Kapitel 8
Das Prinzip des Bösen
Das Problem des Bösen hat das menschliche Denken stark beschäftigt, und verschiedenartige, einander widerstreitende Lösungen sind entwickelt worden. Für den Rationalisten, der an nichts Unstoffliches glaubt, existiert das Problem nicht. Alles in der Natur ist Ergebnis der Evolution. Die Natur ist blind und unintelligent und hat daher keine Vorstellung von Gut und Böse; die Vorstellung gehört dem menschlichen Verstand und ist das Ergebnis des sozialen Empfindens und der Vorstellungen von Lust und Schmerz, die sich in den Menschen durch einen völlig einsichtigen natürlichen Prozess entwickelt haben. Doch für Menschen, die an eine Intelligenz, eine Einsichtskraft glauben, die über der Welt waltet und sie entwickelt, gibt es das Problem. Warum ist das Böse entstanden und was ist sein Zweck?
Die Unwilligkeit der frommen Seele, zuzugeben, dass das Böse in Gott existieren kann, hat zu Variationen der manichäischen Theorie geführt, die eine doppelte Herrschaft in der Welt sieht, nämlich Gott als das Prinzip des Guten und Satan als das Prinzip des Bösen. Die den Glauben an das bestehen einer intelligenten bösen Macht als Aberglauben betrachten, finden den Ursprung des Bösen im Menschen, der seine Freiheit missbraucht und durch seine Auflehnung und seinen Eigenwillen die Sünde hervorbringt. Diese Lösung löst aber gar nichts, weil sie nicht erklärt, warum es überhaupt eine Möglichkeit zum Bösen gegeben haben sollte. Sofern wir unsere Vorstellung von Gott als dem Ursprung und Schöpfer von allem, als das, von dem alles ausgeht, nicht einschränken, müssen wir gelten lassen, dass das Böse als Teil des Haushalts der Welt nicht weniger als das Gute aus Ihm hervorgegangen sein muss. Selbst wenn wir gewaltsam eine andere schöpferische Kraft in der Welt annehmen, die seine Universalität einschränkt, müssen wir davon ausgehen, dass Er, der die Macht hat, das Böse zu verhindern, es zulässt; denn Er ist allmächtig, und ohne die Erlaubnis Seiner allweisen übermächtigen Vorsehung vermag keiner irgendetwas zu tun. Beschränken wir jedoch die Allmacht Gottes, so setzen wir Ihn zu einem bloßen Demiurgen herab, einem großen Schöpfer von Dingen, der sich inmitten von Kräften abmüht, über die Er nicht die volle Gewalt hat. Eine solche Auffassung ist unphilosophisch und widerspricht der universellen spirituellen Erfahrung der Menschheit. Das Problem bleibt, warum Er, wenn Er Gott, die All-Liebe, sarvamangalam, ist, dann das Böse erschafft, oder wenn Er es nicht erschafft, warum Er es zulässt.
Unserer Meinung nach gibt es keinen Ausweg aus dem Glauben, dass Gott, wenn es Ihn gibt, alles ist. Alles geht von Ihm aus; von welcher anderen Quelle kann es ausgehen? Alles existiert in Ihm; in welchem anderen Wesen oder Kontinent kann es existieren? Deshalb muss das Böse von Ihm ausgehen, das Böse muss in Ihm existieren. Da Er der All-Weise ist, weil alles Wissen das Seinige ist, muss es zu irgendeinem weisen und vollkommenen Zweck existieren. Da Er die All-Liebe ist, muss es für das Gute existieren und nicht für etwas, das dem Guten widerspricht. Nur, Seine Weisheit ist eine unendliche Weisheit, unsere Weisheit ist eine endliche, Seine ist vollkommen, unsere unentwickelt. Seine ist eine unendliche und allweise Liebe, unsere eine endliche und unweise Liebe, eine Liebe, die unvollkommen von Wissen geprägt ist, voller Maya, Anhänglichkeit an vergängliches Glück und Vergnügen. Gottes Liebe blickt weithin, unsere Liebe richtet ihre Augen auf den Augenblick.
Erfahrung muss immer die Grundlage wahren Wissens sein, aber sie muss von wahrer Wahrnehmung erhellt sein, nicht eine von oberflächlichen Eindrücken dominierte Erfahrung. Einzig jene Erfahrung des Mentals ist erstrebenswert, die Ruhe erlangt hat und unter heftigsten Angriffen von Schmerz, Unglück und Bösem gelassen zu bleiben vermag. Das Mental, das nicht unerschütterlich, dhira, ist, das Kummer empfindet und unter dem Einfluss von Zuneigung und Leidenschaft denkt – sei es auch eine edle Zuneigung und Leidenschaft –, kann nicht zu samyag jnanam, der vollständigen und vollkommenen Wahrheit gelangen. Gemütsregung ist für das Herz und sollte nicht den Verstand bedrängen; denn des Verstandes eigentliche Aufgabe ist beobachten und verstehen, ohne sich vom geringsten Vorurteil, der leisesten Spur von Gefühl verdunkeln zu lassen. Wer dhira ist, wird jedes Geschehen gründlich anschauen, und, wenn er nicht sogleich sehen kann, auf Erhellung des Kerns und der letztendlichen Absicht warten; so wartend, so ruhig betrachtend, dämmert dem Verstand der Sinn des Lebens, entschleiert sich ein unendlicher Zweck in kleinen und großen Dingen, in guten und schlechten Vorkommnissen: allwissende Vorsehung enthüllt sich im Sturz des Sperlings und im Tod der Ameise wie auch im Erdbeben, das große Städte zerstört, und in den Fluten, die Tausende heimat- und mittellos machen. Rudra und Shiva erweisen sich als eins. Der Yogin sieht Gott in allen Dingen, in allen Wesen und allen Geschehnissen. Er ist die Sturmflut, Er ist das Erdbeben, Er ist der Tod, der zu höherem Leben führt, Er ist der Schmerz, der uns für höhere Seligkeit vorbereitet. Darüber lässt sich nicht streiten – es muss gesehen werden Paripasyanti dhirah [Weise nehmen überall wahr]. Und Sehen ist nur dem ruhigen Herzen und dem gelassenen Verstehen möglich.
Der Materialist hat nicht Unrecht, wenn er gut und böse lediglich für Vorgänge der Natur hält, die diese unparteiisch und unterschiedslos verwendet, und Unterscheidung erst als Entwicklung des menschlichen Mentals betrachtet. Das Böse ist das Gute, das verfallend ein höheres Gutes vorbereitet. Das, was heute Tyrannei ist, war einst notwendig, um die menschliche Gesellschaft zu festigen. Was einst ein idealer Zustand der Gesellschaft war, wäre jetzt barbarisch und böse. Die Moral schreitet voran, die Religion erweitert sich mit der wachsenden Offenbarung dessen, was in der Menschenart göttlich ist. Wie beim Einzelwesen, so in der Menschenart und der Welt, trägt das Böse zum Guten bei; es tritt auf, damit die Menschen das mindere Gute ablehnen und zum höheren Guten aufsteigen mögen.
Bleibt die Frage des Schmerzes. War es notwendig, dass der Entwicklungsprozess mit Schmerzen für den Einzelnen einhergeht? Es gab eine Zeit, wo die Schmerzkapazität, physisch wie mental, unendlich viel geringer war als heute, so gut wie nicht vorhanden. Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass Krankheit, Schmerz und Kummer mit der zunehmend feineren Ausgestaltung des Menschen heftiger geworden sind. Das kann nur eine zeitweilige Entwicklung sein, notwendig zur Vorbereitung einer höheren Art, die sich über Schmerz und Leid hinaus zu einem höheren Vermögen für Vergnügen und Freude erheben wird. Die niedrigere Gestaltung widerstand dem samskara von Schmerz und Leid durch die Grobheit ihrer Anlage, sie entging dem Schmerz insofern, als sie ihn kaum kannte. Die höhere Gestaltung in der Zukunft wird nicht unterhalb davon sein, sondern sich darüber erheben. Erkenntnis von Gut und Böse brachte Leid und Sünde in die Welt; wird diese Kenntnis überstiegen, dann erhebt der Mensch sich über Leid und Sünde hinaus. Bevor er die verbotene Frucht aß, hatte er die Unschuld des Tieres; hört er auf davon zu essen, dann erhält er die Unschuld des Gottes. Ist es nicht so, dass in der Natur Schmerz eine Möglichkeit ist, die erschöpft werden muss, und dass der Mensch als Werkzeug erwählt wurde, ihn in das Dasein zu bringen, auf beschränktem Raum, für begrenzte Zeit, und ihn aus dem Kosmos hinauszuarbeiten? Im Lichte dieser Idee gewinnt die christliche Lehre vom Menschensohn am Kreuz eine neue Bedeutung, und der Mensch selbst wird zum Christus des Weltalls.
