren Dingen oder aus unserem eigenen Wesen schöpfen. Die Kraft zur Bekämpfung von Krankheiten kann zum Beispiel vom Gebrauch äußerer Mittel wie Medikamente kommen oder von innen, aus der natürlichen Widerstandskraft unseres Körpers. Bis jetzt hat die Menschheit in ihrem Bemühen, immer mehr Macht zu erlangen, danach gestrebt, diese auf verschiedenen Gebieten, überwiegend durch äußere Mittel, wie technologische und wissenschaftliche Entwicklungen zu gewinnen. Der Entfaltung der Fähigkeiten in uns selbst wurde weit weniger Aufmerksamkeit gewidmet, sodass die innere Kraft an sich nicht nur hinter der äußeren zurückgeblieben, sondern in mancher Hinsicht sogar verkümmert ist.
Denn während in der Krankheitsbekämpfung mit äußeren Mitteln, wie stärkeren Arzneimitteln und verbesserter Technologie große Fortschritte erzielt wurden, gibt es eine zunehmende Verbreitung von Erkrankungen, die in Beziehung zum körpereigenen Immunsystem stehen, wie Krebs, Arthritis, AIDS und anderen, was auf eine Verschlechterung der körpereigenen Heilmechanismen hinweist.
Über die Verringerung der persönlichen Widerstandskraft als Folge der Zunahme der Technologie schreibt Joseph C. Pierce in seinem Buch, The Bond of Power (Dutton, 1981):
„Wir haben die technischen Erfindungen lange als Erweiterung unserer persönlichen Macht angesehen… In der Praxis jedoch unterminieren, untergraben, ja ersetzen sie unsere Fähigkeiten, die sie angeblich steigern und verbessern.“
Während wir zum Beispiel die Hilfe für unsere Sehkraft durch technische Mittel wie das Teleskop und das Mikroskop verstärkt haben, stellt Pierce fest, hat sich unsere eigene Sehkraft verschlechtert.
So waren um 1900 in Texas 12% der Kinder im Alter von acht Jahren kurzsichtig. 1962 waren im Alter von erst sechs Jahren fast 80 % der Kinder kurzsichtig.
Eines der Zeichen des beginnenden neuen Zeitalters – wie von Sri Aurobindo und anderen angedeutet – ist, dass mehr und mehr Menschen die Entwicklung von inneren Kräften verfolgen, was das Auftauchen der Bewegung: „Human Potential Movement“ zeigt, sowie Trainingskurse für die Steigerung der sinnlichen und paranormalen Fähigkeiten, und das Angebot von technischen Geräten zur Bewusstseinserweiterung, (das Innere von außen her zu entwickeln!), und auch die zunehmende Beliebtheit von Meditation und spirituellen Praktiken.
Dieses Buch wirft Licht auf die verschiedenen inneren Kräfte, die wir bereits besitzen und bewusst oder unbewusst gebrauchen, sowie auf latente Fähigkeiten in uns, die bisher mehr oder weniger unentwickelt sind.
Einige Passagen aus den Werken der Mutter bestehen aus Gesprächen mit Kindern aus dem Ashram, in denen sie im allgemeinen Fragen beantwortet, die ihr von den Kindern gestellt werden.
Die Abschnitte für dieses Buch sind so ausgewählt worden, dass es sowohl für den Durchschnittsleser wie auch für den spirituell Suchenden von Interesse sein kann.
A. S. DALAL
KAPITEL 1
LATENTE KRÄFTE DES BEWUSSTSEINS
Eine Entwicklung von latent vorhandenen und verborgenen, aber bisher unentwickelten Kräften des Bewusstseins wird vom modernen Intellekt nicht für möglich gehalten, denn diese übersteigen unsere gegenwärtige Auffassung von Natur. Unseren ignoranten, vorgefassten Meinungen, die auf einer begrenzten Erfahrung basieren, erscheinen diese Kräfte übernatürlich, unglaublich und okkult; denn sie übersteigen die bekannten Prozesse der materiellen Energie, welche normalerweise als einzige Ursache und Wirkungsweise aller Dinge anerkannt wird, und als das einzige Instrument der schöpferischen Weltkraft.
Dass der Mensch technische Wunder erschafft, indem er bewusst die materiellen Kräfte der Natur entdeckt und entwickelt, und sich in einem Maße zunutze macht, welches alles übersteigt, was die Natur selbst entwickelt hat, wird als natürliche Tatsache und als eine beinahe grenzenlose Entwicklungsaussicht unserer Existenz akzeptiert; jedoch das Erwachen, die Entdeckung, und die Anwendung von Kräften des Bewusstseins und von spirituellen, mentalen und vitalen Energien, die alles übersteigen, was der Mensch oder die Natur bisher entfaltet hat, wird als Möglichkeit nicht zugelassen.
Dabei wäre an solch einer Evolution der Kräfte des Bewusstseins nichts übernatürliches oder wunderbares, verglichen mit unserer Natur wäre sie höchstens insofern übernatürlich oder eine Übernatur, wie auch unsere menschliche Natur im Vergleich zur Natur von Tier, Pflanze und materiellen Objekten als übernatürlich erscheint.
Die Entwicklung des Verstandes und seiner Fähigkeiten, unser Gebrauch der Vernunft, unserer mentalen Intuition und Einsicht, unserer Sprache, von philosophischen, wissenschaftlichen und ästhetischen Erkenntnissen der Wahrheiten und des Potentials unseres Wesens und eine Beherrschung seiner Kräfte, gehören zu einer Evolution, die schon stattgefunden hat: und doch würde sie unmöglich erscheinen, wenn wir sie aus der Position eines begrenzten tierischen Bewusstseins und dessen Fähigkeiten als Möglichkeit erkennen sollten, denn es gibt aus dortiger Sicht nichts, was einen solch erstaunlichen Fortschritt begründen könnte.
Und doch gibt es unbestimmte erste Ansätze, rudimentäre Anlagen oder eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten im Tier, im Vergleich mit denen die außergewöhnliche Entfaltung unserer Vernunft und Intelligenz wie eine unvorstellbare Reise erscheint, die an einem wenig aussichtsreichen Ausgangspunkt begann. Ansätze von spirituellen Kräften, die zur gnostischen Supernatur gehören, sind in ähnlicher Weise auch in unserer normalen Veranlagung gelegentlich vorhanden, sie sind jedoch selten aktiv. Auf dieser viel höheren Stufe der Evolution ist es nicht irrational anzunehmen, dass ein ähnlicher, aber größerer Fortschritt, der von diesen rudimentären Anfängen ausgeht, zu einer weiterführenden, immensen Entwicklung und zu einem neuen Weg führen könnte.
Es ist in der mystischen Erfahrung bekannt, dass sich neue Kräfte des Bewusstseins entwickeln, indem sich die inneren Zentren (Chakras) öffnen, oder auch auf andere Weise, spontan oder durch Willenskraft oder durch Bemühungen oder einfach im Verlauf des spirituellen Wachstums. Diese Kräfte erscheinen als die automatische Konsequenz einer inneren Öffnung oder als Antwort auf eine innere Bitte im Wesen, und zwar so stark, dass es für notwendig empfunden wurde den Suchenden zu empfehlen, diesen Kräften nicht nachzujagen und sie nicht anzunehmen oder zu benutzen. Die Ablehnung dieser Kräfte ist logisch für diejenigen, die sich vom Leben zurückziehen, denn jedes Annehmen von größerer Macht würde sie an das Leben binden oder eine Last für den reinen inneren Drang nach spiritueller Befreiung darstellen.
Für denjenigen, der Gott um seiner selbst willen liebt und sucht, und nicht aus Machthunger oder wegen anderer niederer Anreize, ist es ganz natürlich, dass ihm alle anderen Ziele und Dinge des Lebens gleichgültig sind; das Streben nach diesen verführenden aber oft gefährlichen Kräften würde ein Abweichen von seinem Weg bedeuten. Für den unreifen Suchenden ist eine ähnliche Zurückweisung eine notwendige Selbstbeschränkung und spirituelle Disziplin, denn solche Kräfte können eine große, wenn nicht tödliche Gefahr darstellen, denn ihre über das Normale hinausragende Realität kann in ihm leicht eine anormale Übersteigerung des Egoismus nähren. Wer nach Vollkommenheit strebt, fürchtet vielleicht die Macht an sich als Verführung, denn Macht kann das Bewusstsein sowohl erniedrigen als auch erhöhen, nichts ist anfälliger für Missbrauch als Macht. Aber wenn sich neue Fähigkeiten als unvermeidliches Resultat des Hineinwachsens in ein größeres Bewusstsein und ein befreites Leben ergeben, und jenes Hineinwachsen Bestandteil des eigentlichen Ziels des spirituellen Wesens in uns ist, dann hat diese Zurückhaltung im Umgang mit den Kräften keine Gültigkeit, denn das innere Wesen kann sich in diese Supernatur nicht hinein entwickeln und dann in ihr leben und vollständig in ihr aufgehen, ohne eine größere Kraft des Bewusstseins und eine stärkere Lebenskraft mitzubringen, und ohne die spontane Entwicklung eines Instrumentariums von Wissen und Kraft, welches für diese Supernatur normal ist.
Nichts in dieser zukünftigen Entwicklung des menschlichen Wesens könnte als irrational oder unglaublich abgetan werden; es gibt darin nichts Anormales oder Übernatürliches: sie wäre der notwendige Verlauf der Evolution des Bewusstseins und seiner Kräfte im Übergang von dem mentalen zum gnostischen und supramentalen Ausdruck unserer Existenz.
Dieses Vorgehen der Kräfte der Supernatur wäre die natürliche, normale und spontan einfache Wirkungsweise des neuen höheren oder weiteren Bewusstseins, in die das Wesen im Laufe der Entwicklung seines Selbst eintritt; so würde das gnostische Wesen entstehen, das das gnostische Leben annimmt, und es würde die Kräfte dieses stärkeren Bewusstseins entwickeln und benützen, genauso wie der Mensch die Kräfte seines Verstandes entfaltet und gebraucht. (1)
SRI AUROBINDO

