Kapitel 1
Ein Brief
Dieser Brief wurde geschrieben, um gewisse Ausdrücke in dem Buch „Die Mutter“ zu erklären.
Falschheit und Unwissenheit
Unwissenheit bedeutet avidya, das trennende Bewusstsein und das egoistische Mental und Leben, die aus ihm hervorgehen, sowie alles Übrige, das diesem trennenden Bewusstsein und egoistischen Mental und Leben eigen ist. Diese Unwissenheit ist das Ergebnis einer Bewegung, durch die sich die kosmische Vernunft vom Licht des Supramentals (der Göttlichen Gnosis) trennte und damit die Wahrheit verlor – die Wahrheit des Seins, die Wahrheit des göttlichen Bewusstseins, die Wahrheit der Kraft und Tat, die Wahrheit des Ananda. Die Folge davon ist, dass wir an Stelle einer Welt integraler Wahrheit und göttlicher Harmonie im Licht der göttlichen Gnosis eine Welt errichtet haben, die auf den Teilwahrheiten einer niedrigeren kosmischen Intelligenz beruht, in welcher alles eine halbe Wahrheit und ein halber Irrtum ist. Sie wurde von Denkern der Vergangenheit, wie Shankara, die die größere Wahrheits-Kraft dahinter nicht wahrnahmen, als Maya stigmatisiert in der Meinung, es sei die höchste schöpferische Macht des Göttlichen. Im Bewusstsein dieser Schöpfung ist alles entweder begrenzt oder aber durch die Trennung vom integralen Licht entstellt; selbst die Wahrheit, die sie erkennt, ist nur ein Halb-Wissen. Daher wird sie die Welt der Unwissenheit genannt.
Falschheit hingegen ist nicht diese avidya, sondern ihr extremstes Ergebnis. Sie wird von einer asurischen Macht geschaffen, die sich in diese Schöpfung einmischt, und ist nicht nur von der Wahrheit getrennt und daher in ihrem Wissen begrenzt und dem Irrtum offen, sondern befindet sich auch im Aufruhr gegen die Wahrheit oder aber ergreift diese lediglich, um sie zu entstellen. Diese Macht, die dunkle asurische Shakti oder rakshasische Maya gibt ihr entstelltes Bewusstsein als das wahre Wissen aus und seine vorsätzlichen Verzerrungen oder Verdrehungen der Wahrheit als die eigentliche Wirklichkeit der Dinge. Die Mächte und Personalitäten dieses entstellten und entstellenden Bewusstseins nennen wir feindliche Mächte oder feindliche Kräfte. Und wann immer diese Entstellungen, die sie aus dem Stoff der Unwissenheit schaffen, von ihnen als die Wahrheit der Dinge ausgegeben werden, bezeichnet man es im yogischen Sinn als Falschheit mithya, moha [Lüge oder Täuschung].
2. Mächte und Erscheinungen
Diese sind Kräfte und Wesen, die danach trachten, die Falschheiten, die sie in der Welt der Unwissenheit erschufen, aufrechtzuerhalten und sie als die Wahrheit auszugeben, der die Menschen zu folgen haben. In Indien werden sie Asuras Rakshasas Pisachas genannt (Wesen des jeweilig mentalisierten Vitals, des mittleren Vitals und der niederen vitalen Ebenen), die sich in Widerstreit mit den Göttern, den Mächten des Lichtes, befinden. Auch sie sind Mächte und auch sie haben ihr kosmisches Feld, in dem sie ihre Herrschaft und Tätigkeit ausüben; einige von ihnen waren einst göttliche Mächte (die früheren Götter, purve devah, wie sie im Mahabharata genannt werden), die durch ihr Aufbegehren gegen den göttlichen Willen, der hinter dem Kosmos steht, der Dunkelheit anheimfielen. Das Wort „Erscheinungen“ bezieht sich auf die Formen, die sie annehmen, um die Welt zu beherrschen – Formen, die oft falsch sind und immer die Falschheit verkörpern, manchmal auch pseudo-göttliche Formen.
3. Mächte und Personalitäten
Der Gebrauch des Wortes Macht wurde bereits erklärt – es kann für alles oder jeden angewendet werden, der eine bewusste Macht im kosmischen Bereich ausübt und über Weltbewegungen oder einige Bewegungen in der Welt gebietet. Doch die Vier1, von denen du sprichst, sind ebenfalls Shaktis, Manifestationen verschiedener Mächte des höchsten Bewusstseins und der höchsten Kraft, der Göttlichen Mutter, durch die sie im Universum herrscht und wirkt. Und gleichzeitig sind sie göttliche Personalitäten; denn eine jede ist ein Wesen, das verschiedene Eigenschaften und persönliche Bewusstseinsformen der Gottheit manifestiert. Alle größeren Götter sind solcherart Personalitäten des Göttlichen – ein Bewusstsein, das in vielen Personalitäten spielt, ekam sat bahudha. Selbst im menschlichen Wesen gibt es viele Personalitäten und nicht nur eine, wie man früher annahm; denn alles Bewusstsein kann gleichzeitig eins und vielfach sein. „Mächte und Personalitäten“ bezeichnet einfach verschiedene Aspekte des gleichen Wesens; eine Macht muss nicht unbedingt apersönlich sein und mit Sicherheit ist sie nicht avyaktam, nichtmanifest, wie du vermutest –, im Gegenteil, sie ist eine Manifestation, die in den Welten der göttlichen Manifestation wirkt.
4. Emanationen
Emanationen stimmen mit der Beschreibung der Matrikas in deinen Briefen überein. Eine Emanation der Mutter ist ein Teil ihres Bewusstseins und ihrer Macht, der, aus ihr hervorgebracht, in enger Verbindung mit ihr gehalten wird, solange er am Weltenspiel teilhat, der aber in seinen Ursprung zurückkehrt, sobald sein Spiel nicht länger benötigt wird; er [dieser Teil oder die Emanation] kann jedoch immer wieder hervorgebracht und im Spiel tätig werden. Doch kann der ihn haltende Verbindungsfaden ebenfalls gelöst oder gelockert werden und das, was als Emanation hervortrat, als ein unabhängiges göttliches Wesen auf seinem Weg und mit seinem eigenen Spiel in der Welt weitergehen. Alle Götter können solche Emanationen aus ihrem Wesen hervorbringen, die in ihrem essentiellen Bewusstsein und ihrer Macht mit ihnen identisch aber nicht gleich sind. In gewisser Weise kann man sagen, dass das Universum selbst eine Emanation des Höchsten ist. Im Bewusstsein des Sadhaks wird eine Emanation der Mutter gewöhnlich die Erscheinungsform und den Charakter annehmen, mit denen er vertraut ist.
In gewisser Weise können die vier Mächte der Mutter [Maheshvari, Mahakali, Mahalakshmi, Mahasarasvati] aufgrund ihres Ursprungs ihre Emanationen genannt werden – genau wie man die Götter als die Emanationen des Göttlichen bezeichnen kann –, doch sind sie ihrem Charakter nach beständiger und fixierter; sie sind unabhängige Wesen, deren Spiel die Adya Shakti zustimmt, und dennoch Teile der Mutter, der Mahashakti; diese kann sich durch sie immer entweder als getrennte Wesen manifestieren oder sie als ihre eigenen verschiedenen Personalitäten zusammenfassen und in sich halten, manchmal im Hintergrund, manchmal im Spiel – wie es ihr gefällt. Auf der supramentalen Ebene sind sie immer in ihr und handeln nicht unabhängig, sie sind die inneren Wesens-Teile der supramentalen Mahashakti und stehen in enger Verbindung und Harmonie untereinander.
5. Götter
Diese vier Mächte sind die kosmischen Gottheiten der Mutter, die sich immer im Weltenspiel befinden; sie gehören zu den größeren kosmischen Gottheiten, was in der Bemerkung zum Ausdruck kommt, dass die Mutter als Maha-Shakti der dreifachen Welt „über den Göttern steht“ (auf der Obermental-Ebene). Die Götter sind wie gesagt in ihrem Ursprung und ihrer Essenz ständige Emanationen des Göttlichen, die der Höchste durch die Transzendente Mutter, die Adya Shakti, hervorbringt; in ihrem kosmischen Wirken sind sie Mächte und Personalitäten des Göttlichen, und jeder von ihnen hat seinen selbständigen kosmischen Rang sowie seine Aufgabe und Arbeit im Universum. Sie sind keine apersönlichen Wesenheiten, sondern kosmische Personalitäten, obwohl sie sich gewöhnlich hinter den Bewegungen von apersönlichen Kräften verbergen oder verbergen können. Doch während sie im Obermental und in der dreifachen Welt der Unwissenheit als unabhängige Wesen erscheinen, kehren sie im Supramental in den Einen zurück und sind dort in einem einzigen harmonischen Wirken als vielfache Personalitäten in der einen Person vereint, im göttlichen Purushottama.
6. Gegenwart
Das Wort „Gegenwart“ soll das Gefühl und die Wahrnehmung des Göttlichen als ein Wesen zum Ausdruck bringen, das im Dasein und Bewusstsein des Menschen als gegenwärtig oder damit in Beziehung stehend empfunden wird, ohne dass die Notwendigkeit einer weiteren Bestimmung oder Beschreibung besteht. Daher kann man von der „unbeschreiblichen Gegenwart“ nur soviel sagen, dass sie vorhanden ist, und nichts weiteres kann oder braucht darüber gesagt werden; gleichzeitig aber weiß man, dass sie alles enthält, Personalität und Apersonalität, Macht und Licht und Ananda usw., und dass all dies jener unbeschreiblichen Gegenwart entspringt. Das Wort mag manchmal in einem weniger absoluten Sinn gebraucht werden, doch das ist immer die grundlegende Bedeutung – die essentielle Wahrnehmung der essentiellen Gegenwart, die alles übrige stützt.
7. Die Transzendente Mutter
Sie ist es, die die Adya Shakti genannt wird; sie ist das höchste Bewusstsein, die höchste Macht über dem Universum, und durch sie werden alle Götter manifestiert; selbst der supramentale Ishwara gelangt durch sie in die Manifestation – der supramentale Purushottama, dessen Mächte und Personalitäten die Götter sind.

1 Maheshvari, Mahakali, Mahalakshmi, Mahasarasvati.
Teil 3
ERLÄUTERUNGEN DER MUTTER
Erläuterungen zu Kapitel 1
Weise auch die falsche und träge Erwartung zurück, dass die göttliche Macht sogar die Überantwortung für dich leisten wird. Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Was heißt „unwiderrufliche Umwandlung“?
Die Umwandlung ist dann unwiderruflich, wenn dein Bewusstsein so weit umgewandelt ist, dass du nicht mehr in deine alte Verfassung zurückkehren kannst. Es gibt einen Augenblick, wo die Wandlung so umfassend ist, dass man unmöglich wieder so werden kann, wie man vorher war.
Setzt die Umwandlung nicht voraus, dass sie unwiderruflich ist?
Die Transformation kann teilweise vollzogen sein. Die Transformation, von der Sri Aurobindo hier spricht, ist die Umkehr des Bewusstseins: anstatt ichbezogen und persönlichen Befriedigungen zugewendet zu sein, ist das Bewusstsein in Hingabe dem Göttlichen zugekehrt. Und er hat klar ausgeführt, dass die Hingabe zunächst in Teilen vollzogen werden kann – einige Teile geben sich hin, andere nicht. Und erst wenn sich das gesamte Wesen überantwortet hat, ganzheitlich, in all seinen Regungen, ist die Umwandlung unwiderruflich. Es handelt sich um eine unwiderrufliche Wandlung in der Einstellung.
Was ist der Unterschied zwischen der göttlichen Shakti und der göttlichen Macht?
Die göttliche Macht ist nur ein Teil der göttlichen Shakti; die göttliche Macht ist eine Eigenschaft der göttlichen Shakti. Sri Aurobindo verwendet hier das Wort göttliche Shakti in der Bedeutung von chit-tapas, die schöpferische Kraft, das schöpferische Bewusstsein. So ist die göttliche Macht nur ein Teil der Shakti.
Immer wieder wird träge Passivität mit der wahren Überantwortung verwechselt, aber aus träger Passivität kann nichts Wahres und Mächtiges kommen. Gerade die träge Passivität der physischen Natur liefert diese jedem dunklen und ungöttlichen Einfluss aus. Gefordert ist eine freudige, starke und willige Unterwerfung dem Wirken der Göttlichen Kraft gegenüber… (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Was ist „eine freudige, starke und willige Unterwerfung“?
Du weißt, was „froh“ bedeutet? Du weißt, was „stark“ bedeutet? Du weißt, was „willig“ heißt? Nun gut, die Hingabe, also das Sich-selbst-Geben an das Göttliche, muss froh und freudig sein, man muss glücklich sein dabei, und stark muss sie sein; man darf sich nicht aus Schwäche und Ohnmacht geben, es muss durch einen tätigen und starken Willen geschehen. Und dann darf die Hingabe nicht in Trägheit verharren: „Ich habe mich hingegeben, – weiter habe ich im Leben nichts zu tun, ich darf nun gemütlich sitzen bleiben, meine Hingabe ist ja vollzogen.“ Und auch willig muss sie sein, also aktiv – sich an die Umwandlung des Wesens machen oder eine nützliche Arbeit leisten.
Deine Überantwortung muss eigenständig und frei sein; es muss die Überantwortung eines lebendigen Wesens sein, nicht die eines trägen Automaten oder eines mechanischen Werkzeugs. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Du kannst zum Beispiel von der Hingabe deiner Uhr sprechen: du ziehst sie auf und sie läuft, doch ist das keine Einwilligung zu bewusster Mitarbeit.
Die Umwandlung muss ganzheitlich sein, und ganzheitlich darum auch die Zurückweisung von allem, was sich ihr widersetzt. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Das versteht sich von selbst. Eine bejahende Regung genügt nicht, notwendig ist auch die verneinende Bewegung der Zurückweisung. Denn du kannst keine bleibende Umwandlung erlangen, solange du in deinem Wesen Dinge beherbergst, die sich ihr widersetzen. Wenn du in dir dunkle Elemente zulässt, können sie sich eine Zeitlang so ruhig und regungslos verhalten, dass du ihnen keinerlei Bedeutung zumisst, und eines Tages wachen sie dann auf und deine Umwandlung vermag ihnen nicht standzuhalten. Nicht nur die bejahende Bewegung der Selbsthingabe ist nötig, sondern auch die verneinende des Zurückweisens von allem, was sich in dir dieser Hingebung widersetzt. Diese Dinge dürfen nicht „einfach so“ belassen werden, irgendwo vergraben, so dass sie bei der ersten besten Gelegenheit aufwachen und deine ganze Arbeit zugrunde richten. Bestimmte Teile des Wesens verstehen das großartig, es gibt Elemente im Vital, die in dieser Hinsicht außerordentlich sind: da hält sich etwas so ruhig, so völlig still und unbewegt in einem Winkel versteckt, dass du glaubst, es sei überhaupt nicht vorhanden; dann bist du nicht mehr auf der Hut, du bist mit deiner Umwandlung und deiner Hingabe zufrieden, du meinst, alles gehe gut, und dann auf einmal, eines schönen Tages, ganz ohne Warnung, springt es wie ein Schachtelteufelchen auf und lässt dich alle Dummheiten der Welt begehen. Und es ist um so stärker, als es zusammengepresst – zusammengepresst und eingepfercht – in seinem Winkel gesteckt hat, gleichsam vergraben, um deine Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen; es hat sich mäuschenstill verhalten, und in einem Augenblick, wo du es nicht erwartest, schießt es hervor und du jammerst: „Ach! Was hat nun meine ganze Umwandlung genützt?“ Es hat eben dort gesteckt, und so ist es passiert. Ja, diese Dinge bleiben da und verstecken sich so gut, dass du sie – wenn du ihnen nicht mit einer hell leuchtenden Laterne nachspürst – nicht sehen kannst bis zu dem Tag, wo sie deine ganze Arbeit in einer Minute zugrunde richten.
Geschieht das auch, wenn man eine starke Aspiration hat?
Die Aspiration muss sehr wachsam sein.
Ich kannte Menschen (und zwar viele, nicht nur ein paar, ich meine diejenigen, die Yoga praktizieren), ich habe viele kennengelernt, die jedes Mal, wenn sie eine gute und starke Aspiration hatten, und eine Antwort darauf bekamen, dass ihnen noch am selben Tag oder spätestens am nächsten das Bewusstsein völlig umkippte und sie sich vor dem Gegenteil ihrer Aspiration sahen. Solche Dinge geschehen fast ständig. Nun, diese Menschen haben die nur die bejahende Seite entwickelt. Sie üben eine Art Disziplin des Aufstrebens, sie bitten um Hilfe, versuchen mit höheren Kräften in Verbindung zu treten, und das gelingt ihnen auch, sie haben Erfahrungen; aber sie versäumten es gänzlich, ihr Zimmer zu säubern; es ist so schmutzig geblieben wie eh und je, und wenn dann die Erfahrung vorüber ist, wird dieser Schmutz natürlich noch abstoßender als zuvor.
Man darf nie versäumen, sein Zimmer zu säubern, das ist sehr wichtig; die innere Sauberkeit ist mindestens ebenso wichtig wie die äußere.
