Erläuterungen zu Kapitel 5

Willst du ein wahrer Vollbringer göttlicher Werke sein, muss dein erstes Ziel darin bestehen, von jeglichem Begehren und aller Eigenliebe völlig frei zu werden. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Manchmal gehen wir in den Basar, um persönliche Sachen zu kaufen, ist das gut?

Man kann keine allgemeinen Regeln aufstellen. Das hängt vom Bewusstsein ab, mit dem ihr eure Einkäufe macht. Es heißt, dass ihr kein Verlangen haben sollt – wenn da kein Verlangen ist, dann ist das in Ordnung. Ihr versteht, es gibt keine Regung, keine Tätigkeit, die in sich selbst gut oder schlecht ist; es hängt vollständig davon ab, mit welchem Bewusstsein man handelt. Wenn ihr zum Beispiel vollkommen gleichmütig seid wegen dessen, was ihr habt und was ihr nicht habt (es ist ein Zustand, der ein bisschen schwierig zu verwirklichen ist, aber schließlich kann man ihn erreichen – einen Zustand des Losgelöstseins: „Wenn ich es habe, dann habe ich es; wenn nicht, dann nicht“), dann kommt ein Augenblick, wenn dein Zustand sehr aufrichtig ist, und du wirklich etwas brauchst (das muss nicht nur ein Einfall sein oder ein Begehren oder eine Laune, sondern eine wirkliche Notwendigkeit), dann kommt es automatisch zu dir. Solange ich hier bin – das ist schon eine lange Zeit, nicht wahr – habe ich immer wieder Menschen kennengelernt, die mich niemals um irgendetwas gebeten haben; ich denke noch nicht einmal … (natürlich gibt es da immer Schwächen in der menschlichen Natur), aber ich denke, sie hatten noch nicht einmal einen heftigen Wunsch nach irgendetwas überhaupt, aber wenn sie etwas benötigten, kam es automatisch zu ihnen. Plötzlich kam mir folgende Idee: „Ah! Das muss ich der Person geben“, und wenn es nicht direkt durch mich geschah, irgendwie, ganz unerwartet, kam es doch zu ihnen. Wenn andererseits jemand sich im voraus schon Sorgen macht (ich möchte noch nicht einmal von Begehren sprechen, denn das ist wieder etwas anderes), aber wenn er auf seine Bedürfnisse konzentriert ist, wenn er an sie denkt und sich selbst sagt: „Wahrlich ich muss das jetzt haben“, dann begegnet es euch selten, dann seid ihr genötigt, etwas zu tun, um euch selbst zufrieden zu stellen, und wenn ihr die Möglichkeiten habt, dann geht ihr und kauft euch die Sache. Allerdings gibt es Leute, die immer ihre Wünsche für Notwendigkeiten halten, das … aber wir sprechen gar nicht von denen, sie bilden die große Mehrheit. Sie sind davon überzeugt, dass man ohne dieses oder jenes nicht leben kann: „Das ist unmöglich, ohne das kann man nicht leben … ich werde krank, oder irgendetwas sehr Unangenehmes wird auf mich zukommen, oder ich bin nicht mehr in der Lage meine Arbeit zu tun. Es ist unmöglich, wenn ich das nicht habe, dann kann ich meine Arbeit nicht leisten.“ So ist ein erster Schritt für diese Menschen ein kleines Experiment zu versuchen (wenn sie aufrichtig sind): „Gut, ich werde diese Sache nicht haben, und wir werden dann mal schauen, was passiert.“ Das ist ein sehr interessantes Experiment. Ich kann euch garantieren, dass man sich in 999 von tausend Fällen, nach ein paar Tagen selbst fragt: „Warum zum Teufel, dachte ich denn, es sei so nötig, diese Sache zu bekommen, ich komme sehr wohl ohne sie aus!“ Also, und auf diese Weise, Schritt für Schritt, macht man Fortschritte.