Jeder trägt zahllose Möglichkeiten in sich, die ihm nicht bewusst sind, und die sich nur entwickeln können, wenn man sie wissentlich hervorbringt… Es gibt aber zwei Arten von Fortschritt, nicht nur eine; das ist einmal der Fortschritt, der darin besteht, immer mehr Leistungsfähigkeiten, Möglichkeiten, Fertigkeiten und Qualitäten des Charakters zu perfektionieren – was gewöhnlich durch Erziehung erreicht wird; wenn man aber zusätzlich eine etwas grundlegendere Entwicklung verfolgt, die darin besteht, sich einer tieferen inneren Wahrheit zu nähern, kann man den Qualitäten, die man schon besitzt, neue hinzufügen die in unserem Wesen schlummern.
Man kann seine bestehenden Fähigkeiten vervielfältigen, erweitern und steigern, und plötzlich können sich auch neue Eigenschaften zeigen, von denen man gar nicht wusste, dass man sie hat. Ich habe euch das ja schon einige Male erklärt. Wenn man das psychisches Wesen in sich entdeckt ist man zu Dingen fähig, die man vorher überhaupt nicht tun konnte und von denen man dachte, dass sie nicht in der eigenen Natur liegen. Das habe ich an zahlreichen Beispielen erlebt. Ich habe euch dieses schon erzählt, aber ich wiederhole die Geschichte noch einmal, um mich verständlich zu machen.
Ich kannte ein junges Mädchen, das in eine sehr einfache Umgebung hinein geboren wurde, sie erhielt keine gute Ausbildung und drückte sich eher plump in Französisch aus, ihre Vorstellungskraft war unentwickelt, und sie hatte nicht das geringste literarische Verständnis. Sie schien überhaupt nicht über solche Möglichkeiten zu verfügen. Nun, wenn sie durch ihre inneren Erfahrungen mit ihrem psychischen Wesen in Berührung kam, und solange dieser Kontakt lebendig und gegenwärtig war, schrieb sie bewundernswerte Dinge. Wenn sie aus diesem Zustand in den gewöhnlichen zurück fiel, konnte sie nicht einmal zwei Sätze richtig zusammenbringen. Ich sah beide Arten ihrer Aufsätze.
In jedem von uns steckt ein Genie – wir wissen es nur nicht. Aber es ist da und schläft, und möchte sich zeigen, und wir müssen ihm die Tür dazu öffnen, und die Methode finden, um es hervorzubringen. (2)
DIE MUTTER

Manchmal gibt es latente Kräfte in uns, die uns nicht bewusst sind.
Der Bereich unserer Sinneswahrnehmungen hat eine absolut lächerliche Begrenzung; doch im Geist, wenn du an eine Person denkst oder an eine Stadt oder an einen Ort, bist du sofort unverzüglich dort, weißt du. Du befindest dich mit deinem Geist wirklich dort, du bildest dir das nicht nur ein, und dein Kontakt durch Gedanken kann so präzise sein, dass du eine Unterhaltung mit der Person führen kannst, vorausgesetzt, dass diese Person einigermaßen empfänglich ist. Das passiert andauernd, andauernd. Nur musst du natürlich etwas darüber wissen, sonst verstehst du nicht einmal, was geschieht.
Sogar physisch ist die Begrenzung der Wahrnehmung dieser Augen dieser Nase, dieser Finger, dieses Mundes, dieser Ohren, so lächerlich!
Man kann ihre Wahrnehmungsfähigkeit jedoch entwickeln, wenn man möchte. Zum Beispiel kann es gelingen, nur mit den physischen Sinnesorganen etwas zu hören, was in einer so großen Entfernung stattfindet, dass man es normalerweise nicht mehr hören kann, wenn man seine Sinnesorgane beherrscht und fähig ist, ihren Schwingungsbereich auszudehnen. Man kann auch mit physischen Augen sehen, was sich in der Ferne abspielt, ohne die okkulte Sehkraft einzuschalten.
Man kann es fertig bringen sein Sehvermögen zu erweitern, und wenn man es versteht, die Schwingung seiner Nerven bis außerhalb der Sichtweite der Augen zu verlängern, kann die Verbindung bis zu – ich würde nicht sagen etliche Kilometer weit weg – nein – aber innerhalb eines bestimmten Bereiches ausgedehnt werden, sagen wir, zum Beispiel, durch eine Wand hindurch, was als etwas Unmögliches betrachtet wird. Man kann dann sehen, was in einem Raum geschieht, der von einem anderen durch eine Wand getrennt ist. Aber dafür sind sehr methodische Übungen nötig. Trotzdem ist es möglich auf diese Weise zu sehen, zu fühlen und zu hören. Wenn man sich Mühe gibt, kann man sein Blickfeld beträchtlich erweitern. Aber es erfordert Arbeit, Ausdauer und eine Art beharrlicher Anstrengung. Warum auch nicht, es wurde sogar herausgefunden, dass man im Körper andere visuelle Zentren als das Auge entwickeln kann. Das wurde mit Leuten erprobt, die aus dem einen oder anderen Grund ihr Sehvermögen verloren haben. Man kann durch andauernde methodische Anstrengung anstatt der Augen dann eins oder mehrere andere Sehzentren im Körper entwickeln, um sehen zu können. Jules Romain hat darüber ein Buch geschrieben. Er führte selbst Experimente damit durch und erhielt sehr überzeugende Resultate.
Das bedeutet, dass wir über eine Anzahl von Möglichkeiten verfügen, die wir in uns schlafen lassen, weil wir uns nicht darum bemühen, sie besonders zu entwickeln. Wir können unendlich viel mehr als wir tatsächlich meinen. Aber wir nehmen die Dinge so hin, wie sie sind. (3)
DIE MUTTER

Um eine Aufgabe zu bewältigen, wie kann man wissen, ob man dazu fähig ist oder nicht?
Wie kann man wissen, ob man dazu fähig ist oder nicht!
Durch Probieren! Das ist das Beste. Und wenn du nicht sofort Erfolg damit hast, dann halte durch. Du musst wissen, dass wenn du einen starken Drang, einen sehr starken Drang spürst, etwas Bestimmtes zu machen, dann bedeutet es, dass diese Arbeit etwas mit dir zu tun hat, und dass du auch dazu fähig bist, sie zu tun. Aber man kann auch Kräfte besitzen, die anfangs so gut in einem selbst versteckt sind, dass man zuerst lange graben muss, um sie zu finden.
Deswegen musst du nicht gleich beim ersten Rückschlag entmutigt werden, sondern weitermachen. (4)
DIE MUTTER

KAPITEL 2
DIE MACHT DER GEDANKEN
Gedanken – lebendige und bewusste Formationen
Gedanken sind Formen, die ein individuelles, von ihrem Verursacher unabhängiges Leben entwickeln: einmal von ihm in die Welt gesetzt, bewegt sich ihre Energie auf die Erfüllung ihrer eigenen Absicht zu.
Wenn du an jemanden denkst, nimmt dein Gedanke eine bestimmte Form an, und macht sich auf den Weg um diese Person zu finden; und wenn dein Gedanke mit Willenskraft verbunden ist, die dahinter steht, versucht diese Gedankenformation die du ausgesendet hast, sich zu verwirklichen. Sagen wir einmal zum Beispiel, du hast einen heftigen Wunsch, dass eine bestimmte Person zu dir kommen soll, und dass zusammen mit diesem vitalen Impuls deines Wunsches eine starke Vorstellung deine gedankliche Formation begleitet; du stellst dir vor: „Wenn diese Person zu mir käme, würde bei unserem Treffen wahrscheinlich dies oder das passieren.“
Nach einer Weile lässt du die Idee jedoch gänzlich fallen, und du ahnst nicht, dass dein Gedanke weiterhin existiert, selbst wenn du ihn schon vergessen hast. Aber er besteht trotzdem immer noch fort und ist in Aktion, unabhängig von dir, und es würde nur mit großem Kraftaufwand gelingen, ihn von seiner Aufgabe zurückzuholen.
Er übt innerhalb der Atmosphäre der Person, an die du gedacht hast seinen Einfluss aus, und erweckt in ihr den Wunsch, zu dir zu kommen. Und wenn deine Gedankenformation mit genügend Willenskraft ausgerüstet ist, das heißt, wenn du eine gut konstruierte Formation gemacht hast, wird sie ihre eigene Verwirklichung auch erreichen.
Aber zwischen der ursprünglichen Gedankenbildung und ihrer Verwirklichung liegt eine gewisse Zeitspanne, und wenn während dieses Intervalls dein Denken mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist, und es dann später zur Erfüllung deines vergessenen Gedankens kommt, kann es sein, dass du dich nicht einmal daran erinnern kannst, dass du den Gedanken früher einmal gehegt hast, und später weißt du nicht einmal mehr, dass du selbst der Initiator der Ereignisse warst, die jetzt eintreten, und dass du sie selbst verursacht hast. Es geschieht auch sehr oft, dass du inzwischen aufgehört hast dir das bestimmte Ereignis zu wünschen oder, dass du es gar nicht mehr willst, wenn es sich dann einstellt.
Es gibt Menschen mit einer sehr starken formbildenden Kraft dieser Art, und ihre Gedankengebilde werden gewöhnlich auch immer verwirklicht; aber weil ihr vitales und mentales Wesen nicht sehr diszipliniert ist, wollen sie einmal die eine Sache und dann wieder eine andere, und diese unterschiedlichen oder gegensätzlichen Formationen und deren Ergebnisse kollidieren, und stehen im Widerspruch zueinander.
Diese Leute wundern sich dann, wie es dazu kommt, dass sie in so großer Konfusion und Disharmonie leben! Sie machen sich nicht klar, dass es ihre eigenen Gedanken und Wünsche waren, die die Umstände um sie herum geschaffen haben, die ihnen so unzusammenhängend und widersprüchlich vorkommen, und ihr Leben fast unerträglich machen. (5)
DIE MUTTER

Du kannst nicht konzentriert an etwas denken, ohne dass der Gedanke daran eine bestimmte Form annimmt. Wenn du jedoch glaubst, dass diese Form materiell ist, ist das ein Fehler, tatsächlich existiert diese Formation auf der Ebene der Gedanken. (6)
DIE MUTTER