Da stellt sich eine weitere Frage. Ist Schmerz real oder ein Schatten? Der Vedantist glaubt, dass die Seele ein Teil Gottes oder eins mit Gott selbst ist und nicht Schmerz oder Leid, sondern nur Ananda, Seligkeit, empfinden kann. Der Jiva, die Seele, nimmt den rasa [Geschmack, essentielle Empfindung] auf, die Wonne der Dualitäten, und diese wandelt sich in seiner Natur zu Seligkeit, was aber durch die Unwissenheit verhüllt ist, die den Jiva in seiner Eigengestalt, swarupa, von dem Mental und dem Herzen sondert. Schmerz ist eine negative Entstellung, vikara, der wahren Erfahrung im Mental, Vergnügen eine positive. Die Wahrheit ist Ananda. Doch für dieses Wissen ist die Menschheit noch nicht bereit. Nur der Yogin verwirklicht sie und wird sama, gleichmütig gegenüber Schmerz und Freude, Gut und Böse, Glück oder Unglück. Er nimmt den rasa von beiden auf, und sie geben ihm Stärke und Seligkeit, denn der Schleier zwischen seinem Mental und seiner Seele hat sich gelüftet, und der scheinbare Mensch in ihm ist eins geworden mit dem wirklichen Menschen, svarupa. Erlangte die Menschheit insgesamt dies Wissen zu früh, dann würde die Entwicklung des vollkommen Guten verzögert. Die äußerste Süße von daya und prema, Erbarmen und Liebe, würde vielleicht nie aus dem Spiel, lila, gewonnen.
Kapitel 9
Der Mensch – Sklave oder frei?
Die ausschließliche Ausübung des Yoga durch Menschen, die sich physisch oder mental vom Kontakt mit der Welt absondern, hat zu der irrigen Auffassung von dieser Wissenschaft als etwas Mystisches, Fernes und Unwirkliches geführt. Die Geheimhaltung, die in Bezug auf die yogischen Praktiken beobachtet wurde – eine notwendige Geheimhaltung in den früheren Stadien der menschlichen Evolution – hat diesen Irrtum verfestigt. Praktiken, die von Menschen befolgt werden, die geheime Zirkel bilden und die Unterweisung in den Mysterien strikt auf ein paar vorbereitete fähige Menschen beschränken, tragen für die Außenwelt stets den Stempel von Okkultismus. In Wirklichkeit gibt es im Yoga nichts an sich Verborgenes, Okkultes oder Mystisches. Yoga beruht auf bestimmten Gesetzen der menschlichen Psychologie, auf bestimmte Kenntnisse über die Macht des Mentals über den Körper und des inneren Geistes über das Mental, die nicht allgemein verwirklicht sind und bisher von den in das Geheimnis Eingeweihten für allzu folgenschwer für eine Enthüllung gehalten wurden, bis die Menschen für deren rechten Gebrauch ausgebildet wären. Gerade wie eine Forschergruppe, die die äußersten Möglichkeiten des Mesmerismus und Hypnotismus entdeckt und erprobt hatte, zögern mochte diese frei zu verbreiten, damit die hypnotische Kraft nicht von Unwissenheit und Verderbtheit missbraucht oder zum Nutzen von Eigensucht oder Verbrechen eingesetzt würde, so haben die Yogins gemeinhin die Kenntnis dieser noch viel größeren Kräfte in uns geheim gehalten, außer wenn sie der vorherigen ethischen und spirituellen Ausbildung des Neophyten und seiner physischen und sittlichen Eignung für die yogischen Praktiken sicher waren. Darum wurde es für den Lernenden feste Regel, die inneren Erfahrungen betreffend strenge Zurückhaltung zu üben, und für den entwickelten Yogin, sich als solcher möglichst zu verbergen. Das hat nicht verhindert, dass Abhandlungen und Handbücher mit den physischen, sittlichen oder intellektuellen Seiten des Yoga veröffentlicht wurden. Auch hat es große Geister, die ihren Yoga nicht durch die üblichen bedachtsamen und wissenschaftlichen Verfahren erworben hatten, sondern durch ihr eigenes Vermögen und die besondere Gnade Gottes, nicht daran gehindert, sich und ihr spirituelles Wissen der Menschheit zu enthüllen und in ihrer starken Liebe für diese etwas von ihrer Macht der Welt kundzutun. Solche waren Buddha, Christus, Mohammed, Chaitanya, und solche waren Ramakrishna und Vivekananda. Noch immer ist es die orthodoxe Meinung, dass die Erfahrungen des Yoga dem Uneingeweihten nicht enthüllt werden dürfen. Aber ein neues Zeitalter bricht an, wo die alten Gesetze verändert werden müssen. Schon beginnt der Westen die Geheimnisse des Yoga zu entdecken. Einige seiner Gesetze haben sich, wie trübe und unvollkommen auch immer, den europäischen Wissenschaftlern enthüllt, während andere durch Spiritismus, christliche Wissenschaft, Hellseherei, Telepathie und andere moderne Formen von Okkultismus gewissermaßen von im Dunkeln tappenden und über für sie unverständliche Wahrheiten stolpernden Menschen fast zufällig entdeckt werden. Die Zeit ist beinahe gekommen, wo Indien sein Licht nicht länger für sich behalten kann, sondern es auf die Welt ausgießen muss. Yoga muss der Menschheit enthüllt werden, weil sie ohne ihn den nächsten Schritt in der menschlichen Entwicklung nicht machen kann.
Die wahre Psychologie der Menschenart ist von der Wissenschaft noch nicht entdeckt worden. Die ganze Schöpfung ist wesenhaft dieselbe und geht nach gleichartigen, wenn auch nicht identischen Gesetzen vor. Sehen wir also in der äußeren materiellen Welt, dass sich alle Erscheinungen auf eine einzige Ursubstanz zurückführen lassen, woraus sie entstanden, worin sie sich bewegen und wohin sie zurückkehren, so dürfte die gleiche Wahrheit auch für die innere Welt gelten. Die Einheit des materiellen Weltalls wird nun vom wissenschaftlichen Verstand Europas anerkannt und die Hohepriester des Atheismus und Materialismus in Deutschland haben das ekam evadvitiyam [Eines ohne ein Zweites] in der Materie mit unmissverständlicher Stimme erklärt. Damit haben sie lediglich die von indischen Meistern der yogischen Wissenschaft vor Tausenden von Jahren gemachte Entdeckung bekräftigt. Aber die europäischen Wissenschaftler haben keine sicheren, zuverlässigen Verfahren entdeckt – wie bei ihrem Umgang mit dem Grobstofflichen –, um innere Erscheinungen zu untersuchen. Sie können nur die äußerlichsten Bekundungen des Mentals im Wirken beobachten. Aber dabei ist dieser so sehr dem Wirken äußerer Gegenstände ausgesetzt und scheint von ihnen derart abhängig zu sein, dass es dem Beobachter schwerfällt, die Beweggründe von dessen Tun oder irgendein Regelmaß in dessen Betätigungen festzustellen. Europäische Wissenschaftler sind daher zu dem Schluss gekommen, dass Anreize von außen die Ursache psychischer Phänomene seien, und selbst wenn das Mental aus eigenem Antrieb zu handeln und sich nach eigenem Material zu richten scheint, verbinde, gruppiere und bearbeite es doch nur die verzeichneten Erfahrungen aus äußerlich Gegenständlichem. Die eigentliche Natur des Mentals sei eine Schöpfung vergangener stofflicher Erfahrung, durch Vererbung so beharrlich übermittelt, dass wir aus dem Wilden mit seinem rudimentären Mental zum Zivilisierten des 20. Jahrhunderts herangewachsen seien. Als natürliches Ergebnis dieser materialistischen Theorien hat sich die Wissenschaft schwer damit getan, irgendeine wahre psychische Mitte für die mannigfaltigen Phänomene des Mentals zu finden und hat sich darum für das Gehirn, das stoffliche Denkorgan, als das einzig wahre Zentrum entschieden. Aus dieser materialistischen Philosophie haben sich gewisse für die sittliche Zukunft der Menschheit sehr gefährliche Theorien ergeben. Erstens, der Mensch ist Geschöpf und Sklave der Materie. Er kann sie nur meistern, indem er ihr gehorcht. Zweitens, das Mental selbst ist eine Form grober Materie und nicht unabhängig von den Sinnen und Meister über sie. Drittens, es gibt keinen wirklich freien Willen, weil unser gesamtes Handeln von zwei großen Kräften bestimmt wird, Vererbung und Umwelt. Wir sind Sklaven unserer Natur, und wo wir von ihrer Herrschaft frei zu sein scheinen, sind wir sogar noch mehr versklavt, nämlich durch unsere Umwelt, bearbeitet von Kräften, die uns umringen und handhaben.