Vivekananda hat geschrieben (ich kenne den Urtext nicht, ich las nur eine französische Übersetzung): „Wasche jeden Morgen Seele und Körper, aber hast du nicht Zeit für beides, so wasche wenigstens die Seele.“
Wie kann man wissen, ob die kleinen schmutzigen Dinge verschwunden sind oder sich verstecken?
Man kann jederzeit kleine Experimente machen. Ich sagte, man müsse mit einer Fackel, mit einem hellen Licht, in seinem Wesen herumgehen. Wenn man sehr aufmerksam ist, kann man die hässlichen Winkel leicht erkennen. Angenommen, du hast eine schöne Erfahrung. Als Antwort auf deine Aspiration kommt plötzlich ein starkes Licht und du fühlst dich von Freude, Kraft, Helligkeit und Schönheit überflutet. Du hast den Eindruck, umgewandelt zu werden… und dann geht es vorüber – es geht immer vorüber, nicht wahr, vor allem am Anfang –, auf einmal hört es auf. Dann jammerst du, wenn du nicht wachsam bist: „So ist es also gekommen und wieder gegangen, ich armer Kerl! Gekommen und schon wieder weg – es hat mir gerade Geschmack an der Sache gegeben, dann hat es mich fallengelassen.“ Nun, das ist Blödsinn. Du musst dir folgendes sagen: „Sieh mal, ich vermochte es nicht zu halten, und warum nicht?“ Dann nimmst du deine Fackel und gehst in deinem Inneren herum, spürst dem engen Zusammenhang nach, der zwischen dem Bewusstseinswandel und jenen Regungen besteht, die das Aufhören der Erfahrung begleiteten. Und bist du ganz achtsam, ganz aufmerksam, und machst du deine Runde ganz gewissenhaft, dann findest du, dass etwas im Vital, im Mental oder im Körper auf einmal nicht mehr mitgemacht hat; etwas Mentales zum Beispiel, statt still achtzugeben, fing an, sich zu fragen: „Warte mal, was ist denn diese Erfahrung eigentlich? Was bedeutet das?“…, und versuchte, es sich zu erklären (was es „verstehen“ nennt). Oder etwas im Vital begann vielleicht die Erfahrung zu genießen: „Wie köstlich ist das, ich möchte, dass es noch zunimmt, es soll bleiben…“ Oder etwas im Physischen hat eingewendet: „Ach, das ist doch recht schwer zu ertragen, wie lange halte ich das noch aus?“ Vielleicht ist es nicht ganz so offenkundig, wie ich es hier schildere, sondern irgendwo ein klein wenig verborgen. Eines dieser drei Dinge wird man stets finden können, oder andere von der Art. Und dabei ist die Leuchte erforderlich: Wo liegt der Schwachpunkt? Wo steckt der Eigennutz, wo das Begehren? Wo dieser alte Schmutz, den wir nicht mehr wollen? Wo birgt sich das, was im Egoismus verharrt, statt sich zu geben, sich zu öffnen, sich zu verlieren? Wo verbirgt sich das, was sich selbst berücksichtigt, Nutzen aus dem Geschehenen zu ziehen sucht, die Frucht der Erfahrung für sich haben will? Oder was zu schwach ist, zu hart und zu starr, um der Bewegung folgen zu können?… Du bist dem auf der Spur und beginnst nun also, dies neu erworbene Licht darauf zu richten. Das ist es, was du tun musst: Es so darauf einzustellen, so in den Brennpunkt zu bringen, dass es nicht widerstehen kann.
Am ersten Tag schaffst du das noch nicht, aber du bleibst dabei, und nach und nach – oder auch ganz plötzlich, eines Tages –, verflüchtigt es sich. Und dann erkennst du nach einiger Zeit, dass du ein anderer Mensch geworden bist.
Aber wenn du die schon erwähnte Haltung einnimmst und die Gnade und das Licht dafür verantwortlich machst indem du dir sagst: „So ist es also wieder weg und hat mich im Stich gelassen“, dann kannst du dir sicher sein, dass du nach dreißig, vierzig, fünfzig Jahren noch an derselben Stelle sitzt und dich nicht geändert hast. Stets wird auf einmal etwas erwachen und deine Erfahrung fressen. Und statt fortzuschreiten, trittst du dann auf der Stelle, weil du eben nicht weiterkommst. Ergreifst du aber die Gelegenheit beim Schopf… Allerdings tut es manchmal ein wenig weh. Wenn du das Licht unsanft auf das richtest, was die Erfahrung genießen, das Wissen erlangen oder die Erfahrung mit dem mentalen Verständnis meistern will, oder das zu faul ist, die nötige Anstrengung zu machen, um die Erfahrung zu empfangen und auszuhalten oder sich rasch genug zu wandeln – wenn du darauf den Willen mit dem Licht des Bewusstseins richtest, und zwar fest entschlossen, dann kann es ein wenig schmerzen. Und du sagst dir: „Ach, nicht so schnell! Ich brauche Ruhe, das hat mich unnötig ermüdet.“ Dann muss man mit allem wieder neu anfangen. Es kann manchmal Tage, Monate, ja sogar Jahre dauern, bis das wiederkommt. Wenn deine Aspiration ein wenig stärker und inniger ist, kommt es eher. Machst du aber wieder dieselbe Dummheit, dann passiert wieder dasselbe. Bist du dagegen gleich auf der Hut und gebietest dem Mental, sobald es herumzuschnuppern beginnt, um über das Geschehen Bescheid zu wissen: „Schweig, sei still“, dann kann die Erfahrung sich fortsetzen. Wenn das Vital damit anfängt: „Ich will viel, viel, immer mehr…“, entgegnest du: „Ruhig, ruhig, rühre dich nicht, rege dich nicht auf.“ Oder wenn das physische Wesen damit kommt: „Ach, das erdrückt mich…“ – „Ein wenig Ausdauer, bitte, du bist ja eine Memme, bewähre dich mal!“ Tust du das rechtzeitig, mit der nötigen Ruhe, der nötigen Entschlossenheit und dem Willen, dann erreichst du etwas. Aber wenn du dich gehen lässt, passiv, träge, fatalistisch, und dir sagst: „Ich habe mich ja überantwortet – geschehe also, was da wolle, wir werden sehen, was geschehen wird“, in dem Fall wirst du in fünfzig Jahren um keinen halben Schritt vorangekommen sein.
In der letzten Stunde sagte ich, dass es gar nicht so leicht ist… Will man es machen, so muss man es recht machen, sonst lohnt es sich nicht. Es ist nutzlos, die Dinge halb zu tun, man muss sie ganz tun.
Es gibt natürlich andere Wege, zum Beispiel es einfach nicht versuchen, sich selbst zu vervollkommnen. Man kann stattdessen versuchen, sich in einer Arbeit, die mehr und mehr das ganze Wesen beansprucht, zu vergessen, das heißt, das, was man tut, als etwas dem Göttlichen Geweihtes zu tun, auf gänzlich selbstlose Weise, aber mit einer Fülle, einer Selbsthingabe, einem völligen Selbstvergessen: nicht mehr an sich selbst zu denken, sondern an das, was man tut. Ich habe das schon oft gesagt: Wenn du etwas gut machen willst, was immer es auch sein mag, irgendeine Arbeit, die kleinste Sache, ein Spiel spielen, ein Buch schreiben, ein Bild malen, musizieren oder ein Rennen laufen, ganz gleich was, wenn du es gut machen willst, musst du das werden, was du tust, und nicht eine kleine Person bleiben, die sich beim Tun zuschaut; denn wenn man sich dabei zuschaut, ist man noch der Komplize des Ego. Gelingt es einem, selbst das zu werden, was man tut, so hat man einen großen Fortschritt gemacht. Auch in den kleinsten Einzelheiten muss man dies lernen. Nehmen wir ein vergnügliches Beispiel: Du willst eine Flasche aus einer anderen füllen. Du konzentrierst dich (du kannst es als Disziplin, als Gymnastik üben), und wenn du dabei die zu füllende Flasche, die gießende Flasche und die Gießbewegung bist – solange du nur dieses bist –, geht alles gut. Doch wenn du unglücklicherweise plötzlich zu denken anfängst: „Ah, das geht ja wirklich gut, ich mache es gut“, dann läuft es im nächsten Augenblick daneben! Darum ist Arbeit ein so gutes Mittel der Disziplin, denn wenn du eine Arbeit ordentlich machen willst, ist es nötig, dass du die Arbeit wirst anstatt derjenige, der die Arbeit verrichtet. Ansonsten machst du nie etwas Gutes. Wenn du jemand bleibst, „der arbeitet“, und außerdem die Gedanken schweifen lässt, dann kannst du dir sicher sein, dass dir beim Umgehen mit zerbrechlichen Dingen diese kaputtgehen, beim Kochen das Essen anbrennt, beim Spielen die Bälle ihr Ziel verfehlen! Insofern ist Arbeit eine großartige Disziplin. Denn willst du sie wirklich gut machen, dann ist dies die einzige Weise.
Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der ein Buch schreibt. Sieht er sich beim Schreiben zu, dann kannst du dir nicht vorstellen, wie fade das Buch wird. Es riecht sogleich nach der kleinen menschlichen Person, die dort zugegen ist, und verliert seinen ganzen Wert. Wenn sich ein Maler dabei zusieht, wie er ein Bild malt, wird es niemals gut, sondern immer nur eine Art Projektion des Künstlers, ohne wirkliches Leben, ohne Kraft, ohne Schönheit. Wird er aber auf einmal zu dem, was er ausdrücken will, wird er das Malen, wird er die Pinsel, die Leinwand, der Gegenstand, das Bild, die Farben, die Bedeutung, das Gesamte, ist er voll und ganz darin und lebt das, dann bringt er etwas Großartiges zustande.
Für alles, für gar alles gilt das Gleiche. Es gibt nichts, das nicht eine yogische Disziplin sein könnte, wenn man es ordentlich macht. Und umgekehrt nützt sogar die Tapasya nichts und führt nirgendwohin, wenn sie nicht ordentlich geübt wird. Denn es ist auch damit dasselbe. Wenn du dir beim Ausüben der Tapasya zuschaust und dich fragst: „Mache ich Fortschritte, geht es bald besser, werde ich Erfolg haben?“, dann wird dein Ego immer riesiger und nimmt schließlich so viel Platz ein, dass für etwas anderes kein Platz mehr bleibt. Und neulich sagte ich, dass das spirituelle Ego von allen das schlimmste sei, weil es sich seiner Minderwertigkeit keineswegs bewusst, sondern im Gegenteil überzeugt ist, dass es etwas Überragendes, wenn nicht gar durch und durch Göttliches sei!
Wenn du in der Schule bist, musst du die Konzentration werden, die den Lehrer zu verstehen sucht, oder zum Gedanken, der in dich eintritt, oder zum Wissen, das dir geboten wird. Zu diesem also musst du werden. Nicht an dich sollst du denken, sondern nur an das, was du lernen willst. Und du wirst sehen, dass deine Fähigkeiten sich sogleich verdoppeln.
Was am meisten dies Gefühl der Minderwertigkeit gibt, der Beschränktheit, der Kleinheit, des Unvermögens, ist stets diese Ichbezogenheit, dies Verharren in den Grenzen eines mikroskopischen Ego. Man muss sich weiten, die Türen aufsperren. Und am besten kann man das tun, indem man sich auf das ausrichtet, was man tut, und nicht auf sich selbst.
28. APRIL 1951

Wegen des drohenden Regens findet der Unterricht in der Turnhalle statt. Vor dem Beginn kündigt die Mutter an, dass sie bei dem neuen Buch, das gelesen werden soll – Die Mutter von Sri Aurobindo –, anders vorgehen werde. Sie selbst wird es lesen und nicht mehr die Kinder, wie es bis jetzt der Fall war. Zuvor sollen sie jedoch ein Kapitel gelesen haben, und jedes soll eine Frage für den Unterricht vorbereiten. Grundlage für das folgende Gespräch ist das 1. Kapitel von „DIE MUTTER“.
Gefordert ist eine freudige, starke und willige Unterwerfung dem Wirken der Göttlichen Kraft gegenüber, der Gehorsam des erleuchteten Schülers der Wahrheit, des inneren Kriegers, der gegen Dunkelheit und Falschheit kämpft, des treuen Dieners des Göttlichen. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Liebe Mutter, wer ist dieser „innere Krieger“ ?
Das ist das bekehrte vitale Wesen. Das Vital, vollständig zum Göttlichen bekehrt, ist wie ein Krieger. Es hat sogar das Aussehen eines Kriegers. Das Vital ist der Ort der Macht, und die Macht ist es, die den Krieger zum Kampf antreibt, die kämpfen und siegen kann, und das ist das schwierigste, weil gerade diese kämpferischen Fähigkeiten den Sinn für Revolte und für Unabhängigkeit erzeugen und den Willen, seinen eigenen Willen auszuführen. Wenn das Vital jedoch versteht und sich bekehrt, wenn es wirklich dem göttlichen Willen ergeben ist, dann kehren sich diese kämpferischen Fähigkeiten gegen die anti-göttlichen Kräfte und gegen die ganze Dunkelheit, die deren Umwandlung verhindert. Und sie sind allmächtig und besiegen die Gegner. Die anti-göttlichen Kräfte sind in der vitalen Welt; von da aus haben sie sich natürlich im Physischen verbreitet, aber ihr eigentlicher Sitz ist in der vitalen Welt, und die bekehrte vitale Kraft hat die wahre Macht, sie zu besiegen. Aber es ist die schwierigste Bekehrung.
Die Überantwortung muss vollständig sein und alle Teile des Wesens erfassen. Es genügt nicht, wenn das Seelische antwortet und das höhere Mental zustimmt oder sogar das innere Vital sich unterwirft und das innere Physische den Einfluss fühlt. Es darf in keinem Teil des Wesens, nicht einmal im äußersten, irgendetwas geben, das einen Vorbehalt hat, das sich hinter Zweifeln, Verwirrungen und Ausflüchten versteckt, das revoltiert oder sich verweigert. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Was sind Ausflüchte?
Ausflüchte? Das sind Tricks. Du weißt, was ein Trick ist? Ja? Also, Tricks sind Täuschungsmittel, Mittel, die man zur Täuschung benutzt. Man verbirgt das, was man tun will, unter einem anderen Anschein, um zu täuschen; das sind „Ausflüchte“.
…Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen… (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Was ist eine „unwiderrufliche Umwandlung“?
Unwiderruflich – das bedeutet eine Umwandlung, die man nicht mehr rückgängig machen kann, die ein für allemal abgeschlossen ist.
Liebe Mutter hier steht: „Es genügt nicht, wenn das Seelische antwortet und das höhere Mental zustimmt oder sogar das innere Vital sich unterwirft und das innere Physische den Einfluss fühlt. Es darf in keinem Teil des Wesens, nicht einmal im äußersten, irgendetwas geben, das einen Vorbehalt hat, das sich hinter Zweifeln, Verwirrungen und Ausflüchten versteckt, das revoltiert oder sich verweigert.“ Bedeutet das, dass es auch ein höheres Vital gibt?
Ja, die Unterwerfung des höheren Vitals ist im Allgemeinen viel weniger schwierig, weil es unter dem Einfluss des Mentals steht und manchmal auch des Seelischen; es versteht also leichter. Es ist viel leichter zu bekehren als das niedere Vital, das im wesentlichen das Vital der Begierden und Triebe ist. Damit meint er also, dass das niedere Vital sich unterwerfen kann, es ist damit einverstanden, zu gehorchen, zu tun, was man ihm sagt, aber es ist ganz und gar nicht froh. Es ist nicht glücklich, manchmal leidet es sogar, es frisst seine Auflehnung aus Gehorsam in sich hinein, aber es arbeitet nicht mit. Und wenn das Vital nicht mit Freude und wahrer Liebe mitarbeitet, ist nichts zu machen; die Umwandlung kann nicht kommen.
Hier verstehe ich nicht:
„Aber die höchste Gnade wird nur unter den Bedingungen des Lichts und der Wahrheit handeln; sie wird nicht unter Bedingungen handeln, die ihr von der Falschheit und der Unwissenheit auferlegt werden. Denn gäbe es den Forderungen der Falschheit nach, würde sie ihre eigene Absicht vereiteln.“
Was bedeutet „würde sie ihre eigene Absicht vereiteln“?