Wenn du einen Gedanken hast, eine gut gemachte gedankliche Formation, die du aussendest, führt diese ein unabhängiges Dasein, und verfolgt ihren eigenen Weg um das, was gedacht wurde, in die Tat umzusetzen. Sie verfolgt unabhängig von dir ihr Ziel.
Deswegen musst du auf der Hut sein mit dem, was du denkst. Denn wenn du eine solche Gedankenformation gestaltet hast, und sie dich verlassen hat, ist sie dabei ihre Arbeit zu tun, und wenn du dann nach einer Weile die Erkenntnis hast, dass dieser Einfall den du hattest, vielleicht nicht ganz so glücklich, und die damit verbundene Absicht nicht sehr positiv ist, wird es später sehr schwierig für dich, diese Gedankenformation wieder zu fassen zu bekommen.
Um das zu erreichen, bräuchtest du beachtliches okkultes Wissen. Denn der Gedanke hat dich bereits verlassen und ist unterwegs… Nehmen wir an, dass du in einem Moment voller Ärger dachtest – damit meine ich nicht, dass du es absichtlich machst – aber trotzdem sagtest du dir in einem Moment, in dem du eine sehr starke Wut auf jemanden hattest: „Ach, würde dieser Person doch irgendein Unglück zustoßen!“ Deine Gedankenformation hat sich daraufhin auf den Weg gemacht. Sie ist unterwegs, und du hast keine Kontrolle mehr über sie. Sie macht sich daran, irgendein Unglück herbeizuführen: sie verrichtet ihre Arbeit. Nach einer Weile geschieht der Person dann auch wirklich ein Unglück. Glücklicherweise hast du normalerweise nicht genügend Verständnis um zu erkennen: „Oh, ich bin verantwortlich dafür, weil ich das gewünscht habe“, aber das ist die Wahrheit.
Beachtet, dass diese Kraft der Gedankenbildung von großem Vorteil ist, wenn man sie zu gebrauchen weiß. Du kannst nämlich gute gedankliche Formationen machen, und wenn du diese richtig gestaltest, werden sie genauso viel Gutes bewirken, wie die negativen Gedanken Schlechtes verursachen. Du kannst eine Menge Gutes für andere Menschen tun, indem du einfach nur still in deinem Zimmer sitzt, vielleicht mehr Gutes, als wenn du dir äußerlich sehr viel Sorgen um sie machst. Wenn du es verstehst, konzentriert zu denken, das heißt, mit Energie und Intelligenz und Güte, und wenn du jemanden liebst, und ihm aufrichtig das Beste wünschst, ganz tief mit deinem ganzen Herzen, dann tut ihm das sehr gut, bestimmt viel mehr, als du denkst.
Ich habe es schon oft gesagt; wenn zum Beispiel, diejenigen, die entfernt von ihrer Familie hier im Ashram leben, erfahren, dass jemand in ihrer Familie sehr krank ist, den kindischen Impuls fühlen, sofort dorthin zu rennen um die kranke Person zu pflegen, kann ich denen sagen – wenn es nicht gerade ein außergewöhnlicher Fall ist, in dem niemand da ist, um die Person zu versorgen (und manchmal sogar in so einem Fall) – dann wirst du dieser kranken Person sehr viel mehr Gutes tun, wenn du es verstehst, die richtige Einstellung zu behalten, und dich mit Zuneigung und gutem Willen auf sie zu konzentrieren, für sie zu beten und hilfreiche Formationen zu machen, als wenn du sie besuchst um dich um sie zu kümmern, vielleicht um sie zu füttern, und ihr beim Waschen zu helfen, denn das kann tatsächlich jeder andere tun. Jeder Beliebige kann eine Person pflegen. Aber nicht jeder kann gute Formationen machen und Kräfte aussenden die heilen. (7)
DIE MUTTER

Was immer auch ein Feind einem Feind antut, was immer auch jemand der hasserfüllt ist, einem anderen Hassenden antun kann, der Schaden, der von einem fehlgeleiteten Verstand verursacht wird, ist sehr viel größer. (Dhammapada)
Ein unkontrollierter, übler Gedanke, der Schlechtes auf jemanden richtet, fügt mehr Schaden zu, als ein Feind einem Feind, oder ein Hassender einem anderen, der ihn ebenso hasst. Das heißt, selbst diejenigen, die die besten Absichten in der Welt haben, werden sich selbst und denen die sie lieben mehr Böses antun, als ein Feind seinem Feind oder ein Hassender einem anderen Hassenden, wenn sie keine weise Kontrolle über ihre Gedanken haben. (8)
DIE MUTTER

Man ist von dem umgeben, woran man denkt. Du verstehst sehr gut, was das bedeutet? (Sie wendet sich an ein Kind). Jedes Mal wenn du an etwas denkst, ist es, als ob du einen Magneten in der Hand hieltest, und die Sache, an die du denkst damit an dich ziehen würdest – verstehst du.
Nun gibt es zum Beispiel Menschen, die haben die sehr schlechte Angewohnheit, ständig an alle möglichen Katastrophen zu denken, und sie befinden sich in einer Art konstanter Befürchtung vor irgendeinem Unglück, das ihnen im nächsten Moment zustoßen könnte. Ich kenne viele, die so denken, einige von ihnen sind hier (in der Gesprächsrunde) anwesend. Es ist so, als ob diese Leute einen Magneten in ihren Händen hielten und damit Katastrophen anziehen würden, nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere. Dafür tragen sie eine große Verantwortung. Denn wenn man schon nicht damit aufhören kann, unaufhörlich an etwas zu denken – manche Menschen sind im Kopf ununterbrochen beschäftigt, und sie wissen nicht wie sie das beenden können – gut, wenn sie es nicht können – ist es dann nicht besser, in positiven Gedankengängen weiter zu denken als in Befürchtungen!
Wenn es in deinem Kopf einmal anfängt zu rasen, lass ihn sich doch statt mit Befürchtungen, lieber mit all den guten Sachen beschäftigen die passieren können. Wenn dein Kopf schon nicht anders kann, als zu rotieren, gut, dann dreh dein Denken doch einfach herum, und richte es auf positive Dinge! Das heißt, wenn jemand zum Beispiel krank ist, an statt zu sagen: „Was wird nur mit ihm passieren, vielleicht ist es ja etwas Ernstes, und vielleicht ist es ja eine schlimme Krankheit, die er hat … und ein Unglück kann ja so schnell passieren“, anstatt all das zu denken, denk doch besser, wenn jemand krank wird: „Oh! Das ist nicht weiter schlimm, denn Krankheiten sind äußere Täuschungen, die gewisse tiefere Schwingungen übertragen. Man spricht nicht darüber, weil man sie nicht sieht, aber so ist es. Diese Schwingungen, die auf einer tieferen Ebene in der Persönlichkeit liegen, können durch die Krankheit auftauchen, und das in Ordnung bringen, was gestört war. Das gestörte Gleichgewicht, diese Krankheit oder unangenehme Sache, die da entstanden ist, wird dann von der Gnade absorbiert, und sie wird verschwinden, keine Spur wird davon zurückbleiben, außer angenehmen und erfreulichen Gefühlen.“ Man kann ununterbrochen fortfahren auf diese Weise zu denken … Menschen brauchen das, sie haben immer das Bedürfnis, dass ihnen ständig Gedanken im Kopf herumgehen, dass ihr Denken ununterbrochen beschäftigt ist, sie müssen ihre Gedanken immer im Kopf herum schweifen lassen. Gut, aber dann habt doch besser die richtigen Gedankengänge, ihr werdet sehen, dass es einen positiven Effekt hat.
Denkt doch zum Beispiel so: Es soll so sein, dass ich besser und besser lernen werde, besser und besser verstehen werde, dass ich gesünder und gesünder werde. Alle Schwierigkeiten werden verschwinden, bösartige Leute werden gut und liebevoll werden, kranke Menschen werden geheilt werden, Häuser, die man braucht, werden gebaut werden, und die schlechten Dinge die verschwinden sollen, werden verschwinden, und Platz machen für bessere Dinge, die Welt wird sich in einer andauernden Verbesserung weiterbewegen, und am Ende dieses Fortschritts wird sich vollkommene Harmonie ausbreiten, und so weiter, denkt doch mal auf diese Weise…
Du kannst endlos damit weitermachen, an Befürchtungen zu denken. Aber dann werden sich um dich selbst, und um deinen Kopf herum alle möglichen hübschen Dinge zeigen. Diejenigen, die die feinstoffliche Atmosphäre wahrnehmen, können dort, um den Kopf herum, gewisse Gedankenformationen als Tintenflecken sehen, wie Kraken mit Fangarmen, die versuchen, deinen Geist in Aufruhr zu versetzen, ja, genauso. Stattdessen wird man dann, wenn jemand positiv denkt, glückliche Gedankenformationen sehen, Gebilde von Licht, oder Strahlen von Sonnenlicht, oder vielleicht auch schöne Bilder, all so etwas.
Man wird dann wundervolle Dinge um dich herum sehen – es gibt Maler die das so malen, und sie fangen dabei immer Gedanken auf. (9)
DIE MUTTER