Aus diesen falschen und gefährlichen Lehren des Materialismus, die des Menschen Zukunft zu untergraben und seine Entwicklung zu hemmen neigen, führt uns Yoga hinaus. Er steht im Gegenteil ein für die Freiheit des Menschen von der Materie und gibt ihm ein Mittel an die Hand, diese Freiheit zu behaupten. Die erste große fundamentale Entdeckung der Yogins war ein Mittel zur Analyse der Erfahrungen des Mentals und des Herzens. Durch den Yoga kann man das Mental isolieren, dessen Wirkensweisen wie unter einem Mikroskop betrachten, jede winzigste Betätigung der verschiedenen Teile des antahkarana, des inneren Organs, für sich nehmen, jedes mentale und sittliche Vermögen, dessen gesonderte Wirkensweisen wie auch die Beziehungen zu anderen Betätigungen und Vermögen; wir können die mentalen Vorgänge zurückverfolgen zu feineren und immer feineren Quellen, bis die yogische Analyse – der stofflichen entsprechend, die zu einer ursprünglichen Wesenheit gelangt, aus der alles entsteht – zu einer spirituellen Wesenheit kommt, von der alles ausgeht. Sie ist auch fähig, das seelische Zentrum zu orten und zu unterscheiden, worauf alle seelischen Phänomene bezogen sind, und somit die Wurzeln der Persönlichkeit festzustellen. Bei dieser Durchforschung wird als erstes entdeckt, dass der mentale Geist sich von äußeren Gegenständen völlig absondern und in und aus sich wirken kann. Das bringt uns zwar nicht sehr weit, weil es ja sein mag, dass er bloß das durch frühere Erfahrungen angesammelte Material verwendet. Doch die nächste Entdeckung ist, dass er, je weiter von Gegenständen entfernt, desto machtvoller, sicherer und rascher arbeitet, mit behänderer Klarheit, mit einer siegreichen und souveränen Losgelöstheit. Es ist eine Erfahrung – im Widerspruch zur wissenschaftlichen Theorie –, dass der mentale Geist die Sinne in sich selbst zurückziehen und sie auf eine Menge von Erscheinungen richten kann, deren er, wenn mit Äußerlichkeiten beschäftigt, keineswegs gewahr ist. Die Wissenschaft tut dies natürlich als Halluzination ab. Dazu ist zu sagen, dass diese Erscheinungen durch regelrechte, einfache und verständliche Gesetze miteinander verbunden sind und eine eigene Welt bilden, unabhängig von dem auf die materielle Welt einwirkenden Denken. Auch hier mag die Wissenschaft einwenden, diese angebliche Welt sei bloß ein imaginativer Reflex der materiellen Welt im Gehirn, und jedem Argument, das sich auf die Entschiedenheit und Unerwartetheit dieser subtilen Erscheinungen sowie ihre Unabhängigkeit von unserem Willen und unserer Vorstellung stützt, kann sie immer ihre Theorie unbewusster Gehirntätigkeit und, vermutlich, unbewusster Einbildung entgegensetzen. Die vierte Entdeckung ist, dass der mentale Geist nicht nur von der äußeren Materie unabhängig, sondern Herr über sie ist; äußere Anreize kann er zurückweisen und meistern, ja anscheinend so sich den allgemeingültigen materiellen Gesetzen wie dem der Schwerkraft widersetzen; sogenannte Naturgesetze, die eigentlich nur Gesetze der materiellen Natur sind, sind den psychischen Gesetzen untergeordnet, weil Materie Ergebnis des Mentals ist und nicht umgekehrt. Diese sogenannten Naturgesetze braucht er nicht zu beachten, kann sich über sie hinwegsetzen, sie aufheben. Dies ist die entscheidende Entdeckung des Yoga, seine endgültige Bestreitung des Materialismus. Darauf folgt die krönende Verwirklichung, dass sich in uns ein Quell unermesslicher Kraft, unermesslicher Intelligenz, unermesslicher Freude befindet, – weit oberhalb der Möglichkeit von Schwäche, oberhalb der Möglichkeit von Unwissenheit, oberhalb der Möglichkeit von Leid –, welchen wir mit uns in Berührung bringen und, unter anstrengenden, aber nicht unmöglichen Bedingungen, ständig benutzen und genießen können. Dies ist es, was die Upanishaden Brahman nennen, das ursprüngliche Sein und Wesen, woraus alle geboren wurden, worin sie leben und wohin sie zurückkehren. Dies ist Gott, und Gemeinschaft mit Ihm ist das höchste Ziel des Yoga – eine Gemeinschaft, die Wissen, bewusstes Wirken und beseligende Freude zeitigt.
Kapitel 10
Yoga und die Evolution des Menschen
Im Kern ist unser menschlicher Fortschritt insgesamt ein Versuch gewesen, der Knechtschaft an den Körper und die vitalen Impulse zu entkommen. Nach der wissenschaftlichen Theorie begann der Mensch als Tier, entwickelte sich durch den Wilden und gipfelte im modernen zivilisierten Menschen. Die indische Theorie ist von anderer Art. Gott schuf die Welt, indem er aus dem Einen das Viele und aus dem Spirituellen das Materielle entwickelte. Von Anfang an wurden die Objekte, die die physische Welt ausmachen, in ihren Ursachen von Ihm angeordnet, nach ihrem Wesensgesetz in der subtilen oder seelischen Welt entwickelt und dann in der groben oder materiellen Welt offenbart. Vom Ursächlichen, karana, zum Feinstofflichen, suksma, vom Feinstofflichen zum Groben, sthula, und wieder zurück, das ist die Formel. Einmal in der Materie offenbart, geht die Welt nach Gesetzen vor, die sich nicht verändern, von Zeitalter zu Zeitalter, durch regelmäßige Abfolge, bis alles wieder in den Quell zurückgezogen wird, aus dem es kam. Das Materielle geht in das Seelische zurück, und das Seelische wird in seine Ursache oder Saat eingefaltet. Wenn die Periode der Ausdehnung wiederkehrt, wird es abermals hinausgestellt, nimmt seinen Lauf auf gleichen Grundlinien, jedoch mit anderen Einzelheiten, bis die Zeit der Zusammenziehung erneut fällig wird. Der Hinduismus betrachtet die Welt als wiederkehrende Reihe von Erscheinungen, deren Bestimmungen sich ändern, doch deren allgemeine Formel dieselbe bleibt. Diese Theorie ist nur dann annehmbar, wenn wir die im Vishnu-Purana formulierte Wahrheit der Vorstellung von der Welt als vijnana-vijrmbhitani anerkennen – als Entfaltungen von Ideen in der Universalen Intelligenz, die allen materiellen Phänomenen zugrunde liegt und durch ihre innewohnende Kraft das Wachstum des Baumes und die Entwicklung der Scholle sowie die Entwicklung der Lebewesen und den Fortschritt der Menschheit prägt. Welche Theorie wir auch nehmen, die Gesetze der materiellen Welt sind nicht betroffen. Von Äon zu Äon, von kalpa zu kalpa, offenbart sich Narayan in einer sich ständig weiterentwickelnden Menschheit, die an Erfahrung zunimmt durch eine Folge von Ausdehnungen und Zusammenziehungen hin zu der ihr bestimmten Selbstverwirklichung in Gott. Diese Entwicklung wird von der Hindu-Theorie der Yugas nicht geleugnet. Jedes Zeitalter im Hindu-System hat seine eigene Linie sittlicher und spiritueller Entwicklung, und der Verfall des Dharma oder festgelegten Verhaltensgesetzes vom Satya-Yuga zum Kali-Yuga ist nicht eigentlich eine Verschlechterung, sondern eine Entkräftung der äußeren Formen und Stützen der Spiritualität, um eine tiefere spirituelle Intensität im Herzen vorzubereiten. In jedem Kali-Yuga gewinnt die Menschheit etwas an essentieller Spiritualität. Ob wir den modernen wissenschaftlichen oder den alten hinduistischen Standpunkt einnehmen, das Fortschreiten der Menschheit ist eine Tatsache. Das Rad Brahmas kreist auf alle Zeiten, dreht sich aber nicht auf der Stelle; seine Umläufe tragen es vorwärts.
Das Tier unterscheidet sich vom Menschen durch seine Versklavung an den Körper und die vitalen Triebe. Asanaya mrtyuh, Hunger, der Tod ist, hat die materielle Welt von alters her entwickelt, und physisches Hungern und Begehren sowie die mit dem Prana verbundenen vitalen Empfindungen und urtümlichen Gemütsregungen suchen sich im Tier und im Wilden, der dessen Befindlichkeit nahesteht, von der Welt zu ernähren. Aus diesem Tierzustand erhebt sich der Mensch – europäischer Wissenschaft zufolge –, indem er durch intellektuelle und sittliche Entwicklung in den gesellschaftlichen Verhältnissen den Tiger und den Affen hinausarbeitet und ablegt. Soll die Bestie abgelegt werden, dann gilt es natürlich über Körper und Lebenskraft Herr zu werden, und wie vollständig diese Meisterung erreicht wird, so weit entfaltet ist der Mensch. Den Fortschritt der Menschheit haben viele hauptsächlich der Entwicklung des menschlichen Intellekts zugeschrieben, und die intellektuelle Entwicklung ist zweifellos zur Selbstmeisterung unerlässlich. Das Tier und der Wilde sind durch den Körper deshalb gebunden, weil ihre Ideen vorwiegend auf die mit ihm verknüpften Empfindungen und Assoziationen beschränkt sind. Die Entwicklung des Intellekts befähigt einen Menschen, das tiefere Selbst im Inneren zu finden und teilweise das zu ersetzen, was unsere Philosophie dehatmaka-buddhi nennt, die Gesamtheit von Ideen und Empfindungen, die uns meinen lassen, wir seien der Körper – es abzulösen durch eine andere Gruppe von Ideen, die über den Körper hinausreichen und, indem sie für ihre eigene Wonne leben sowie intellektuelle und sittliche Befriedigung zu den Hauptzwecken des Daseins machen, das Getöse der niederen sinnlichen Begierden zu beherrschen, wenn sie es auch nicht völlig zum Schweigen bringen können. Jene tierische Unwissenheit, in Anspruch genommen von den Sorgen und Vergnügungen des Körpers und den vitalen Impulsen, Gemütsregungen und Empfindungen, ist tamasisch, Ergebnis des vorherrschenden dritten Prinzips der Natur, das zu Unwissenheit und Trägheit führt. Das ist die Verfassung des Tieres und der niederen Formen der Menschheit, in den Puranas die erste oder tamasische Schöpfung genannt. Die Entwicklung des Intellekts neigt dazu, diese Unwissenheit des Tieres zu vertreiben und nimmt daher einen äußerst wichtigen Platz in der menschlichen Evolution ein.
