Sri Aurobindo Digital Edition
  • Home
  • SRI AUROBINDO
  • DIE MUTTER
  • KOMPILATIONEN
  • ALLES LEBEN IST YOGA
  • ALL LIFE IS YOGA
  • ANDERE AUTOREN
  • SUCHEN
  • IMPRESSUM
  1. SRI AUROBINDO
  2. Die Offenbarung des Supramentalen

Die Offenbarung des Supramentalen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Die Vervollkommnung des Körpers
  3. Der göttliche Körper
  4. Das Supramentale und das göttliche Leben
  5. Das Supramentale und die Menschheit
  6. Das Supramentale in der Evolution
  7. Das Lichtmentale
  8. Das Supramentale und das Lichtmentale

Vorwort

Die Herausgabe der Ashram-Zeitschrift „Bulletin d‘Education Physique“ gibt mir die Gelegenheit, der Zeitschrift und der Sportvereinigung des Sri Aurobindo Ashrams (J.S.A.S.A.) meinen Segen zu erteilen.

Dabei möchte ich kurz auf den tieferen Sinn solcher Vereinigungen hinweisen, und zwar besonders darauf, wie notwendig und nützlich die weite Verbreitung und Organisierung eines Sport und Körpertrainings, wie es hier betrieben wird, für die Nation ist. Oberflächlich gesehen scheinen es lediglich Spiele und Vergnügungen zur Unterhaltung der Leute zu sein, oder eine Möglichkeit, der Energie und dem natürlichen Betätigungsdrang des Körpers nachzugeben, oder aber körperliche Gesundheit und Kraft zu entwickeln und zu erhalten; sie sind aber und können weit mehr sein als das, denn sie sind auch der Boden, auf dem Gewohnheiten, Fähigkeiten und Eigenschaften wachsen, die für das Wohl eines Volkes im Krieg wie auch im Frieden, in Politik und Gesellschaft, ja in den meisten Bereichen menschlicher Zusammenarbeit höchst notwendig und nützlich sind. Diesem sozusagen nationalen Aspekt des Themas möchte ich mich besonders zuwenden.

In unserer Zeit beherrschen Sport, Spiele und Leichtathletik das allgemeine Interesse so weitgehend wie das in früheren Zeiten höchstens in Griechenland der Fall gewesen ist, wo alle Arten menschlicher Betätigungen gleicherweise entwickelt wurden und wo das Turnen, das Wagenrennen, die Leichtathletik und weitere Sportarten die gleiche Bedeutung auf der physischen Ebene hatten wie die Geisteswissenschaften, die Poesie und das Drama auf der mentalen Ebene, und wo sie von der Obrigkeit der Stadtstaaten besonders angeregt und gefördert wurden. Schließlich war es Griechenland, das die Olympiade zu einer Institution gemacht hat; und dass sich die Olympiade als internationale Einrichtung heute wieder durchgesetzt hat, deutet daraufhin, dass der alte Geist wieder auflebt. Dieses Interesse hat bis zu einem gewissen Grade auf unser eigenes Land übergegriffen, und Indien hat angefangen, bei internationalen Wettkämpfen wie der Olympiade Fuß zu fassen. Der junge Staat im befreiten Indien fängt auch an, sich für die Entwicklung aller Seiten nationalen Lebens zu interessieren und scheint sich angewöhnen zu wollen, in Bereichen, die man früher privater Initiative überlassen hatte, aktiv die Führung zu übernehmen. Zum Beispiel greift er die Frage nach Grundlage und Erhaltung der Gesundheit und der körperlichen Fitness des Volkes auf und versucht, deren Wichtigkeit ins allgemeine Bewusstsein zu bringen. In diesem Zusammenhang wäre die Ermutigung zu Sport, Sportvereinen und allen Aktivitäten dieser Art eine sehr große Hilfe. Wenn es allgemein üblich würde, an derartigem Training in Kindheit, Jugend und frühem Mannesalter teilzunehmen, könnte das sehr dazu beitragen, ein körperlich gesundes und kraftvolles Volk hervorzubringen.