Das menschliche Denken ist in der mentalen Welt sehr kreativ. Die ganze Zeit, während du denkst, schaffst du Gedankenformen und sendest sie aus in die Atmosphäre, und sie machen sich dort an die Arbeit. Fortwährend bist du von einer Anhäufung kleinster Gedankenformationen umgeben. Natürlich gibt es auch Menschen, die nicht mal klar denken können. Deshalb gestalten diese überhaupt nichts, außer blassen Wirbelstrudeln.
Aber Menschen, die klar denken, sind von einer Ansammlung kleiner Gedankenformen umgeben, die manchmal hinausgehen und in anderen Menschen eine Aufgabe verrichten; und wenn man dann wieder daran denkt, kommen diese Gedankenformationen zu einem zurück.
Es gibt auch Beispiele von Menschen, die durch ihre eigenen Gedankengebilde gestört werden. Denn diese Gedankenformationen kommen andauernd zu ihnen zurück, als ob sie von ihnen Besitz ergreifen wollten, und diese Menschen können sie nicht loswerden, denn sie wissen nicht, wie sie die Gedankenformen, die sie gemacht haben, rückgängig machen können. Es gibt mehr Fälle dieser Art, als man denken möchte.
Wenn sie eine besonders starke Formation im Denken gemacht haben – für sich selbst, versteht ihr, dann ist diese Gedankenformation immer an denjenigen gebunden, der sie gemacht hat, und sie kehrt zu ihm zurück, um an sein Hirn zu klopfen und neue Energien zu erhalten, und endet letztlich als eine zwingende Notwendigkeit, den Gedanken in die Tat umsetzen zu müssen.
Das Mentale ist eine ganze Welt, die es zu verstehen gilt; man lebt wirklich in Ignoranz, man hat Kräfte, von denen man nichts weiß, deswegen macht man schlechten Gebrauch davon. Man benutzt diese Kräfte halb unbewusst, und deshalb unzulänglich.
Ich weiß nicht, ob ihr jemals von Madame David-Neel gehört habt, die nach Tibet ging und ein Buch darüber schrieb, sie war eine Buddhistin, und Buddhisten – Buddhisten der strengsten Tradition – glauben nicht an das Göttliche, sie glauben nicht an die Unsterblichkeit und glauben nicht an Götter, die wirklich göttlich sind, aber sie verstehen bewundernswert, wie die mentale Domäne, die Ebene der Gedanken, zu gebrauchen ist; buddhistische Disziplin macht aus dir einen guten Meister der mentalen Instrumente und des geistigen Bereichs.
Madame David-Neel und ich diskutierten über viele Dinge, und eines Tages sagte sie zu mir: „Hör mal, ich habe einen Versuch durchgeführt.“ (Sie hatte auch ein wenig Theosophie studiert.) Sie sagte: „Ich habe einen Mahatma gemacht; ich habe mit meinen Gedanken einen Mahatma geformt.“ Sie wusste, (das ist bewiesen), dass in einem bestimmten Moment Gedankenformationen ein persönliches Leben erhalten, unabhängig von ihrem Schöpfer – obwohl sie mit ihm verbunden bleiben – unabhängig in dem Sinn, dass sie ihren eigenen Willen haben können. Und so sagte sie mir: „Stell dir vor, ich habe meinen Mahatma so gut gemacht, dass er zu einer von mir unabhängigen Persönlichkeit wurde, und dauernd zu mir kam, um mich zu belästigen! Er suchte mich zum Beispiel auf, um mich für eine Sache auszuschimpfen, oder mir in einer anderen Rat zu geben, und wollte mein Leben bestimmen; und ich konnte ihn nicht erfolgreich loswerden. Es war extrem schwierig, und ich wusste nicht was ich tun sollte.“
Also fragte ich sie, wie sie es versucht hätte, ihn loszuwerden. Sie erklärte es mir. Sie sagte: „Er stört mich aber weiterhin sehr stark, mein Mahatma ist sehr lästig. Er lässt mich immer noch nicht in Ruhe. Er stört meine Meditationen, er hindert mich am Arbeiten, und doch weiß ich sehr gut, dass ich selbst ihn gemacht habe, aber ich kann ihn nicht loswerden!“ Dann erwiderte ich: „Das ist deshalb so, weil du den „Trick“ nicht kennst…“ (Mutter lacht), und ich erklärte ihr, was sie tun soll. Am nächsten Tag – in diesen Tagen sah ich sie beinahe täglich, wisst ihr – am nächsten Tag kam sie und sagte: „Ah, ich bin befreit von meinem Mahatma!“ (Gelächter) Sie hatte die Verbindung nicht abgeschnitten, denn das nützt auch nichts. Man muss wissen, wie man seine eigene Schöpfung wieder absorbiert, das ist der einzige Weg. Man muss die eigenen Formationen wieder verschlucken.
Seht ihr, eigentlich macht man in kleinerem Ausmaß und weniger perfekt, die ganze Zeit Formationen.
Wenn man, zum Beispiel, sehr stark an jemanden denkt, entsteht eine kleine Ausstrahlung von mentaler Substanz, die sofort unverzüglich zu dieser Person geht, verstehst du, eine Schwingung deines Gedankens strömt aus und berührt seine Gedanken; und wenn diese Person empfänglich ist, kann sie dich sogar sehen.
Wenn sie dich sieht, sagt sie dir vielleicht: „Letzte Nacht bist du zu mir gekommen um mich zu sehen,“ und das passiert, weil du eine kleine gedankliche Formation gemacht hast, und diese Gedankenformation hat sich an die Arbeit gemacht, die darin bestand, zu dieser Person einen Kontakt herzustellen oder ihr eine Nachricht zu überbringen, wenn du ihr etwas Besonderes mitzuteilen hattest, und das wurde ausgeführt. Das geschieht oft, aber da es ein sehr spontanes Phänomen ist, das andauernd stattfindet, und da es in Unwissenheit geschieht, bemerkt man noch nicht einmal, dass man es macht, man macht es sozusagen automatisch. Menschen, die Wünsche haben, fügen der mentalen Formation eine Art kleinen Briefumschlag hinzu, eine Art Kapsel, die Vitalität enthält, welche dem Wunsch eine noch größere Wirksamkeit verleiht. Diese Menschen sind gewöhnlich von einer Anzahl winziger mentaler Wesen umgeben, die sie selbst geschaffen haben, es sind ihre eigenen mentalen Formationen, die in vitale Kraft gekleidet sind, und diese kommen ständig zu ihnen zurück um sie anzustoßen, und sie dazu zu bringen, die Formationen, die sie gemacht haben, in die Tat umzusetzen.
Vielleicht habt ihr die Bücher von Maurice Magre gelesen; es gibt einige davon in der Bücherei.
Er beschreibt das Phänomen. Er war nach Pondicherry gekommen, und er erzählte mir – er war hochsensibel – dass ihm oft aufgefallen sei, dass Menschen mit sexuellen Wünschen von einer Art kleinem Schwarm von Wesen umgeben sind, die etwas klebrig und hässlich sind, und dass diese Wesen sie andauernd quälen und sexuelle Wünsche in ihnen wecken. Er sagte, dass er das Phänomen um gewisse Leute herum gesehen hätte. Es wäre so, als sei man von einem Schwarm Moskitos umgeben, ja! Aber dieser Schwarm ist gröber und auch viel hässlicher, und er ist klebrig, es ist scheußlich, er dreht sich und dreht sich um die Person, und lässt ihr keine Ruhe, und erweckt in der Person genau die Wünsche, aus denen diese Wesen entstanden sind, und sie nähren sich davon.
Diese Wünsche sind ihre Nahrung. Das ist absolut wahr. Es ist wirklich so.
Aber jeder Mensch trägt um sich herum die Atmosphäre seiner eigenen Wünsche. Es ist also gar nicht erforderlich, dass Leute dir irgendwas erzählen; du brauchst nur hinzuschauen, und du erkennst um sie herum genau den Zustand in dem sie sich befinden. Sie mögen sich wie Engel oder Heilige geben, aber sie können dich nicht täuschen, denn das Ding da, der Schwarm, dreht sich um sie herum! So stellt Euch das nur vor! (Mutter zeigt auf alle die vor ihr sitzen). Ihr könnt sehen, woraus ihr besteht, viele von Euch dort und alle von Euch, hier, – jeder hat auf diese Weise genauso seine eigene kleine Welt von mentalen Formationen um sich herum, die in vitale Hüllen gekleidet sind, und sie alle kriechen zusammen, mischen sich untereinander, oder stoßen zusammen. Das ist ihr Kampf um zu beweisen, wer der Stärkste ist, und sich Ausdruck verschaffen kann, und all das zusammen schafft vielleicht eine Atmosphäre!… (10)
DIE MUTTER

Okkultismus der Gedanken
Jeder Mensch praktiziert Okkultismus, ohne zu wissen, dass er es macht. Jeder besitzt diese Kraft ganz spontan, man weiß aber nicht, dass man sie besitzt. Diese Kraft mag sehr klein sein, wie ein Stecknadelkopf; oder sie mag so weitreichend sein wie die Erde oder sogar das Universum, aber man kann nicht leben, ohne Okkultismus zu praktizieren, nur dass man eben nichts davon weiß… Wenn ihr denkt – ich weiß nicht, wie oft ich euch das schon erklärt habe – wenn ihr denkt, praktiziert ihr Okkultismus. Nur wisst ihr es nicht. Wenn du an jemanden denkst, ist ein Teil von dir automatisch in Kontakt mit dieser Person, und wenn deinem Gedanken der Wille hinzugefügt wird, dass diese Person sich so oder so verhalten soll, oder dies oder das tun soll, oder dies oder das verstehen soll – was auch immer das sein mag – nun, dann praktizierst du Okkultismus, nur weißt du es nicht. Es gibt Menschen, die machen das mit viel Energie, und wenn sie einen starken Gedanken haben, manifestiert er sich entsprechend und wird in die Tat umgesetzt. Dann gibt es auch Menschen, in denen die Denkprozesse sehr matt und kraftlos sind, und sie erhalten auch keine guten Ergebnisse. Der Erfolg hängt von der Stärke eurer Gedanken und auch von Eurer Konzentrationskraft ab. Aber jeder praktiziert diese Art von Okkultismus, sogar ohne es zu wissen. Also, der Unterschied zu jemand, der tatsächlich Okkultismus ausübt, ist der, dass dieser weiß, dass er es macht und vielleicht auch die Art und Weise versteht, wie er es durchführt. (11)
DIE MUTTER

