Eigenschaften einer „Welt-Persönlichkeit“
Was sind die charakteristischen Eigenschaften einer Welt-Persönlichkeit?
Die hervorstechendste Eigenschaft ist genau diese Änderung im Bewusstsein. Anstatt sich wie eine enge isolierte Persönlichkeit zu empfinden, die von den anderen getrennt ist, fühlt man sich als eine weite universale Person, die alle anderen einbezieht, sich mit ihnen zutiefst verbunden fühlt und sich in ihre Lage hineinversetzen kann.
Ich werde gefragt:
Wie spricht und handelt diese Person?
Spricht! die Frage ist nicht gut gestellt, denn wenn du fragst, wie sie spricht, nun, sie spricht wie jeder andere auch, mit ihrer Stimme, ihrer Zunge, ihrem Mund und mit Worten! Es wäre besser wenn du fragen würdest: Auf welche Weise würde diese Person sich ausdrücken? Wenn sie den Bewusstseinszustand ausdrückt, in dem sie lebt, ist dies offensichtlich ein universaler Bewusstseinszustand und sie sieht die Dinge anders, als Menschen sie gewöhnlich sehen und wird sie auch anders ausdrücken, entsprechend dem, wie sie sieht und fühlt. Was ihr Handeln betrifft… wenn alle Teile ihres Wesens harmonisch übereinstimmen, wird ihre Handlungsweise auch deutlich ihren universalen Bewusstseinszustand zum Ausdruck bringen. Jetzt gibt es jedoch Menschen, die in einem Teil ihres Wesens sehr entscheidende Erfahrungen haben, aber diese übertragen sich nicht unbedingt sofort in ihre anderen Wesensteile. Es ist möglich, dass jemand durch Konzentration, durch Sadhana oder durch die Gnade das Bewusstsein einer Welt-Persönlichkeit entwickelt hat, aber dass er körperlich immer noch auf eine gewöhnliche, unbestimmte Weise handelt, weil er nicht darauf geachtet hat, sein Wesen zu einen, und obwohl ein Teil von ihm universal bewusst ist, verhält er sich wie alle menschlichen Tiere, sobald er isst, schläft, geht oder reagiert. Das kann passieren. Es ist eine ganz persönliche Angelegenheit, es hängt von jedem einzelnen und seiner Entwicklungsstufe ab.
Aber wenn jemand sich die Mühe gemacht hat, sein Wesen zu einen und all seine Wesensteile mit der wesentlichen Wahrheit in seiner Mitte in Übereinstimmung zu bringen, dann wird er natürlich vollkommen ohne jeden Egoismus handeln, mit großem Verständnis für andere, einem Verständnis, das seinem Einfühlungsvermögen in andere entspringt – und deshalb wird er wie ein Weiser handeln. Das kommt von der Sorgfalt, die er darauf verwendet hat, sein ganzes Wesen um das innere Bewusstsein zu einen.
Nimm zum Beispiel die absolut materiellsten Dinge wie Essen und Schlafen: es ist gut möglich, dass sein Bedürfnis zu essen und zu schlafen beinahe gleich bleibt, wenn er nicht darauf geachtet hat, sein neues Bewusstsein sozusagen in seinen Körper hineinzugießen, sodass er sehr wenig Kontrolle über ihn hat. Wenn er dagegen sein Wesen geeint hat und sein Bewusstsein in die Elemente, die seinen Körper ausmachen, einfließen lässt, wird sein Schlaf zu einem bewussten Schlaf von einer universalen Art; er wird fähig, willentlich alles zu wissen, was hier oder irgendwo anders geschieht oder was in der einen oder anderen Person vor sich geht oder in dieser oder irgendeiner anderen Ecke der Welt und sein Bewusstsein wird ihn natürlich mit allen Dingen, die er wissen möchte, in Verbindung bringen, weil es universal ist. Anstatt einen Schlaf zu haben, der unbewusst und nutzlos ist, außer für einen rein körperlichen Zweck, wird er produktiv und gänzlich bewusst schlafen.
Dasselbe gilt für das Essen. Anstatt ein Sklave seiner Bedürfnisse zu bleiben, gewöhnlich in fast völliger Ignoranz darüber, was er wirklich braucht, werden ihm gleichzeitig die Bedürfnisse seines Körpers und die Mittel, um sie zu regeln, bewusst werden.