Aber nicht nur durch den Intellekt erhebt der Mensch sich. Wird der geklärte Intellekt nämlich nicht von geläuterten Gemütsregungen unterstützt, so neigt er wiederum dazu, vom Körper beherrscht zu werden und sich in seinen Dienst zu stellen, und die Herrschaft des Körpers über den ganzen Menschen wird noch gefährlicher als im natürlichen Zustand, weil dessen Unschuld verloren ist. Die Macht des Wissens stellt sich den Sinnen zur Verfügung, Sattwa dient Tamas, der Gott in uns wird zum Sklaven des Tieres. Der Schaden, den der wissenschaftliche Materialismus unbeabsichtigt der Welt zufügt, besteht darin, das er eine Rückkehr zu dieser Verfassung ermutigt; die jäh aufgeweckten Menschenmassen, nicht gewohnt verstandesmäßig mit Ideen umzugehen – zwar fähig, die weitläufigen, reizvollen Neuerungen freien Denkens zu erfassen, jedoch nicht imstande dessen feinsinnige Vorbehalte zu würdigen – sind dabei, in jenes Zurückwirbeln zum Tier zu geraten, jenes Absinken in das Barbarentum, das der Zustand des Römischen Reiches auf einer hohen Stufe materieller Zivilisation und intellektueller Kultur war und das ein bedeutender englischer Staatsmann vor kurzem als den Zustand bezeichnete, dem sich ganz Europa nähere. Die Entwicklung der Gemütsregungen ist darum die erste Voraussetzung für eine gesunde menschliche Entwicklung. Bevor die Emotionen über das äußerlich Körperliche nicht hinaustrachten und Nächstenliebe zunehmend den Platz grober Eigenliebe einnimmt, kann es keinen emporführenden Fortschritt geben. Die Gestaltung menschlicher Gesellschaft ist darauf gerichtet, das selbstlose Element im Menschen zu entwickeln, das, dem Leben dienlich, gegen asanaya mrtyuh [Hunger, der Tod ist] angeht und ihn überwindet. Nicht der Kampf um das Dasein, zumindest nicht der um das eigene Leben, ist das Wichtigste in der Evolution, vielmehr der Kampf für das Leben anderer – für unsere Kinder, für unsere Familie, für unsere Klasse, für unsere Gemeinschaft, für unser Volk, für unsere Menschenart, für die Menschheit. Ein sich ständig erweiterndes Selbst tritt an die Stelle des alten engen Selbstes, das auf unseren individuellen mentalen Geist und Körper beschränkt ist, und dieses sittliche Wachstum ist es, was von der Gesellschaft gefördert und gestaltet wird.
Soweit besteht kaum ein wesentlicher Unterschied zwischen unseren eigenen Ideen von Fortschritt und denen des Westens, außer in dem entscheidenden Punkt, dass dieser die Evolution für eine Entwicklung der Materie und die Befriedigung der Vernunft, des überlegenden und beobachtenden Intellekts, für den höchsten Begriff des Fortschritts hält. Hier ist unsere Religion nun anderer Meinung. Sie erklärt, dass die Evolution eine Meisterung der Materie durch das Zurückgewinnen des tieferen emotionalen und intellektuellen Selbstes sei, das im Körper eingefaltet und von Begierden der Lebenskraft umwölkt war. In der Sprache der Upanishaden sind manahkosa [Hülle des Sinnen-Mentals] und die buddhikosa [Hülle der mentalen Intelligenz] mehr als die pranakosa [vitale und nervliche Hülle] und annakosa [Nahrungs- oder grobkörperliche Hülle], und zu ihnen steigt der Mensch in seiner Evolution auf. Ferner sucht die Religion einen höheren Begriff für unsere Evolution als die geläuterten Gemütsregungen oder die geklärte Tätigkeit des beobachtenden und reflektierenden Intellekts. Der höchste Begriff der Evolution ist der Geist, worin Wissen, Liebe und Wirken, das dreifache Dharma der Menschheit, ihre Erfüllung und Vollendung finden. Dies ist der Atman im anandakosa [Hülle der Glückseligkeit], und durch Kommunion und Einswerdung des individuellen Selbstes mit dem universalen Selbst, das Gott ist, wird der Mensch völlig rein, völlig weise und völlig selig, und die Evolution erfüllt sich. Die Meisterung des Körpers und des vitalen Selbstes durch Läuterung der Gemütsregungen und Klärung des Intellekts war die Hauptarbeit der Vergangenheit. Die Läuterung wurde durch Sittlichkeit und Religion vollbracht, die Klärung durch Wissenschaft und Philosophie, wobei Kunst, Literatur sowie gesellschaftliches und politisches Leben die Hauptmedien waren, durch welche diese erhebenden Kräfte wirkten. Die Meisterung der Gemütsregungen und des Intellekts durch den Geist ist die Arbeit der Zukunft. Yoga ist das Mittel, mit dem diese Meisterung möglich wird.
Im Yoga wird der gesamte bisherige Fortschritt der Menschheit, der sich sehr unsicher aufrechterhält, rasch zusammengefasst, bestärkt und zum unveräußerlichen Besitz gemacht. Der Körper wird gemeistert, nicht unvollkommen wie beim gewöhnlichen zivilisierten Menschen, sondern ganz und gar. Das Vital wird geläutert und zum Werkzeug des höheren emotionalen und intellektuellen Selbstes für dessen Beziehungen zur Außenwelt gemacht. Die auswärtsgehenden Ideen werden durch Ideen ersetzt, die sich im Inneren bewegen, die niederen Qualitäten werden aus dem System hinausgearbeitet und durch höhere abgelöst, die niederen Gemütsregungen durch edlere verdrängt. Schließlich werden alle Ideen und Gemütsregungen besänftigt, und durch das vollkommene Erwachen der intuitiven Vernunft, die das Mental mit dem Geist in Verbindung bringt, wird letztlich der gesamte Mensch in den Dienst des Unendlichen gestellt. Alles falsche Selbst geht im wahren Selbst auf. Der Mensch wird Gott wesensgleich oder vereinigt sich mit Ihm. Dies ist mukti, der Zustand, in dem die Menschheit durch und durch die Freiheit und die Unsterblichkeit verwirklicht, welche ihr ewiges Ziel sind.
Kapitel 11
Aphorismen
Einblicke
Wahres Heldentum findet sein Sinnbild nicht in der Pracht und Majestät von glänzender Rüstung und Ausstattung, noch sieht es seinen Ruhm in den Trophäen von tausend Siegen; denn sein Gleichnis ist der Heilige Krieg, worin die Macht und Gewalt des Ewigen durch willige Hände spielt, und seine Glorie ist der Lorbeerkranz der Wonne, mit dem Gott die beherzten Kämpfer Seiner Sache krönt.
Nicht jener ist der Philosoph, der Wunder des Schlussfolgerns vollbringt und den Beifall eines intellektuellen Zeitalters gewinnt, vielmehr der, dessen Organon ein scharf gewetztes Werkzeug ist, womit Gott in die Festungen von Vorurteil, Pedanterie, Irrtum und Obskurantismus vorstößt.
Gurutum wird seinen Gipfel dann erreichen, wenn es den Blick des Jüngers auf dessen eigene Gottheit lenkt; denn nicht im geborgten Licht einer einzigen Aureole, sondern im ureigenen Glanz einer strahlenden Galaxie von Pionieren kündigt sich die Morgenröte des kommenden Zeitalters an.
Der wahre Reformer ist nicht bloß ein mitleidsvoller Bekämpfer von Missständen, der auf die umfriedeten Bollwerke der Gesellschaft losgeht und die Gewalt seines Angriffs von außen auf verfestigte Gewohnheiten und Bräuche richtet; der eigentliche Erneuerer ist jener, der die Kollektive Seele in den Tiefen seines Wesens verwirklicht hat und mit untrüglicher, aus innerer Erleuchtung geborener Zielsicherheit und dem bewussten Allvermögen eindringlichen Willens Ströme aussendet, die vom Mittelpunkt des Gesellschaftslebens bis an die Oberfläche wirken und die abscheulichen Usurpatoren von Gottes Throne stoßen.
Der Ruhm des Kreuzes zieht mehr an als der Lorbeer des Sieges. Dennoch muss der Lorbeer, und nicht das Kreuz, unser Ziel sein.
Der Mensch ist hinter dem Guten her, zieht sich aber auch das Böse zu, weil die zwei verflochten sind. Wer im Selbste jenseits von ihnen thront, erfreut sich beider; denn sie sind Noten einer einzigen Tonleiter.
Entsagung lässt stofflich verarmen, Materialismus spirituell. Ganzheitlicher Reichtum kommt von einem göttlichen Leben, das sich der Innewohnenden Gottheit weiht und ein dynamisches Zentrum und Werkzeug von Gottes Schöpferkraft wird.
Bloße Verehrung erzeugt einen intellektuellen Zwerg, bloßes Wissen einen unvollkommenen Darsteller in Gottes Schauspiel. Nur in einen hingegebenen Geist gießt Gott sowohl liebende Verehrung als auch lebendiges Wissen und macht diese zur doppelten Grundlage machtvollen Wirkens.
In jedem Zeitalter hat der Mensch die Ankunft eines Messias oder eines Lehrers erwartet und die höchste Glorie darin gefunden, Jünger oder Anhänger zu sein. Aber der kommende Lehrer wird in jedem Einzelnen sowohl Messias wie Jünger, Lehrer wie Schüler aufzeigen und seinem Blick die immerwährende Glorie einer vollkommenen Gottheit enthüllen.
Gott ist gleichermaßen in Freude und Leid, in Sieg und Niederlage. Und der Krieger in Seiner Sache schreckt nicht vor dem Leid zurück noch fürchtet er sich vor der Niederlage; denn er sieht die Göttliche Strategie, die sich manchmal in Schmach und Lächerlichkeit zurückzieht, um die satanische Kraft der frohlockenden Widersacher zu erschöpfen und dann mit gewaltiger Wucht vorwärts zu stürmen und zu siegen.