Geschriebene Frage an die Mutter: „Ist es möglich, jemandem der in Schwierigkeiten oder Gefahr ist, aus der Ferne zu helfen oder ihn zu schützen, ohne bewusste okkulte Kräfte zu besitzen? Wenn ja, was ist die praktische Durchführung?“
Dann, als Nebenfrage: „Was können Gedanken bewirken?“
Wir werden das, worüber wir reden überhaupt nicht okkulte Vorgänge nennen, obwohl, ehrlich gesagt, alles, was sich in der unsichtbaren Welt abspielt, okkult ist, verborgen, wie der Name schon sagt. Es gibt zwei Prozesse, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen, und die je nach Bevorzugung getrennt voneinander angewendet werden können.
Es ist klar, dass das Denken einen Teil dieser Methoden ausmacht, einen sehr wichtigen. Ich habe euch ja schon einige Male gesagt, dass man eine mentale Formation erzeugt, wenn man sehr klar und kraftvoll denkt, und dass jede mentale Gedankenformation unabhängig von ihrem Erzeuger eine Existenz mit einem eigenen Leben führt, das darauf ausgerichtet ist, sich in der mentalen Welt zu verwirklichen. Damit meine ich nicht, dass du deine mentale Gedankenformation mit physischen Augen sehen kannst, sondern dass sie in der mentalen Welt existiert, und dort ihr eigenes, besonderes, unabhängiges Dasein führt. Wenn du deine gedankliche Formation mit einer ganz bestimmten Absicht gemacht hast, wird ihre gesamte Energie auf die Verwirklichung dieses Ziels hinarbeiten. Deswegen, wenn du jemandem aus der Ferne helfen willst, musst du nur sehr klar, sehr präzise und sehr kraftvoll die Art der Hilfe formulieren, die du geben möchtest, und das Resultat, das du erreichen willst. Das wird eine Wirkung zeigen. Ich kann nicht sagen, dass diese Wirkung allmächtig sein wird, denn die mentale Welt ist voll unzähliger Formationen dieser Art, und die geraten natürlich aneinander und widersprechen sich, deswegen werden die stärksten und ausdauerndsten sich durchsetzen.
Nun, was ist es, das den gedanklichen Formationen Stärke und Ausdauer verleiht? – Es ist Emotion und Wille. Wenn du es verstehst, deiner mentalen Formation ein Gefühl wie Zuneigung, Zärtlichkeit, Liebe und eine Intensität deines Willens, eine Dynamik hinzuzufügen, wird sie eine viel größere Chance des Erfolges haben. Das ist die erste Methode. Sie liegt in Reichweite all derer, die zu denken verstehen, und noch mehr von denjenigen, die wissen, wie man liebt. Aber wie ich schon sagte, die Macht dieser Methode ist begrenzt, und es existiert ein starker Wettbewerb in dieser mentalen Welt.
Deswegen, selbst wenn man überhaupt nichts darüber weiß, jedoch Vertrauen in die göttliche Gnade besitzt, wenn man den Glauben hat, dass es in der Welt etwas wie die göttliche Gnade gibt, und dass dieses Etwas eine Bitte, ein inneres Sehnen, einen Anruf beantworten kann, und wenn man dann seine mentale Formation dieser Gnade überlässt und sein Vertrauen hineinlegt, und sie bittet, einzugreifen, mit dem Vertrauen, dass sie auch eingreifen wird, dann hat man tatsächlich eine Chance, damit Erfolg zu haben.
Versuche es, und du wirst bestimmt ein Resultat sehen. (12)
DIE MUTTER

Die Macht der Gedanken in der Kommunikation
Die ideale Bedingung – die schon teilweise von einigen Menschen verwirklicht wurde – ist die, eine grundlegende Idee, und eigentlich noch etwas Höheres als die Idee, nämlich den Zustand des Bewusstseins, des Wissens, der Wahrnehmung, direkt durch die ihr eigene Schwingung zu übermitteln.
Wenn du denkst, vibriert deine mentale Substanz in gewisser Weise in Übereinstimmung mit der Form, die dein Bewusstsein deinen Gedanken verleiht, und es ist diese Schwingung, die vom Verstand der anderen Person empfangen werden kann, wenn sie gut darauf eingestimmt ist. Worte dienen tatsächlich nur dazu, die Aufmerksamkeit des Bewusstseins, oder des Zentrums des Bewusstseins eines anderen anzuziehen, sodass es für deren Vibration empfänglich wird und sie aufnehmen kann.
Aber wenn das Bewusstsein nicht über diese Kapazität verfügt aufmerksam zu sein, und sie einigermaßen in Ruhe zu empfangen, kannst du jede Menge Worte auf so ein Bewusstsein verwenden, ohne dich im Geringsten verständlich machen zu können. Und dann kommt eine Zeit, wenn das Gehirn, welches ununterbrochen damit beschäftigt ist, bestimmte Vibrationen auszusenden, nur noch Schwingungen empfangen kann, die sehr klar und präzise sind, anderes, unpräzises Denken empfängt es dann als eine Art vage Mischung von etwas Konfusem, Ungenauem, das den Eindruck von einer wolkigen, wolligen Gedankenmasse hinterlässt, die keine wirkliche Idee formulieren kann. Obwohl man spricht, und der Klang der Sprache klar gehört wird, übermittelt der Klang an sich nichts, denn was verstanden wird, ist nicht eine Frage des Klanges, sondern der Genauigkeit der Gedankenschwingung.
Wenn du deine Gedanken in einer sehr präzisen Weise aussenden kannst, wenn das etwas Lebendiges und Bewusstes ist, was von deinem Bewusstsein ausgeht, um auf das Bewusstsein eines anderen Menschen zu treffen, wenn du sozusagen, weißt, was du sagen willst, dann kommt es dort auch mit der gleichen Genauigkeit an, und erweckt eine übereinstimmende Schwingung, und mit der übereinstimmenden Schwingung entsteht der übereinstimmende Gedanke, die übereinstimmende Idee oder der übereinstimmende Bewusstseinszustand, und ihr versteht euch gegenseitig; aber wenn das, was ausgesendet wird, wollig und ungenau ist, und du nicht genau weißt, was du sagen willst, wenn du selbst noch versuchst, zu verstehen, was du sagen willst, und wenn auf der anderen Seite die Aufmerksamkeit des Zuhörers nicht genügend vorhanden ist, oder wenn er in Gedanken irgendwo anders beschäftigt ist, dann könnt ihr euch zwar stundenlang unterhalten, werdet euch aber nicht verstehen.
Das passiert tatsächlich sehr oft. Wenn du fähig bist, im Bewusstsein der anderen das Ergebnis dessen zu sehen was du versucht hast zu übermitteln, gibt es dir immer das Gefühl von … weißt du, was Zerrspiegel sind? Habt ihr noch nie Spiegel gesehen, die das Spiegelbild verzerren? Das sind Spiegel, die dich größer oder dicker erscheinen lassen, die einen Körperteil vergrößern und einen anderen verkleinern, sodass du einer grotesken Karikatur deiner selbst gegenüberstehst – also das ist genau was hier passiert: im Bewusstsein des anderen hast du vor dir eine völlig groteske Karikatur von dem was du gesagt hast. Die Leute bilden sich ein, dass sie einander verstanden haben, weil sie den Klang der Worte gehört haben, aber sie haben nicht wirklich miteinander kommuniziert.
Deshalb, wenn du nur die leiseste Wirkung mit deiner mentalen Substanz erzielen willst, musst du als Erstes lernen klar zu denken, und zwar nicht einen verbalen Gedanken, der von Worten abhängig ist, sondern einen Gedanken, der ohne Worte auskommen kann, der in sich selbst ohne Worte verstanden werden kann, der mit einer Tatsache übereinstimmt, der Tatsache eines Bewusstseinszustandes oder der Tatsache von Wissen. Versuche einfach mal ohne Worte zu denken, und du wirst sehen, wo du stehst.
Habt ihr das nie versucht? Nun, dann probiert es mal.
Wenn du ein absolut klares und präzises Verständnis von dem hast, was du anderen vermitteln willst – schwingt dies auf spezielle Weise, und es hat die Kraft, der mentalen Substanz eine Form zu geben; und dann, hinterher, als ein Zugeständnis an die menschlichen Gewohnheiten, gruppierst du auf einer tieferen Ebene eine bestimmte Anzahl von Worten darum herum, um der Schwingung des Bewusstseins eine verbale Form zu geben. Aber die verbale Form ist vollkommen zweitrangig. Sie ist eine Art grober Umhüllung für die Kraft der Gedanken. (13)
DIE MUTTER

Die vorgeburtliche Formung eines Kindes
Es ist nicht genug, ein Kind zur Welt zu bringen und seinen Körper fast unterbewusst zu erzeugen. Die Arbeit fängt erst wirklich an, wenn wir durch die Kraft der Gedanken und des Willens einen Charakter erdenken und kreieren, der fähig ist, ein Ideal zu offenbaren.
Sagt nicht, dass wir nicht die Kraft hätten, eine solche Sache zu realisieren. Unzählige Fälle dieser sehr effektiven Schöpfungskraft könnten als Beweis angeführt werden.
Sehr früh wurde zum Beispiel die Einwirkung der physischen Umgebung erkannt und seit Langem eingehend studiert. Dadurch, dass in der Antike die Frauen mit Kunstwerken und Figuren von Schönheit umgeben waren, schufen die Griechen nach und nach die außergewöhnlich harmonische Rasse, die sie waren.
Individuelle Beispiele der gleichen Art sind zahlreich. Es ist nicht selten, dass eine Frau, die während der Schwangerschaft fortwährend ein schönes Bild oder eine Statue anschaut und bewundert, ein Kind zur Welt bringt, das perfekte Ähnlichkeit mit diesem Bild oder dieser Statue aufweist. Ich habe selbst einige dieser Beispiele angetroffen. Unter ihnen erinnere ich mich sehr deutlich an zwei kleine Mädchen; es waren Zwillinge und sie waren von perfekter Schönheit. Aber das Erstaunlichste war, wie wenig sie ihren Eltern ähnelten. Sie erinnerten mich an ein sehr berühmtes Gemälde von dem englischen Maler Reynolds. Eines Tages machte ich der Mutter gegenüber darüber eine Bemerkung, die sofort ausrief: „Nicht wahr, ist es nicht so? Es wird dich interessieren, dass ich in der Schwangerschaft, während ich die beiden Kinder erwartete, ein Gemälde über meinem Bett hängen hatte, eine sehr gute Reproduktion von diesem Gemälde Reynolds. Bevor ich einschlief und nachdem ich aufwachte, fiel mein erster Blick auf dieses Bild, und in meinem Herzen hoffte ich: Mägen die Gesichter meiner Kinder wie die der Gesichter auf diesem Gemälde sein! Du siehst, dass ich großen Erfolg damit hatte!“
In Wahrheit konnte sie auf ihren Erfolg sehr stolz sein, und ihr Beispiel ist für andere Frauen von großem Nutzen.
Aber wenn wir solche Resultate schon auf der physischen Ebene erreichen können, wo die Materie am wenigsten formbar und plastisch ist, um wie viel besser muss es dann erst auf der psychologischen Ebene gehen, wo die Einflüsse des Denkens und des Willens so mächtig sind. Warum sollen wir die obskuren Fesseln von Vererbung und Atavismus akzeptieren – die nichts anderes sind als unbewusste Bevorzugung für unsere eigenen Charakterneigungen, – wenn wir stattdessen versuchen können, durch Konzentration und Willen ein Wesen ins Leben zu rufen, das nach dem höchsten Ideal das wir wahrnehmen können, gestaltet ist? Mit dieser Bemühung wird die Schwangerschaft wahrhaft wertvoll und geweiht; auf diese Weise beteiligen wir uns an der wunderbaren Arbeit des spirituellen Geistes, und die Schwangerschaft erhebt sich über die Tierhaftigkeit und deren gewöhnliche Instinkte hinaus zu wirklichem Menschsein in seiner ganzen Kraft. (14)
DIE MUTTER