Er wird fähig, seine körperlichen Bedürfnisse zu kontrollieren und zu steuern und sie entsprechend der Notwendigkeit dessen, was er tun will, zu ändern.
DIE MUTTER, CWM 8:380

Ist die persönliche Bemühung immer egoistisch? Unterscheidung zwischen „selbstsüchtig“ und „egoistisch“
Es kann eine Form von Bemühung geben, die überhaupt nicht selbstsüchtig ist und doch egoistisch, denn in dem Moment, in dem sie persönlich wird, wird sie egoistisch – das heißt, sie basiert auf dem Ego. Das heißt aber nicht, dass diese Bemühung nicht großzügig, mitfühlend oder uneigennützig ist oder dass sie beschränkten persönlichen Zielen dient. So ist es nicht. Sie kann einer ganz uneigennützigen Arbeit dienen. Aber solange ein Ego da ist, ist sie egoistisch. Und solange die Sinneswahrnehmung der eigenen Persönlichkeit existiert, ist sie natürlich egoistisch; sie gründet auf der Anwesenheit des Ego.
Und das muss für eine ziemlich lange Zeit so sein, denn es muss so lange dauern, bis die gesamte Individualität vollständig ausgebildet ist, bis sie einen gewissen Zustand individueller Perfektion erreicht hat. Ab dann ist die Anwesenheit des Ego nicht mehr nötig – aber nicht, bevor man die maximale individuelle Entfaltung erlangt hat.
Das Ganze ist nicht nur ein winzig kleiner Job. Es erfordert sehr viel Zeit und sehr viel Bemühung. Und wenn man die Perfektion seiner eigenen Entwicklung erreicht hat, wenn man ein wirklich persönliches individuelles Wesen besitzt, das heißt, das alle Merkmale hat, die sich von allen anderen unterscheiden – denn im Prinzip gibt es keine zwei Individuen auf der Welt, die sich genau gleichen – und wenn es einem gelungen ist, diese Individualität, die man ausschließlich ist und ausschließlich in der universalen Schöpfung repräsentiert auch auszudrücken, dann ist man reif dafür, dass das Ego verschwindet – aber nicht vorher.
Das erfordert eine gewisse Zeit, eine Bemühung, die nicht gering ist und eine gute Erziehung. Aber man kann durchaus uneigennützig sein, lange bevor man dazu reif ist, kein Ego mehr zu haben.
DIE MUTTER, CWM 7:366

Eine andere Seele erkennen; sich selbst betrachten
Süße Mutter, ist es möglich mit dem menschlichen Verstand die Seele eines anderen zu erkennen?
Diese Dinge sind nicht so klar und eindeutig voneinander getrennt als wenn man darüber redet. Das ist genau der Grund, warum es so schwierig ist, in sich selbst die einzelnen Teile des Wesens klar und deutlich zu erkennen, wenn man nicht ein langes Training und eine lange Disziplin des Studiums und der Beobachtung dafür aufgewendet hat. Es gibt keine wasserdichten Abteilungen zwischen der Seele und dem Verstand, dem Gefühl und sogar dem Körperlichen. Die Seele dringt in das Denken ein. Diese Durchlässigkeit ist in manchen Menschen ganz beachtlich, sie ist spürbar. So, der Teil des Denkens, der über diese Art von Sensibilität verfügt, diesen subtilen Kontakt zu dem psychischen Wesen, kann auch die Anwesenheit der Seele in anderen Menschen fühlen.