Wichtiger aber noch als die Erlangung von körperlicher Gesundheit, Kraft und Fitness; so notwendig sie auch sind, ist die Entwicklung von Disziplin, Moral und einem gesunden, starken Charakter, wozu diese Aktivitäten verhelfen können. Es gibt viele Sportarten, die in dieser Hinsicht äußerst wertvoll sind, weil sie helfen, Mut, Kühnheit, energisches Handeln und Entschlusskraft auszubilden, und weil sie Geschicklichkeit, festen Willen oder aber schnelles Entscheiden und Handeln erfordern und die Erkenntnis dessen, was im Notfall getan werden muss und die Gewandtheit, das dann auch zu tun. Von größtem Wert ist auch, dass das eigentliche instinktive Körperbewusstsein entwickelt wird, das alles Notwendige erkennen und entsprechend handeln kann, ohne nachzudenken; das entspricht im körperlichen Bereich dem schnellen Erfassen im Denkbereich und dem spontanen und schnellen Entscheiden im Bereich des Willens. Außerdem lernt der Körper – vor allem in einer kombinierten Aktion – sich harmonisch und richtig zu bewegen, mit seinen Kräften hauszuhalten, keine Energie zu verschwenden, was durch Marschieren und Exerzieren gewonnen wird, und die schlaffen, vagen, disharmonischen oder unangemessenen und überflüssigen Bewegungen des untrainierten Körpers zu disziplinieren. Als weiteres unschätzbares Ergebnis dieses Trainings entwickelt sich der sogenannte Sportsgeist, d.h. Humor, Toleranz und Rücksicht auf alle, die richtige Haltung und Freundlichkeit Mitstreitern und Rivalen gegenüber, Selbstkontrolle und strikte Einhaltung der Spielregeln, faires Spiel und Vermeiden fauler Tricks, gleichmütiges Hinnehmen von Sieg oder Niederlage ohne schlechte Laune, Missmut oder Hass gegenüber den Gewinnern, die loyale Hinnahme der Entscheidung des bestellten Richters, Obmanns oder Schiedsrichters. Diese Eigenschaften sind im allgemeinen Leben genauso wertvoll wie im Sport, aber die Hilfe, die der Sport bieten kann, um sie zu entwickeln, ist direkt und unschätzbar. Wenn sie nicht nur im Leben der Einzelnen, sondern auch dem der Nation und im internationalen Zusammenleben, in dem heutzutage entgegengesetzte Tendenzen überhandnehmen, selbstverständlicher wären, dann wäre das Leben in unserer unruhigen Welt leichter und die Chance für die so nötige Eintracht und Freundschaft größer. Noch wichtiger aber ist die Gewöhnung an Disziplin, Gehorsam, Ordnung und Zusammenspiel, die bestimmte Spiele erfordern, weil ohne sie der Erfolg fraglich oder unmöglich wäre. Im Leben, besonders im Leben der Nation, gibt es unzählige Aktivitäten, bei denen in einer konzertierten Aktion Führung und Gehorsam ihr gegenüber die Voraussetzung für Erfolg, die Erreichung eines Ziels oder den Sieg im Kampf bilden. Die Rolle des Anführers oder Mannschaftskapitäns, seine Kraft und Geschicklichkeit, seine Führungsqualität, andererseits das Vertrauen und der bereitwillige Gehorsam seiner Gefolgschaft sind von größter Wichtigkeit für jede Art konzertierter Aktion oder Unternehmung. Wenige nur können diese Eigenschaften entwickeln, ohne selbst Gehorsam gelernt zu haben und als ein Geist oder als ein Körper mit anderen zu handeln. Diese Strenge des Trainings und die Gewöhnung an Disziplin und Gehorsam sind nicht unvereinbar mit individueller Freiheit, ja häufig die notwendige Voraussetzung für ihren richtigen Gebrauch; genauso wie Ordnung nicht unvereinbar ist mit Freiheit, vielmehr die Voraussetzung für ihren richtigen Gebrauch, sogar für ihre Erhaltung und Dauer. In jeder konzertierten Aktion gilt als unerlässliche Regel, dass man zu einem Orchester werden muss, und ein Orchester kann nur spielen, wenn die einzelnen Musiker nicht ihren eigenen Phantasien, sondern der Weisung des Dirigenten folgen.

In spirituellen Dingen gilt die gleiche Regel: ein Schüler (Sadhak), der die ungeschulten Eingebungen des Novizen den Anweisungen des Meisters (Guru) vorziehen würde, könnte kaum vor den Fehltritten oder gar dem Unheil bewahrt bleiben, das wie ein Dickicht rund um den Pfad zur spirituellen Verwirklichung liegt.