Das Denken – ein Instrument des Wachstums
Das Denken ist nicht unbedingt erforderlich für das Dasein, und es ist auch nicht seine Ursache, aber es ist ein Instrument zur Entwicklung: ich werde zu dem, was ich in mir selbst sehe. Alles, was das Denken mir eingibt, kann ich vollbringen, alles, was das Denken mir aufzeigt, kann ich werden. Das sollte das unerschütterliche Vertrauen des Menschen in sich selbst sein, denn Gott lebt in ihm. (Sri Aurobindo, Gedanken und Aphorismen)
Sri Aurobindo erklärt, dass das Denken für das Dasein nicht essentiell, und nicht die Ursache des Daseins ist, sondern dass es einfach der Prozess, das Werkzeug für die Entwicklung ist, denn das Denken ist ein Prinzip der präzisen Formulierung das über die Kraft verfügt, den Überlegungen Formen zu geben. Als Erläuterung sagt Sri Aurobindo weiter, dass man all das, von dem man denkt, dass man es sei, auch werden kann, allein durch die Tatsache, dass man es denkt. Diese Kenntnis der Tatsache, dass man alles werden kann, was man denkt, ist ein sehr wichtiger Schlüssel für die Entwicklung des Wesens, nicht nur vom Standpunkt seiner menschlichen Möglichkeiten aus gesehen, sondern auch hinsichtlich der Entscheidung und Wahl dessen was man sein will, sein möchte.
Das lässt uns die Notwendigkeit verstehen, keinen Gedanken in uns selbst zuzulassen, der die innere Sehnsucht oder die Bildung der Wahrheit unseres Wesens zerstört. Es macht deutlich, wie wichtig es ist, in nichts einzuwilligen, was man nicht sein oder tun will, und dem nicht zu erlauben, sich innerhalb des eigenen Wesens in Gedanken auszudrücken. Denn diese Dinge zu denken ist schon der Beginn ihrer Verwirklichung. Von jedem Standpunkt aus betrachtet ist es schlecht sich auf das zu konzentrieren, was man nicht möchte, auf das, was man zurückweisen muss, und was man ablehnt zu sein, denn schon die Tatsache allein, dass der Gedanke da ist, gibt den Dingen, die man nicht sein möchte, oder die man ablehnt, eine Art Existenzrecht in einem selbst. Das erklärt auch die Bedeutung der Notwendigkeit, keine zerstörerischen Suggestionen oder Gedanken von Feindseligkeit, Hass oder Vernichtung in sich eindringen zu lassen, denn bloß an sie zu denken heißt schon, ihnen eine Kraft der Verwirklichung zu verleihen. Sri Aurobindo sagt, dass das Denken nicht die Ursache des Daseins ist, sondern ein Vermittler, ein Instrument, das dem Leben und der Schöpfung die Form gibt, und dieses Instrument zu beherrschen ist von äußerster Wichtigkeit, wenn man möchte, dass Aufruhr und alles was antigöttlich ist, aus der Schöpfung verschwindet.
Man sollte in sich selbst keine schlechten Gedanken zulassen unter dem Vorwand, es seien bloß Gedanken. Gedanken sind Werkzeuge, die etwas ausführen. Und man sollte negativen Gedanken nicht erlauben in einem selbst zu existieren, wenn man nicht will, dass sie ihr zerstörerisches Werk betreiben. (15)
DIE MUTTER

KAPITEL 3
VORSTELLUNGSKRAFT
Imagination ist eine bildende Kraft der Gestaltung. Tatsächlich sind Menschen die keine Vorstellungskraft besitzen, vom mentalen Standpunkt aus nicht plastisch, sie können ihren Gedanken keine gegenständliche Ausdruckskraft verleihen.
Imagination ist auch ein sehr starkes Ausdrucksmittel des Handelns. Wenn du zum Beispiel irgendwo im Körper einen Schmerz spürst, und dir dann vorstellst, dass du diesen Schmerz entweder verschwinden lässt, oder ihn entfernst oder zerstörst, – dir also alle Arten von solchen Bildern vorstellst – wirst du damit vollen Erfolg haben.
Es gibt da die Geschichte von einer Frau, die ihr Haar mit grotesker Geschwindigkeit verlor, so schnell, dass sie innerhalb weniger Wochen fast kahlköpfig war, und dann sagte ihr jemand: „Wenn du dein Haar bürstest, stell dir dabei vor, dass es jetzt wächst und sehr schnell weiter wachsen wird.“ Daraufhin sagte sie, immer wenn sie ihr Haar bürstete: „Oh, mein Haar wächst, – es wird sehr schnell wachsen…“ – und es geschah wirklich! Aber normalerweise sagen die Menschen in so einer Situation zu sich selbst: „Ah! Mein Haar fällt wieder aus, und ich werde sicher kahl werden, ganz bestimmt.“
Und natürlich geschieht das dann auch. (16)
DIE MUTTER