Die Menschen, die die Fähigkeit haben, bis zu einem gewissen Grad in das Bewusstsein anderer Menschen hineinzukommen, bis zu dem Punkt, an dem sie direkt die Gedanken oder die mentalen Aktivitäten von anderen fühlen, diejenigen, die in die mentale Atmosphäre anderer gelangen können, ohne dass sie Worte dazu benutzen müssen, um sich verständlich zu machen, können leicht zwischen jemandem unterscheiden, dessen Seele aktiv ist, und jemandem, dessen Seele schläft. Die Aktivität der Seele gibt der Aktivität des Denkens eine bestimmte Färbung – es ist leichter, umfassender und brillanter-, sodass man es fühlen kann. Zum Beispiel, wenn du jemandem in die Augen schaust, kannst du mit einer gewissen Sicherheit sagen, dass diese Person eine lebendige Seele hat oder dass du seine Seele in seinen Augen nicht sehen kannst. Viele Menschen können das fühlen – mit „viele“ meine ich diejenigen unter den entwickelten Menschen – und sie können das sagen. Aber natürlich, um genau wissen zu können, wie weit die Seele eines Menschen wach und aktiv ist, wie stark sie sein Wesen leitet und dessen Meister ist, muss man in sich selbst das psychische Bewusstsein entwickelt haben, denn nur das kann es sicher beurteilen. Es ist jedoch nicht ganz unmöglich, die Art von innerer Schwingung zu entwickeln, die einem sagt: „Oh, diese Person hat eine Seele.“
Nun ist aber das, was die meisten Menschen die Seele nennen – außer wenn sie innerlich wissend sind – eindeutig die Aktivität des vitalen Gefühls. Wenn jemand ein starkes, lebhaftes, eigenwilliges vitales Gefühl besitzt, das die Aktivitäten seines Körpers bestimmt, durch das er in einem sehr lebhaften und intensiven Austausch mit Menschen, Dingen und Ereignissen steht, wenn er über einen ausgeprägten Sinn für Kunst verfügt, für jeden Ausdruck von Schönheit, dann sind wir im Allgemeinen dazu verleitet zu sagen und zu glauben: „Oh, er hat eine lebendige Seele!“
Aber es ist nicht seine Seele, sondern sein vitales Wesen, das so lebhaft die Aktivitäten seines Körpers dominiert. Dieser Ausdruck des vitalen Gefühls bei jemandem, der beginnt sich zu entwickeln, ist der erste Unterschied zu denen, die noch in der Trägheit und dem Tamas des rein materiellen Lebens verharren. Das verleiht der Erscheinung und auch der Aktivität eine Art Intensität der Vibration, die oft den Eindruck erweckt, dass diese Person eine lebendige Seele besitzt; aber das ist es nicht, sondern es ist das Vitale, das entwickelt ist, das über eine besondere Fähigkeit verfügt, die stärker als die körperliche Trägheit ist und eine Intensität der Schwingungen des Lebens und der Aktion verleiht, das diejenigen, deren vitales Gefühlswesen nicht entwickelt ist, nicht besitzen. Diese Konfusion zwischen der vitalen Aktivität und der Seele passiert sehr häufig… Die Schwingung des vitalen Wesens ist für das menschliche Bewusstsein viel leichter wahrnehmbar als die Schwingung der Seele.
Um die Vibration der Seele in einem Menschen wahrnehmen zu können, muss das Denken in der Regel sehr still sein – sehr still, denn wenn es aktiv ist, werden seine Schwingungen gesehen, nicht die der Seele!
Und dann, wenn du jemanden anschaust, der sich seiner Seele bewusst ist und in ihr lebt, hast du den Eindruck, als ob du in ihn hinabsteigst, tief, tief, tief in seine Person gehst, weit, weit, weit, weit in sie hinein.
Wenn du normalerweise jemandem in die Augen schaust, kommst du sehr schnell an die Oberfläche seines Wesens, die vibriert und deinem Blick antwortet, aber du hast nicht das Gefühl, nach unten zu gehen, hinunter, hinunter, tief hinunter in eine Höhle, die sehr, sehr, sehr weit innen liegt, und du bekommst eine kleine, sehr leise Antwort. Sonst – gewöhnlich siehst du in den Augen – es gibt auch Augen, die sich dir innerlich nicht öffnen, sie sind geschlossen wie eine Tür – doch es gibt auch Augen, die sind innerlich offen – du kommst hinein und dann, gleich innen gelangst du an etwas, das dort vibriert, etwa so und manchmal leuchtet und wenn du einen Fehler machst, sagst du: „Oh, er hat eine lebendige Seele!“ – aber sie ist es nicht, es ist sein vitales Gefühl.