Es ist eine Frage des Trainings – des sich selbst Erziehens. Je eher man damit anfängt, desto leichter ist es; wenn man sehr jung damit anfängt, dann wird es sehr leicht, denn man wird vertraut mit den eigenen inneren Reaktionen und so kann man mit Weisheit und Unterscheidungskraft handeln – hingegen für diejenigen, die daran gewöhnt sind, von Kind auf an, all ihr Begehren für Bedürfnisse oder dringende Erfordernisse zu halten und sich auf sie mit leidenschaftlichem Eifer gestürzt haben, für die ist der Weg viel schwieriger. Zuerst müssen sie mal die Unterscheidungskraft erwerben, ein Begehren von dem zu unterscheiden, was es nicht ist; und manchmal ist das sehr schwierig, es ist alles so vermischt, dass man das kaum wahrnehmen kann.

Aber ich glaube schließlich, man braucht gar nicht viel. Ich erinnere mich, wie wir zu viert eine Wanderung durch die französischen Berge machten. Wir starteten in einer Stadt und wollten eine andere erreichen, es war eine Tour von acht oder zehn Tagen quer durchs Gebirge. Natürlich hatte jeder einen Rucksack auf dem Rücken, denn man braucht ja ein paar Dinge. Aber dann, bevor wir losgingen, hatten wir eine kleine Diskussion, nämlich herauszufinden, welche Dinge man wirklich benötigt, welche wirklich unerlässlich waren. Wir kamen immer auf dasselbe: „Lass uns mal sehen, das kann man wie folgt machen“, und alles wurde auf sehr wenig reduziert … Ich kannte einen dänischen Maler, der immer sagte: „Weißt du, wenn ich reise, benötige ich nur eine Sache: eine Zahnbürste“; aber jemand antwortete ihm: „Aber nicht doch, wenn du keine Bürste hast, dann kannst du deine Zähne immer noch mit den Fingern sauber reiben!“

Bevor wir irgendetwas unternehmen, versuchen wir zu wissen, ob der Impuls von der Mutter kommt oder nicht, aber gewöhnlich hat man nicht genug Unterscheidungsfähigkeit, das zu erkennen und trotzdem handelt man. Kann man aus dem Ergebnis des Tuns erkennen, ob das von der Mutter kam?