Ja. Das bedeutet, dass sie gegen ihre Arbeit wäre, gegen ihre eigene Arbeit. Die Gnade ist gekommen, also, sie arbeitet für die Verwirklichung der Wahrheit. Wenn sie die Bedingungen annimmt, die ihr von der Falschheit auferlegt werden, kann sie nichts mehr machen. Dazu könnte ich dir zahllose Beispiele von Menschen nennen, die hartnäckig darauf bestehen, dass die Dinge ihnen gegenüber auf eine ganz bestimmte Weise geschehen sollen. Sie flehen, manchmal fordern sie sogar, dass es so sei; und was sie erbitten, steht in krassem Gegensatz zur Wahrheit; und wenn die Gnade ihren Bitten nachkäme, würde sie gegen ihre eigene Absicht handeln und würde ihre eigene Absicht ruinieren, das heißt, sie würde gegen ihre eigene Arbeit und ihr eigenes Ziel angehen. Sie kommt hierher, um die Wahrheit zu verwirklichen. Wenn sie der Falschheit gehorcht, kehrt sie der Wahrheit den Rücken. Und meistens spannen die Menschen den karren vor das Pferd –, meistens aus Unwissenheit und Dummheit. Manchmal ist es aber auch böser Wille, dass sie auf der Erfüllung ihrer Bedingungen bestehen, dass sie sich auf eine Art Tauschhandel einlassen, im Gegenzug für ihre Hingabe, und sie tun es… Ja, viele tun es unbewusst – ich sagte, aus Unwissenheit und Dummheit. Manche tun es bewusst; und sie wollen dann, dass ihre Bedingungen erfüllt werden. Sie sagen: „Wenn es so und so ist…!“ Und das geht schließlich so weit, dass sie zum Göttlichen sagen: „Wenn Du so und so bist, wenn Du die Bedingungen, die ich Dir vorschreibe, erfüllst, werde ich Dir gehorchen!“ Sie formulieren es nicht so, weil das zu lächerlich wäre, aber sie tun es fast ständig. Sie sagen: „Ach, das Göttliche ist so und so. Das Göttliche tut das und das. Das Göttliche muss so und so antworten.“ Und so machen sie weiter, und es wird ihnen nicht klar, dass sie dabei ganz einfach ihre Vorstellungen, und auch ihre Wünsche, was das Göttliche sein soll und tun soll, dem Göttlichen aufzwingen. Und wenn das Göttliche nicht das tut, was sie wollen, oder ihre Bedingungen nicht erfüllt, sagen sie: „Du bist nicht das Göttliche.“ Das ist sehr einfach. „Du erfüllst nicht die Bedingungen, die ich stelle, folglich bist du nicht das Göttliche!“ Aber sie tun das ständig! Wenn sich nun die Göttliche Gnade den Ansprüchen dieser Leute beugte, um ihnen zu gefallen, würde sie natürlich ganz gegen ihre eigene Absicht handeln und ihr eigenes Werk zerstören!…
Hier steht:
„…nur die höchste supramentale Kraft, von oben herabkommend und von unten öffnend, kann die physische Natur siegreich meistern und deren Schwierigkeiten beseitigen…“
Ich verstehe den letzten Teil nicht.
Welche Worte genau verstehst du nicht?
Eine Öffnung von unten, kann die physische Natur siegreich meistern.
Siegreich meistern? Du weißt nicht, was das heißen soll? Eine Öffnung von unten bedeutet, etwas kommt von oben und drängt sich unten auf, um sich von unten nach oben zu arbeiten; es bahnt sich einen Weg, baut sich eine Art Straße, einen Weg durch den Widerstand, der da unten ist, schlägt eine Schneise, als sei man im Urwald und fällt die Bäume, um sich einen Weg zu bahnen. Nun, so ist das. In den unteren Ebenen der Materie gibt es einen Widerstand, und durch den Druck von oben wird ein Weg gebahnt, wird ein Durchgang durch den Widerstand geschlagen. Und dann… verstehst du dann das, was folgt?
Nein. „Kann die physische Natur siegreich meistern“.
„Meistern“, das bedeutet… Im Englischen heißt es „deal with“; das heißt, sie kann mit allen Widerständen der physischen Welt umgehen. Nur die höchste Kraft kann die Schwierigkeiten der Materie bewältigen, meistern. Das soll es heißen. Alle Widerstände und alle Schwierigkeiten der physischen Welt können nur von der höchsten Kraft überwunden werden – von der höchsten supramentalen Kraft. Hast du jetzt verstanden?
Ja.
Mutter, es heißt: „Weise die irrige Vorstellung zurück, dass die göttliche Macht auf dein Verlangen hin willens und verpflichtet sei, alles für dich zu tun, selbst dann, wenn du die vom Höchsten gestellten Bedingungen nicht erfüllst.“
Also…
Nun, es gibt Leute, denen man sagt: „Sie müssen sich überantworten.“ Dann antworten sie einem lächelnd: „Also, machen Sie, dass ich mich überantworte!“ Nicht wahr, das ist sehr einfach!
Wenn man Fortschritte machen will…
Ja.
Man probiert, aber man sieht, dass etwas nicht vorankommen will, keine Fortschritte machen will!
Ja, Fortschritte machen.
Wenn man dann das Göttliche bittet zu…
Zu helfen?
Ja.
Das ist etwas anderes. Helfen, selbstverständlich. Es ist da, um zu helfen. Aber was hier gesagt wird, das bedeutet, sitzen bleiben, ohne etwas zu tun, ohne auch nur die leiseste Bemühung, und nicht einmal Aspiration oder Willen, rein gar nichts, und dann zu sagen: „Also, Gott wird das für mich tun; das Göttliche wird es für mich machen. Die Göttliche Gnade macht, dass ich Aspiration habe. Wenn ich Aspiration brauche, wird Sie sie mir geben. Wenn ich Hingabe brauche, wird Sie sie mir geben“, und so fort. „Ich habe nichts zu tun als passiv sitzen zu bleiben, ohne mich zu regen und ohne etwas zu wollen.“ Es gibt viele solcher Menschen, viele! Man sagt zu ihnen: „Habe Aspiration!“ – „Gib mir Aspiration!“ Man sagt zu ihnen: „Sei freigebig!“ – „Ach, mache mich freigebig, und ich werde alles geben!“
(Ein anderes Kind) Ich wiederhole eine Frage. Liebe Mutter, hier im Französischen heißt es: „Sich den Durchgang von unten her bahnend“, aber im Englischen ist das Wort „Durchgang“ nicht da.
Ja? Wer hat das Englische?
Ich.
Lies es, lies dein Englisches!
„…and it is only the very highest supramental Force descending from above and opening from below that can victoriously handle the physical nature and annihilate its difficulties…“
Opening from below [von unten öffnend]?
Das kann heißen: der Kraft, die im Zentrum der Materie verborgen ist, zu erlauben, sich zu manifestieren. Das ist die Vorstellung der supramentalen Gegenwart, die im Zentrum aller Dinge ist, aber verborgen und unfähig, sich zu manifestieren, sozusagen, und die dann gleichsam von der Kraft von oben erweckt wird und sich manifestiert.
Das kann das bedeuten, das heißt, damit soll möglicherweise ausgedrückt werden, dass die beiden äußersten Enden sich berühren wie in einem Kreis; Anfang und Ende berühren sich. Das kann das bedeuten.
(Pavitra) Mutter, gerade das bedeutet es im Französischen – in der französischen Übersetzung.
Offensichtlich! Nur wird es nicht mit Worten gesagt. In Wirklichkeit heißt das – wie auch immer es ausgedrückt wird –, dass die beiden Enden sich treffen, sich vereinigen, dass der Höchste, der in der Materie ist, und der Höchste, der außerhalb der Materie ist, sich treffen und vereinigen. Das bedeutet es. Aber in beiden Fällen bedeutet es dasselbe.
Liebe Mutter, was bedeutet „träge Passivität“?
Träge Passivität? Das bedeutet … Passivität – wir haben kürzlich gesagt, dass sie sich nicht regt, nicht tätig ist, nicht schwingt, nicht antwortet. Also, eine träge Passivität ist völlig unbewusst, untätig und reagiert nicht. Dagegen haben wir kürzlich eine Passivität beschrieben, die antwortet, die sich öffnet und die empfänglich ist, die sich aber nicht regt, die nicht tätig ist, die das Gegenteil ist von… Nehmen wir Passivität als das Gegenteil von Aktivität, etwas, das nicht tätig ist, das aber empfänglich ist und empfängt.
Aber eine träge Passivität ist eine Passivität, die nichts empfängt, die wie ein Stein ist, zum Beispiel. Man sagt, der Stein hat eine träge Passivität … wie Erde, wie Sand. Das ist nicht ganz richtig, weil es nichts gibt, das nicht wenigstens ein bisschen für Kräfte empfänglich ist. Nun ja, je mehr man sich dem sogenannten Unbewussten nähert, desto träger und gleichzeitig passiver wird es. So ist das.
Eine träge Passivität in jemandem ist also eine Art Unfähigkeit zu schwingen, zu empfangen, sich zu öffnen, zu antworten, etwas, das völlig unbewusst ist und sich nicht regt – in keiner Weise.
Liebe Mutter, wie kann die Unterwerfung freudvoll werden?
Sie muss aufrichtig sein. Wenn sie wirklich aufrichtig ist, wird sie freudvoll. Solange sie nicht – man kann die Sache umkehren –, solange sie nicht freudig ist, kannst du sicher sein, dass die Unterwerfung nicht vollkommen aufrichtig ist; denn wenn sie vollkommen aufrichtig ist, ist sie immer freudvoll. Wenn sie nicht freudvoll ist, bedeutet das, dass sich etwas zurückhält, etwas, das möchte, dass es anders ist, etwas, das einen Eigenwillen hat, einen eigenen Wunsch, ein eigenes Ziel und das nicht zufrieden ist; das folglich nicht ganz hingegeben, in der Hingabe nicht aufrichtig ist. Ist man aber in der Hingabe aufrichtig, dann ist man automatisch voller Freude. Ganz automatisch genießt man ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Folglich gilt: Solange dieses unbeschreibliche Glücksgefühl nicht vorhanden ist, ist das ein sicheres Zeichen, dass man nicht aufrichtig ist, dass da etwas ist, ein großer oder kleiner Wesensteil, der nicht aufrichtig ist.
Liebe Mutter wie kann man diesen Wesensteil finden?
Aspiration haben, nicht nachgeben, das Licht darauf richten, notfalls beten. Es gibt viele Wege. Manchmal sind chirurgische Eingriffe nötig, das Glüheisen auf der Wunde, als hätte man irgendwo einen hässlichen Abszess, der nicht aufgehen will.
(Ein anderes Kind) Hier heißt es:
„Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen.“
Ja, das geschieht alle Augenblicke.
Das Kind nimmt den Satz wieder auf: „…bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen…“ Leugnen, was heißt das?
Leugnen? Das habe ich vorhin gesagt. Leute, die finden, dass das Göttliche nicht alles will, was sie wollen, oder dass Es nicht mit ihrem Eigenwillen übereinstimmt, sie leugnen Es. Sie sagen: „Das ist nicht das Göttliche.“ Oder dann gibt es andere, die noch weitergehen und sagen: „Es gibt kein Göttliches. Das Göttliche existiert nicht, weil es nicht übereinstimmt mit…“ Es ist sehr störend, dass es ein Göttliches gibt: Man sagt, es gibt keines!
Liebe Mutter, was heißt „eines trägen Automaten“?
Automat, das ist noch etwas mehr als träge Passivität. Automat, das ist eine mechanische Bewegung; und „träge“ bedeutet unbewusst. Das ist also eine unbewusste mechanische Bewegung, etwas, das keine Seele hat, keinen Geist, keinen Willen, keinen Schwung, etwas, das nur wie eine Maschine ist, das kein Bewusstsein hat; und träge heißt, vollkommen bar allen Bewusstseins und auch aller Empfänglichkeit. Selbst eine Uhr, zum Beispiel, kann man wohl kaum einen trägen Automaten nennen. Eine Uhr hat so etwas wie eine Seele. Eine Maschine – wenn sie sehr gut gebaut ist –, hat so etwas wie eine Seele, sie spricht an, sie hat eine gewisse Empfänglichkeit. Doch das, das ist etwas ohne jede Empfänglichkeit, ohne jegliches Bewusstsein und nur wie ein Mechanismus, den man aufzieht und der so macht (Die Mutter vollführt automatische Handbewegungen), ohne zu wissen, warum und wieso.
Mutter, was heißt unwillige Unterwerfung?
Unterwerfung… unwillig? Das kann nicht sein. Es heißt willige Unterwerfung…
Eine freudige Unterwerfung, wie ich vorhin sagte. Eine starke, nicht wahr, nicht etwas Schwaches und Energieloses; stark, kraftvoll; und willig, das heißt, sie ist tätig, sie ist wirksam, sie bringt Ergebnisse, eine Hingabe, die sich nützlich erweist, eine Hingabe, die zum Beispiel bei der Arbeit, beim Fortschritt mitarbeiten will. Sie ist das Gegenteil eines trägen Automaten; sie steht gerade im Gegensatz dazu.
Liebe Mutter, was heißt „eine ausschließliche Öffnung seiner selbst für die göttliche Kraft“?
Statt „Öffnung seiner selbst“ kann man auch Empfänglichkeit sagen, etwas, das sich öffnet, um zu empfangen. Also, anstatt sich nach allen Seiten hin und für alle Menschen zu öffnen und von ihnen etwas zu empfangen, wie man das gemeinhin tut, öffnet man sich nur gegenüber dem Göttlichen, um nur die göttliche Kraft zu empfangen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Leute üblicherweise tun. Sie sind immer an der Oberfläche offen, sie empfangen Einflüsse von allen Seiten. Und daraus entsteht in ihrem Inneren dann ein sogenanntes Potpourri (die Mutter lacht) von allen möglichen widerstreitenden Regungen, die natürlich zahllose Schwierigkeiten verursachen. Hier wird also empfohlen, sich nur dem Göttlichen gegenüber zu öffnen und nur die göttliche Kraft zu empfangen, unter Ausschluss von allem anderen. Das lässt alle Schwierigkeiten fast ganz verschwinden. Nur eines bleibt schwierig, nämlich… Man kann das machen, aber wenn man nicht in einem Zustand hermetischer Abgeschlossenheit lebt, dann ist es schwierig, mit den Menschen in Verbindung zu sein, zum Beispiel mit ihnen zu reden, irgendwelchen Austausch mit ihnen zu pflegen, ohne etwas davon aufzunehmen. Es ist schwierig. Ist man in einer Art von … in einer Atmosphäre, die wie ein Filter wirkt, dann wird alles, was von außen kommt, gefiltert, bevor es uns berührt. Aber es ist sehr schwierig; das verlangt eine sehr große Erfahrung. Übrigens gingen deshalb Menschen, die den leichtesten Weg suchten, in die Einsamkeit und setzten sich unter einen Baum, redeten nicht mehr und sahen niemand mehr; weil das den nicht wünschenswerten Austausch verringert. Nur etwas war auffallend, nämlich, dass diese Menschen sich enorm für das Leben kleiner Tiere, für das Leben der Pflanzen zu interessieren begannen, weil es schwierig ist, ohne Austausch mit etwas zu leben. Also ist es besser, das Problem geradewegs anzugehen und sich mit einer so restlos auf das Göttliche konzentrierten Atmosphäre zu umgeben, dass das, was diese Atmosphäre durchquert, beim Durchgang gefiltert wird.
Doch auch wenn das geschafft ist, bleibt noch die Nahrung. Solange unser Körper zu seiner Erhaltung fremde Substanz aufnehmen muss, wird er gleichzeitig eine beträchtliche Menge träger und unbewusster Kräfte oder eines wenig wünschenswerten Bewusstseins aufnehmen, und diese Alchemie muss im Körper ablaufen. Wir sprachen über alle Arten von Bewusstsein, die man mit der Nahrung aufnimmt. Man nimmt mit der Nahrung aber auch Nichtbewusstheit auf – und zwar in reichlicher Menge. Und deshalb wurde in vielen Yoga-Disziplinen der Rat gegeben, die Nahrung vor dem Essen dem Göttlichen darzubringen (Die Mutter macht eine Geste der Darbringung, die beiden Hände nebeneinander und nach oben geöffnet). Der Rat besteht darin, vor der Mahlzeit das Göttliche in die Nahrung herabzurufen. Man bringt sie Ihm dar – das heißt man bringt sie mit dem Göttlichen in Berührung, damit sie während des Essens unter dem göttlichen Einfluss ist. Das ist sehr nützlich, das ist sehr gut. Wenn man es zu tun vermag, ist das sehr nützlich, denn es verringert die Arbeit der inneren Umwandlung, die getan werden muss, beträchtlich. Aber so wie die Dinge in dieser Welt liegen, sind wir alle voneinander abhängig, nicht wahr. Man kann die Luft nicht atmen, ohne die Schwingungen aufzunehmen, die zahllosen Schwingungen aus allen möglichen Regungen und von allen möglichen Menschen, und man muss – wenn man intakt bleiben will – ständig in diesem Zustand des Filterns sein, von dem ich gesprochen habe. Das heißt, allem Unerwünschten darf man nicht erlauben einzutreten, so als ginge man an verseuchte Orte und würde eine Maske vor das Gesicht halten, damit die Luft gereinigt wird, bevor man sie einatmet. Nun, so etwas Ähnliches muss man tun. Man muss um sich herum eine solch intensive Atmosphäre der totalen Hingabe an das Göttliche haben – um einen herum derart verdichtet –, dass alles, was da durchgeht, automatisch gefiltert wird. Das ist gleichwohl für das ganze Leben äußerst nützlich, weil es schlechte Gedanken, bösen Willen und Menschen gibt, die einem übel gesinnt sind und Formationen bilden. In der Atmosphäre gibt es alle möglichen Arten von absolut Unerwünschtem. Und wenn man die ganze Zeit über aufpassen und nach allen Seiten schauen müsste, würde man nur noch an eines denken: Wie schütze ich mich. Zuerst einmal ist das sehr lästig, und dann, nicht wahr, verliert man auch sehr viel Zeit dabei. Bist du gut eingehüllt von diesem Licht, dem Licht einer vollkommen glücklichen, absolut aufrichtigen Hingabe, dient es dir als wunderbarer Filter. Alles gänzlich Unerwünschte, alles Böswillige kann nicht durchdringen. So kehrt es automatisch dorthin zurück, woher es gekommen ist. Gibt es einen bewussten bösen Willen gegen dich, kommt er an, kann aber nicht durchdringen: Die Tür ist verschlossen, denn sie ist nur für göttliche Dinge offen und für nichts anderes. Also kehrt er ganz ruhig zu seinem Ursprung zurück.