Wie wird die Vorstellungskraft diszipliniert?
Das, was vage „Imagination“ genannt wird, ist etwas sehr Komplexes und Vielfältiges.
Es kann die Fähigkeit sein, im mentalen oder in einem anderen Bereich die Formen sehen zu können, die dort existieren, und sie zu beobachten und aufzuzeichnen. Es gibt künstlerische, literarische und poetische Domänen oder Bewusstseinsebenen und Ebenen vitaler und mentaler Aktivitäten, sowie wissenschaftliche Bereiche des Bewusstseins, die alle zur Ebene des Verstandes gehören – keines sehr hoch entwickelten abstrakten Verstandes, sondern einer Ebene des Verstandes über dem physischen Verstand, welche, ohne dass wir etwas davon wissen, ununterbrochen durch den individuellen oder kollektiven Verstand strömt, um sich durch ihn in Aktivitäten auszudrücken.
Einige Menschen sind durch eine besondere Fähigkeit mit diesen Bereichen des Bewusstseins in Kontakt, greifen das eine oder andere Element daraus auf, ziehen es an sich, und verleihen ihm einen Ausdruck. Die Stärke dieser Ausdruckskraft ist unterschiedlich in verschiedenen Leuten, aber diejenigen, die sich für diese Bereiche öffnen können um Dinge dort zu sehen, und diese geistigen Formen an sich zu ziehen, und diese dann entweder in der Literatur oder in der Malerei oder Musik, oder in ihrem Handeln oder in den Wissenschaften auszudrücken, sind, – entsprechend dem Grad der Kraft ihres Ausdrucks, entweder hochtalentierte Menschen oder Genies.
Es gibt auch Stufen noch höher entwickelter Genies. Damit meine ich Menschen, die sich einer noch höheren Region des Geistes öffnen können, einer höheren Kraft, welche, von dort kommend, die mentalen Ebenen passiert, den menschlichen Verstand erreicht, und durch ihn neue Ausdrucksformen bildet, die sich in der Welt als neue Wahrheiten, neue philosophische Systeme oder neue spirituelle Lehren enthüllen können, das sind dann die Werke und gleichzeitig auch die Handlungen hervorragender Menschen, die bewusst für diese Aufgaben geboren werden. Sie besitzen eine Kraft der Vorstellung, die man „Wahrheits-Imagination“ nennen kann.
Wenn diese höheren Kräfte in die Erdatmosphäre herabkommen, nehmen sie lebendige, aktive, kraftvolle Ideen-Formen an, breiten sich überall auf der Welt aus, und bereiten ein neues Zeitalter vor.
Diese zwei Arten von Imagination könnte man als höhere Vorstellungskräfte bezeichnen.
Und nun – um wieder auf eine gewöhnlichere Ebene herunterzukommen – jeder trägt in sich in größerem oder kleinerem Maße die Kraft, seiner gedanklichen Tätigkeit Formen zu verleihen, und diese Gedankenformen entweder in seinen gewöhnlichen Handlungen zu gebrauchen oder damit etwas Besonderes zu schaffen. Wir sind die ganze Zeit, andauernd, dabei, Bilder zu erschaffen, Gedankenformen zu erzeugen. Wir senden sie in die Atmosphäre aus, sogar ohne zu wissen, dass wir das machen – sie streifen herum von einer Person zur anderen, treffen dort auf Gesellschaft, finden auch manchmal zueinander und machen glücklich zusammen weiter, oder schaffen gelegentlich Konflikte, und es gibt auch Kämpfe unter ihnen, denn oft, sehr oft, existiert in diesen gedanklichen Vorstellungen ein kleines Element des Willens, das versucht sich durchzusetzen, und da dann jeder versucht seine eigene Form der Vorstellung auszusenden, sodass sie aktiv werden kann, damit die Dinge so passieren, wie man es möchte, gibt es ein allgemeines Durcheinander, weil jeder es so macht.
Wenn unsere Augen sich für die Vision all dieser Formen in der Atmosphäre öffnen könnten, würden wir sehr erstaunliche Dinge sehen: Schlachtfelder mit Angriffswellen, Attacken, und Rückzüge einer Masse kleiner mentaler Geschöpfe, die ununterbrochen in die Luft geschleudert werden, und immer versuchen, sich durchzusetzen. All diese Gebilde haben die allgemeine Tendenz, dass sie sich physisch und materiell verwirklichen wollen, und da sie zahllos sind – es sind viel zu viele, denn es gibt nicht genug Platz auf der Welt um sie alle zu manifestieren – rempeln sie sich gegenseitig an und drängen einander zur Seite, sie versuchen, diejenigen, die nicht mit ihnen übereinstimmen, zurückzudrängen, oder formieren sich sogar zu Armeen, die gut geordnet marschieren, um den verfügbaren Platz in Zeit und Raum einzunehmen – es ist ein vergleichsweise sehr kleiner Platz im Verhältnis zu dem zahllosen Aufgebot von Geschöpfen.
Das ist es also, was individuell geschieht.
Manche Menschen machen all das ohne es zu wissen – vielleicht sogar jeder – und sie werden ständig von einer Sache zur anderen geworfen, und hoffen, wollen, wünschen, hin-und hergerissen zwischen Hoffnungen, Wünschen, Verlangen, sind enttäuscht, manchmal glücklich, manchmal verzweifelt, denn sie haben keine Kontrolle über diese Dinge oder können sie nicht meistern. Aber der Anfang der Weisheit besteht darin, uns selbst beim Denken zu beobachten und dieses Phänomen zu erkennen, und diese dauernde Projektion von kleinen lebendigen Wesen in die Atmosphäre wahrzunehmen, die sich manifestieren möchten. All das entspringt der geistigen Atmosphäre, die wir in uns tragen. Sobald wir das erkennen und beobachten, können wir damit anfangen sie auszusortieren, das heißt, das zurückzudrängen was mit unserem besten Wünschen und Wollen nicht übereinstimmt, und nur den Formationen zu erlauben sich auf ihre Verwirklichung hinzu zu bewegen, die uns helfen uns fortschrittlich und normal zu entwickeln. Das bedeutet Kontrolle durch aktives Denken, und das ist es, was ich neulich meinte.
Wie oft sitzt man da, und es wird einem bewusst, wie das Denken anfängt, Bilder für sich selbst zu formen, sich selbst eine Geschichte zu erzählen; dann, wenn du ein kleiner Experte darin bist, siehst du nicht nur, wie sich die Geschichte von dem was in deinem Leben passieren soll, was du dir für dein eigenes Leben wünscht, vor dir entfaltet, sondern du kannst auch etwas davon wegnehmen oder ein Detail hinzufügen, und deine Arbeit perfektionieren, du kannst eine wirklich ausgezeichnete Lebensgeschichte entwerfen, ein Werk, in dem alles mit deinen edelsten Bestrebungen übereinstimmt.
Sobald du ein vollständig harmonisches Gebilde entworfen hast, so perfekt, wie du kannst, öffnest du deine Hände und lässt den Vogel fliegen.
Wenn deine Geschichte gut ausgeführt ist, wird sie geschehen und sich zum Schluss immer verwirklichen. Und das ist es, was man nicht weiß.
Und doch wird diese Sache, die du dir ausgedacht hast im Laufe der Zeit Wirklichkeit, manchmal erst viel später, wenn du deine Geschichte schon vergessen hast, und dich nicht einmal mehr erinnern kannst, dass du sie dir einmal erzählt hast – denn du hast dich seither sehr verändert, denkst inzwischen über andere Dinge nach, entwickelst weitere Geschichten, und die erste (die du dir damals erzählt hast) interessiert dich nicht mehr; und wenn dann das Ergebnis der ersten Geschichte eintritt und du nicht sehr aufmerksam bist, hast du dich schon so weit davon entfernt, dass du dich überhaupt nicht mehr daran erinnern kannst, dass dies Ereignis in deinem Leben das Resultat deiner eigenen Lebensgeschichte ist, die du damals entworfen hast…
Deshalb ist es so wichtig, dich selbst zu kontrollieren, denn wenn in dir selbst vielfältige und sich widersprechende Wünsche existieren – nicht nur Wünsche, sondern auch Neigungen, Ausrichtungen und verschiedene Ebenen, auf denen du lebst – verursacht all das zusammen Kämpfe in deinem Leben. Zum Beispiel: Auf der höchsten Ebene deiner inneren Sehnsüchte hast du einen wunderschönen Lebensentwurf gestaltet, den du in die Welt aussendest, aber dann, vielleicht am nächsten Tag, vielleicht schon am selben Tag, vielleicht ein bisschen später – bist du auf eine sehr viel materiellere Ebene gesunken, und diese höheren Bestrebungen erscheinen dir dann ein wenig märchenhaft, unwirklich; und du fängst an, Ambitionen zu Formationen zu entwickeln, die sehr ehrgeizig und nicht immer sehr schön sind, und auch diese gehen nach außen.
Ich kannte Menschen mit solch gegensätzlichen Seiten in ihrer Natur, derart gegensätzlich, dass sie an einem Tag eine großartige, leuchtende, kraftvolle Formation zur Umsetzung in die Wirklichkeit machen konnten, und dann am nächsten Tag, eine niedergeschlagene, drohende, finstere Formation der Schwarzmalerei, die all das zunichte machte – eine Formation der Verzweiflung – und beide strömten nach außen.
Ich konnte im Verlauf der Umstände beobachten, wie sich die schöne Formation realisierte, und während sie sich in die Wirklichkeit umsetzte, zerstörte die zweite Formation das, was die erste aufgebaut hatte.
Es verhält sich in größeren Angelegenheiten des Lebens genauso wie in den kleineren Details. Und das nur deshalb, weil man sich selbst nicht beim Denken zusieht, weil man glaubt, Sklave dieser widersprüchlichen Bewegungen zu sein, weil man sich sagt: „Oh! Heute fühle ich mich nicht wohl, oh, heute erscheint mir alles so traurig“, und man betont es so, als sei das ein unentrinnbares Schicksal, gegen das man nichts tun kann. Aber wenn man von diesen Gefühlen innerlich zurücktritt oder einen Schritt darüber nach oben steigt, kann man von dort aus alle diese Dinge betrachten und sie an ihren Platz rücken, kann einige behalten, und andere loswerden, die man nicht will, oder kann sie unschädlich machen, und kann seine gesamte phantasievolle Vorstellungskraft – was man phantasievoll nennt – nur auf diejenigen richten, die man möchte, und die mit den eigenen besten Bestrebungen übereinstimmen. Das ist es, was ich unter Kontrolle der eigenen Einbildungskraft verstehe.
Das ist sehr interessant. Wenn man diese lernt und regelmäßig anwendet, hat man keine Zeit mehr sich zu langweilen. Anstatt wie ein Korken auf den Wellen zu treiben, und von jeder Welle schutzlos hin- und hergestoßen zu werden, wird man zum Vogel, der seine Flügel öffnet, sich über die Wellen erhebt und dorthin fliegt, wohin er will. (17)
DIE MUTTER

Was ist die Funktion, der Zweck der Vorstellungskraft?
Wenn man versteht, damit umzugehen … kann man mit ihr für sich selbst ein eigenes inneres und äußeres Leben erschaffen; man kann durch Imagination sein eigenes Dasein aufbauen, wenn man weiß, wie sie zu gebrauchen ist, und wenn man eine Kraft dafür besitzt. In Wirklichkeit ist es die elementare Art und Weise, in der Welt Formen zu bilden und zu erschaffen. Ich hatte immer das Gefühl, dass man keinen Fortschritt machen könnte, wenn man diese Kraft der Imagination nicht besäße. Denn deine Vorstellungskraft eilt deinem Leben immer voraus. Wenn du an dich selbst denkst, stellst du dir gewöhnlich vor, was du gern sein möchtest, nicht wahr, und das eilt dir voraus, und dann folgst du dieser Vorstellung, sie führt weiter nach vorn, und du folgst ihr. Imagination öffnet für dich den Weg zur Verwirklichung. Menschen, die nicht imaginativ sind, sind sehr schwer in Bewegung zu bringen, sie sehen nur das, was genau vor ihrer Nase ist, sie fühlen nur das, was sie von einem Moment zum nächsten sind, und sie können nicht weiterkommen, weil sie durch die nächstliegenden Dinge eingespannt sind. Es hängt viel von dem ab, was man Imagination nennt. Wie auch immer…
Wissenschaftler müssen doch auch Phantasie besitzen!
Eine Menge, sonst würden sie niemals etwas entdecken. Tatsächlich ist das, was man Imagination nennt, die Fähigkeit, sich selbst außerhalb der Sphäre schon bestehender Dinge hinaus zu projizieren, hinein in eine Sphäre von Dingen, die erst noch realisiert werden können, und diese Dinge dann mit Hilfe von Projektion zu sich herüber zu ziehen. Man kann offensichtlich progressive und regressive Imaginationen entwickeln.
Es gibt Leute, die sich immer alle nur möglichen Katastrophen vorstellen, und unglücklicherweise haben sie auch die Kraft dazu, diese passieren zu lassen.
Imagination ist wie eine Antenne, die in eine Welt reicht, die noch nicht realisiert ist, dort etwas auffängt und es hierher zieht. Natürlich wird das der Erdatmosphäre hinzugefügt, und diese Elemente tendieren dann dazu, sich zu manifestieren. Imagination ist ein Instrument, das diszipliniert und willentlich benutzt werden kann; man kann sie schulen, lenken, ausrichten. Sie ist eine der Fähigkeiten, die man in sich entwickeln und brauchbar machen kann, das heißt, sie für ganz bestimmte Zwecke benutzen. (18)
DIE MUTTER