Bislang hat die Menschheit Gott zu hoch über sich gestellt, um einander wirklich nahezukommen. Aber auf der Übereinstimmung des Menschlichen mit dem Göttlichen wird die Grundlage der künftigen Zeitalter der Menschheit ruhen.
In Seinem Evolutionsanstieg bewegt Gott sich nicht nur von Erfolg zu Erfolg; denn oft benutzt Er Sieg und Niederlage, Ehre und Schande als den zweifachen Prozess einer erblühenden Bewegung.
Der Neue Yoga beginnt da, wo alle Bemühung um persönliche Erlösung endet, wo sich das Selbst des Einzelnen dem Selbst der Menschheit weiht und voranschreitet, ein universales und göttliches Leben zu verwirklichen.
Die pfingstlichen Schauer der Inspiration ergießen sich auf den, der beständig für Gott arbeitet, und nicht auf den, der untätig darauf wartet, dass Inspiration zu ihm komme und ihn zum handeln bewege.
Erst wenn die großartigen Tempel der Erde aufgehört haben, unseren Gott zu monopolisieren und Er im Flug eines Sperlings und in der Hacke eines Arbeiters wahrgenommen wird, kann die Menschheit aufgehen.
Nicht im begierigen Herfallen der Sinne über die Dinge der Erde, sondern im spirituellen Erfreuen an den Sinnesobjekten besteht der Genuss des integralen Yogin.
Entsagung ist nur dann Feigheit, wenn sie die Sinnesobjekte meidet und in der Einsamkeit des Waldes oder im Meditationsraum Zuflucht sucht; sie übertrifft jedoch die höchste Furchtlosigkeit, wenn sie inmitten der Sinnesobjekte und vor den Wellenschlägen von Begierde und Leidenschaft hehren göttlichen Gleichmut lebt.
Fürchte nichts und niemand, verabscheue nichts, hasse keinen, sondern tue das deinige mit Kraft und Mut: So wirst du sein, was du wahrhaft bist, ein Gott in deinem Sieg, ein Gott in deiner Niederlage, ein Gott selbst in deinem Tod oder deiner Qual – ein Gott, der nicht besiegt wird und der nicht sterben kann.
Der Anfang und das Ende
Wer kennt den Anfang der Dinge, und welch mentaler Geist hat je ihr Ende erfasst? Sagen wir Anfang, sehen wir dann nicht die ganze Ewigkeit der Zeit sich darüber dehnen, wo das, was begonnen hat, nicht war? Stellen wir uns ebenso ein Ende vor, dann wird unsere Schau endlosen Raumes inne, der sich über den angenommenen Endpunkt hinaus erstreckt. Und selbst Formen – beginnen und enden sie? Oder verschwindet ewige Form von einer ihrer Leinwände?
Das Experiment des menschlichen Lebens auf einer Erde wird nicht zum ersten Mal angestellt. Es wurde bereits millionenfach aufgeführt, und das lange Schauspiel wird noch millionenfach wiederholt werden. Bei all unserem jetzigen Tun, in unseren Träumen, unseren Entdeckungen, unseren raschen oder schwierigen Errungenschaften profitieren wir unterbewusst von der Erfahrung zahlloser Vorläufer, und unsere Arbeit wird Frucht tragen auf uns unbekannten Planeten und in noch unerschaffenen Welten. Der Plan, die Bedingungen und die Ausgestaltung unterscheiden sich ständig, werden aber stets von den Regeln einer ewigen Kunst bestimmt. Gott, Mensch und Natur sind die drei immerwährenden Sinnbilder.
Die Vorstellung ewiger Wiederkehr erschreckt den mentalen Geist, der in der Minute, der Stunde, den Jahren und Jahrhunderten, in all den unwirklichen Befestigungen des Endlichen verschanzt ist. Aber die starke Seele, bewusst ihres eigenen unsterblichen Wesens und des unerschöpflichen Ozeans ihrer fortwährend strömenden Energien, erschauert dabei vor unbegreiflicher Verzückung. Hinter dem Gedanken hört sie das kindliche Gelächter und die Ekstase des Unendlichen.
Gott, Mensch und Natur – was sind diese drei? Woher rühren ihre Unterschiedlichkeiten? Zu welch beschreibbarer Vereinigung schreitet die anwachsende Summe ihrer Begegnungen? Blicken wir über die Stunden und Augenblicke hinaus! Reißen wir den Zaun der Jahre und die Mauer der Konzepte von Jahrhunderten und Jahrtausenden nieder und durchbrechen die Schranken unseres Kerkers! Denn alle Dinge versuchen, unseren Blick auf die zeitlichen Interessen, Vorstellungen und Erkenntnisse unserer Menschlichkeit zu konzentrieren. Wir müssen aber über sie hinausschauen, um zu erkennen, wem sie dienen und wofür sie stehen. Nichts auf der Welt lässt sich durch sich selbst verstehen, sondern nur durch das, was jenseits davon ist. Wird das gewusst, so lässt sich alles andere verstehen.
Eine beginnende und endlose Ewigkeit und Unendlichkeit, in der teilbare Zeit und Raum zu bestehen vermögen, ist die Gussform des Daseins. Es gelingt ihnen zu dauern, weil sie von Gottes Blick auf Sich selbst in den Dingen aufrechterhalten werden.
Gott ist alles Dasein. Dasein ist eine Darstellung unbeschreibbaren Seins. Sein ist weder ewig noch zeitlich, weder unendlich noch begrenzt, weder eines noch vieles; es ist nichts, was irgendein Wort unserer Sprache beschreiben oder irgendein Gedanke unserer Mentalität erfassen kann. Das Wort Dasein schränkt es ungebührlich ein; Ewigkeit und Unendlichkeit sind zu geringe Vorstellungen; der Begriff Sein ist ein X, das nicht für einen unbekannten, sondern für einen unkennbaren Wert steht. Alle Werte gehen von Brahman aus, Brahman selbst aber ist jenseits aller Werte.
Dies Dasein ist eine unberechenbare Tatsache, in der sich alle möglichen Gegensätze treffen; in Wahrheit sind seine Gegensätze Identitäten.
Es ist weder eines noch vieles und doch sowohl eines wie vieles. Zahllosigkeit wächst darin und setzt sich fort, bis sie Einheit erreicht; zerbrochene Einheit kann nicht vor der Zahllosigkeit haltmachen.
Es ist weder persönlich noch unpersönlich und doch sowohl persönlich wie unpersönlich. Persönlichkeit ist eine Fiktion des Unpersönlichen, Unpersönlichkeit ist Maske einer Person. Jenes unpersönliche Brahman war die ganze Zeit eine weltübersteigende Persönlichkeit und universale Person, es ist die Wahrheit der Dinge, wie sie durch Leben und Bewusstsein dargestellt wird. „Ich bin“ ist die ewige Aussage. Zergliederndes Denken beseitigt das Ich, aber das Bin bleibt und bringt es zurück. Materialismus ändert das „Ich bin“ zu „Es ist“ womit er gar nichts verändert. Der Nihilist beseitigt sowohl Bin wie Ist, nur um dann herauszufinden, dass sie jenseits auf beiden Seiten seiner Leugnung auf ihn warten.
Untersuchen wir das Unendliche und das Endliche, Form und das Formlose, die Stille und die Aktivität, so werden all unsere Gegensätze gleichermaßen zunichte. Wir können versuchen, soviel wir wollen, Gott erlaubt uns nicht, irgendeinen von ihnen aus Seiner unergründlichen Universalität auszuschließen. Er trägt selbst alle mit Sich in jede Transzendenz.
All dies ist Unendlichkeit, erfasst vom Endlichen, sowie das Endliche, gelebt vom Unendlichen.
Das Endliche ist Vergänglichkeit oder Wiederkehr im Unendlichen, darum ist allein Unendlichkeit völlig wirklich. Da aber jenes Wirkliche stets diesen Schatten seiner selbst wirft, und da seine Wirklichkeit hier erst durch das Endliche fassbar wird, müssen wir annehmen, dass auch die Erscheinung keine bloße Fiktion ist.
Das Unendliche bestimmt sich im Endlichen, das Endliche erfasst sich im Unendlichen. Jedes ist nötig für des anderen vollständige Daseinsfreude.
Das Unendliche hält immer im Endlichen inne; das Endliche gelangt immer zum Unendlichen. Dies ist das Rad, das auf ewig durch Zeit und Ewigkeit kreist.
Gäbe es nichts zu transzendieren, so wäre das Transzendente in seiner eigenen Konzeption unvollständig.
Was wäre der Wert des Formlosen, ließe es sich nicht zur Form herab? Und was für Wahrheit oder Wert hätte irgendeine Form wenn nicht als Maske des Unbestimmbaren und Unsichtbaren?
Aus welchem Hintergrund sind all diese zahllosen Formen hervorgetreten wenn nicht aus den grenzenlosen tiefen des Unermesslichen? Wer sein Wissen nicht im Unwissbaren verloren hat, weiß nichts. Selbst die Welt, die er so weise studiert, betrügt und lacht ihn aus.
Sind wir in das Unwissbare eingetreten, dann wird all dies andere Wissen gültig. Haben wir alle Formen in das Formlose hineingeopfert, dann werden alle Formen geringfügig und zugleich unendlich kostbar.
Das gilt im Übrigen für alles. Keinen Wert hat etwas, dem wir nicht entsagt haben. Opfer ist der große Enthüller der Werte.
Wie alle Worte aus dem Schweigen kommen, so alle Formen aus dem Unendlichen.