Doch sind das alles Dinge, die man durch eine Art Studium und Wissenschaft erlernen kann. Aber auch ohne Studium oder Wissenschaft kann man sie machen, vorausgesetzt, Aspiration und Hingabe sind absolut und umfassend. Sind Aspiration und Hingabe umfassend, wird es automatisch getan. Doch man muss darüber wachen, dass sie umfassend sind. Und im Übrigen, wie ich bereits sagte, merkt man es sehr gut, da man von dem Augenblick an, wo sie nicht mehr umfassend sind, auch nicht mehr glücklich ist. Du fühlst dich unwohl, sehr elend, entmutigt, etwas unglücklich: „Die Dinge sind heute nicht sehr angenehm. Es sind die gleichen Dinge wie gestern, und da waren sie wunderbar. Heute aber sind sie nicht angenehm!“ – Warum? Weil du gestern in einem Zustand vollkommener Hingabe warst – mehr oder weniger vollkommen –, und heute bist du es nicht mehr. Was also gestern so schön war, ist heute nicht mehr so schön. Diese Freude, die du in dir hattest, dieses Vertrauen, diese Gewissheit, dass alles gut geht, dass das große Werk vollendet wird, diese Zuversicht – all dies, siehst du, ist verhüllt worden, und an seine Stelle ist so etwas wie Zweifel, ja, Unzufriedenheit getreten: „Die Dinge sind nicht schön, die Welt ist scheußlich, die Menschen sind unangenehm.“ Das geht manchmal so weit: „Das Essen ist nicht gut, gestern war es hervorragend.“ Es ist das gleiche Essen, doch heute ist es nicht gut! Das ist der Barometer! Du kannst dir sofort sagen, dass sich da irgendwo eine Unaufrichtigkeit eingeschlichen hat. Das lässt sich ganz leicht erkennen. Du musst dazu nicht sehr gebildet sein, denn, wie Sri Aurobindo es in Elements of Yoga sagte: Man weiß, ob man glücklich oder unglücklich ist, man weiß, ob man zufrieden oder unzufrieden ist, man muss sich nicht fragen, muss sich deswegen nicht komplizierte Fragen stellen, man weiß es! – Also, es ist sehr einfach.
Wenn du dich unglücklich fühlst, kannst du daruntersetzen: „Ich bin nicht aufrichtig!“ Diese beiden Sätze gehören zusammen:
„Ich bin nicht glücklich!“
„Ich bin nicht aufrichtig!“
Was läuft da nun verkehrt? Man beginnt zu schauen, und man findet es sehr schnell heraus….
Sind wir am Ende mit den Fragen oder nicht? (Zu einem Jungen) Du, du hast deine Frage noch nicht gestellt?
Mutter, in den Briefen sagt Sri Aurobindo irgendwo (Letters on Yoga, Cent. Vol. 24, p. 609), dass die Gnade den Gerechten nicht erwählt und den Sünder nicht zurückweist. Sie hat ihr eigenes Unterscheidungsvermögen, das anders ist als das des Mentals. So hilft die Gnade zum Beispiel dem Heiligen Augustinus. Warum sagt Sri Aurobindo dann hier: „Aber die höchste Gnade wird nur unter den Bedingungen des Lichts und der Wahrheit handeln.“?
Ja, das ist mir aufgefallen. Gerade, als ich las, dachte ich daran.
Ich dachte daran. Ich denke, dass er diesen Satz so geschrieben hat, damit er leicht verständlich ist. Aber eigentlich hat er das, was er sagen wollte, vorher gesagt: Du weist selbst die Gnade zurück. Er formulierte … „sie wird nicht unter Bedingungen handeln“. Das haben wir besprochen. Nicht wahr, das habe ich erklärt: Man verlangt von der Gnade, dass Sie etwas für einen tut, aber dies ist eine Falschheit. Sie wird es nicht tun, weil Sie nur in der Wahrheit handelt.
Aber wieso kommt Sie dann und hilft dem Sünder?
Sie hilft dem Sünder nicht, ein Sünder zu sein! Sie hilft dem Sünder, seine Sünde zu lassen; das heißt, Sie stößt den Sünder nicht weg und sagt zu ihm: „Ich tue nichts für dich.“ Sie ist da, immer, auch wenn er sündigt, um ihm zu helfen, aus seiner Sünde herauszukommen, aber nicht, um seine Sünde fortzusetzen.
Es gibt da einen großen Unterschied zu dem eben Gesagten und dieser Vorstellung: Du bist schlecht und folglich beschäftige ich mich nicht mit dir: „Ich werfe dich weit von mir, geschehe dir, was da mag, ich kümmere mich nicht darum“. Das ist die allgemeine Vorstellung. Man sagt: „Gott hat mich verworfen“, nicht wahr. So ist das nicht. Du magst die Gnade nicht fühlen, aber Sie wird immer da sein, auch beim schlimmsten Sünder, auch beim schlimmsten Verbrecher, um ihm zu helfen, sich zu ändern, sich sein verbrecherisches Tun und seine Sünde abzugewöhnen, wenn er es denn will. Sie wird ihn nicht verwerfen, aber Sie geht nicht hin und hilft ihm bei seinem bösen Tun. Das wäre nicht mehr die Gnade. Verstehst du den Unterschied?
Aber er hat hier einen Satz geschrieben, der … stimmt ganz genau: „…dann stößt du jedes Mal … die göttliche Gnade von dir fort“. Und … „…dann wirst du immer Angriffen gegenüber geöffnet sein, und die Gnade wird sich von dir zurückziehen“… (Schweigen) Nicht die Gnade zieht sich von dir zurück, sondern du ziehst dich von der Gnade zurück. Das ist ein Gefühl und der Ausdruck der Tatsache. Denn im Satz – in einem vorhergehenden Satz heißt es: „…dann stößt du jedes Mal … die göttliche Gnade von dir fort“. Das gibt es genau wieder. Du selbst weist die göttliche Gnade weit von dir. Nachdem du Sie aber zurückgewiesen hast, hast du das Gefühl, Sie hätte sich von dir zurückgezogen, und es ist vielmehr so: „…dann wirst du immer Angriffen gegenüber geöffnet sein, und die Gnade wird sich von dir zurückziehen“. Es ist nicht der Fall, dass Sie sich von dir zurückzieht, du hast nur das Gefühl, Sie ziehe sich von dir zurück.
Das ist der Ausdruck für den Eindruck, den man hat. Es ist aber nicht so, dass die Gnade sich zurückzieht. Denn da steht es, gerade vorher, wo er sagt: „…so darfst du nicht die göttliche Gnade dafür verantwortlich machen, dich im Stich gelassen zu haben“, – du bist es, der Sie von sich weist.
In dem Fall versetzt er sich in die Haltung der Gnade, und im anderen Fall hat er sich in die Haltung der Person versetzt, die sagt: „Die Gnade zieht sich weit von mir zurück.“ Aber nicht die Gnade hat sich zurückgezogen, sondern jene Person selbst hat Sie von sich gewiesen, das heißt, jener hat einen Abstand zwischen sich und der Gnade geschaffen. Eigentlich ist auch „zurückweisen“ kein korrektes Bild; das ist nicht für einen Philosophen geschrieben worden und nicht in philosophischer Terminologie. Im einen Fall hat er diese Haltung eingenommen, im anderen Fall jene Haltung, aber die Erscheinung ist dieselbe; das heißt, es ist sozusagen eine psychologische Distanz zwischen der Gnade und dem Individuum entstanden. Und diese psychologische Distanz bewirkt, dass das Individuum die Gnade nicht mehr empfangen kann und den Eindruck gewinnt, dass sie nicht da ist. In Wirklichkeit ist sie aber da, nur spürt es Sie nicht, da es diesen Abstand zwischen beide geschaffen hat. Das ist die wahre Erscheinung. Es ist nicht so, dass die Gnade weggeht, das Individuum hat nicht einmal die Macht, Sie zurückzuweisen, denn wenn Sie nicht weggehen will, kann es Sie noch so sehr zurückweisen, Sie wird nicht weggehen. Aber es versetzt sich seinerseits in eine Unfähigkeit, Sie zu fühlen und Ihre Wirkungen zu empfangen. Es schafft eine psychologische Barriere zwischen sich und der Gnade.
7. JULI 1954

Erläuterungen zu Kapitel 2
Aber solange die niedere Natur noch aktiv ist, bleibt die persönliche Bemühung des Sadhaka erforderlich. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Äußerlich glaubt man an seine eigene Persönlichkeit und seine eigene Bemühung. Solange du an die persönliche Bemühung glaubst, musst du eine persönliche Bemühung aufbringen.
Es gibt einen Teil des Wesens, der sich keineswegs bewusst ist, zum Göttlichen zu gehören. Das ganze äußere Wesen ist überzeugt, etwas Gesondertes, Unabhängiges zu sein, das nur für sich allein besteht. Dieser Teil muss notwendig eine persönliche Bemühung machen. Man kann ihm nicht sagen: „Das Göttliche macht die Sadhana für dich“, denn dann würde er gar nichts tun und sich nie ändern. Wenn man zu jemand spricht, muss man in dessen Sprache sprechen.1
Was ist „physisches Tamas“?
Kennst du das wirklich nicht? Dann müsste ich dir gratulieren! Kommt es nie vor, dass du zum Beispiel irgendwo sitzt und keine Lust hast aufzustehen? Oder, dass du etwas zu tun hast und stöhnst: „Ach, das alles soll ich tun…?“
Ist es dasselbe wie Faulheit?
Nicht ganz. Gewiss ist auch Faulheit eine Art von Tamas, aber in der Faulheit steckt noch schlechter Wille, eine Weigerung, eine Anstrengung zu unternehmen – während Tamas einfach Trägheit ist: man will, aber kann nicht.
Ich erinnere mich: Als ich vor sehr langer Zeit mit jungen Leuten zu tun hatte, bemerkten sie, dass ich stets mit einem Sprung, ohne Schwierigkeit, auf die Beine komme, wenn ich mich zum Aufstehen entschlossen hatte. Sie fragten mich: „Wie machen Sie das bloß? Wenn wir aufstehen wollen, müssen wir erst unseren Willen einsetzen.“ Sie waren sehr erstaunt! Und ich meinerseits. Ich sagte mir: „Wie kann das sein? Hat man sich zum Aufstehen entschlossen, dann steht man doch auf.“ Aber nein, da war der Körper, und man musste einen Willen hineinsetzen, um ihn in Gang zu bringen, damit er sich erhebt und aktiv wird. So ist es, und das ist Tamas. Tamas ist etwas rein Stoffliches. Sehr selten hat man vitales oder mentales Tamas (das kann vorkommen, aber eher durch Ansteckung). Ich glaube, es handelt sich dann eher um Tamas der Nerven oder des Gehirns als um vitales oder mentales Tamas. Faulheit hingegen gibt es überall, im Physischen, im Vitalen, im Mentalen. Im Allgemeinen sind Faule nicht immer faul, nicht bei allem. Wird ihnen etwas vorgeschlagen, das ihnen gefällt, das ihnen Spaß macht, sind sie zu einer Anstrengung gern bereit. Es steckt viel schlechter Wille in der Faulheit.
Ich erinnere mich: Als ich vor sehr langer Zeit mit jungen Leuten zu tun hatte, bemerkten sie, dass ich stets mit einem Sprung, ohne Schwierigkeit auf die Beine komme, wenn ich mich zum Aufstehen entschlossen hatte. Sie fragten mich: „Wie machst du das bloß? Wenn wir aufstehen wollen, müssen wir erst eine Willensanstrengung unternehmen, um hochzukommen.“ Sie waren sehr erstaunt! Und ich meinerseits auch. Ich sagte mir: „Wie denn das? Hat man beschlossen aufzustehen, dann steht man doch auf.“ Aber nein, da war der Körper, und man musste einen Willen hineinsetzen, ihn in Gang zu bringen, damit er sich erhebe und handle. So ist es, und das ist Tamas. Tamas ist etwas rein Stoffliches; kaum je hat man vitales oder mentales Tamas (das kann vorkommen, aber durch Ansteckung); ich glaube, es handelt sich dann eher um Tamas der Nerven oder des Gehirns als um vitales oder mentales Tamas. Faulheit dagegen gibt es überall, im Physischen, im Vitalen, im Mentalen. Im Allgemeinen sind Faule nicht immer faul, nicht bei allem. Wird ihnen etwas vorgeschlagen, das ihnen gefällt, das ihnen Spaß macht, sind sie zu einer Anstrengung gern bereit. Viel schlechter Wille steckt in der Faulheit.
Sri Aurobindo sagt da: „… der Wille, das physische Bewusstsein und die physische Natur zu öffnen und formbar zu machen.“ (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Weil das physische Bewusstsein und die physische Natur verschlossen und starr sind – sie sind eingeschlossen in ihre Gewohnheiten, an denen sie nichts ändern wollen. Sie akzeptieren nur eine regelmäßige Routine. Es gibt nichts Eingefahreneres als einen Körper. Ändert sich an seiner Gewohnheit auch nur das Geringste, so ist er verblüfft und weiß nicht mehr ein und aus. Er sagt: „Entschuldigung, Entschuldigung, aber so lebt man doch nicht!“
Jenen, die ein sehr aktives und beherrschendes vitales Wesen haben, mag es gelingen, den Körper zu wecken, und sind sie von einem Abenteuergeist beseelt (was oft vorkommt, denn das Vital ist ein Abenteurer), so gehorcht das Physische, es folgt dem Antrieb, dem inneren Geheiß. Dann willigt es in den Wechsel ein, in das Neue, was aber eine Anstrengung für das physische Wesen bedeutet. Doch damit das physische Wesen und Bewusstsein bereit seien, den göttlichen Impuls zu empfangen, müssen sie äußerst plastisch sein. Denn während das Vital Zwang anwendet und seinen Willen dem Körper aufnötigt, so dass der arme Körper einfach gehorchen muss, zeigt das Göttliche das Licht und schenkt Bewusstsein, wobei bewusster und freiwilliger Gehorsam Not tut – es handelt sich also um Mitarbeit, nicht mehr um Zwang. Die physische Natur und das physische Bewusstsein müssen sehr formbar sein, um sich allen notwendigen Veränderungen unterziehen zu können. Einen Tag müssen sie so sein können, einen anderen Tag wieder anders usw.
Sri Aurobindo spricht hier von „Beständigkeit von Licht, Macht und Ananda“. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Ist denn Macht nicht immer dynamisch?
Es gibt auch eine statische Macht. Wie soll ich dir das erklären? Ja, zwischen statischer und dynamischer Macht besteht etwa der gleiche Unterschied wie zwischen einem Verteidigungsspiel und einem Angriffsspiel, nicht wahr? Es ist dasselbe. Statische Macht ist etwas, das allem widerstehen kann, nichts kann auf es einwirken, nichts kann es anrühren, nichts kann es erschüttern – es ist unbewegt, aber es ist unbesiegbar. Dynamische Macht ist etwas Bewegtes, das nach außen tritt und gelegentlich Schläge erhalten kann. Wenn du also willst, dass deine Macht stets siegreich sei, muss sie von einer beträchtlichen statischen Macht gestützt sein, von einer unerschütterlichen Grundlage.
Ich weiß, was du meinst… dass ein Mensch Macht erst dann wahrnimmt, wenn sie dynamisch ist. Ein Mensch zieht Macht nur dann in Betracht, wenn sie handelt. Wenn sie nicht handelt, bemerkt er sie überhaupt nicht, er sieht nicht, was für eine gewaltige Kraft hinter dieser Untätigkeit steht – manchmal, ja sogar oft, eine gewaltigere Kraft als in der handelnden Macht. Du kannst es an dir selbst erproben, und du wirst feststellen, dass es weitaus schwieriger ist, gegenüber etwas sehr Unangenehmem – sei es gegen dich gerichtete Worte oder auch Taten – ruhig, unbewegt und unerschütterlich zu bleiben, als ebenso gewaltsam zu erwidern. Nehmen wir an, jemand beschimpft dich. Kannst du angesichts der Schmähungen ruhig bleiben (und zwar nicht nur äußerlich, sondern ganzheitlich), in keiner Weise erschüttert oder berührt: Du stehst da wie eine Kraft, gegen die man nichts vermag, und du antwortest nicht, machst keine Gebärde, sagst kein Wort, alle Anwürfe lassen dich völlig gleichgültig, innerlich wie äußerlich; du kannst deine Herzschläge absolut ruhig halten, du kannst deine Gedanken im Kopf ganz unbewegt und still halten, ohne im geringsten erschüttert zu werden – dein Kopf entgegnet also nicht gleich mit ähnlichen Schwingungen, und deine Nerven fühlen keinen Krampf, den sie mit ein paar Schlägen lösen müssen. Wenn du so sein kannst, besitzt du eine statische Macht, und sie ist unendlich viel stärker als jene Art von Kraft, die dich Beschimpfung mit Beschimpfung, Schläge mit Schlägen, Aufregung mit Aufregung erwidern lässt.