Ist es dann so, dass man durch die Imagination Wünsche und innere Bestrebungen verwirklichen kann?
Das bedeutet was? Was genau möchtest du sagen? Sich vorzustellen, dass der Wunsch verwirklicht ist, und auf diese Weise zu helfen ihn zu realisieren?
Ja.
Bestimmt, ganz bestimmt.
Und Ideale ebenso?
Ja, nur gewöhnlich, fast immer, haben die Leute nicht die nötige Zeit dafür zur Verfügung. Aber wenn du zum Beispiel eine sehr kraftvolle Phantasie hast und damit die Verwirklichung deines Wunsches gut ausführst, sie gut gestaltest mit all ihren Details und allem was dazugehört, wie eine bewundernswert ausgearbeitete Formation die selbständig existiert, nun, dann kannst du sicher sein, dass sich diese Sache verwirklicht, wenn du lange genug lebst. Sie kann am nächsten Tag realisiert werden, sie kann im nächsten Moment eintreten, oder es kann Jahre dauern, es kann sogar Jahrhunderte dauern. Aber sie wird ganz sicher realisiert werden. Und wenn du dieser imaginativen Kraft eine Art kreative vitale Stärke hinzufügst, machst du eine sehr lebendige Energie daraus; und da alle lebendigen Kräfte auf ihre Verwirklichung ausgerichtet sind, wird sie einen Druck auf die irdischen Geschehnisse ausüben, um früher wahr zu werden, und sie wird sich realisieren.
Nur gibt es da zwei Dinge, wie ich schon sagte. Erstens, was Wünsche und persönliche Umstände betrifft, ist man nicht sehr … beständig, oder sehr konstant, und das was dich einst sehr stark interessierte, interessiert dich nach einiger Zeit nicht länger. Du denkst an etwas anderes, hast einen anderen Wunsch, und entwickelst andere Vorstellungen. Aber jetzt ist währenddessen die erste Sache, die man sich zuerst vorstellte, sehr gut ausgebildet; nachdem sie ihrer Kurve im Raum folgte, realisiert sie sich.
Aber bis das eintritt, hat die Person mit einer anderen Ideenkonstruktion begonnen, denn aus dem einen oder anderen Grund interessiert sie die Sache nicht mehr, und plötzlich sieht sie sich der Verwirklichung ihres ursprünglichen Wunsches gegenüber, während sie sich inzwischen schon auf einen zweiten, dritten oder vierten Wunsch eingelassen hat. Deshalb ist sie völlig verärgert und sagt sich: „Aber warum das? Ich will das doch gar nicht mehr, warum passiert das jetzt?“, ohne dass ihr bewusst ist, dass dies Ereignis ganz einfach das Ergebnis eines früheren Wünschens ist. Wenn man jedoch statt Wünschen Aspirationen nach spirituellen Dingen entwickelt, und man dauernd seiner Richtung folgt und regelmäßige Fortschritte macht, dann kann man absolut sicher sein, eines Tages zu erreichen, was man sich vorgestellt hat.
Der Tag dieser Verwirklichung mag ein wenig weit entfernt sein, falls es auf dem Weg viele Hindernisse gibt, zum Beispiel, wenn die Zustände in der Erdatmosphäre der Formation die du gemacht hast immer noch sehr fremd gegenüberstehen; nun, dann braucht es einige Zeit um die Bedingungen für ihr Erscheinen vorzubereiten. Aber wenn es etwas ist, was auf der Erde schon verschiedene Male verwirklicht wurde, und keine zu kategorische Umwandlung erfordert, kannst du es sehr schnell bekommen, vorausgesetzt, dass du ausdauernd die gleiche Richtung verfolgst. Wenn du dem die Glut des Vertrauens und der Zuversicht in die göttliche Gnade hinzufügst, und die Art von Selbsthingabe an die Gnade, die dich alles von ihr erwarten lässt, dann kann das gewaltig werden; du kannst dann zusehen, wie die Dinge sich mehr und mehr realisieren, und eins nach dem anderen können sich die überraschendsten Resultate einstellen. Damit das passiert, müssen jedoch Bedingungen erfüllt werden. (19)
DIE MUTTER

Die Vorstellungskraft ist wie die Schneide eines Messers, das man für gute oder schlechte Zwecke benutzen kann. Wenn du immer bei dem Gedanken und dem Gefühl bleibst, transformiert zu werden, dann hilfst du damit dem Prozess des Yoga. Wenn du aber, im Gegenteil, niedergeschlagen bist, und klagst, dass du für die yogische Realisation nicht fit oder unfähig dazu bist, vergiftest du dein eigenes Wesen. (20)
DIE MUTTER

Kindheitsträume – die Entwürfe für die Zukunft
Man braucht eine lebhafte Vorstellungskraft – es scheint, dass ich euch dummes Zeug erzähle, aber es ist sehr wahr – es gibt eine Welt, in der du über die stärkste Macht der Gestaltung von Formen verfügst: das ist deine eigene spezielle vitale Gefühlswelt. Hier bist du der mächtigste Formgeber und kannst ein Wunder aus dieser Welt machen, wenn du es verstehst, sie zu gestalten. Wenn du ein künstlerisches oder poetisches Bewusstsein hast, wenn du Schönheit und Harmonie liebst, wirst du dort etwas Wundervolles aufbauen, was dann dazu drängt, auch in der materiellen Welt zu entstehen.
Als ich klein war, nannte ich das „sich selbst Geschichten erzählen“. Es ist aber nicht so, dass man sich im Kopf eine Geschichte mit Worten erzählt: sondern man geht an diesen Ort, der klar und rein ist, und baut dort eine wundervolle Geschichte auf. Wenn du es verstehst, dir auf diese Weise eine Geschichte zu erzählen, und sie wirklich schön und harmonisch, wirklich kraftvoll und gut koordiniert ist, wird diese Geschichte in deinem Leben realisiert werden vielleicht nicht in gen au derselben Form, in der du sie erschaffen hast, aber bestimmt als ein mehr oder weniger veränderter physischer Ausdruck dessen, was du entworfen hast.
Das kann vielleicht Jahre dauern, aber die Geschichte wird dein Leben organisieren.
Aber es gibt nur wenige Menschen die eine schöne Geschichte erzählen können: denn sie vermischen sie immer mit Horror, was sie später bereuen.
Wenn man ausdrucksvolle Geschichten erzählen könnte, die keinen Horror enthalten, sondern nichts als Schönheit, hätte das einen beachtlichen Einfluss auf jedermanns Leben. Das ist es, was die Menschen nicht wissen.
Wenn man wüsste, wie man diese Kraft, die kreative Kraft in der Welt der vitalen Formen benützen kann, wenn man das wüsste, während man noch ein Kind, ein sehr kleines Kind ist … denn das ist die Zeit, in der man sein materielles Schicksal formt. Aber gewöhnlich pfuschen dir die Leute um dich herum da hinein, deine kleinen Freunde, aber meistens sind es die Eltern oder Lehrer, die dir alles verderben, und sie machen es so gründlich, dass die wundervolle Sache selten gelingt. Aber ansonsten, wenn das mit der spontanen Aufrichtigkeit eines Kindes gemacht werden würde, könntest du ein wundervolles Leben für dich organisieren, in der physischen Welt, meine ich.
Die Träume der Kindheit werden zu Realitäten des reiferen Alters. (21)
DIE MUTTER

Ein kraftvoller Weg der Selbstentdeckung
Wenn man sich an die Entdeckung des inneren Wesens macht mit all seinen verschiedenen Wesensteilen, hat man dabei sehr oft das Gefühl, dass man innerlich sehr tief in eine Halle oder einen Raum hineinkommt, und entsprechend der Farbe, der Atmosphäre oder durch die Dinge die man dort antrifft, bekommt man eine sehr klare Wahrnehmung davon, welchen Teil seines Wesens man besucht. Dann kann man von einem Raum zum anderen gehen, Türen öffnen, und in immer tiefere Räume gelangen, von denen jeder seinen eigenen Charakter besitzt. Und häufig können diese inneren Besuche während der Nacht stattfinden.
Dann nimmt die Entdeckung des inneren Wesens eine noch konkretere Form an, wie ein Traum, bis man fühlt, dass man ein Haus betritt, und dass dieses Haus einem sehr vertraut ist. Entsprechend der jeweiligen Zeit und Phase des Traumes erfährt man das innerlich unterschiedlich, und manchmal kann sich dieses Haus auch in einem Zustand sehr großer Unordnung, in einem heillosen Durcheinander befinden, wo ab und zu sogar Sachen zerbrochen herumliegen und durcheinandergebracht sind; es ist wirklich ein Chaos. Zu anderen Zeiten sind dieselben Sachen dort gut organisiert, an ihren Platz geräumt, als hätte man den Haushalt geordnet, man macht sauber, schafft Ordnung, und es ist immer dasselbe Haus.
Dieses Haus ist das Bild, eine Art objektiver Abbildung deines inneren Wesens. In Übereinstimmung mit dem, was du dort siehst oder tust, erkennst du die symbolische Darstellung deiner psychologischen Arbeit. Das ist sehr nützlich um diese Arbeit zu konkretisieren. Sie hängt vom Einzelnen ab.
Einige Menschen sind reine Intellektuelle; für sie wird alles durch Ideen, nicht in Bildern ausgedrückt. Aber wenn sie auf eine materiellere Ebene herunterkommen, nun, dann riskieren sie, Dinge nicht in ihrer konkreten Realität zu erfassen, und nur im Bereich der Ideen zu bleiben, im Denken zu verweilen, und sich dort unendlich lange aufzuhalten. Man glaubt dann zwar, Fortschritte zu machen, und in Gedanken hat man auch Fortschritte gemacht, aber im konkreten Bereich bleibt das etwas ganz und gar Unbestimmtes.
Die Entwicklung des Verstandes kann Tausende von Jahren dauern, denn es ist ein sehr weites und sehr unbegrenztes Feld, das andauernd erneuert wird.
Aber wenn man sich vital und physisch weiterentwickeln will, nun, dann können Vorstellungen und Darstellungen in Bildern sehr nützlich sein, um Handlungen zu bestimmen und sie konkreter zu machen.
Natürlich geschieht das nicht vollständig nach dem eigenen Willen, es hängt mehr von der Natur des Einzelnen ab. Aber diejenigen, die die Kraft besitzen sich durch Bilder auf etwas konzentrieren zu können, nun, die haben einen weiteren Vorteil.
Zum Beispiel sitzt man in der Meditation vor einer geschlossenen Tür, es könnte eine sehr schwere Tür aus Bronze sein – man sitzt davor mit dem Willen, dass sie sich öffnen soll – um auf die andere Seite der Tür zu gelangen; die gesamte Konzentration, der ganze Wunsch sammelt sich zu einem Strahl und drückt, drückt, drückt gegen die Tür, und drückt, und drückt mit gesteigerter Energie immer mehr, bis sie ganz plötzlich aufspringt, und man tritt ein.
Das macht einen gewaltigen Eindruck. Und dann ist man wie in Licht getaucht, und erfährt die volle Freude einer plötzlichen und radikalen Änderung des Bewusstseins, mit einer Erleuchtung die einen völlig gefangen nimmt, und dem Gefühl, eine andere Person zu sein.
Das ist ein sehr konkreter und machtvoller Weg, um in die Berührung mit seinem psychischen Wesen zu kommen. (22)
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