Man hat die Unterscheidungskraft deshalb nicht, weil man sich nicht darum bemüht sie zu haben! Hör zu, ich glaube nicht, dass es auch nur einen einzigen Fall gibt, in dem man in sich selbst nicht etwas findet, was sehr klar ist, aber du musst natürlich aufrichtig wollen, das zu erkennen – wir kommen immer wieder auf dieselbe Sache zurück – du musst es aufrichtig wollen. Die erste Bedingung besteht darin, sich zunächst nicht Gedanken zu machen über Sachen und alle Sorten von Ideen zu entwickeln: Entgegengesetzte Ideen und Möglichkeiten, und so in eine fürchterliche mentale Aktivität zu verfallen. Zu allererst musst du das Problem so darstellen, wie wenn du es jemand anderem zeigen wolltest, dann musst du still bleiben, darin verharren, unbeweglich. Und dann nach einer kurzen Zeit wirst du sehen, dass zumindest drei verschiedene Dinge geschehen, manchmal auch mehr. Nun, der Fall eines Intellektuellen, der in Übereinstimmung mit den Hinweisen seines Kopfes handelt: Er hat sich das Problem vorgestellt und nun wartet er. Gut und wenn er sehr aufmerksam ist, dann wird er zur Kenntnis nehmen, dass es da etwas gibt (die chronologische Ordnung ist nicht festgelegt, es kommt in verschiedener Reihenfolge vor), zunächst (was sehr häufig ist bei einem Intellektuellen) eine gewisse Idee: „Wenn ich es auf diese Weise tue, dann wird es in Ordnung sein; das muss so sein“, das heißt eine mentale Konstruktion. Die zweite Sache ist wie eine Art von Impuls: „Das muss geschehen. Das ist gut, das muss getan werden.“ Dann eine Dritte, die gar keinen Lärm macht und nicht versucht, sich den anderen aufzudrängen, sondern die Ruhe einer Gewissheit hat – nicht sehr aktiv, keineswegs einen Schock versetzend, nicht zum Tun antreibend, sondern etwas, das weiß und sehr ruhig ist, sehr still. Dies widerspricht den Anderen nicht, es wird nicht kommen und sagen: „Nein, das ist falsch“, es sagt einfach: „Sieh, es ist so“, das ist alles, es besteht nicht auf den Dingen. Die Mehrzahl der Menschen ist nicht still genug oder aufmerksam genug, dass ihnen das bewusst wird, denn es macht keinen Lärm. Aber ich versichere euch, es ist in jedem, und wenn jemand wirklich aufrichtig ist und Erfolg hat damit, dass er wirklich ruhig ist, dann wird er sich auch dessen bewusst. Der denkende Teil in uns fängt an zu argumentieren: „Aber schließlich hat diese Sache doch eine Konsequenz, und diese Sache wird eine andere Konsequenz haben und wenn man das so tut…“ und dies und das … und der Lärm fängt wieder von vorne an. Die andere „Stimme“ (das Vital) wird sagen: „Ja, es muss auf diese Weise getan werden, es muss geschehen, du verstehst nicht, es muss geschehen, es ist unerlässlich.“ Da sind wir dann, du wirst es genau wissen. Und entsprechend deiner Natur wirst du entweder den vitalen Impuls wählen oder das Mental führt an, aber sehr selten sagst du dir ganz still: „Gut, es ist das, was ich zu tun habe, was auch immer geschieht“, auch dann, wenn es dir nicht besonders behagt. Aber es ist immer vorhanden. Ich bin sicher, es ist sogar in einem Mörder, bevor er jemanden tötet, du verstehst. Aber sein äußeres Wesen macht einen solchen Lärm, dass ihm nicht im geringsten einfällt zuzuhören. Aber es ist immer da, es ist immer da. In jedem Fall gibt es in der Tiefe eines jeden Wesens diesen kleinen (man kann es nicht Stimme nennen, denn es macht kein Geräusch), diesen kleinen Hinweis einer göttlichen Gnade, und manchmal macht man eine enorme Anstrengung ihm zu gehorchen, denn der ganze Rest des Wesens opponiert heftig, ein Teil mit der Überzeugung, dass das was es denkt wahr ist, ein anderer mit all der Macht der Stärke des Begehrens. Aber erzähle mir nicht, dass man das nicht wissen kann, denn das ist nicht wahr. Man kann es wissen. Aber man macht nicht immer, was notwendig ist, und manchmal, auch wenn man weiß was zu tun ist, gut, dann findet man die eine oder andere Entschuldigung dafür, es nicht zu tun. Man sagt sich selbst: „Oh! Ich bin nicht so sicher hinsichtlich dieses inneren Hinweises; es erhebt nicht einen Anspruch mit genügend Kraft, so dass ich mich ihm anvertrauen könnte.“ Aber wenn du ganz gleichmütig wärst, das heißt, wenn du kein Begehren hast, weder im Mental oder Vital noch im Physischen, dann würdest du mit Sicherheit wissen, dass das die Sache ist, die getan werden muss und nichts anderes. Was hinzukommt oder auftritt und sich auf gewisse Weise in den Weg stellt, das ist eine Bevorzugung – Vorlieben und Begehren. Jeden Tag kann man hunderte und hunderte von Beispielen finden. Wenn die Leute anfangen zu sagen: „Wahrlich ich weiß nicht, was zu tun ist“, dann heißt das immer, dass sie irgendetwas vorziehen. Aber weil sie wissen, dass es hier im Ashram etwas anderes ist, weil sie manchmal ein bisschen bewusster sind, aufmerksamer sind, haben sie das vage Gefühl, dass es nicht genau das ist: „Es ist nicht das, ich fühle mich nicht ganz wohl dabei.“ Nebenbei bemerkt, hast du vor kurzem gesagt, dass das Ergebnis dir einen Hinweis gibt; es wurde sogar gesagt (es ist sogar in Büchern beschrieben), dass man den göttlichen Willen an den Ergebnissen messen kann! Alles was Erfolg hat, ist vom Göttlichen so gewollt; alles, was keinen Erfolg hat, gut, das hat das Göttliche nicht gewollt! Das ist wiederum eine von diesen Dummheiten, so groß wie ein Berg. Es ist eine mentale Vereinfachung des Problems, die ziemlich komisch ist. Das ist es nicht. Man kann einen Hinweis haben (im Maße der eigenen Aufrichtigkeit) es ist ein Unwohlsein, ein geringfügiges Unwohlsein – nicht ein besonders großes Unwohlsein, nur ein wenig Unwohlsein.