Sri Aurobindo spricht hier von „zurückweisen des Stumpfsinns, Zweifels und Unglaubens…“ Wenn man den Stumpfsinn zurückweist, wird man dann intelligent?
Du meinst, ob man Stumpfsinn loswerden kann? Ja, es gibt ein Mittel. Ich kannte Leute, die wirklich stumpfsinnig waren, und durch eine Sehnsucht – eine nicht formulierte Sehnsucht, denn sie verfügten nicht einmal über die Fähigkeit, sich in Worten auszudrücken – ist es ihnen gelungen, mit ihrem seelischen Wesen in Verbindung zu kommen. Es war keine dauerhafte, sondern eine vorübergehende Verbindung, manchmal nur eine flüchtige. Aber solange sie mit ihrem seelischen Wesen in Verbindung standen, waren sie bemerkenswert intelligent und sagten wunderbare Dinge. Ich kannte ein Mädchen, ohne jede Erziehung, wirklich stumpfsinnig, so dass man sagte: „Da ist nichts zu machen, völlig unmöglich.“ Nun, wenn sie mit ihrem seelischen Wesen in Verbindung stand, begriff sie die tiefsten Dinge und machte verblüffende Bemerkungen. Aber sobald die Verbindung nachließ, wurde sie wieder dumm. Es war nichts Bleibendes, einzig die Verbindung befreite sie von der Dummheit. Es ist also eine schwierige Heilung: Die Verbindung mit dem seelischen Wesen muss hergestellt und immer bewahrt werden.
Es gibt eine muselmanische Legende über dieses Thema, Christus betreffend. Du kennst ja seine Geschichte: dass er Kranke geheilt hat, Lahme gehen und Blinde sehen ließ, sogar Tote auferweckte. Angesichts all dieser Wunder trat jemand vor Christus hin und sagte: „Ach, ich habe einen interessanten Fall für Sie… Ja, ich habe einen dummen Sohn.“ Worauf Christus die Augen aufriss und das Weite suchte! Es scheint, das war das einzige, was er nicht vermochte! Das ist ein Scherz, versteht sich, aber die Sache ist wirklich schwierig, wenn auch nicht unmöglich.
In allem, was im Universum geschieht, wirkt das Göttliche durch seine Shakti, doch ist es von seiner Yoga-Maya verschleiert… (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Ja, er ist vom Bewusstsein der stofflichen Natur verschleiert. Es gibt das Bewusstsein in seinem Ursprung, das das Göttliche nicht verschleiert, sondern es ausdrückt. Und es gibt das Bewusstsein in seiner äußeren Form, das es verschleiert. Manche sagen, das sei so vorgesehen, damit das Spiel gespielt werden könne; das Göttliche verberge sich hinter der stofflichen Natur, um die bewussten Wesen dazu zu bringen, Es zu suchen. Das ist eine Meinung. Es wird vieles gesagt.
Eine der großen Schwierigkeiten für die meisten Philosophien besteht darin, dass sie die verschiedenen Ebenen des Daseins, die verschiedenen Bereiche des Wesens weder anerkannt noch erforscht haben. Sie haben auf der einen Seite den Höchsten, auf der anderen die Schöpfung und dazwischen nichts. Das macht die Erklärungen sehr schwierig… Alle Erklärungen sind letztlich einfach Sprachen: Einige Sprachen erleichtern das Verständnis, andere erschweren es. Und einige dieser Theorien erschweren das Verständnis erheblich. Anerkennt und erforscht man dagegen die verschiedenen Zustände zwischen der stofflichsten Natur und dem Höchsten Ursprung und wird man sich ihrer bewusst – all der inneren Seinszustände und all der äußeren Bereiche –, so lassen sich viele Probleme erklären. Wir haben das bereits anlässlich der Determinismen behandelt. Solange du die Vorherbestimmung für absolut hältst und dabei verharrst, begreifst du nichts; offenkundig strafen dich alle Geschehnisse des Lebens Lügen, oder aber das Problem ist derart verwickelt, dass es sich nicht fassen lässt. Verstehst du aber, dass es eine große Zahl von Determinismen gibt, die aufeinander einwirken, einander durchdringen, das Wirken des einen mit dem des anderen verändern, dann wird das Problem verständlich. Das gilt auch für das Wirken des Göttlichen im Universum. Nimmst du eine zentrale schöpferische Kraft an oder ein zentrales schöpferisches Bewusstsein oder einen zentralen unbewegten Zeugen, und andererseits das Universum, einzig das, nichts zwischen den beiden, dann kannst du nichts verstehen. Manche haben das auf so naive Weise getan! Sie machten einen Schöpfergott und andererseits seine Geschöpfe. Damit treten all die Probleme auf. Er hat die Welt geschaffen – woraus? Aus Staub, sagen die einen. Was aber ist dieser Staub? Was war denn damit, bevor dieser für eine Welt benutzt wurde?… Oder aus nichts! Ein Weltall sei aus dem Nichts heraus geschaffen worden – was unsinnig ist! Das ist für einen logischen Geist sehr plump. Und zudem wird einem auch noch gesagt, Er habe es sogar bewusst und vorsätzlich getan, und als Er es vollendet hatte, rief Er auch noch aus: „Siehe da, es ist sehr gut!“ Da antworten jene auf der Welt: „Nun, wir finden es nicht sehr gut! Es mag gut für dich sein, aber nicht für uns.“ Das sind naive Vorstellungen, einfach unwissend und oberflächlich, die das Problem des Universums völlig unbegreiflich machen. All diese Erklärungen sind unannehmbar für einen mentalen Geist, der auch nur ein klein wenig erwacht ist. Und darum wird einem gesagt: „Suche nicht zu verstehen, es wird dir doch nie gelingen“. Aber das ist mentale Faulheit, schlechter Wille des mentalen Wesens. Da man in sich diese Macht der Denkbetätigung hat, dies sehnsuchtsvolle Streben, ein Licht zu finden, eine Lösung zu finden, muss es doch mit etwas übereinstimmen, sonst… (ich glaube, ich habe das irgendwo geschrieben), ja, wenn die Welt auf jene Vorstellung beschränkt würde, so wäre sie in der Tat die grausigste Farce, und ich würde jene sehr gut verstehen, die verkündet haben: „Lauft davon, kommt da so schnell wie möglich heraus.“ Allerdings sehe ich nicht, wie da herauszukommen wäre, denn etwas anderes gibt es ja gar nicht – wie käme man aus dem einzig Bestehenden heraus? So gerät man in einen Teufelskreis, man dreht sich im Kreise, was natürlich zu mentaler Verzweiflung führt. Hat man aber den Schlüssel – es gibt einen oder zwei Schlüssel, aber nur einen, der alle Türen öffnet –, dann geht man seinen Weg, und nach und nach versteht man die Sache.
Was ist der Unterschied zwischen Bewusstsein und physischer Natur?
Sag, ist dein Körper völlig bewusst, sich seiner selbst und seiner Funktionen gewahr? Nein? Was ist es denn? Es kann nur die physische Natur sein. Und wenn es eine physische Natur gibt, die nicht bewusst ist, so heißt das, dass sie nicht dasselbe ist wie das Bewusstsein. Die physische Natur umfasst alles Physische: Dein Körper gehört zu ihr, Berge, Steine, Himmel, Wasser, Feuer… das alles gehört zur physischen Natur. Doch enthält deine physische Natur ein Bewusstsein, sie wird von einem Bewusstsein beseelt, obwohl sie nicht voll bewusst ist. Und weil sie eben nicht voll bewusst ist, kann sie träge, tamasisch sein, sogenannt „unbewusst“. Sonst wäre alles bewusst; sonst wären auch die Steine bewusst (ich kann nicht sagen, in welchem Maße sie es sind, jedenfalls in einem recht geringen, verglichen mit dem menschlichen Bewusstsein).
Besteht die Überantwortung nicht darin, seine Arbeit wie ein guter Diener darzubringen?
Arbeit ist eine gute Disziplin. Doch ist es nicht diese Idee, diese Idee von passivem, unbewusstem und fast unfreiwilligem Gehorsam. Das ist es nicht. Auch handelt es sich nicht nur um die Arbeit.
Die wichtigste Hingabe ist die Hingabe deines Charakters, deiner Wesensart, damit sie sich wandeln kann. Wenn du nicht deine ureigenste Natur hingibst, wird sich diese Natur nie ändern. Das ist das Allerwichtigste. Du hast eine bestimmte Art des Verstehens, gewisse Art und Weisen des Reagierens, gewisse Art und Weisen des Fühlens, beinahe bestimmte Weisen des Voranschreitens, und vor allem eine besondere Art, das Leben zu betrachten und von ihm bestimmte Dinge zu erwarten – nun, das ist es, was du hingeben musst. Das heißt, wenn du wahrhaftig das göttliche Licht empfangen und dich wandeln willst, dann musst du deine ganze Wesensart darbringen – darbringen indem du sie öffnest, sie so empfänglich wie möglich machst, damit das göttliche Bewusstsein, das sieht, wie du sein solltest, unmittelbar auf diese Regungen einwirken und sie in wahre Regungen wandeln kann, die tiefer im Einklang mit deiner eigenen Wahrheit stehen. Dies ist weitaus wichtiger als das hinzugeben, was man tut. Nicht was man tut, ist das wichtigste (obwohl natürlich auch das wichtig ist), sondern was man ist. Um welche Tätigkeit es sich auch handelt, es kommt dabei nicht eigentlich auf die Art und Weise des Tuns an, sondern auf den Bewusstseinszustand in dem gehandelt wird. Du magst arbeiten, eine uneigennützige Arbeit verrichten, ohne im geringsten an persönlichen Gewinn zu denken, arbeiten um der Freude an der Arbeit willen, doch bist du nicht gleichzeitig bereit, diese Arbeit auch zu lassen, die Arbeit zu wechseln oder die Arbeitsweise zu ändern, wenn du an deiner Art zu arbeiten hängst, dann ist deine Überantwortung nicht vollständig. Du musst an den Punkt kommen, dass alles nur deshalb getan wird, weil du in dir ganz klar und immer zwingender wahrnimmst, dass gerade diese Arbeit getan werden muss, und zwar so und nicht anders, und dass du sie einzig und allein deshalb tust. Du verrichtest sie nicht aus Gewohnheit, nicht weil du an sie gebunden bist oder aus Vorliebe, ja nicht einmal aus der Vorstellung oder dem gern gehegten Gedanken heraus, dass dieses Werk doch das Beste sei, was es zu tun gibt – denn sonst ist deine Überantwortung nicht umfassend. Solange du dich an etwas klammerst, solange etwas in dir sagt: „Dieses oder jenes mag sich ändern, aber das da, das wird sich nie ändern.“ Solange du von irgend etwas sagst: „Das wird sich nie ändern“ (nicht weil es sich einer Veränderung widersetzen würde, sondern weil du dir eine solche nicht vorstellen kannst), solange ist deine Überantwortung nicht vollständig.
Es versteht sich von selbst, dass es zwischen dir und deiner Überantwortung eine abgrundtiefe Kluft gibt, wenn du bei deinem Wirken, bei deiner Arbeit, auch nur im geringsten das Gefühl hast: „Ich verrichte die Arbeit, weil sie mir aufgetragen wurde“, und dabei das Wesen nicht in allen Teilen einwilligt; wenn du die Arbeit nicht deshalb tust, weil du fühlst, dass sie getan werden muss, dass du sie liebst; wenn etwas sich zurückhält, abseits steht, für sich und sagt: „Man hat mir aufgetragen, das so zu tun, und nun tue ich es eben so.“ Wahre Überantwortung besteht in diesem völligen inneren Einwilligen, das man fühlt: Du kannst nur das dir Aufgetragene tun, alles dir nicht Aufgetragene kannst du nicht tun. Zu einer anderen Zeit mag diese Arbeit sich ändern; irgendwann mag es etwas anderes sein, wenn etwas anderes beschlossen wird. Und nun kommt es darauf an, dass man flexibel ist. Das macht einen großen Unterschied. Natürlich sagt man denen, die arbeiten: „Ja, arbeitet, das ist deine Art der Hingabe“, aber es ist nur ein Anfang. Diese deine Art muss progressiv sein. Es ist nur ein Anfang, verstehst du?
28. APRIL 1951

Liebe Mutter, macht Sri Aurobindo einen Unterschied zwischen dem Göttlichen und der Shakti? Hier hat er gesagt: „Überantwortung seiner selbst mit allem was man ist und hat und jeder Bewusstseinsebene und jeder Regung an das Göttliche und die Shakti.“
Er hat gesagt, das Göttliche ist der Höchste. Es ist der Ursprung. Er sagte ganz am Anfang dieses Kapitels selbst – ich glaube, er sagte: „Das Göttliche...“
(Das Kind liest den Text) „In allem, was im Universum geschieht, wirkt das Göttliche durch seine Shakti…“2
Er fasst die Shakti als die ausführende Macht, das schöpferische Bewusstsein auf.
Was bedeutet „Überantwortung seiner selbst mit allem was man ist und hat und jeder Bewusstseinsebene“?
Das bedeutet die Hingabe des Physischen, die Hingabe des Vitals, die Hingabe des Mentals und die Hingabe des Seelischen. Und wenn dir andere Teile deines Wesens bewusst sind… Du musst zunächst damit beginnen, zwischen den verschiedenen Teilen deines Wesens unterscheiden zu lernen, und dann, wenn du sie gut unterscheiden kannst, gibst du sie eines nach dem anderen hin.
Was bedeutet „Yoga-Maya“?
Yoga-Maya? Maya – ich weiß nicht, in welchem Sinn er es auffasst, ob es die äußerste Manifestation ist… Sagt er „Yoga-Maya“?
(Ein Junge liest den Text) „…doch ist es von seiner Yoga-Maya verschleiert …“
Ja, verhüllt von seiner äußeren Manifestation. Wirklich, das bedeutet es, die äußere Form der Welt; und auch der Egoismus des Jiva, das heißt, das individuelle Wesen.
Er „wirkt in der niederen Natur durch das Ego des Jiva“.
Ja, das ist dasselbe. Ja, hindurch, das heißt, das Ego ist da.
Liebe Mutter, hier steht: „…aber solange die niedere Natur noch aktiv ist, bleibt die persönliche Bemühung des Sadhaka erforderlich.“ Ich habe hier nicht verstanden: „…solange die niedere Natur noch aktiv ist“. Wie ist das?
Die niedere Natur ist für gewöhnlich immer aktiv. Nur wenn man sich restlos hingibt, hört sie auf, aktiv zu sein. Wenn man nicht mehr in seinem niederen Bewusstsein ist und wenn man sich total überantwortet hat, dann ist die niedere Natur nicht mehr aktiv. Doch solange sie aktiv ist, muss man sich persönlich bemühen.
Im Grunde, solange man seiner selbst als einer gesonderten Person bewusst ist, muss man eine persönliche Bemühung aufbringen. Erst wenn man das Gefühl der Trennung verloren hat, wenn man nicht nur ganz hingegeben, sondern mit dem Göttlichen ganz verschmolzen ist, dann ist keine persönliche Bemühung mehr notwendig. Solange man sich aber als ein gesondertes Wesen fühlt, muss man eine persönliche Anstrengung unternehmen. Das nennt er Aktivität des niederen Bewusstseins.
Warum hat man solche Angst, die Wahrheit zu sagen?
Ja, warum? Ich frage mich auch: Warum? Ich möchte es gern wissen! Aber so ist es. Die Dinge sind so. Ich denke, der Hauptgrund ist, dass die menschliche Natur, in ihrer äußeren und persönlichen Form, sich nicht ändern will. Sie will sich nicht ändern; so ist man gegenüber der Kraft, die uns ändern möchte, gegenüber der Wahrheit, feindselig eingestellt.
„…eine tamasische Überantwortung, die sich weigert, die Bedingungen zu erfüllen“ – wenn sie sich weigert, sich zu unterwerfen, dann ist es keine Hingabe mehr?
Genau! Es gibt aber viele Leute, die sich einbilden, sie hätten sich überantwortet, und die einem sagen: „Ich tue nichts mehr selbst, ich habe mich dem Göttlichen gegeben, das Göttliche soll alles für mich tun.“ Sie nennen das Überantwortung! Das heißt, es ist eine Regung der Faulheit und des Tamas, die sich nicht bemühen will und gern möchte, dass das Göttliche alles für sie tut, weil es viel bequemer ist!
Was ist „die Suche des Herzens“?
Die Suche des Herzens – es ist das emotionale Wesen, das versucht… Suche bedeutet, dass das gefühlsbetonte Zentrum einen emotionalen Kontakt mit dem Göttlichen zu finden versucht. So ist es wirklich…
Warum ist man immer zu unnützen Worten bereit? Warum redet man so viel unnötiges Zeug?