Um deine Seele zu finden, musst du diesen Weg gehen (sie macht eine Geste des tief in sich Hineingehens), du musst dich von der Oberfläche zurückziehen, dich tief nach innen zurückziehen und eindringen, eindringen, eindringen, tief hinunter, nach unten, bis in eine sehr tiefe Öffnung, die still und bewegungslos ist, und dort findest du eine Art von… etwas Warmes, Ruhiges, reich an Substanz und sehr still und sehr erfüllt, wie eine innere Süße – das ist die Seele. Und wenn man eindringt und bewusst ist, dann findet man dort eine Art von Fülle, die das Gefühl einer Vollständigkeit vermittelt, die unergründliche Tiefen enthält und viele Geheimnisse preisgeben würde, wenn man in sie hineingehen würde… wie die Spiegelungen in sehr stillen Gewässern, von etwas das ewig ist. Dann fühlt man sich nicht länger durch die Zeit begrenzt. Man hat das Gefühl, immer schon gelebt zu haben und für Ewigkeiten weiter zu leben.
Dann hat man das Innerste der Seele berührt.
Und wenn die Verbindung bewusst und vollständig genug war, befreit sie dich von den Bindungen an die äußere Form; du fühlst nicht länger, dass du nur deshalb lebst, weil du einen Körper hast. Das ist normalerweise das gewöhnliche Lebensgefühl, so an die äußere Form gebunden zu sein, dass, wenn man „ich selbst“ denkt, man an seinen Körper denkt. So ist es gewöhnlich. Die persönliche Realität ist die Realität des Körpers. Erst wenn man die Bemühung einer inneren Entwicklung unternommen hat und versucht hat, etwas in seinem Wesen zu finden, das etwas beständiger ist, kann man anfangen zu fühlen, dass dieses „Etwas“, das durch alle Zeiten und alle Veränderungen hindurch andauernd bewusst ist, dass dieses „Etwas“ man selbst sein muss. Aber dazu ist schon eine eher tiefe Selbsterforschung nötig. Ansonsten, solange du denkst: „Ich werde dies oder jenes machen“, „Ich brauche dies oder das“, ist es immer dein Körper, der dich antreibt, eine Art unterschwelliger willentlicher Impuls, der aus einer Mischung von Empfindungen besteht, aus mehr oder weniger verworrenen gefühlsmäßigen Reaktionen und noch mehr verwirrten Gedanken, die sich vermischen, und durch einen Impuls, eine Anziehungskraft, einen Reiz oder einen Wunsch ausgelöst werden, durch irgend eine Form des Wollens. All das zusammen wird kurzzeitig zu dem „ich selbst“ – aber nicht direkt, denn man nimmt dieses „mich selbst“ nicht unabhängig wahr vom Kopf, dem Körper oder den Armen und Beinen und allem, was sich bewegt – sondern man ist eng damit verbunden.
Erst, nachdem man viel nachgedacht hat, viel beobachtet hat, sich selbst sehr lange studiert und verstanden hat, dass das eine vom anderen mehr oder weniger unabhängig ist, und mit dem Willen, der sich dahinter befindet, kann man es entweder aktiv werden lassen oder nicht und man beginnt, sich nicht völlig mit den Bewegungen, dem Fluss von Aktivitäten des Körpers zu identifizieren. Aber du musst lange beobachten, um das zu erkennen.
Und dann musst du noch viel mehr beobachten, um wahrzunehmen, dass dieses zweite Ding, diese Art von bewusstem aktiven Willen, durch „etwas Anderes“ in Bewegung versetzt wird, das selbst zuschaut, beurteilt, entscheidet und versucht, seine Entscheidungen auf Wissen zu gründen – das passiert sogar erst sehr viel später. Und dann, wenn du beginnst, dieses „etwas Anderes“ zu sehen, wirst du erkennen, dass es die Macht hat, dieses zweite Ding, was ein aktiver Wille ist, in Bewegung zu versetzen; und nicht nur das, sondern dass es einen sehr direkten und sehr wichtigen Einfluss ausübt auf die Reaktionen, die Gefühle und die Empfindungen und dass es letztlich über alle Aktivitäten des eigenen Wesens Kontrolle ausüben kann – dieser Teil in dir, der zuschaut, beobachtet, beurteilt und entscheidet.
Das ist der Anfang von Selbstkontrolle.