Hier, weißt du, hast du eine andere Methode, eine andere Möglichkeit, ganz einfach (ich weiß nicht warum ihr sie nicht benutzt, denn sie ist sehr elementar); ihr stellt euch vor, dass ich vor euch stehe, und dann fragt ihr euch selbst: „Würde ich das tun vor Mutter, ohne Schwierigkeiten, ohne irgendeine Anstrengung, ohne dass mich etwas zurückhält?“, das wird euch niemals irreführen. Wenn ihr aufrichtig seid, dann werdet ihr das unmittelbar wissen. Das würde viele Leute am Rand des Unsinns zurückhalten.

Es geschieht manchmal, dass man, während man spielt, nicht an das Göttliche denkt, dann erinnert man sich plötzlich, und man hat das Gefühl, dass irgend etwas zusammenbricht, und man spielt nicht länger gut. Warum?

Weil alles in Aufruhr geraten ist. Das ist das Problem! Du glaubst, dass wenn du spielst und dies nicht reflektierst, dass du dann gut spielst! Nein, genauso ist es nicht. Es ist so, dass du etwas mit einer gewissen Konzentration tust – arbeitest oder spielst – und du bist konzentriert, aber du hast noch nicht die Gewohnheit entwickelt, dieses sich Rückerinnern an das Göttliche mit der Konzentration zusammenzubringen (was nicht schwierig ist, aber auf jeden Fall hast du noch nicht die Gewohnheit) und dann kommt plötzlich diese Rückerinnerung; dann können zwei Dinge geschehen: Entweder die Konzentration ist unterbrochen, weil du eine plötzliche Regung hast, um diese neue Einstellung zu ergreifen, die in das Bewusstsein eindringt, oder aber du fühlst ein bisschen Gewissensbisse, ein Bedauern, ein Unruhig-Sein: „Oh! Ich habe mich nicht daran erinnert“; das ist genug, das bringt alles durcheinander, was du tust. Denn du veränderst die Bedingungen vollständig. Es ist nicht die Tatsache, dass du dich daran erinnerst, was dazu führt, dass du nicht länger gut spielst, es ist die Tatsache, dass du deine Konzentration gestört hast. Wenn du dich zurückerinnern könntest, ohne deine Konzentration zu stören (was nicht schwierig ist) dann würdest du nicht nur gut spielen, sondern du würdest sogar besser spielen.