Warum man unnütz redet? Ja, wahrscheinlich deshalb, weil der Mensch instinktiv sehr stolz darauf ist, über das Wort zu verfügen! Er ist das erste Wesen auf der Erde, das sprechen kann, das artikulierte Laute von sich gibt. Das ist dann eine Art … wie bei einem Kind, das ein neues Spielzeug hat, mit dem es sehr gern spielt. Der Mensch ist das einzige Tier auf der Erde, das artikulierte Laute zu seiner Verfügung hat, und er spielt nun damit… Das wird es wohl sein…
Und dann all die Dummheit… Ich sagte dir, dass manche Leute erst anfangen könnten zu denken, wenn sie sprechen… Wenn sie nicht sprechen, denken sie nicht. Sie haben nicht die Fähigkeit, in der Stille zu denken, also nehmen sie die Gewohnheit an zu sprechen. Je fortgeschrittener aber die Entwicklung ist, desto intelligenter ist man, und desto weniger hat man das Bedürfnis, sich auszudrücken. Man hat immer nur in einem niederen Stadium das Bedürfnis zu sprechen. Und tatsächlich redet ein sehr bewusstes und mental, intellektuell sehr entwickeltes Wesen nur, wenn es notwendig ist. Es spricht keine unnützen Worte aus. Auf der gesellschaftlichen Stufenleiter ist es so. Die Menschen ganz unten am Fuße der Leiter sind am geschwätzigsten. Sie verbringen ihre Zeit mit Reden –, und sie können nicht aufhören. Was ihnen widerfährt, drücken sie sofort in Worten aus. Und je mehr man sich entwickelt, je höher man auf den Stufen der Entwicklung steht, desto weniger fühlt man das Bedürfnis zu sprechen.
Das hat zweierlei Gründe: einmal, weil es eine neue Fähigkeit ist, die natürlich instinktiv das Anziehende neuer Fähigkeiten an sich hat; und zweitens, weil es einem hilft, sich seines eigenen Denkens bewusst zu werden. Sonst denkt man nicht, es gelingt einem nicht, seine Gedanken zu formulieren, wenn man sie nicht mit Worten und laut ausdrücken kann… Ausgenommen Leute, die von Berufs wegen Redner sind – nämlich die, die normalerweise Vorträge oder politische Reden halten oder die Unterricht oder Stunden geben – außer diesen Leuten, die offensichtlich Intellektuelle und Redner zugleich sein können, sind die Leute allgemein gesprochen umso geschwätziger, je weniger sie intellektuell entwickelt sind.
Was muss man tun, um nicht zu reden?
Denken! Man braucht nur etwas mehr nachzudenken! Wenn man nur die Gewohnheit annimmt, nachzudenken, bevor man spricht, ist das, was man sagt, mindestens zur Hälfte entbehrlich. Nachdenken, bevor man spricht, und nur das sagen, was einem unbedingt nötig erscheint; dann merkt man sehr schnell, dass nur sehr wenig unbedingt nötig ist – ausgenommen physisch, bei der Arbeit, wenn man mit jemand arbeitet und etwas mitzuteilen hat: „Tu dies…“, „Gib mir das…“ oder: „Das geht so…“ oder: „Das ist so…“ Und auch da kann es auf ein Minimum reduziert werden….
Liebe Mutter, manchmal weiß man, dass es die Wahrheit ist, aber man zweifelt trotzdem an dieser Wahrheit. Warum zweifelt man?
Die übliche Antwort: weil man dumm ist.
Aber die Wahrheit ist, dass das physische Mental ganz und gar dumm ist! Man kann das sehr leicht beweisen. Es ist vielleicht als eine Art Kontrolle eingerichtet und zur Sicherheit, dass die Dinge so gemacht werden, wie es sein soll. Ich stelle mir vor, dass das sein naturgegebener Gebrauch ist… Aber es hat es sich angewöhnt, alles anzuzweifeln.
Ich glaube, ich habe dir schon von jenem kleinen Experiment erzählt, das ich einmal gemacht habe. Ich hatte meine Kontrolle entfernt und die Kontrolle dem physischen Mental überlassen – es ist das physische Mental, das zweifelt. Dann machte ich folgendes Experiment: Ich ging in ein Zimmer und dann verließ ich das Zimmer wieder und machte die Tür zu. Ich hatte beschlossen, die Tür zu schließen; und als ich in ein anderes Zimmer kam, sagte dieses Mental, dieses physische Mental: „Bist du sicher, dass du deine Tür geschlossen hast?“ Nun, ich hatte nicht nachkontrolliert, ich sagte also: „Gut, ich gehorche ihm.“ Ich ging zurück und sah nach. Ich stellte fest, dass die Tür zu war. Ich kam zurück. Sobald ich die Tür nicht mehr sah, sagte es zu mir: „Hast du richtig nachgesehen?“ Ich ging also noch einmal zurück… Und das ging so weiter, bis ich den Entschluss fasste: „Also, jetzt reicht es aber! Zu oder nicht zu, ich sehe nicht mehr nach!“ Das hätte den ganzen Tag so weitergehen können… Es ist so gebaut. Es hört damit erst auf, wenn ein höheres Mental, ein vernünftiges Mental zu ihm sagt: „Schweig jetzt!“ Sonst macht es weiter ohne Ende… Wenn du unglücklicherweise da zentriert bist, in diesem Mental – selbst die Dinge, die du auf einer höheren Ebene als wahr weißt, selbst Dinge, von denen du einen materiellen Beweis hast – wie bei der geschlossenen Tür –, es zweifelt sie an, es wird sie anzweifeln, weil es mit dem Zweifel angelegt ist. Es wird immer sagen: „Bist du ganz sicher, dass es wahr ist?… Ist das nicht nur eine Vorstellung von dir?… Bildest du es dir nicht bloß ein, dass es so ist…?“ Und so fährt es fort, bis es lernt, still zu sein und sich ruhig zu verhalten….
Auf welche Weise ist das Göttliche die Sadhana3?
Weil das Göttliche die Sadhana im Wesen macht. Ohne das Göttliche würde es keine Sadhana geben. Nur weißt du nichts davon … du glaubst – du lebst in der Illusion –, dass du es bist. Und solange du in diesem Irrtum steckst, musst du dich bemühen. Aber die Wahrheit ist, dass das Göttliche die Sadhana in dir macht, und dass es ohne das Göttliche keine Sadhana geben würde.
Hier steht: „… das Göttliche ist der Sadhaka und die Sadhana.“
Ja, das Göttliche ist alles, nicht wahr?
Ja.
(Ein anderer Junge) Mutter, warum dann die persönliche Bemühung? Wenn das Göttliche die Sadhana macht, lassen wir doch das Göttliche sie machen! Und wo bleibt die persönliche Bemühung?
Ja, das ist gerade das, was die Leute in ihrer Faulheit sagen! Aber wenn du nicht faul wärst, würdest du das nicht sagen!
Was heißt persönliche Bemühung?
Die Bemühung, die persönlich zu sein glaubt. Du hast das Gefühl deiner gesonderten Person. Hast du das Gefühl, dass du das Göttliche bist und nur das Göttliche? Nein! Nun, das Göttliche, so ist das… Solange du das Gefühl hast, dass du Manoj bist, muss sich eben Manoj anstrengen. Wenn du die Vorstellung von Manoj vollständig beseitigst, gibt es nur noch das Göttliche, und dann strengt sich natürlich das Göttliche an!… Aber solange es einen Manoj gibt, muss sich Manoj anstrengen.
Aber wenn sich Manoj anstrengt, strengt sich das Göttliche in Manoj an!
Vielleicht, aber Manoj weiß nichts davon! Genau gesagt, wenn das Göttliche nicht wäre, könnte sich Manoj nicht anstrengen. Aber Manoj ist noch nicht in der Lage, das zu wissen, also weiß er, dass er sich anstrengt.
Aber jetzt hast du es gesagt! Heute weiß ich es, also…
Die mentale Kenntnis genügt nicht, die praktische Erfahrung ist nötig! Kinder, sonst wären wir alle schon sehr lange transformiert, weil wir schon sehr lange wissen, dass die Transformation stattfinden muss.
Ist das alles? Weiter!
Liebe Mutter, was ist der Unterschied zwischen Sich-geben (self-giving), Weihung (consecration) und Überantwortung (surrender)?…
(Pavitra) Man kann noch „Darbringung“ (offering) dazunehmen.
Ich glaube, sie sind weitgehend gleichbedeutend, es sind eher Schattierungen als Unterschiede. Weil man in einem Satz sehr gut das eine durch das andere ersetzen kann. Es kommt auf den Klang des Satzes an und auf das Wort, das am besten hineinpasst. Es ist eine literarische Frage. Doch kann man einen Unterschied entdecken, wenn man will; aber es kommt bei alledem ganz darauf an, was man in die Wörter hineinlegen will.
Ich hatte gesagt, dass „Hingabe“ (surrender) kein gutes Wort ist. Man benutzt „soumission“ im Französischen, um „surrender“ zu übersetzen, weil es kein Wort gibt, mit dem man „surrender“ wiedergeben kann. Bei „soumission“ hat man immer das Gefühl, dass da etwas ist, das nur zögerlich akzeptieren will, das nicht ganz und gar zustimmt, das nicht vollständig mitarbeitet. Und darin unterscheidet es sich von dem Wort „surrender“, bei dem man das Gefühl einer vollkommenen Zustimmung hat. So verwendet man eben dieses Wort „soumission“, aber es ist nicht gut.
Man kann – wenn man sozusagen Haarspalterei treiben will –, einen Unterschied machen zwischen der Selbsthingabe, der Weihung und der Darbringung. Sie können drei verschiedene Phasen darstellen. Aber wirklich nur, wenn man es kompliziert machen will. Beim Schreiben kann man, wie gesagt, sehr gut das eine Wort durch ein anderes ersetzen, je nach dem Rhythmus des Satzes, und der Sinn bleibt erhalten. Denn wenn man eine Unterscheidung treffen will, ist man sofort gezwungen, Adjektive zu setzen. Nimmt man das Wort als solches: „Selbst-Hingabe, Darbringung, Weihung“ und will nun unterscheiden, sagt man: „eine restlose Weihung“, „eine unvollständige Selbst-Hingabe“… man ist gezwungen, Adjektive zu verwenden; es sind gleichbedeutende Wörter.
Es kommt jetzt auf den Satz an, den du schreiben willst – du kannst das eine oder das andere Wort einsetzen. Man muss jedoch wissen, dass „soumission“ („submission“ – Unterwerfung, Hingebung) nicht genau den Sinn wiedergibt, der da hingehört. Der Unterschied zwischen „soumission“ und „surrender“ ist der gleiche – vielleicht weniger stark, aber doch sehr ähnlich – wie der zwischen Gehorsam und Zusammenarbeit. Im einen Fall haben wir eine vollkommene Zustimmung, und im anderen Fall eine Einwilligung, die womöglich einen Vorbehalt hat; die akzeptiert, weil ihr klar wird, dass sie nicht anders kann, die aber nicht vollständig mitarbeitet. Die Zustimmung ist nicht restlos.
14. Juli 1954

1 Bei der Veröffentlichung dieses Gesprächs hat die Mutter folgendes bemerkt: „Das stimmt nicht, und zwar deshalb nicht, weil es zu kategorisch ist. Man muss nicht in der Sprache des äußeren Wesens reden, da diese völlig lügenhaft ist, wohl aber die Dinge in einer Form sagen, die es verstehen kann – das ist etwas anderes. Jedoch braucht es viel Zeit, die Dinge genau zu sagen, und deshalb hat Sri Aurobindo ja auch immer lange Sätze gebildet und scheinbar lange Erklärungen abgegeben, die eigentlich gar keine sind: Er hat lediglich die Dinge genau gesagt.“
2 Der vollständige Satz lautet: „In allem, was im Universum geschieht, wirkt das Göttliche durch seine Shakti, doch ist es von seiner Yoga-Maya verschleiert und wirkt in der niederen Natur durch das Ego des Jiva.“ (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
3 „Auch im Yoga ist es das Göttliche, das sowohl der Sadhaka ist als auch die Sadhana.“ (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Erläuterungen zu Kapitel 3
Je vollkommener dein Glaube, deine Aufrichtigkeit und deine Überantwortung sind, desto mehr werden Gnade und Schutz bei dir sein. Und wenn die Gnade und der Schutz der Göttlichen Mutter mit dir sind, was könnte dir dann noch passieren oder wen hättest du noch zu fürchten? Schon ein wenig davon wird dich durch alle Schwierigkeiten, Hindernisse und Gefahren bringen; umgeben von ihrer ganzen Gegenwart kannst du sicher deinen Weg gehen, denn er ist der Ihrige, unbekümmert um jegliche Bedrohung, von keiner noch so mächtigen Feindseligkeit beeinflusst, weder aus dieser Welt noch aus unsichtbaren Welten. Ihre Berührung kann Schwierigkeiten in Gelegenheiten, Fehlschlag in Erfolg, Schwäche in unbeugsame Stärke wandeln. Denn die Gnade der Göttlichen Mutter ist die Zustimmung des Höchsten und ihre Wirkung ist heute oder morgen gewiss, eine beschlossene Sache, unvermeidbar und unwiderstehlich. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Was bedeutet „beschlossen“?
Es kommt von dem Wort „Dekret“. Es ist ein Gesetz, es ist etwas, das beschlossen ist… es ist beschlossen, dass dieses oder jenes getan werden muss, irgendwie, zum Beispiel: Regierungen bringen ein Dekret heraus, was man tun, und was man nicht tun darf. Das sind offizielle Gebote. So, in diesem Fall ist es ein Gebot des Höchsten, es ist ein verbindliches Gebot.
…umgeben von ihrer ganzen Gegenwart kannst du sicher deinen Weg gehen, denn er ist der Ihrige. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Das ist der gleiche Weg. Von dem Augenblick an, wo du umgeben bist von der göttlichen Gnade und wo du in einen Zustand versetzt bist die göttliche Gnade anzunehmen, da werden ihr Weg und der deine zu ein und demselben.
Was sind die „unsichtbaren Welten“?
Das ist eine gewichtige Frage!
Du hast gehört und gelesen, dass wir zusammengesetzt sind aus verschiedenen Wesenselementen: dem Physischen, dem Vitalen, dem Mentalen, dem Seelischen, dem Spirituellen usw… gut, alle diese inneren Schichten des Wesens entsprechen unsichtbaren Welten. Da gibt es eine physische Welt, eine vitale Welt, eine mentale Welt, eine seelische Welt und viele spirituelle Welten, eine ganze Stufenleiter von immer subtileren Welten, dem Höchsten näher und näher. Also, deshalb, weil du in dir selbst etwas Entsprechendes trägst, wirst du durch Studium und Bewusstwerdung deines inneren Wesens nach und nach selbst fähig werden, dir auch dieser unsichtbaren Welten bewusst zu werden. Zum Beispiel das Mental: Wenn das mentale Wesen bewusst ist, koordiniert und gut beherrscht, dann kann es sich in der mentalen Welt bewegen, genauso wie der Körper sich in der physischen Welt bewegt und sehen, wie die mentale Welt ist, was dort geschieht, was dort ihre Merkmale sind und so weiter. Diese Dinge sind nicht unsichtbar in sich selbst – sie sind unsichtbar für das physische Bewusstsein und die physischen Sinne, aber nicht für das entsprechende innere Bewusstsein oder die entsprechenden inneren Sinne. Denn durch eine systematische Entwicklung kann man die Sinne in diesen Welten erlangen und man kann leben, in einem ähnlichen Leben, allerdings mit unterschiedlichen Merkmalen. Ich meine allerdings, ein reales Leben in diesen Welten zu führen, wenn man selbst genügend entwickelt ist. Sonst wäre es für uns so, als ob sie nicht existierten. Wenn wir nicht in uns selbst etwas Entsprechendes trügen, mit all dem, was im Universum existiert, dann wäre es so, als ob dieses Universum für uns nicht existierte. Und das ist nur eine Sache der systematischen und methodischen Entwicklung. Es gibt Menschen, die das spontan haben, aus verschiedenen Gründen, gewöhnlich als Ergebnis langer Vorbereitung in früheren Leben, manchmal wegen spezieller, besonders günstiger Umstände – sie werden in einer gewissen Umgebung geboren, von Eltern, die diese Fähigkeiten entwickelt haben, und man hat ihnen von Kindheit an geholfen, sie zu entwickeln. Andere müssen sie erwerben, systematisch, durch eine innere Disziplin. Das beansprucht Zeit, eine lange Zeit, aber es dauert schließlich nicht länger, als für das Gehirn eines Kindes abstrakte Mathematik zu begreifen. Das dauert Jahre.
Existieren diese unsichtbaren Welten an einem festgelegten Platz im Universum?