Wenn man sich dessen bewusst wird, hat man den Anfang des Fadens gefunden und wenn man dann von Kontrolle spricht, weiß man: „Ah! Ja, dieser Teil ist es, der die Macht der Kontrolle besitzt.“
So lernt man, sich selbst zu erkennen.
DIE MUTTER, CWM 9:308

Wissen, was die Seele weiß
Das, was die Seele sieht und erfahren hat, das weiß sie wirklich; der Rest ist äußere Erscheinung, Vorurteil und Meinung.
SRI AUROBINDO, Gedanken und Aphorismen
Das bedeutet, dass alles Wissen, das nicht das Ergebnis der Vision oder der Erfahrung der Seele ist, ohne wahren Wert ist. Es taucht aber sofort die Frage auf – sie wurde mir gestellt: „Wie können wir wissen, was die Seele sieht?“
Offensichtlich gibt es dafür nur eine Lösung: sich seiner Seele bewusst zu werden. Und das vervollständigt den Aphorismus: wenn man sich seiner Seele nicht bewusst ist, besitzt man kein wahres Wissen. Deshalb muss die erste Bemühung darin bestehen, innen die Seele zu finden, sich damit zu verbinden und ihr zu erlauben, sein Leben zu leiten.
Manche Leute fragen: „Wie können wir wissen, ob das was wir finden die Seele ist?“ Diese Frage habe ich schon öfter beantwortet. Die, die diese Frage stellen, bestätigen einfach durch die Tatsache, dass sie sie stellen, dass sie sich ihrer Seele nicht bewusst sind, denn sobald du dir deiner Seele bewusst und mit ihr vereint bist, hast du eine positive Erfahrung davon und du fragst nicht länger, wie du sie erkennen kannst. Und diese Erfahrung der Seele kann weder gefälscht werden noch eingebildet sein; du kannst nicht vortäuschen, mit deiner Seele in Verbindung zu stehen – es ist etwas, was nicht verfälscht oder erfunden werden kann. Wenn die Seele dein Leben leitet, weißt du das mit absoluter Gewissheit und hast keine Fragen mehr dazu.
Aber die Nützlichkeit des Aphorismus, den wir gerade gelesen haben, liegt darin, dich verstehen zu lassen, dass alles, wovon du denkst, dass du es weißt, alles, was du gelernt hast, alles, was du in deinem Leben durch persönliche Beobachtung, Vergleichen und Schlussfolgerungen erworben hast – alles ein sehr relatives Wissen ist, auf dem du keine wirklich beständige und wirklich effektive Lebensweise begründen kannst.
Wie oft schon haben wir das wiederholt: Alles, was aus den Gedanken entspringt, ist gänzlich relativ. Je mehr der Verstand ausgebildet ist und sich mit verschiedenen Studienobjekten beschäftigt hat, desto fähiger wird er zu beweisen, dass alles was er vorbringt oder sagt, wahr ist. Durch Argumentieren kann man die Tatsachen von Allem beweisen, aber das macht es nicht wirklich wahr. Es bleibt eine Meinung, eine Voreingenommenheit, ein Wissen, das auf der Beobachtung von Erscheinungen basiert, die selbst mehr als zweifelhaft sind.
Deswegen scheint es nur einen Ausweg zu geben, sich auf die Suche nach seiner Seele zu machen und sie zu finden. Sie ist da, sie versteckt sich nicht, sie spielt nicht mit dir, nur um die Suche schwierig zu machen; im Gegenteil, sie macht große Anstrengungen, dir dabei zu helfen, sie zu finden und sich Gehör zu verschaffen. Nur stehen zwischen deiner Seele und deinem aktiven Wachbewusstsein zwei Persönlichkeiten, die die Angewohnheit haben, viel Lärm zu machen und zwar das Denken und das Gefühl. Und weil sie viel Lärm machen und die Seele nicht oder besser, so wenig wie möglich, hält dich ihr Lärm davon ab, die Stimme deiner Seele zu hören.