Und dann könntest du auch eine andere Einstellung einnehmen. Wenn du spielst und plötzlich wirst du dir dessen bewusst, dass irgendetwas schief läuft – du machst Fehler, du bist nicht aufmerksam, manchmal kommen entgegengesetzte Schwingungen in den Weg von dem, was du gerade tust –, wenn du dann die Gewohnheit entwickelst, in einem solchen Augenblick automatisch, wie mit einem Mantra, ein sich wiederholendes Wort rufst, dann hat das eine außergewöhnliche Wirkung. Du wählst dein Mantra; oder es kommt in einem Augenblick von Schwierigkeit spontan zu dir. In einem Augenblick, wenn die Dinge sehr schwierig werden, wenn du eine Art von Angst und Unruhe hast, nicht weißt, was geschehen wird, dann springt das plötzlich auf, dann springt das Wort in dir auf. Für jeden mag das anders sein. Aber wenn du das bemerkst und es jedes Mal, wenn du einer Schwierigkeit gegenüberstehst, wiederholst, dann wird das unwiderstehlich. Zum Beispiel, wenn du fühlst, dass du dabei bist krank zu werden, wenn du fühlst, dass du irgendetwas schlecht tust, was du gerade unternimmst, wenn du fühlst, dass irgend etwas Böses dich angreift, dann… Aber es muss eine Spontaneität im Wesen sein, es muss in dir aufspringen, ohne dass du darüber nachdenken musst: Du wählst dein Mantra, weil es ein spontaner Ausdruck deines Strebens ist; es mag ein Wort sein, zwei oder drei Worte, ein Satz, das hängt von jedem Einzelnen ab, aber es muss ein Klang sein, der in dir eine gewisse Befindlichkeit erweckt. Dann, wenn du das hast, dann versichere ich dir, dass du durch alles hindurchgehen kannst ohne Schwierigkeit. Auch angesichts einer wirklichen, einer sehr ernsten Gefahr eines Angriffs, zum Beispiel jemand, der dich töten will, wenn du dann, ohne aufgeregt zu werden, ohne gestört zu sein, ganz ruhig dein Mantra wiederholst, dann kann man dir nichts antun. Natürlich musst du wirklich ein Meister deiner selbst sein; kein Teil deines Wesens darf dann zittern wie ein Blatt; nein, du musst das ganz aufrichtig tun, dann ist es allmächtig. Das Beste ist, wenn dir dieses Wort spontan einfällt: Du rufst in einem Augenblick großer Schwierigkeit (mentaler, vitaler, physischer oder emotionaler, was immer es sein mag), und plötzlich springt das in dir auf, zwei oder drei Worte, wie magische Worte. Du musst dich daran erinnern, und du musst die Gewohnheit aufbauen, sie zu wiederholen, in Augenblicken, wenn Schwierigkeiten kommen. Wenn du dir das zur Gewohnheit machst, wird es eines Tages spontan zu dir kommen: Wenn die Schwierigkeit kommt, dann kommt zur gleichen Zeit das Mantra. Dann wirst du sehen, dass das Ergebnis wunderbar ist. Aber das darf nicht eine künstliche Sache sein oder irgendetwas, was du willkürlich entscheidest: „Ich werde diese Worte benutzen“, es sollte dir auch nicht ein Anderer erzählen: „Oh! Du weißt, das ist sehr gut“ – es ist möglicherweise sehr gut für ihn, aber nicht für jeden.

Das einzige Motiv deines Handelns sei zu dienen, zu empfangen, zu erfüllen und ein Werkzeug zu werden, das die Göttliche Shakti in ihrem Wirken offenbart. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Wenn du handelst, dann muss dein einziges Ziel sein, zu dienen, das heißt, statt für deinen eigenen Nutzen zu handeln, handelst du mit dem Gefühl des Dienens, eine Göttliche Kraft zu empfangen nicht von außerhalb (man muss das überhaupt nicht glauben), sondern von innen her, indem du dich selbst der Göttlichen Kraft öffnest, die dich benutzt um zu handeln, und um das zu erfüllen, was diese Kraft erfüllt haben möchte. Für Egoismus ist dann dort kein Platz. Es ist nicht eine Angelegenheit vom Geben einer Sache und Empfangen von etwas anderem im Austausch, das ist es nicht; es handelt sich nicht darum, dass man von außen irgendetwas empfängt.