Sie bilden einen Bereich im Universum, natürlich. Ja, man kann sagen, in einem bestimmten Bereich. Aber, um das zu verstehen, braucht man einen Verstand, der fähig ist zu verstehen, dass es andere als unsere nur materiellen Dimensionen gibt. Denn, wenn man dir sagt, dass dein seelisches Wesen im Körper ist, dann bedeutet das nicht, dass du dann das seelische Wesen darin findest, wenn du den Körper öffnest. Du wirst dein Herz finden, deinen Magen und den ganzen Rest, aber nicht das seelische Wesen. Und doch ist es korrekt zu sagen, dass es in dir ist. Es geht über dich hinaus, aber es befindet sich in einer anderen Dimension. Und man kann sagen, dass es so viele Dimensionen gibt wie verschiedene Welten. Sicherlich sind all diese unsichtbaren Welten – sozusagen nicht sichtbar – im materiellen Universum enthalten. Aber sie nehmen nicht den Platz anderer Dinge ein. Schließlich, um einen nicht vollkommenen Vergleich zu machen – er ist nur gültig als Vergleich –, du kannst in deinem Gehirn zahllose Ideen haben, ohne das Gefühl, dass du eine davon vertreiben musst, damit eine andere hineinkommen kann, nicht wahr? Sie nehmen in diesem Sinne sozusagen keinen Platz ein.
…und die nötigen Voraussetzungen für ihre Erschaffung…1 (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
Sie sind unzählbar und je nach Person und Umständen unterschiedlich. Aber letztlich werden sie weniger; was er anfangs oder ein wenig später sagt, habe ich vergessen… Also: „Der Glaube, die Aufrichtigkeit und die Überantwortung.“ Das sind die notwendigen Voraussetzungen. Später dann beschreibt er die Art des Glaubens, der Aufrichtigkeit und der Überantwortung. Das sind die notwendigen Bedingungen für ihren Sieg über die feindlichen Kräfte – die Bedingungen auf deiner Seite. Ihre Bedingungen – ich nehme an, Sie erfüllt sie spontan –, lauten, dieser Aspiration zu entsprechen, die Macht zu haben, die klare schau, das Wissen und den Willen. Das ist klar. Also muss man Ihr ein Feld für Ihr Wirken einräumen, und die Bedingungen, unter denen Sie wirken kann. Und diese Bedingungen sind: Glaube, Aufrichtigkeit und Überantwortung –, ein reiner und unvermischter Glaube, eine vollkommene und ganzheitliche Aufrichtigkeit und eine bedingungslose Überantwortung. Das hat er beschrieben.
Gibt es eine begrenzte Anzahl von Dimensionen?
Begrenzt? Oder unbegrenzt? Wonach fragt ihr? Wie viele Dimensionen? Ah, sollten wir den Mathematiker fragen oder den Okkultisten? Den Okkultisten!
Gut: In gewisser Hinsicht ist die Anzahl begrenzt. Weil es aber in jeder Dimension eine andere begrenzte Anzahl von Unterabteilungen gibt, und weil in diesen Unterabteilungen wiederum eine beachtliche Anzahl von Unterteilungen sind, können wir sagen, dass ihre Anzahl unbegrenzt ist – und doch begrenzt. So, wenn du irgendetwas verstanden hast, dann hast du Glück gehabt!
Wenn die Anzahl begrenzt ist, wie viele sind es denn dann?
Zwölf.
Wie kann es denn einen „egoistischen Glauben im Denken geben“?2
Er hat das sehr gut beschrieben: „Befleckt von Ehrgeiz“ usw. Ich finde, wenn du es anders darstellst, dann ist es viel wahrer. Wie sieht der Glaube aus, der nicht ein wenig davon in sich hat? Denn man sagt, es wird immer wiederholt, dass der Glaube, wenn er rein ist, fähig ist (Berge zu versetzen), … ihm nichts widerstehen kann. Das heißt, wenn man einen reinen Glauben hat, frei von all dem, einen wahren Glauben, sagen wir den wahren Glauben, gut, dann wäre nichts unmöglich. Man könnte über Nacht verwandelt werden, könnte das Supramental in einem Augenblick herabbringen, man könnte … alles Mögliche, man könnte alles tun, wenn man glaubt. Aber es muss ein reiner Glaube sein, er darf nicht mit irgendeiner persönlichen Reaktion oder eigenem Willen vermischt sein.
Reiner Glaube ist allmächtig und unwiderstehlich. Man begegnet nicht oft einem allmächtigen und unwiderstehlichen Glauben, und das beweist, dass er ganz und gar nicht rein ist. Man sollte das Problem anders angehen: Zum Beispiel hat jeder von uns einen Glauben an etwas, sagen wir mal, einen Glauben an die göttliche Gegenwart in uns. Wenn unser Glaube rein wäre, dann wären wir sofort dieser göttlichen Gegenwart in uns bewusst. Dieses Beispiel ist sehr einfach zu verstehen. Man hat den Glauben, er ist da, aber man hat nicht die Erfahrung. Warum? Weil der Glaube nicht rein ist. Wenn der Glaube ganz rein wäre, dann würde es unmittelbar geschehen. Das ist völlig klar, so, wenn du dir nun bewusst wirst, dass noch nichts verwirklicht ist, dann kannst du anfangen es dir anzusehen: „Aber warum ist es noch nicht verwirklicht? Was ist da in meinem Glauben?“ Und wenn du dir ihn dann ansiehst, mit der gleichen Aufrichtigkeit, dann wirst du herausfinden, dass es da viele Kleinigkeiten gibt, so viele kleine Dinge – nur so groß – die abstoßend sind … nein, Kleinigkeiten… Wie oft vermischt sich damit ein wenig Eigenliebe und dann ein Begehren, nicht sehr heftig – es zeigt sich natürlich nicht sehr deutlich – eine Wichtigkeit, die es dir gibt, Macht und die Befriedigung, die es dir verschafft…
Sieht man die Dinge in den unsichtbaren Welten so wie in der physischen Welt oder wie in Träumen?
Man muss sich über Träume unterhalten! Es gibt Träume, in denen man alles so genau sieht, so wirklich, dass die materielle Welt daneben eher unwirklich auszusehen scheint. Es gibt Träume, in denen sind die Dinge so intensiv, so genau, so wirklich, so objektiv, und hinterlassen in dir einen so lebendigen Eindruck, dass die materielle Welt dagegen nebelig, nicht sehr klar, nicht sehr genau ist. Wenn es solch ein Traum ist, dann ja. Aber wenn es ein Traum ist, in dem alles unzusammenhängend aufeinander trifft, wo nichts miteinander verbunden ist, dann nein.
Der erste Schritt: Man muss in der Lage sein, die verschiedenen inneren Bereiche zu unterscheiden um sicher zu wissen: Dies gehört zum Vital, dieses gehört zum Mental, dieses gehört zur Seele, dieses gehört zum Materiellen. Und wie ich gerade gesagt habe, gibt es Untergliederungen in diesem Ganzen. Da gibt es ein stoffliches Vital, ein vitales Vital, ein mentales Vital, ein Vital unter dem seelischen Einfluss. Man muss die Dinge zuordnen können, sehr klar, und nicht irgendwelche Vermischungen zulassen, irgendein vages Durcheinander in sich selbst: „Oh, woher kommt diese Regung? Was ist das?“ Was für ungenaue Eindrücke… Das ist der erste Schritt.
Der zweite Schritt, du lernst dich auf einen dieser inneren Zustände zu konzentrieren; du wählst denjenigen aus, von dem du fühlst, dass er am lebendigsten und am meisten entwickelt in dir ist, und du lernst, dich darauf zu konzentrieren. Dann führst du dieselben Übungen aus – ich weiß nicht, ob du dich noch an die Übungen erinnerst, die du gemacht hast, als du sehr klein gewesen bist, um zu gehen, zu trinken, zu sprechen, zu hören, zu fühlen. Du hast eine Menge geübt. Alle Kinder üben etwas, ohne es zu wissen, aber sie tun es. Man muss etwas Gleichartiges tun. Man muss die Sinne ausbilden und weiter entwickeln, sie bewusst machen, unabhängig und präzise in ihrer Wahrnehmung. Das ist die zweite Stufe. Es mag Zeit beanspruchen, oder es mag schnell gehen, das hängt von dem Grad der Entwicklung deines inneren Wesens ab.
Danach – das ist nur ein Anfang – danach muss man lernen, sich selbst zu trennen von all den anderen Teilen des Wesens, sich konzentrieren auf den Bereich in dem man die Erfahrung machen möchte und sich so sehr konzentrieren, dass man in Kontakt mit der entsprechenden äußeren Welt kommt – ich meine hiermit nicht ein Verlassen des Körpers, das ihn in einem Zustand des Komas zurücklässt, nein, eine sehr intensive Konzentration genügt, eine Macht, sich von allem zu trennen außer von dem Punkt, auf den man sich konzentriert. Und dann tretet man in Kontakt mit der entsprechenden Welt. Man muss das wollen, und nach und nach lernt man es zu tun. Und damit hast du auch genau die Übung, die erforderlich ist, um die Sinne zu perfektionieren, die du nach und nach entwickelt hast, denen du ein Wirkungsfeld geben kannst. Zunächst wirst du möglicherweise verloren sein in dieser äußeren Welt, du wirst dich nicht besonders wohl fühlen. Aber nach und nach wirst du dich daran gewöhnen und anfangen, dich frei zu bewegen in der für jede dieser Welten angemessenen Art und Weise.
Aber wenn man schon vorher weiß, wie das sein wird, – das Mental ist ein so großartiges Instrument der Gestaltung, dass es eine ganze Erfahrung für dich aufbauen kann, die unglücklicherweise niemals eine echte Erfahrung sein wird – wird es nur eine mentale Konstruktion sein. Also, wenn man jemanden in diese okkulten Dinge einweisen will, sage man ihm normalerweise niemals vorher, was geschehen wird. Einzig, wenn er sagt: „Das ist mir geschehen“, sagt man ihm: „Ja, das stimmt“ oder: „Nein, das stimmt nicht“. Man kann ein wenig helfen. Aber man darf ihm nicht vorher sagen: „Sie wollen da und da hingehen. Es wird so und so sein. Sie werden so und so eine Erfahrung machen“, etc., etc., etc., denn dann passiert so etwas, nur weil eine gut gelungene mentale Konstruktion vorliegt, in der du dich frei bewegst. In diesem Fall ist es wirklich ein Traum!
Wenn man sich nicht der göttlichen Gegenwart bewusst ist, kann man sich dann des göttlichen Schutzes erfreuen?
Auch das hängt vom jeweiligen Fall ab. Es mag so sein; es ist nicht immer so, aber es kann so sein. Es mag sein, dass die göttliche Gnade jemandem gegeben wird, ohne dass er irgendetwas davon merkt. Das geschieht sogar häufiger als man denkt.
Ist ein Gefühl immer eine vitale Regung?
Das hängt von dem Gefühl ab und auch davon, was man ein Gefühl nennt. Zum Beispiel gibt es einen Zustand, wenn man sich selbst in der Gegenwart einer sehr genauen, sehr klaren seelischen Regung befindet, einer bestimmten seelischen Regung – das geschieht ziemlich häufig – dann ist das Gefühl so mächtig, dass einem Tränen in die Augen treten. Man ist nicht traurig, man ist nicht glücklich, weder das eine noch das andere, es entspricht nicht irgendeinem Gefühl, aber es ist eine Intensität der Gefühlsregungen, die von etwas herrührt, das klar, präzise, seelisch ist. Es mag in einem selbst geschehen, aber es ist häufiger in jemand anderem. Wenn man mit einer Tätigkeit, einer Regung, einer Offenbarung in Berührung kommt, die zum Seelischen gehört, dann füllen sich plötzlich die Augen mit Tränen. Wenn man das ein Gefühl nennt, dann ist es offensichtlich ein Gefühl. Aber gewöhnlich kommt es daher: Das physische Wesen hat ein nicht sehr bewusstes, aber sehr intensives Bedürfnis nach einer Berührung mit dem seelischen Leben. Es fühlt sich arm, hilflos, isoliert und verlassen, wenn es nicht in Berührung mit dem seelischen Wesen ist. Nicht ein einziges physisches Wesen unter Millionen ist sich dessen bewusst. Aber diese Art von Eindruck des Wesens verloren zu sein, im Stich gelassen, schutzlos, ohne Unterstützung, mit dem Gefühl, dass irgendetwas fehlt, und nicht wissend, was es ist, etwas, was man nicht versteht, aber was einem fehlt, irgendwo eine Leere: Das geschieht häufiger als man denkt – die Menschen wissen überhaupt nicht, was das ist. Wenn aber dann, aus diesem oder jenem Grunde, dieses Bewusstsein plötzlich mit einem klar seelischen Phänomen in Berührung kommt, mit seelischen Kräften, seelischen Schwingungen, dann ist das Gefühl so stark, so stark, dass der Körper es sicherlich sehr häufig kaum ertragen kann. Es ist wie eine zu große Freude, die einen auf allen Seiten überwältigt, so dass man sie in sich nicht festhalten kann, es nicht in sich halten kann. Also, so ist es. Dann gibt es ein plötzliches Wiederaufleben, das nicht sehr bewusst, nicht klar ausgedrückt wird, es ist die Enthüllung dessen, was mir fehlt. Und es ist so mächtig, dass es ein Gefühl auslöst, das aus so Vielem zusammengesetzt ist, dass man kaum sagen kann, was es ist. Dieses sind Gefühle, die nicht vital sind.
Vitale Gefühle sind gänzlich anderer Natur – sie sind sehr klar, sehr präzise, du kannst sie sehr deutlich ausdrücken, sie sind heftig, sie erfüllen dich gewöhnlich mit Intensität, mit Ruhelosigkeit, manchmal mit großer Befriedigung. Und dann ist da das Gegenteil, das mit gleicher Kraft erscheint. Und so glauben die Menschen, viele Menschen – das haben wir schon mehrfach erwähnt –, einige Menschen bilden sich dann ein, dass sie Liebe nur erleben, wenn sie so ist, wenn die Liebe vital ist, wenn sie von all den Regungen des Vitals begleitet ist, all dieser Intensität, dieser Heftigkeit, dieser Präzision, diesem Glanz, dieser Leuchtkraft. Und wenn das nicht da ist, sagen sie: „Oh, das ist keine Liebe.“
Und genau so verzerrt sich die Liebe, es ist dann nicht länger Liebe, es beginnt Leidenschaft zu werden. Und das ist ein beinahe universaler Irrtum der Menschen.
Manche Menschen sind voll von einer sehr reinen, sehr hohen, sehr selbstlosen seelischen Liebe und doch wissen sie nichts davon und glauben, dass sie kalt sind, trocken und ohne Liebe, weil diese Beimischung der vitalen Schwingung nicht vorhanden ist. Für sie beginnt und endet die Liebe mit dieser Schwingung.
Und es ist etwas höchst Unbeständiges, das Regungen und Reaktionen und Heftigkeiten aller Art einschließt, sowohl wenn man niedergeschlagen ist, als auch wenn man zufrieden ist. Die Liebe ist etwas sehr Flüchtiges für diese Menschen. Sie erleben die Liebe in ihrem Leben nur für Minuten. Sie mag ein paar Stunden dauern, dann wird sie matt und wiederum flach, und sie bilden sich ein, dass die Liebe sie verlassen hat.
Wie ich schon gesagt habe, einige Menschen sind darüber erhaben, sie sind in der Lage, die Liebe derart zu beherrschen, dass sich nichts mehr mit ihr vermischt, sie haben in sich selbst diese seelische Liebe, die voll ist von Selbstvergessen, Selbsthingabe, Mitleid, Großzügigkeit, Edelmut des Lebens und einer großen Fähigkeit, sich zu identifizieren. So denken die meisten Menschen, dass sie kalt oder gleichgültig sind – es sind sehr nette Menschen, siehst du, aber sie lieben nicht – und manchmal wissen sie es noch nicht einmal selber. Ich kannte Menschen, die dachten, dass sie keine Liebe hätten, weil sie diese vitale Schwingung nicht hatten.
Gewöhnlich ist es so, wenn Menschen von Emotionen sprechen, dann sprechen sie von vitalen Emotionen. Aber es gibt eine andere Art von Emotion, die von unendlich höherer Ordnung ist und sich nicht auf die gleiche Weise ausdrückt, die genauso viel Intensität aufweist, aber eine Intensität unter Kontrolle, gezügelt, verdichtet, konzentriert, und es ist eine außergewöhnlich dynamische Macht.
Wahre Liebe kann außergewöhnliche Dinge erreichen, aber sie ist selten. Nicht wahr? Alle Arten von Wundern können bewirkt werden aus Liebe zu einer Person, die man liebt – nicht für jeden, sondern für die Personen, die man liebt. Aber es muss eine Liebe sein, die frei ist von allen vitalen Beimischungen, sozusagen eine absolut reine und selbstlose Liebe, die nichts als Gegengabe verlangt, die nichts als Gegengabe erwartet.
30. JANUAR 1951

Was ist der Unterschied zwischen „der göttlichen Wahrheit, der spirituellen Wahrheit und der supramentalen Wahrheit“?
Ich glaube nicht, dass da ein großer Unterschied ist!
Liebe Mutter, was heißt „ein ehrlicher Glaube“?
Ehrlich? Das ist ein einfacher, aufrichtiger Glaube, der nicht zweifelt. Man spricht vor allem bei einem Kind davon, das einen einfachen Glauben ohne Zweifel hat.