Deswegen musst du dich innerlich bemühen, sehr aufmerksam zu werden, wenn du erfahren möchtest, was deine Seele weiß. Und wirklich, wenn du hinter den äußeren Aktivitäten und Geräuschen des Denkens und des Fühlens aufmerksam bleibst, kannst du in dir etwas sehr Subtiles unterscheiden, das sehr still, sehr friedlich ist, das weiß und auch sagt, was es weiß. Aber das Drängen der vitalen und mentalen Natur in einem selbst ist so fordernd, während das andere, Subtile so still ist, dass du sehr leicht dazu verleitet wirst, auf das zu hören, was den meisten Krach macht. Sehr oft merkt man erst hinterher, dass das andere, Subtile, richtig war. Aber es drängt sich nicht auf, es zwingt dich nicht zuzuhören, denn es benützt keine Gewalt.
Wenn du zögerst, wenn du dich fragst, was du in dieser oder jener Situation machen sollst, tauchen die Wünsche auf, die mentalen oder vitalen Vorlieben, die dich bedrängen und darauf bestehen, erfüllt zu werden, die sich durchsetzen und behaupten wollen, mit den besten Begründungen auf der Welt, um die Zustimmung für sich zu gewinnen. Wenn du nicht wachsam bist und keiner entschlossenen Disziplin folgst, wenn du nicht die Angewohnheit hast, sie zu kontrollieren, werden sie dich schließlich davon überzeugen, dass sie das Richtige für dich sind. Und wie ich eben vorher gesagt habe, sie machen soviel Lärm, dass du noch nicht einmal die leise Stimme oder den winzig kleinen Hinweis der Seele hörst: „Tu es nicht.“
Dieses: „Tu es nicht!“ kommt oft, aber du weist es als etwas ab, das keine Macht hat und folgst deiner impulsiven Bestimmung. Aber wenn du wirklich ehrlich in deiner Bereitschaft bist, die Wahrheit zu finden und zu leben, dann lernst du immer besser darauf zu hören, du lernst immer besser zu unterscheiden und selbst wenn es dich Mühe kostet, selbst wenn es dir Schmerzen bereitet, lernst du darauf zu hören. Selbst wenn du nur ein einziges Mal darauf gehört hast, ist das eine mächtige Hilfe, ein beachtlicher Fortschritt auf dem Weg unterscheiden zu können, was die Seele ist und was nicht. Mit diesem Unterscheidungsvermögen und der nötigen Aufrichtigkeit wirst du dein Ziel mit Sicherheit erreichen.
Aber du sollst es nicht eilig haben, du darfst nicht ungeduldig sein, du musst sehr ausdauernd bleiben, selbst wenn du zehnmal etwas falsch machst und nur einmal etwas richtig.
Und wenn du das Falsche machst, darfst du nicht verzweifelt aufgeben, sondern musst dir sagen, dass die göttliche Gnade dich niemals aufgeben wird und dass es das nächste Mal besser sein wird.
Abschließend können wir sagen, um zu wissen, wie die Dinge wirklich sind, musst du dich zuerst mit deiner Seele vereinen, und um das zu tun, musst du es mit Ausdauer und Beharrlichkeit verfolgen.
Nur ein höheres Maß der Konzentration darauf kann den Weg verkürzen.
DIE MUTTER, CWM 10:23

Intuition und ihre Entwicklung
Mutter, wie kann die Fähigkeit der Intuition entwickelt werden?
Es gibt verschiedene Arten der Intuition und wir tragen diese Fähigkeiten dazu in uns. Sie sind bis zu einem gewissen Grad immer aktiv, aber wir nehmen sie nicht wahr, weil wir nicht genügend darauf achten, was in uns geschieht. Hinter den Emotionen, tief in unserem Wesen, auf einer Ebene des Bewusstseins, die in der Nähe des Zentrums des Solarplexus liegt, existiert eine Art des Voraus-Wissens, eine Fähigkeit der Vorausschau, aber nicht in der Form von Ideen, die man entwickelt, sondern eher in Form von Gefühlen, beinahe eine Art Kenntnis der Sinnesempfindungen. Wenn man z.B. dabei ist, etwas Bestimmtes zu tun, entsteht dort manchmal eine Art Unbehagen oder innere Weigerung und normalerweise, wenn man auf diesen inneren Hinweis hört, wird einem klar, dass er gerechtfertigt war.