Ich brauche kaum mehr die weiteren Vorteile, die auch für das nationale Leben im sportlichen Training liegen, aufzuzählen; was ich gesagt habe genügt. Auf jeden Fall nimmt der Sport in Schulen wie der unseren und in Universitäten einen anerkannten und notwendigen Platz ein; denn auch die höchste und vollkommenste Ausbildung der Verstandeskräfte ist nicht genug ohne die Ausbildung des Körpers. Wo die genannten Qualitäten fehlen oder ungenügend vorhanden sind, kann sie ein starker individueller oder nationaler Wille zwar aufbauen, aber Sport kann sie direkt und wesentlich entwickeln helfen. Das allein wäre ein ausreichender Grund für die Aufmerksamkeit, die ihm in diesem Ashram gewidmet wird, obwohl es noch weitere Gründe gibt, die ich hier nicht zu erwähnen brauche. Ich beschränke mich hier auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Eigenschaften, die er für unser nationales Leben schafft oder die er anregt. Die Nation, die sie in höchstem Maße besitzt, wird wahrscheinlich am ehesten erfolgreich und groß werden, aber auch, gemäß unserer Hoffnung für die Zukunft der Menschheit, ihren Teil dazu beitragen können, Einheit und eine harmonischere Weltordnung zustandezubringen.

Die Vervollkommnung des Körpers

Die Vollkommenheit des Körpers, und zwar die weitestgehende Vollkommenheit, die wir durch die uns zur Verfügung stehenden Mittel erreichen können, muss das letzte Ziel der Körpererziehung sein. Vollkommenheit ist das eigentliche Ziel aller Kultur, der spirituellen wie der seelischen, der mentalen wie der vitalen und also auch das Ziel unserer Körperkultur. Wenn wir nach alles umfassender Vollkommenheit des Wesens trachten, kann man seinen physischen Teil nicht außer acht lassen; denn der Körper stellt unsere materielle Grundlage dar, der Körper ist das Instrument, das uns zur Verfügung steht. Shariram khalu dharmasadhanam sagt das alte Sanskritwort, – der Körper ist das Mittel, das dharma1 zu erfüllen, und dharma bedeutet jedes Ideal, das wir uns vorstellen können und das Gesetz seiner Verwirklichung und seiner Wirkung. Unser höchstes Ziel ist die totale Vollkommenheit, denn unser Ideal ist das göttliche Leben, das wir hier aufbauen möchten, ein Leben des Geistes, das sich auf Erden erfüllt, ein Leben, das seine eigene spirituelle Umformung sogar unter den Bedingungen der materiellen Schöpfung hier auf Erden vollzieht. Das kann nur gelingen, wenn auch der Körper eine Wandlung durchmacht und in seinen Handlungen, wie in seinem Funktionieren, eine höchste Leistungsfähigkeit erreicht und jene Vollkommenheit, die ihm möglich ist oder möglich werden kann.