Es gibt Disziplinen, die es sich zur Regel machen (wir lieben Regeln nicht, weil sie immer willkürlich und künstlich sind), man soll nichts annehmen, absolut nichts, von irgendjemandem, außer vom Göttlichen oder dem Guru, der das Göttliche repräsentiert. Einige würden noch nicht einmal eine Frucht von jemandem annehmen, wenn sie nicht vom Guru kommt. Das ist eine Übertreibung – es hängt ab von den Umständen, von den Bedingungen, und es hängt auch sehr von der Einstellung ab, die man einnimmt. Es hängt von vielen Dingen ab, das würde sehr lange dauern das zu erklären – aber es gibt da eine Sache, die du lernen musst, dich auf niemanden und nichts zu verlassen, außer auf das Göttliche. Denn wenn du dich auf irgendjemanden stützt, dann wird diese Stütze wegbrechen, dessen kannst du sicher sein. Von der Minute an, wo du anfängst mit Yoga (ich spreche immer von denen, die sich mit Yoga beschäftigen, ich spreche nicht vom gewöhnlichen Leben) für die, die Yoga tun, bedeutet von jemandem abhängig zu sein, dass man möchte, diese Person möge sich in einen Repräsentanten der Göttlichen Kraft umformen; du kannst sicher sein, es gibt nicht einen in hundert Millionen, der dieses Gewicht tragen kann; er wird unmittelbar zusammenbrechen. So nimm niemals die Einstellung an, etwas zu erhoffen an Unterstützung, Hilfe, Komfort von jemand anderem als vom Göttlichen. Das ist absolut so. Ich habe niemals, nicht ein einziges Mal, einen getroffen, der versucht hat, sich an jemanden anzuhängen, um dort Unterstützung zu bekommen (jemand der Yoga übt oder in Berührung gekommen ist mit Yoga), der nicht enttäuscht war – es bricht zusammen, es hört auf, man verliert die Unterstützung. Dann sagt man: „Das Leben ist schwierig“ – es ist nicht schwierig, aber man muss wissen, was man tut. Versuche niemals, irgendwo anders eine Unterstützung zu finden als beim Göttlichen. Versuche niemals, die Befriedigung deiner Bedürfnisse bei jemand anderem zu suchen als beim Göttlichen. Suche niemals die Befreiung aus deiner Not woanders als beim Göttlichen, niemals, was auch immer es sein mag. Alle deine Bedürfnisse können nur durch das Göttliche befriedigt werden. Alle deine Schwächen können nur ertragen und geheilt werden durch das Göttliche. Es allein ist in der Lage, dir das zu geben, was du brauchst, in jeder Hinsicht, immer wenn du versuchst irgendeine Wunscherfüllung oder eine Unterstützung oder eine Hilfe oder eine Freude oder der Himmel weiß was, bei irgendjemand anderem zu finden, dann fällst du immer irgendwann auf die Nase und das tut immer weh, manchmal tut es sogar sehr weh.

5. MAI 1951

Liebe Mutter, was ist der Unterschied zwischen einem Diener und einem Arbeiter?

Ich glaube nicht, dass er sehr groß ist; es ist ungefähr dasselbe. Vielleicht ist die Haltung nicht ganz dieselbe, aber es ist kein großer Unterschied. Im Diener scheint noch etwas dazuzukommen: die Freude am Dienen. Der Arbeiter hat nur die Freude an der Arbeit. Aber die Arbeit, die man als Dienst tut, bringt noch eine Freude dazu.

Was bedeutet „Eigenliebe“?

Ich glaube, Eigenliebe ist ein netter Ausdruck für Eitelkeit. Eigenliebe heißt, dass man sich selbst mehr als alles andere liebt; und in der Bedeutung des Wortes liegen gerade diese Reaktionen der Eitelkeit, die beleidigt ist, wenn man nicht nach seinem wahren Wert gewürdigt wird, wenn man nicht das Lob erhält, dass man zu verdienen glaubt, oder die Preise, die man glaubt gewonnen zu haben, und wenn einem für all das, was man tut, keine Komplimente gemacht werden. Nun, das sind alles Regungen der Unzufriedenheit, weil man nicht erhält, was man erhofft, was man verdient zu haben glaubt.

Liebe Mutter, was ist eine „dynamische Identifikation“?

Das ist das Gegenteil einer passiven und trägen Identifikation. Es ist eine Identifikation voll Energie, Willen, Aktion, Begeisterung; man kann sich dagegen auch in einer Art Benommenheit oder Empfindungslosigkeit identifizieren.

Liebe Mutter, hier hat Sri Aurobindo geschrieben: „Du wirst wissen und sehen und fühlen, dass du eine Person und eine Kraft bist, die sie aus sich selbst heraus geformt hat, aus sich herausgestellt für das Spiel…“ Für welches Spiel?

Das Universum bezeichnet man als das Spiel des Göttlichen.

Warum?