Kehrt das Wort in das Schweigen zurück, ist es dann für immer ausgelöscht, oder weilt es in der ewigen Harmonie? Kehrt eine Seele zu Gott zurück, ist sie dann aus dem Dasein getilgt, oder kennt und genießt sie das, worin sie eintritt?
Endet ein Weltall jemals? Besteht es nicht ewig in Gottes Gesamtidee von Seinem eigenen Sein?
Es sei denn, der Ewige wäre von der Zeit wie von einer Last erschöpft, es sei denn, Gott leide an Gedächtnisschwund, wie könnte ein Weltall je aufhören zu sein?
Weder für die Seele noch für das Weltall ist Auslöschung das Ziel, vielmehr ist es für erstere unendlicher Selbstbesitz und für letzteres endlose Verfolgung seiner eignen unwandelbar wandelbaren Rhythmen.
Da zu sein, nicht sich aufzuheben, ist das ganze Ziel und trachten des Daseins.
Wäre Nichts der Anfang, dann wäre Nichts auch das Ende; in dem Fall aber wäre Nichts auch die Mitte.
Wäre unterschiedslose Einheit der Anfang, dann wäre sie auch das Ende. Aber welch anderes Mittelglied könnte es dann geben als unterschiedslose Einheit?
Es gibt eine Logik im Dasein, der sich unser Denken zu entziehen strebt, indem es sich dreht und windet und sich gegen seine eigene letzte Notwendigkeit kehrt, so als versuchte eine Schlange von sich selber loszukommen, indem sie sich um den eigenen Körper wickelt. Lassen wir das Denken doch Schluss machen mit dem Gewirr und stracks an die Wurzel der ganzen Sache gehen, dass es nämlich weder das Erste noch das Letzte, weder Anfang noch Ende, sondern nur Darstellung von Aufeinanderfolgen und Abhängigkeiten gibt.
Aufeinanderfolge und Abhängigkeit sind Gesetze des Blickwinkels; sie lassen sich nicht zum wahren Maß von dem machen, was sie darstellen.
Gerade weil Gott eins, unbestimmbar und jenseits von Form ist, ist Er unendlicher Bestimmung und Eigenschaft, Verwirklichung in unzähligen Formen und der Freude endloser Selbstvervielfachung fähig. Beides gehört zusammen und lässt sich nicht wirklich trennen.
Das Ziel
Sind wir über Kenntnisse hinaus, dann haben wir Wissen. Vernunft war das Mittel; Vernunft ist die Schranke.
Sind wir über Bemühungen hinaus, dann haben wir Macht. Anstrengung war das Mittel, Anstrengung ist die Schranke.
Sind wir über Vergnügungen hinaus, dann haben wir Seligkeit. Begierde war das Mittel, Begierde ist die Schranke.
Sind wir über die Individualisierung hinaus, dann sind wir wahre Person. Ego war das Mittel, Ego ist die Schranke.
Sind wir über das Menschentum hinaus, dann sind wir der Mensch. Das Tier war das Mittel, das Tier ist die Schranke.
Wandle die Vernunft in geordnete Intuition; sei ganz und gar Licht. Das ist dein Ziel.
Wandle Anstrengung in gleichmäßiges, freies Strömen von Seelenstärke; sei ganz und gar bewusste Kraft. Das ist dein Ziel.
Wandle Vergnügen in gleichmäßige und gegenstandslose Ekstase; sei ganz und gar Seligkeit. Das ist dein Ziel.
Wandle das gesonderte Einzelwesen in die Welt-Person; sei ganz und gar das Göttliche. Das ist dein Ziel.
Wandle das Tier in den Hirten der Herden; sei ganz und gar Krishna. Das ist dein Ziel.
Was ich jetzt nicht vermag, zeigt an, was ich künftig vollbringen werde. Das Gefühl von etwas Unmöglichem ist der Anfang aller Möglichkeiten. Weil dies zeitliche Universum ein Paradox und eine Unmöglichkeit war, erschuf es der Ewige aus Seinem Wesen.
Das Unmögliche ist nur eine Summe größerer, noch unverwirklichter Möglichkeiten. Es verhüllt einen vorgerückten Abschnitt, eine noch unvollendete Reise.
Willst du, dass die Menschheit weiterkomme, so tritt alle vorgefassten Meinungen mit Füßen. Derart getroffen, erwacht das Denken und wird schöpferisch. Sonst bleibt es in mechanischer Wiederholung befangen und hält dies fälschlich für seine wahre Betätigung.
Sich um die eigene Achse zu drehen ist nicht die einzige Bewegung für die menschliche Seele. Es gibt noch ihr Kreisen um die Sonne einer unerschöpflichen Erleuchtung.
Sei dir erst deiner selbst im Innern bewusst, dann denke und handle. Alles lebendige Denken ist eine Welt in Vorbereitung; alles wirkliche Tun ist ein offenbarter Gedanke. Die stoffliche Welt besteht, weil eine Idee in göttlicher Selbstbewusstheit zu spielen begann.
Denken ist weder Haupt- noch Ursache des Daseins, sondern ein Werkzeug des Werdens: ich werde, was ich in mir sehe. Alles, was Denken mir eingibt, kann ich tun; alles, was Denken in mir enthüllt, kann ich werden. Das sollte des Menschen unerschütterlicher Glaube an sich selbst sein, denn Gott wohnt in ihm.
Immerfort zu wiederholen, was der Mensch schon getan hat, ist nicht unsere Aufgabe, sondern zu neuen Verwirklichungen und ungeahnten Meisterschaften vorzustoßen. Zeit, Seele und Welt sind uns als Feld gegeben, Schau, Hoffnung und schöpferische Vorstellung dienen uns als Eingeber, Wille, Gedanke und Arbeit sind unsere all-wirksamen Mittel.
Was gibt es Neues, das wir noch zu erlangen hätten? Liebe, denn bisher haben wir es nur zu Hass und Selbstgenuss gebracht; Wissen, denn bisher haben wir es nur zu Irrtum, Feststellung und Meinung gebracht; Seligkeit, denn bisher haben wir es nur zu Vergnügen, Schmerz und Gleichgültigkeit gebracht; Macht, denn bisher haben wir es nur zu Schwäche, Anstrengung und vereiteltem Sieg gebracht; Leben, denn bisher haben wir es nur zu Geburt, Wachstum und Sterben gebracht; Einheit, denn bisher haben wir es nur zu Krieg und Bündnis gebracht.
In einem Wort: Gottheit; uns neu zu schaffen nach dem göttlichen Bild.
Die Wonne des Seins
Wäre Brahman nur eine unpersönliche Abstraktion in ewigem Widerspruch zur augenscheinlichen Tatsache unseres konkreten Daseins, so wäre Aufhören das rechte Ende der Angelegenheit; aber auch Liebe, Wonne und Selbstbewusstheit zählen.
Das Weltall ist nicht bloß eine mathematische Formel zur Erarbeitung des Verhältnisses gewisser mentaler Abstraktionen, sogenannter Zahlen und Prinzipien, um am Ende zu einer Null oder einer leeren Einheit zu kommen, noch ist es bloß ein physikalischer Vorgang, der eine bestimmte Kräftegleichung ausdrückt. Es ist die Wonne eines in sich selbst Verliebten, das Spiel eines Kindes, die endlose Selbstvervielfachung eines Dichters, der von Seiner eigenen endlosen Schöpferkraft berauscht ist.
Wir können vom Höchsten als von einem Mathematiker sprechen, der eine kosmische Summe in Zahlen ausdrückt, oder als von einem Denker, der durch Experiment ein Problem des Kräftegleichgewichts und der Verhältnisse von Prinzipien löst: aber wir sollten von Ihm auch sprechen als von einem Liebenden, einem Musiker universaler und einzelner Harmonien, einem Kind, einem Dichter. Die gedankliche Seite genügt nicht; auch jene der Wonne muss voll erfasst werden: Ideen, Kräfte, Existenzen und Prinzipien sind leere Formen, erfüllt sie nicht der Atem der Wonne Gottes:
Dies sind Bilder, aber alles ist ein Bild. Abstraktionen geben uns den reinen Begriff von Gottes Wahrheiten; Bilder geben uns jedoch ihre lebendige Wirklichkeit.
Wenn Idee, Kraft umarmend, die Welten zeugte, so zeugte die Wonne des Seins die Idee. Weil das Unendliche unzählbar Wonne in sich empfing, darum gelangten Welten und Universen in das Dasein.
Bewusstheit des Seins und Wonne des Seins sind die ersten Eltern. Sie sind auch die letzten Transzendenzen. Unbewusstheit ist nur eine dazwischen liegende Ohnmacht des Bewussten oder sein dunkler Schlaf; Schmerz und Selbstauslöschung sind nur Wonnen des Seins, die vor sich selber flieht, um sich anderswo oder anders wiederzufinden.
Die Wonne des Seins ist nicht auf die Zeit beschränkt; sie ist ohne Ende oder Anfang. Gott tritt aus einer Daseinsform heraus, nur um in eine andere einzugehen.
Und was ist schließlich Gott? Ein ewiges Kind, das ein ewiges Spiel in einem ewigen Garten spielt.
Mensch, der Purusha
Gott kann nicht aufhören, sich zur Natur niederzuneigen, noch der Mensch, zur Gottheit emporzustreben. Das ist die ewige Beziehung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen. Scheinen sie sich voneinander abzukehren, so nur, um sich inniger zu begegnen.