In anderen Fällen ist es etwas, das einen zu etwas drängt, nachdrücklich darauf hinweist und darauf besteht – ich rede nicht von Impulsen, versteht ihr, nicht von den Regungen, die vom vitalen Gefühl oder aus noch niederen Regionen herrühren – sondern von Anzeichen, Hinweisen, die sich hinter dem Gefühl befinden, die aus dem emotionalen Teil des Wesens kommen; von dort aus kann man auch einen ziemlich genauen Hinweis auf das erhalten, was zu tun ist. Diese Hinweise sind Ausdrucksformen der Intuition oder eines höheren Instinktes, die durch Beobachtung oder auch durch ihr Studium und das Analysieren und Vergleichen der Resultate dieser Hinweise entwickelt werden können. Natürlich muss das sehr aufrichtig, objektiv und ohne Voreingenommenheit durchgeführt werden. Wenn man die Dinge von vorne herein nur auf eine ganz bestimmte Art und Weise betrachten möchte, gleichzeitig aber diese Art der distanzierten Beobachtung praktizieren will, ist der ganze Versuch zwecklos. Man muss die Vorgänge, die sich in einem selbst abspielen, so beobachten, als sei man ein Außenstehender.
Das ist eine Art der Intuition und vielleicht diejenige, die sich zuerst zeigt.
Es gibt noch eine andere Form der Intuition, die jedoch sehr viel schwieriger zu erkennen ist für diejenigen, die daran gewöhnt sind, sich vom Verstand leiten zu lassen und nicht nur impulsiv, sondern verstandesmäßig zu handeln, also zu reflektieren, bevor sie etwas tun. Schwierig deshalb, weil im halb bewussten Denken ein extrem schneller Übergang von der Ursache eines Gedankens zu Schlussfolgerung auf das Ergebnis stattfindet, der einen wegen der Schnelligkeit des Prozesses davon abhält, die vollständige Reihe der gedanklichen Folgerungen zu beobachten, und deshalb hält man diesen Prozess nicht für eine Kette von Folgerungen, sondern für Intuition und das ist sehr trügerisch. Man hat den Eindruck einer Intuition, aber es ist keine Intuition, sondern ein extrem schnelles, unterbewusstes Folgern, das ein Problem aufgreift und direkt Schlüsse daraus zieht. Diesen Prozess darf man nicht mit Intuition verwechseln. In der normalen Funktionsweise des Gehirns ist die Intuition etwas, das plötzlich wie ein Tropfen von Licht einfällt. Wenn man anfänglich die Fähigkeit der mentalen Vision entwickelt, erweckt das die Wahrnehmung von etwas, das von oben oder von außen kommt wie der leichte Eindruck eines Tropfens von Licht auf das Gehirn und das vollzieht sich völlig unabhängig von allem Schlussfolgern. Es ist einfacher, das wahrzunehmen, wenn man sein Denken zum Schweigen bringen kann und es still und aufmerksam hält, indem man das übliche Funktionieren der Denkvorgänge einstellt, so als ob man das Denken in eine Art Spiegel verwandeln würde, der in anhaltender und aufmerksamer Schweigsamkeit auf eine höhere Fähigkeit ausgerichtet ist. Auch das kann man lernen zu praktizieren. Tatsächlich muss man es lernen, es ist eine notwendige Disziplin.
Wenn man ein Problem zu lösen hat, was immer es sein mag, konzentriert man seine Aufmerksamkeit gewöhnlich hier (sie zeigt auf die Stelle zwischen den Augenbrauen), im Zentrum, direkt über den Augen, dem Zentrum des bewussten Willens. Aber wenn man es so versucht, ist man nicht in Verbindung mit der Intuition. Man kann an dieser Stelle in Kontakt mit dem Ursprung von Willen, von Bemühung und sogar einer bestimmten Art des Wissens gelangen, das liegt jedoch im äußeren, beinahe materiellen Bereich; während man das da (Mutter zeigt auf die Stirn) vollkommen reglos halten muss, wenn man Verbindung zur Intuition aufnehmen will. Aktive Gedanken müssen so weit wie möglich eingestellt werden und die gesamte mentale Denkfähigkeit muss am Scheitel des Kopfes und wenn möglich ein wenig darüber eine Art Spiegel bilden, der sehr ruhig, sehr still, in schweigender, sehr stark konzentrierter Aufmerksamkeit nach oben auf eine höhere Fähigkeit gerichtet ist. Wenn dir das gelingt, kannst du – vielleicht nicht sofort – Tropfen von Licht wahrnehmen, die aus einer noch unbekannten Region auf den Spiegel fallen und sich als bewusster Gedanke ausdrücken, der keine Verbindung zu dem ganzen übrigen Denken hat, weil du fähig bist, das still zu halten. Das ist der wirkliche Anfang der intellektuellen Intuition.