Warum? Es ist eine Formulierung! Du findest, dass das kein lustiges Spiel ist? Solche Leute gibt es viele, die meinen, dass das Spiel kein Vergnügen ist. Nun ja, es ist eine Redeweise. Man spricht auch – ohne dabei zu denken, dass es freudvoll ist –, vom „Spiel der Kräfte“; es ist die Bewegung, die Wechselwirkung. Tätigkeiten sind Kräftespiele. Man kann es also in diesem Sinn auffassen. Aber es bedeutet, dass die göttliche Kraft, das göttliche Bewusstsein hervorgetreten ist, um das Universum und das ganze Kräftespiel im Universum zu erschaffen. Das soll das heißen, nichts anderes. Ich will damit nicht unbedingt sagen: auf dem Playground spielen! Das kann vieles andere bedeuten.

Was bedeutet „halte dich von allem Makel der Pervertierungen des Egos rein“?

Pervertierungen des Egos?

Eine Perversion ist, was die göttliche Wahrheit und die göttliche Reinheit verlässt. Von dem Augenblick an, wo du in der Unwissenheit und in der Falschheit lebst, lebst du in der Perversion. Gegenwärtig besteht die ganze Welt aus Unwissenheit und Falschheit. Das heißt also, wenn du im gewöhnlichen Bewusstsein bleibst, befindest du dich zwangsläufig in der Perversion des Egos.

Mutter, hier heißt es: „Auch wenn die Vorstellung des selbständig Handelnden in dir stark ist und du das Gefühl hast, dass du es bist, der handelt, so muss es dennoch für sie getan werden“. Zum Beispiel unsere Sportausbildung: Muss man denken, dass sie für das Göttliche ist?

Ja, sicher…

Wie?

Das ist nicht einmal sehr schwer. Du kannst sie zunächst als eine Vorbereitung machen, um dich zu befähigen, die göttlichen Kräfte zu empfangen, und dann auch als einen Dienst, damit du dabei hilfst, die ganze Organisation des Ashrams aufzubauen. Du kannst sie machen, nicht etwa im Hinblick auf einen persönlichen Gewinn, sondern im Hinblick darauf, bereit zu werden, um das göttliche Werk zu vollenden. Das erscheint mir sogar ziemlich unentbehrlich, wenn du aus der Gelegenheit vollen Nutzen ziehen willst. Behältst du den gewöhnlichen Standpunkt bei, dann befindest du dich immer in Situationen, die nicht völlig befriedigend sind, und bist nicht fähig, alle Kräfte zu empfangen, die du empfangen könntest.

Mutter, wenn man sich zum Beispiel beim Weitsprung bemüht, immer weiter zu springen, wie tut man da das göttliche Werk?

Was? Verzeihung, das ist nicht wegen des Vergnügens, einen Weitsprung machen zu können, sondern um deinen Körper in seiner Funktionsweise zu vervollkommnen und daher zu einem fähigeren Instrument zu machen, die göttlichen Kräfte zu empfangen und zu offenbaren.

Doch soll alles, alles, was man tut … in diesem Geist getan werden, sonst nützt dir nicht einmal die Gelegenheit, die dir gegeben wurde, die Verhältnisse, die dir gegeben wurden. Ich habe dir kürzlich erklärt, nicht wahr, dass das Bewusstsein da ist, alle Dinge durchdringt und sich in allen Regungen zu offenbaren versucht. Wenn du dir aber sagst, dass deine Bemühung, dein Fortschritt dazu da sind, damit du fähiger wirst, dieses Bewusstsein zu empfangen und zu offenbaren, gelingt die Arbeit natürlich viel besser und schneller. Und das erscheint mir ehrlich gesagt ganz grundlegend; ich bin erstaunt, dass es anders sein kann! Denn deine Anwesenheit in einem Ashram, der so organisiert ist wie dieser, hätte keinen Sinn, wenn nicht diesen. Was würde sie nützen? Es gibt Unmengen von Universitäten, von Schulen auf der Welt, die sehr gut organisiert sind.

Aber wenn du hier bist, dann aus einem besonderen Grund. Weil hier eine Möglichkeit gegeben ist, Bewusstsein und Fortschritt zu absorbieren, die es sonst nicht gibt. Und wenn du dich nicht vorbereitest, das zu empfangen, verspielst du die Chance, die dir gegeben wurde.

Also, das ist eine Sache, die ich noch nie gesagt habe, weil sie mir so klar erschien, dass es überhaupt nicht nötig war, sie zu sagen.

4. August 1954