Im Menschen wird sich die Welt-Natur ihrer selbst wieder bewusst, damit sie den größeren Sprung zu ihrem Genießer hin tun könne. Dieser Genießer ist es, den sie unwissentlich besitzt, den Leben und Empfindung besitzen und zugleich leugnen, den sie leugnen und zugleich suchen. Die Welt-Natur kennt Gott nur darum nicht, weil sie sich selbst nicht kennt; sobald sie das tut, wird sie die unvermischte Wonne des Seins kennen.
In der Einheit zu besitzen ist das Geheimnis, und nicht in ihr sich zu verlieren. Gott und Mensch, Welt und Jenseits werden eins, wenn sie einander kennen. Ihre Trennung ist die Ursache der Unwissenheit, wie Unwissenheit die Ursache des Leidens ist.
Zuerst sucht der Mensch blind und weiß nicht einmal, dass er sein göttliches Selbst sucht; denn er beginnt im Dunkel der stofflichen Natur, und noch wenn er anfängt zu sehen, ist er lange geblendet von dem Licht, das in ihm wächst. Auch Gott antwortet dunkel auf sein Forschen; Er sucht des Menschen Blindheit und freut sich daran wie an Kinderhänden, die nach der Mutter tappen.
Gott und Natur sind wie ein Knabe und ein Mädchen bei verliebtem Spiel. Sie verstecken sich und laufen, wenn erblickt, voreinander davon, um sich suchen, jagen und fangen zu lassen.
Der Mensch ist Gott, der sich vor der Natur verbirgt, dass er sie durch Kampf, Beharrlichkeit, Gewalt und Überraschung besitzen möge. Gott ist der universale und transzendente Mensch, der sich vor seiner eigenen Individualität im menschlichen Wesen verbirgt.
Das Tier ist der in ein Fell verkleidete Mensch auf vier Beinen; der Wurm ist der auf die Entwicklung seines Menschentums zukriechende Mensch. Sogar die groben Formen der Materie sind der Mensch in seinem unfertigen Körper. Alles ist Mensch, der Purusha.
Denn was verstehen wir unter Mensch? Eine unerschaffene und unzerstörbare Seele, die Wohnung nahm in einem Mental und Körper, die aus ihren eigenen Elementen gemacht sind.
Das Ende
Die Begegnung von Mensch und Gott bedeutet immer ein Eindringen und Eintreten des Göttlichen in das Menschliche und ein Sich-Versenken des Menschen in die Göttlichkeit.
Doch ist jenes Versenken nicht von der Art einer Selbstvernichtung. Auslöschung ist nicht die Erfüllung all dieser Suche und Leidenschaft, dieses Leidens und Entzückens. Das Spiel wäre nie begonnen worden, müsste es derart enden.
Wonne ist das Geheimnis. Lerne das reine Entzücken kennen, und du kennst Gott.
Was war denn der Anfang der ganzen Geschichte? Dasein, das sich aus schierem Entzücken am Sein vervielfachte und in zahllose Trillionen von Formen tauchte, um sich unzählig wiederzufinden.
Und was liegt in der Mitte? Trennung, die zu vielfältiger Einheit strebt, Unwissenheit, die zu einer Fülle mannigfaltigen Lichtes sich hin bemüht, Schmerz, der in den Wehen unvorstellbarer Ekstase liegt. Denn das alles sind dunkle Erscheinungsformen und entstellte Schwingungen.
Und was ist das Ende der ganzen Geschichte? Wie Honig, der sich selbst und all seine Tropfen zusammen kosten würde, und all seine Tropfen würden einander und jeder die ganze Wabe als sich selbst kosten, so dürfte es am Ende mit Gott und der Seele des Menschen und dem Weltall sein.
Liebe ist der Grundton, Freude die Melodie, Kraft der Zusammenklang, Wissen der Musiker, das unendliche Weltall der Komponist und die Zuhörerschaft. Wir kennen erst die vorbereitenden Misstöne, die ebenso schlimm sind, wie die Harmonie großartig sein wird; bestimmt aber kommen wir zur Fuge der göttlichen Glückseligkeiten.
Die Kette
Die ganze Welt sehnt sich nach Freiheit, und doch ist jedes Geschöpf in seine Ketten verliebt; das ist das erste Paradox und der unauflösbare Knoten unserer Natur.
Der Mensch ist in die Bande der Geburt verliebt; daher ist er auch in die entsprechende Bande des Todes geschlagen. In diesen Fesseln strebt er nach der Freiheit seines Wesens und der Herrschaft seiner Selbst-Erfüllung.
Der Mensch ist in die Macht verliebt; daher ist er der Schwäche unterworfen. Denn die Welt ist ein Meer von Kräftewogen, die ständig aufeinanderstürzen; wer auf dem Rücken einer Welle reiten will, muss unter dem Anprall Hunderter ermatten.
Der Mensch ist ins Vergnügen verliebt; daher muss er das Joch von Kummer und Schmerz auf sich nehmen. Denn unvermischte Verzückung gibt es nur für die freie und leidenschaftslose Seele; doch was im Menschen dem Vergnügen nachjagt, ist eine leidende und angestrengte Energie.
Der Mensch hungert nach Ruhe, aber ihn dürstet auch nach den Erfahrungen eines unsteten Mentals und friedlosen Herzens. Genuss ist für sein Mental etwas Fieberhaftes, Ruhe etwas Träges und Eintöniges.
Der Mensch ist verliebt in die Begrenzungen seines physischen Wesens, und doch verlangt es ihn auch nach der Freiheit seines unendlichen Geistes und seiner unsterblichen Seele.
Und etwas in ihm fühlt sich von diesen Gegensätzen seltsam angezogen; sie machen für sein mentales Wesen das Künstlerische des Lebens aus. Nicht nur der Nektar, sondern auch das Gift reizt seine Neugier und seinen Geschmack.
In alledem liegt ein Sinn, und aus all diesen Widersprüchen gibt es eine Befreiung. Die Natur hat Methode bei jedem Wahnsinn ihrer Verwicklungen, und für die unentwirrbarsten Knoten gibt es eine Lösung.
Tod ist die ständige Frage der Natur an das Leben und ihre Mahnung, dass es sich selbst noch nicht gefunden hat. Würde es nicht vom Tod bestürmt, so bliebe das Geschöpf auf alle Zeiten in einer unvollkommenen Lebensform gefangen. Vom Tod verfolgt, erwacht es zur Idee eines vollkommenen Lebens und macht dazu Mittel und Möglichkeit ausfindig.
Gleicherweise stellt Schwäche die Kräfte, Energien und Größen, auf die wir so stolz sind, auf die Probe und in Frage. Macht ist das Spiel des Lebens, zeigt seine Stufe an und findet den Wert seines Ausdrucks; Schwäche ist das Spiel des Todes, der das Leben in seiner Bewegung verfolgt und die Grenze seiner erworbenen Energie betont.
Schmerz und Leid sind die Mahnungen der Natur an die Seele, dass der Genuss ihres Vergnügens nur eine schwache Andeutung der wirklichen Wonne des Daseins ist. Jeder Schmerz und jede Qual unseres Wesens birgt das Geheimnis einer Flamme der Verzückung, mit der verglichen unsere größten Vergnügungen bloß trübes Geflacker sind. Dies Geheimnis ist es, was für die Seele die Anziehung großer Prüfungen, Leiden und grimmiger Lebenserfahrungen ausmacht, die das nervliche Mental in uns verabscheut und meidet.
Die Rastlosigkeit und rasche Erschöpfung unseres tätigen Wesens und seiner Werkzeuge sind das Zeichen der Natur, dass Ruhe unsere wahre Grundlage ist und Aufregung eine Krankheit der Seele; die Fruchtlosigkeit und Einförmigkeit der bloßen Ruhe ist ihr Hinweis darauf, dass sie auf jener festen Grundlage das Spiel der Tätigkeiten von uns erwartet. Gott spielt immerdar und regt sich nie auf.
Die Grenzen des Körpers sind eine Hohlform; Seele und Geist müssen einströmen, jene aufbrechen und beständig erweitern, bis die Formel der Übereinstimmung zwischen diesem Endlichen und ihrer eignen Unendlichkeit gefunden ist.
Freiheit ist das Gesetz des Wesens in seiner unbegrenzbaren Einheit, sie ist der geheime Meister aller Natur: Dienstbarkeit ist das Gesetz der Liebe im Wesen, das sich freiwillig hingibt, um in der Vielfalt dem Spiel seiner anderen Selbste zu dienen.
Wenn Freiheit in Ketten arbeitet und Dienstbarkeit nicht Gesetz der Liebe ist, sondern der Kraft, dann wird die wahre Natur der Dinge entstellt, und Falschheit bestimmt der Seele Umgang mit dem Dasein.
Die Natur fängt mit dieser Entstellung an und spielt mit allen Kombinationen, zu denen sie führen kann, ehe sie die Berichtigung erlaubt. Dann hebt sie die ganze Essenz dieser Kombinationen empor in eine neue und reiche Harmonie der Liebe und der Freiheit.
Freiheit kommt durch Einheit ohne Grenzen; denn dies ist unser wahres Wesen. Wir können die Essenz dieser Einheit in uns selbst gewinnen; wir können ihr Spiel verwirklichen im Einssein mit allen anderen. Diese doppelte Erfahrung ist die vollständige Absicht der Seele in der Natur.
Haben wir unendliche Einheit in uns verwirklicht, dann bedeutet, uns an die Welt hinzugeben, äußerste Freiheit und absolute Herrschaft.