Das ist eine Disziplin, die man verfolgen muss. Für lange Zeit versucht man es vielleicht vergeblich, aber sobald es einem gelingt, einen „Spiegel“ zu formen, erhält man immer ein Ergebnis – nicht unbedingt als klare Form eines Gedankens, aber als Empfindung eines Lichts, das von oben kommt. Wenn man dieses Licht von oben empfangen kann, ohne sofort in einen Strudel von Aktivität zu geraten, sondern in Ruhe und Stille und es tief in sein Wesen eindringen lässt, dann drückt es sich nach einer Weile entweder als leuchtender Gedanke oder als ein sehr genauer Hinweis, hier (Mutter deutet auf ihr Herz) in diesem Zentrum aus.
Natürlich müssen zuerst diese zwei Fähigkeiten entwickelt werden; denn sobald sich ein Resultat zeigt, muss man dies sorgfältig beobachten, wie ich schon sagte, und die Beziehung der Intuition zu den Ereignissen und Konsequenzen in der Wirklichkeit erkennen: Man muss sehr aufmerksam, fast wissenschaftlich beobachten, ob etwas in diese Intuition eingedrungen ist und eine Verfälschung erzeugt und was man eventuell durch mehr oder weniger bewusstes Schlussfolgern oder Dazwischenkommen eines eigenen, tiefer gelegenen Wunsches, wiederum auch wieder mehr oder weniger bewusst, selbst zu dieser Intuition hinzugefügt hat. Durch ein sehr eingehendes Studium – das beinahe in jedem Moment, auf jeden Fall jedoch täglich und sehr häufig praktiziert werden muss – gelingt es einem, die Intuition zu entwickeln. Das dauert sehr lange. Das braucht sehr viel Zeit und man kann dabei aus dem Hinterhalt überfallen werden: Man kann sich selbst etwas vormachen, indem man unbewusste Wünsche, die sich durchsetzen möchten, für Intuitionen hält oder auch versteckte Hinweise von Impulsen, denen man sich verweigert hatte – tatsächlich können alle Arten von Schwierigkeiten auftauchen. Darauf muss man vorbereitet sein. Aber wenn man durchhält, wird man ganz sicher Erfolg haben.
Nach einer gewissen Zeit spürt man eine Art innerer Führung, etwas, was einen sehr deutlich wahrnehmbar in allem anleitet, was man unternimmt. Aber dann muss man sich natürlich dieser Führung bewusst überlassen, damit sie ihre maximale Wirkung erzielen kann, man muss aufrichtig dazu entschlossen sein, dem Hinweis zu folgen, der von der höheren Kraft kam. Wenn man das macht… kann man sich Jahre des Studiums ersparen, denn man begreift die Lösungen von Problemen extrem schnell. Die Ergebnisse von Aufgaben zeigen sich sehr viel schneller. Aber um das zu erreichen, muss man es mit Aufrichtigkeit und einer Art innerer Spontaneität praktizieren. Wenn man es ohne dieses innere Sich-Überlassen versuchen möchte, kann man damit auch erfolgreich sein – wie man auch damit Erfolg haben kann, seinen persönlichen Willen zu entwickeln und zu einer beachtlichen Kraft zu machen – aber es dauert dann lange und man trifft auf viele Hindernisse und das Ergebnis ist sehr ungewiss, man muss dann sehr beständig, hartnäckig und ausdauernd sein und wird auch bestimmt Erfolg haben, aber nur nach einer sehr großen Anstrengung.
Überlasse es der höheren Kraft mit einer aufrichtigen, vollständigen Selbsthingabe und du wirst mit voller Geschwindigkeit vorankommen, du wirst viel schneller weiterkommen – aber du musst dabei nicht berechnend sein, denn das verdirbt alles.
DIE MUTTER, CWM 9:357