Liebe Mutter, stößt man die göttliche Gnade jedes Mal zurück, wenn man einen Fehler macht?
Es gibt zwei verschiedene Arten von Fehlern. Es gibt den Fehler, den man aus Unwissenheit begeht. Das bleibt ein Fehler, und dadurch wird ein Schleier zwischen dich und die Gnade gelegt, aber es ist ein Fehler, den man begeht, ohne dass man weiß, dass man einen Fehler macht. Sobald man aber weiß, dass es ein Fehler ist, muss man ihn unbedingt unterlassen, denn jedes Mal, wenn man ihn begeht, errichtet man zwischen sich und der göttlichen Gnade eine Mauer.
Es besteht ein sehr großer Unterschied zwischen dem Fehler, den man aus Unwissenheit begeht und den man vermeidet, sobald man weiß, dass es ein Fehler ist, und jenem Fehler, den man in dem Wissen begeht, dass es ein Fehler ist. Und das nennt sich Halsstarrigkeit! Dies ist ein weitaus ernsterer Fehler. Das trübt das Bewusstsein erheblich, das trübt das Bewusstsein derart, dass man nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr weiß, dass man Fehler macht. Man macht Fehler und glaubt, man mache keine Fehler. Man bemäntelt alles, was man tut, mit so vielen Entschuldigungen und Rechtfertigungen, dass man schließlich glaubt, man begehe überhaupt keine Fehler mehr. Das wird dann sehr ernst, weil man unverbesserlich ist!
Mutter, was ist „ein egoistischer Glaube…, befleckt von Ehrgeiz“?
Wenn man zum Beispiel ein sehr bedeutender Mensch werden will, wenn man eine bedeutende Position haben oder die Bewunderung seiner Umgebung auf sich ziehen möchte, wenn man ein großer Sadhak, ein großer Sannyasin, ein großer Yogi und so weiter werden will, jemand Hochwichtiges, das bezeichnet man als Glauben voller Ehrgeiz. Du hast den Glauben, dass dies geschehen kann, du hast den Glauben an das Göttliche, aber es ist für deine eigene kleine Eitelkeit; und das ist dann nichts Reines, Aufrichtiges und Rechtes mehr. Das ist einzig für den persönlichen Gewinn. Natürlich ist dabei keine Rede von einer Selbsthingabe; dabei reißt man Kräfte an sich, so viel man kann. Mit anderen Worten, es ist die der wahrhaften Regung entgegengesetzte Bewegung. Das kommt viel öfter vor als man glaubt. Diese Regung des Ehrgeizes ist oft tief im Wesen versteckt und treibt einen so von hinten… Sie gibt einem Peitschenhiebe, damit man vorwärtsgeht. Es ist eine Art verschleierter Stolz.
Mutter, warum erhalten die Menschen Kraft, wo das Göttliche doch weiß, dass sie nicht aufrichtig sind?
Schau, mein Kind, niemals hat das Göttliche menschliche Vorstellungen in seinen Handlungsweisen. Das musst du dir ein für allemal gut einprägen. Es tut die Dinge wahrscheinlich ohne unsere sogenannten Gründe. Aber auf jeden Fall, wenn das Göttliche welche hat, dann sind es nicht die gleichen wie die menschlichen Gründe, und Es hat vor allem nicht den Sinn für Gerechtigkeit, so wie sie die Menschen verstehen.
Zum Beispiel kannst du dir sehr gut einen Mann vorstellen, der gierig nach Vermögen ist und die Leute zu betrügen versucht, um zu Geld zu kommen … in deiner Vorstellung von Gerechtigkeit müssten diesem Mann alle Güter weggenommen werden und er müsste in Armut versinken. Es zeigt sich, dass im Allgemeinen gerade das Gegenteil geschieht. Aber das ist nur äußerlich so. Hinter der Erscheinung ist etwas anderes… Er tauscht das gegen andere Möglichkeiten ein. Er mag Geld haben, aber kein Verantwortungsbewusstsein mehr. Und was tatsächlich beinahe immer geschieht ist: Jedes Mal, wenn er das Geld hat, das er sich wünschte, ist er unglücklich… Und je mehr er davon hat, desto weniger ist er glücklich. Er wird gequält durch das Vermögen, das er gewonnen hat.
Man darf die Dinge nicht nach einem äußeren Erfolg beurteilen oder nach einer scheinbaren Niederlage. Man kann sagen – und im Allgemeinen geschieht das immer –, das Göttliche gibt, was man sich wünscht, und das ist die allerbeste Lehre. Denn wenn dein Wunsch unbewusst, dunkel und egoistisch ist, vergrößerst du in dir die Unbewusstheit, die Dunkelheit und den Egoismus, das heißt, dass du dich immer mehr von der Wahrheit, vom Bewusstsein und vom Glück abbringst. Das entfernt dich vom Göttlichen. Und für das Göttliche gibt es natürlich nur eine Sache, die wahr ist, nämlich das göttliche Bewusstsein, das göttliche Einssein. Und jedes Mal, wenn du die materiellen Dinge voranstellt, wirst du immer materieller und entfernst dich immer mehr vom vollen Erfolg.
Aber dieser Erfolg ist für die Wahrheit eine schreckliche Niederlage… Du hast die Wahrheit für die Falschheit eingetauscht.
Nach dem äußeren Eindruck und dem scheinbaren Erfolg zu urteilen, ist ein Akt vollständiger Unwissenheit. Selbst bei dem abgebrühtesten Menschen, bei dem alles scheinbar erfolgreich verläuft, gibt es immer einen Gegenpart. Und diese Art von Verhärtung des Wesens, dieser Schleier, der sich zwischen dem äußeren Bewusstsein und der inneren Wahrheit immer mehr verdichtet, wird früher oder später absolut unerträglich. Dieser äußere Erfolg wird meistens sehr teuer bezahlt.
Man muss sehr groß, sehr rein sein, ein sehr hohes und sehr uneigennütziges spirituelles Bewusstsein haben, um erfolgreich sein zu können, ohne davon berührt zu werden. Nichts ist schwieriger, als Erfolg zu haben. Das ist die echte Prüfung des Lebens!
Hat man keinen Erfolg, zieht man sich ganz selbstverständlich auf sich selbst und in sich selbst zurück und sucht in sich den Trost für das äußere Scheitern. Und die, die eine Flamme in sich tragen, wenn das Göttliche ihnen wirklich helfen will, wenn sie reif sind, Hilfe zu empfangen, und bereit, den Weg zu gehen, bei denen kommen die Schläge nacheinander, weil das hilft. Das ist die stärkste Hilfe, die direkteste, die wirksamste. Wenn du Erfolg hast, sei misstrauisch, sage dir: „Mit welchem Preis habe ich den Erfolg bezahlt? Hoffentlich ist das kein Schritt zu…“
Jene, die sich ihrer Seele bewusst geworden sind, haben das hinter sich gelassen, jene die sich ganz gegeben haben, die absolut rein und uneigennützig sind und die erfolgreich sein können, ohne dass sie Schaden nehmen und ohne dass sie das berührt –, das ist dann ganz anders. Aber man muss sehr hoch stehen, um den Erfolg ertragen zu können. Und eigentlich ist das vielleicht die letzte Prüfung, die das Göttliche jemand gibt: „Jetzt bist du edel, du bist uneigennützig, du hast keinen Egoismus mehr, du gehörst nur noch mir, ich werde dir zum Sieg verhelfen. Wir werden sehen, ob du den Schlag aushältst.“
Auf welche Weise wirkt die göttliche Shakti gegen die Asuras?
Wirkt gegen die Asuras? Warum willst du das wissen?
Es ist interessant!
Vielleicht gibt Sie ihnen auch, was sie haben wollen. Und meistens beschleunigt das ihr Ende. Es gibt Asura und Asura … das heißt … nein, die Asuras sind Asuras, aber da sind alle die, die aus ihnen hervorgegangen sind, und die sind Wesen geringerer Qualität.
Ein Asura ist für gewöhnlich ein bewusstes Wesen und er weiß, dass er ein Ende hat. Er weiß, dass ihn die Haltung, die er im Universum eingenommen hat, zwangsläufig nach einer gewissen Zeit vernichten wird. Natürlich ist die Lebenszeit eines Asuras äußerst lang, verglichen mit der Lebenszeit eines Menschen. Aber er weiß eben doch, dass er ein Ende hat, denn er hat sich selbst von der Ewigkeit abgeschnitten. Und nun versucht er, seinen Plan so vollständig wie möglich auszuführen bis zu dem Tag seiner völligen Niederlage. Und es kann sein, dass seine Niederlage schneller herbeigeführt wird, wenn man ihn gewähren lässt. Deswegen sind die feindlichen Kräfte vielleicht gerade in der Zeit großer Ereignisse am aktivsten, mit größter Heftigkeit aktiv und scheinbar am erfolgreichsten. Sie scheinen freie Hand zu haben: vielleicht deshalb, damit es schneller zu Ende ist.
Liebe Mutter, was bedeutet „mentale Arroganz“?
Mentale Arroganz? Das bedeutet … das, was ihr alle habt!
Ich kenne kein menschliches Wesen, das keine mentale Arroganz besitzt. Einige haben ein wenig, andere haben viel oder bestehen ganz daraus… Das Mental ist gerade durch seine Natur etwas wesensmäßig Arrogantes. Es bildet sich ein, es könne wissen, es bildet sich ein, es könne urteilen, und es verbringt seine Zeit damit, über alles zu urteilen – in euch, über euch, über die anderen, über alles!
Kürzlich ist etwas sehr Lustiges passiert. Jemand schrieb und drückte seinen Zweifel über etwas aus, was Sri Aurobindo gesagt hatte. Aber dann, hinterher, sagte er: „Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass der, der das geschrieben hat, mindestens so intelligent ist wie wir!“ (Die Mutter lacht) Wenn man seine Zeit damit verbringt, die Dinge zu beurteilen und sich sagt: „Aber vielleicht ist der andere mindestens genauso intelligent wie ich!“, wäre man weniger…
Du musst doch nur dich selbst betrachten … du kannst dich wenigstens hundertmal am Tag dabei ertappen, dass dein Verstand alles entscheidet, alles weiß, über alles urteilt, sehr gut weiß, was gut und was schlecht ist, was wahr ist, was falsch ist, was richtig ist… Und dann, wie man handeln soll, was jener hätte tun müssen, wie man dieses Problem lösen soll… Alle Leute wissen, nicht wahr… Wenn sie zum Beispiel an der Spitze der Regierung stünden, wüssten sie ganz genau, wie alles organisiert werden sollte! Aber man hört ja nicht auf sie… So ist das immer!
Du brauchst dich nur selbst zu betrachten, und du wirst sehen, du ertappst dich die ganze Zeit… Ganz zu schweigen von denen, die sich schon lange ein Urteil angemaßt haben über all die Fehler, die Gott begangen hat, und wie die Welt wäre, wenn sie damit beauftragt worden wären, sie zu erschaffen!
Wenn man mit der Gnade in Berührung ist, wie werden dann Schwierigkeiten zu Gelegenheiten für den Fortschritt?
Gelegenheiten für den Fortschritt? Ja. Nun, das ist eine ganz klare Sache. Du hast einen schweren Fehler begangen, du befindest dich in einer großen Schwierigkeit: Wenn du nun Glauben hast, wenn du Vertrauen in die göttliche Gnade hast, wenn du dich wirklich auf Sie verlässt, merkst du plötzlich, dass es eine Lehre ist, dass deine Schwierigkeit oder dein Fehler nichts anderes ist als eine Lehre, um dir beizubringen, dass du das, was geändert werden soll, in dir aufspürst; und mit dieser Hilfe der göttlichen Gnade wirst du das, was geändert werden soll, in dir entdecken. Und du wirst es ändern. Und dann hast du aus einer Schwierigkeit einen großen Fortschritt gemacht, einen beachtlichen Sprung nach vorne. Das geschieht die ganze Zeit. Nur muss man wirklich aufrichtig sein, das heißt, sich auf die Gnade verlassen und Sie in sich arbeiten lassen – nicht bloß so: ein Teil von dir verlangt Hilfe und der andere leistet mit seiner ganzen Kraft Widerstand, weil er sich nicht ändern will… Das ist die Schwierigkeit.
Alles, was er die ganze Zeit sagt ist: vollständig, total, aufrichtig, ohne Vorbehalt. Denn ein Wesensteil strebt sehnsuchtsvoll, ein Wesensteil gibt sich hin, und es gibt andere … manchmal ist es ein kleiner Teil, manchmal ein großer Teil, der sich gut versteckt, ganz im Hintergrund, und sich ganz still verhält, damit man ihn nicht entdeckt, der aber mit seiner ganzen Kraft Widerstand leistet, um sich nicht ändern zu müssen.
Und dann wundert man sich und sagt: „Ach, ich hatte eine so schöne Aspiration, ich war so guten Willens, ich hatte einen so starken Wunsch nach Wandlung, und jetzt kann ich nicht! Warum?“ Da kommt natürlich deine mentale Arroganz und erwidert: „Ich habe nicht die Antwort erhalten, die ich verdiente, die göttliche Gnade hilft mir nicht, ich muss ganz allein zurechtkommen“, und so weiter und so fort.
So ist es nicht. Es liegt da nämlich ein kleines Etwas fest aufgerollt irgendwo verborgen, zusammengefaltet, sich selbst zugewandt und gut versteckt, schön im Hintergrund, wie am Boden einer Schachtel, und will sich nicht rühren. (Die Mutter spricht ganz leise) Wenn sich dann die Anstrengung, die Aspiration verringert, nachlässt, tritt das plötzlich ganz vorsichtig hervor, und dann will es einem seinen Willen aufzwingen und macht, dass man genau das tut, was man gar nicht tun wollte, was man beschlossen hat, nicht zu tun, das man aber tut, ohne zu wissen, wieso und warum. Denn es war da, und es war an der Reihe – bei kleinen Sachen, bei großen Sachen, bei Einzelheiten, sogar bei der Lebensrichtung.
Es gibt Menschen, die klar sehen, die so gut wissen, was sie tun sollten, und sie spüren, dass sie nicht können… Sie wissen nicht, warum. Das genau ist es. Ein kleiner Punkt, der nicht will, und dieser kleine Punkt wartet auf seine Stunde. Und an dem Tag, an dem man ihm erlaubt – durch ein Nachlassen, aus Müdigkeit, aus Schläfrigkeit, aufgrund von ein wenig Trägheit erlaubt man ihm, sich zu zeigen, dann zeigt er sich mit einer konzentrierten, geballten Energie, und er lässt dich das tun, reden, fühlen und handeln, was genau im Gegensatz zu deinem Entschluss steht! Und da heißt es dann: „Ach, wie entmutigend!“ Einige sagen dann: „Schicksal!“ Sie glauben, es sei ihr Schicksal. Es ist kein Schicksal, das sind sie selbst!… Sie haben nämlich das Scheinwerferlicht nicht benutzt. Sie haben das Scheinwerferlicht nicht in die kleinen Ecken ihres Wesens gerichtet, sie haben nicht entdeckt, was gut versteckt war. Sie haben es dort gelassen, und sie haben so gemacht (die Mutter dreht den Kopf zur Seite), um nicht sehen zu müssen. Wie oft fühlt man plötzlich, dass man dabei ist, etwas einzufangen, hopp! Das tut ein wenig weh… Es stört… dann denkt man etwas anderes, und damit hat es sich. Die Gelegenheit ist vorbei. Man muss auf ein anderes Mal warten, noch mal eine Anzahl Dummheiten machen, bis die Gelegenheit wiederkommt, dass man die Sache am Schwanz zu fassen bekommt oder am Ohr oder an der Nase, und sie dann festhalten kann und zu ihr sagt: „Nein! Du wirst dich jetzt nicht mehr verstecken, ich sehe dich, wie du bist, und du musst entweder gehen oder dich ändern!“
Man muss eine feste Hand haben und eine unerschütterliche Entschlossenheit – wie kürzlich der Soldat in unserer japanischen Geschichte, in dessen Knie ein Messer steckte, damit er die Gewissheit hatte, dass er nicht schlief… Und als er spürte, dass er schläfrig wurde, drehte er das Messer um, so dass der Schmerz noch stärker wurde. Etwas derartiges muss man haben. Dies ist Entschlossenheit: wissen, was man will, und es tun.
21. Juli 1954

1 Begehre nichts als die Reinheit, die Kraft, das Licht, die Weite, die Ruhe und das Ananda des göttlichen Bewusstseins und sein Drängen zur Umwandlung und Vervollkommnung deines Mentals, Lebens und Körpers. Erbitte nichts als die göttliche, spirituelle und supramentale Wahrheit, ihrer Verwirklichung auf Erden und in dir und in allen, die berufen und auserwählt sind, und die nötigen Voraussetzungen für ihre Erschaffung und ihren Sieg über alle gegnerischen Kräfte. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)
2 Ein egoistischer Glaube im mentalen und vitalen Wesen, befleckt von Ehrgeiz, Stolz, Eitelkeit, mentaler Arroganz, vitalem Eigenwillen, persönlichen Forderungen und dem Verlangen nach den armseligen Befriedigungen der niederen Natur, ist eine schwache, rauchige Flamme, die nicht zum Himmel aufsteigen kann. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)