Unendlich, sind wir frei von Tod; denn dann wird das Leben ein Spiel unseres unsterblichen Daseins. Wir sind frei von Schwäche; denn wir sind das ganze Meer, das den tausendfachen Anprall seiner Wogen genießt. Wir sind frei von Kummer und Schmerz; denn wir lernen unser Wesen mit allem, was es berührt, in Einklang zu bringen und in allen Dingen das Wirken und Gegenwirken der Wonne des Daseins zu finden. Wir sind frei von Begrenzung; denn der Körper wird ein Spielzeug des unendlichen Geistes und lernt, dem Willen der unsterblichen Seele zu gehorchen. Wir sind frei von der Fieberhaftigkeit des nervlichen Mentals und des Herzens und dennoch nicht auf die Unbewegtheit beschränkt.
Unsterblichkeit, Einheit und Freiheit ruhen in uns und harren unserer Entdeckung; aber um der Freude der Liebe willen bleibt Gott in uns dennoch der Vielfältige.
Gedanken und Einblicke
Manchen scheint es anmaßend, an eine besondere Vorsehung zu glauben oder sich für ein Werkzeug in den Händen Gottes zu halten; aber ich finde, dass jeder seine besondere Vorsehung hat, und ich sehe, dass Gott sich der Hacke des Arbeiters bedient und im Mund eines kleinen Kindes plappert.
Vorsehung ist nicht nur, was mich aus dem Schiffbruch rettet, in dem alle anderen untergingen. Vorsehung ist auch, was mir die letzte Planke der Sicherheit entreißt, während alle anderen gerettet werden, und mich im einsamen Ozean ertrinken lässt.
Die Siegesfreude ist manchmal geringer als der Reiz von Kampf und Leid; trotzdem sollte der Lorbeer das Ziel der erobernden menschlichen Seele sein und nicht das Kreuz.
Seelen, die nicht streben, sind Gottes Versager; aber die Natur ist zufrieden und vermehrt sie gern, denn sie sichern ihr die Beständigkeit und verlängern ihre Herrschaft.
Nicht die Armen, Unwissenden, Niedriggeborenen und Ungebildeten machen die gewöhnliche Herde aus, sondern all jene, die sich mit Kleinlichkeit und Durchschnittsmenschentum zufrieden geben.
Hilf den Menschen, aber beraube sie nicht der eigenen Energie; führe und lehre sie, aber sieh zu, dass ihre Initiative und Originalität nichts einbüße; nimm andere in dich auf, aber gib ihnen dafür die volle Göttlichkeit ihrer Natur. Wer das vermag, ist der Führende und der Guru.
Gott hat die Welt zum Schlachtfeld gemacht und sie mit dem Stampfen der Streiter und dem Geschrei eines großen Ringens und Kämpfens erfüllt. Willst du Seinen Frieden erschleichen, ohne den Preis zu zahlen, den Er dafür festgesetzt hat?
Misstraue einem scheinbar vollkommenen Erfolg; freue dich, wenn du nach einem solchen immer noch viel zu tun findest, und gehe weiter; denn die Arbeit bis zur wahren Vollkommenheit währt lange.
Es gibt keinen lähmenderen Irrtum, als eine Stufe für das Ziel zu halten oder zu lange an einem Ruheplatz zu verweilen.
Wo immer du ein großes Ende siehst, darfst du eines großen Anfangs sicher sein. Entsetzt eine ungeheure, schmerzvolle Zerstörung dein Mental, so tröste es mit der Gewissheit einer großen und weiten Schöpfung. Gott ist nicht nur in der leisen, ruhigen Stimme, sondern auch im Feuer und im Wirbelsturm.
Je größer die Zerstörung, desto freier die Gelegenheiten zum Schaffen; doch schleppt die Zerstörung sich oft lange und bedrückend hin, und die Schöpfung säumt oder wird in ihrem Triumph unterbrochen. Immer wieder kehrt die Nacht zurück und der Tag stockt oder scheint sogar ein trügerischer Anbruch gewesen zu sein. Verzweifle deswegen nicht, sondern wache und wirke. Wer ungestüm hofft, verzagt schnell: Hoffe weder noch fürchte, sondern sei dir Gottes Absicht und deines Willens, zu vollbringen, gewiss.
Die Hand des göttlichen Künstlers arbeitet oft, als wäre sie ihres Könnens und ihres Materials nicht sicher. Sie scheint zu tasten, zu prüfen und abzulassen, aufzugreifen und wegzuwerfen, dann wieder aufzugreifen, sich anzustrengen und zu versagen, auszubessern und zusammenzuflicken. Überraschungen und Enttäuschungen gehören zu seiner Arbeit, bis alles bereit ist. Was ausgewählt war, wird in den Abgrund des Verworfenen geschleudert; was verschmäht war, wird Eckstein eines mächtigen Bauwerks. Hinter alldem aber ist das sichere Auge eines Wissens, das unsere Vernunft übersteigt, und das langmütige Lächeln einer unendlichen Meisterschaft.
Gott hat alle Zeit vor sich und braucht sich nicht dauernd zu beeilen. Er ist sich seines Zieles und Erfolges sicher, und es macht ihm nichts aus, sein Werk hundertmal zu zerbrechen, um es der Vollkommenheit näher zu bringen. Geduld ist unsere erste große notwendige Lektion, jedoch nicht die stumpfe Zurückhaltung des Schüchternen, Zweifelnden, Überdrüssigen, Faulen, Ehrgeizlosen oder Schwachen, sondern eine Geduld voll Ruhe und gesammelter Kraft, die wacht und sich vorbereitet für die Stunde schneller und starker Schläge, zwar weniger, doch genug, um das Schicksal zu ändern.
Warum hämmert Gott so grimmig auf seiner Welt herum, tritt und knetet sie wie Teig, wirft sie so oft in das Blutbad und die rote Höllenhitze des Schmelzofens? Weil die Menschheit in ihrer Masse immer noch ein hartes, grobes oder gemeines Erz ist, das sich anders nicht schmelzen und formen lässt; wie das Material, so die Methode. Möge es mithelfen, sich in ein edleres und reineres Metall zu verwandeln, und Gott wird mit ihm sanfter und angenehmer verfahren, es viel reiner und schöner verwenden.
Warum er solches Material wählte oder schuf, wo er doch aus der ganzen unendlichen Möglichkeit wählen konnte? Weil seine göttliche Idee nicht nur Schönheit, Süße und Reinheit vor sich sah, sondern auch Kraft, Willen und Größe. Verachte die Kraft nicht, noch hasse sie wegen der Hässlichkeit einiger ihrer Gesichter, noch wähne, einzig Liebe sei Gott. Alle vollendete Vollkommenheit muss etwas vom Helden und sogar vom Titanen in sich haben. Die größte Kraft aber wird aus der größten Schwierigkeit geboren.
Alles würde sich ändern, könnte der Mensch einmal einwilligen, sich spiritualisieren zu lassen; aber seine mentale, vitale und physische Natur lehnen sich gegen das höhere Gesetz auf. Er liebt seine Unvollkommenheiten.
Der Spirituelle Geist ist die Wahrheit unseres Wesens; Mental, Leben und Körper in ihrer Unvollkommenheit sind seine Masken: in ihrer Vollkommenheit aber sollten sie seine Gussformen sein. Nur spirituell zu sein ist nicht genug; das bereitet zwar eine Anzahl Seelen für den Himmel vor, lässt aber die Erde da, wo sie war. Auch ein Kompromiss ist nicht der Weg zum Heil.
Die Welt kennt drei Arten von Revolution. Die materielle zeitigt große Ergebnisse, die moralische und intellektuelle sind unendlich viel weiter in ihrem Ausmaß und reicher in ihrem Ertrag, aber die spirituellen sind die großen Aussaaten.
Könnte diese dreifache Wandlung in völliger Übereinstimmung zusammentreffen, so würde ein makelloses Werk vollbracht; doch Mental und Körper der Menschheit vermögen ein starkes spirituelles Einströmen nicht vollkommen zu fassen: das meiste wird verschüttet, viel vom Übrigen verdirbt. Viele intellektuellen und physischen Umbrüche benötigt unsere Erdscholle, damit ein kleiner Ertrag aus einer großen spirituellen Aussaat erwachse.
Jede Religion hat der Menschheit geholfen. Das Heidentum mehrte im Menschen das Licht der Schönheit, die Weite und Höhe seines Lebens, sein Streben nach vielseitiger Vollkommenheit; das Christentum gab ihm eine gewisse Schau der göttlichen Liebe und Güte; der Buddhismus wies ihm einen edlen Pfad, weiser, milder und reiner zu werden, Judentum und Islam lehrten ihn fromme Gläubigkeit im Tun und eifrige Hingabe an Gott; der Hinduismus eröffnete ihm die weitesten und tiefsten spirituellen Möglichkeiten. Es wäre etwas Großes, könnten all diese Gott-Visionen zusammenfinden und ineinander aufgehen; aber intellektuelles Dogma und Kult-Egoismus stehen im Wege.
Alle Religionen haben eine Anzahl Seelen gerettet, aber keine hat es bisher vermocht, die Menschheit zu spiritualisieren. Dazu braucht es weder Kult noch Kredo, sondern eine beständige und alles in sich fassende Bemühung spiritueller Selbstentfaltung.
Die Veränderungen, die wir heute in der Welt sehen, sind intellektuell, moralisch und physisch ihrer Idee und Absicht nach: die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde und wirft inzwischen hier und da ihre Wellen. Bis sie kommt, lässt sich der Sinn der anderen nicht verstehen, und bis dahin sind alle Deutungen des gegenwärtigen Geschehens und alle Voraussagen der Zukunft des Menschen eitel. Denn die Natur dieser Revolution, ihre Kraft und ihr Ablauf sind es, die den nächsten Zyklus unserer Menschheit bestimmen werden.