In einer früheren Schrift habe ich bereits angedeutet, dass wir in diesem Ashram angefangen haben, einer relativen Vervollkommnung des physischen Bewusstseins im Körper, und des Mentalen, des Vitalen und des Charakters, die er beherbergt, besondere Aufmerksamkeit und besonderen Spielraum einzuräumen und die ursprünglichen Fähigkeiten des Körpers als wünschenswerte Ergebnisse der Übungen und des Trainings in der Körpererziehung zu erwecken und zu entfalten. Die Entwicklung des physischen Bewusstseins muss immer einen bedeutenden Teil unserer Bemühungen ausmachen, und dazu gehört ganz wesentlich die richtige Entwicklung des Körpers selbst; zunächst sind Gesundheit, Kraft und Tauglichkeit erforderlich, aber der physische Rahmen selbst muss der bestmögliche sein. Zu einem göttlichen Leben in einer materiellen Welt gehört notwendigerweise, dass die beiden Pole des Daseins, der spirituelle Gipfel und die materielle Grundlage, eine Einheit bilden. Die Seele, mit ihrer Lebensgrundlage in der Materie, erhebt sich zu den Höhen des Geistes; sie stößt sich nicht von ihrer Basis ab, sondern verbindet die Höhen mit den Tiefen. Der Geist steigt mit all seinem Licht, seiner Herrlichkeit und Macht in die Materie und in die materielle Welt hinab, erfüllt sie und verwandelt mit ihnen das Leben in der materiellen Welt, so dass es immer göttlicher wird. Die Umformung ist keine Wandlung in etwas bloß Subtiles und Spirituelles, zu dem sich die Materie von Natur her in Widerspruch befindet und von dem aus sie sich als Hindernis oder als Fessel für den Geist empfinden würde; sie beansprucht die Materie als eine Form des Geistes, obwohl jetzt noch eine Form, die ihn verbirgt, und verwandelt sie in ein offenbarendes Instrument – sie verwirft nicht die Energien, Fähigkeiten und Methoden der Materie, bringt vielmehr ihre verborgenen Möglichkeiten ans Licht, hebt sie auf, läutert sie und deckt die ihr eingeborene Göttlichkeit auf. Das göttliche Leben wird nichts zurückweisen, was zur Vergöttlichung fähig ist; alles soll aufgenommen, erhöht und aufs äußerste vervollkommnet werden. Das Denkwesen, das jetzt noch unwissend ist, obwohl es nach Erkenntnis ringt, soll sich zum supramentalen Licht und zur supramentalen Wahrheit emporschwingen und sie herunterbringen, so dass sie unser Denken, unsere Wahrnehmung, unsere Einsicht und all unsere Erkenntnismittel durchdringt, bis sie in ihren innersten und äußersten Regungen die höchste Wahrheit ausstrahlen. Unser Leben, das noch so voll ist von Dunkelheit und Verwirrung und von so vielen dumpfen und niederen Zielen in Anspruch genommen, muss sich in seinem inneren Drang und in seinen Instinkten erhoben und erleuchtet fühlen und ein strahlendes Ebenbild des supramentalen Lebens über ihm werden. Das physische Bewusstsein und das physische Sein, der Körper selbst, muss in allem, was er ist und tut, eine Vollkommenheit erreichen, wie wir sie jetzt noch kaum ahnen. Es mag sogar schließlich mit dem Licht, der Schönheit und Seligkeit aus dem Jenseits überflutet werden und dem göttlichen Leben einen göttlichen Körper geben.

Zunächst aber muss die Natur in ihrer Entwicklung einen Punkt erreicht haben, wo sie dem Geist unmittelbar begegnen, die Sehnsucht nach der spirituellen Wandlung fühlen und sich dem Wirken der Kraft, die sie umformen wird, öffnen kann. Denn die höchste, totale Vollkommenheit ist nur durch eine Umformung unserer niederen oder menschlichen Natur möglich, durch eine Umformung des Denkwesens in ein Lichtwesen, unseres Vitalen in ein Instrument der Macht, ein Instrument des rechten Handelns, des richtigen Gebrauchs all seiner Kräfte, eine glückliche Erhöhung seines Wesens über seine gegenwärtig vergleichsweise engen Möglichkeiten hinaus zu einer sich selbst verwirklichenden Kraft des Wirkens und der Freude des Lebens. Dementsprechend muss sich der Körper durch eine Umstellung seines Tuns, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten einer umformenden Wandlung zu einem Instrument unterziehen, das jene Begrenzungen hinter sich gelassen hat, die es jetzt sogar in seinen größten menschlichen Fähigkeiten belasten und hemmen. In die zu erreichende Totalität der Umwandlung müssen wir auch die rein menschlichen Mittel und Kräfte einbeziehen, wir dürfen sie nicht fallen lassen, sondern müssen sie nutzen, sie bis zu ihrer äußersten Möglichkeit steigern und in das neue Leben hineinnehmen. Eine solche Sublimierung unserer gegenwärtigen menschlichen Denk- und Lebenskräfte in Elemente göttlichen Lebens auf Erden kann man sich ohne große Schwierigkeiten vorstellen; wie aber sollen wir uns den vollkommenen Körper vorstellen?

In der Vergangenheit wurde der Körper von den spirituellen Suchern eher als Hindernis, als etwas, was man überwinden oder ablegen muss, angesehen, denn als ein Instrument der spirituellen Vervollkommnung und ein Bereich der spirituellen Wandlung. Er ist als grobe Materie verworfen worden, als unüberwindliches Hindernis, und die Begrenzung des Körpers als etwas Unabänderliches, das die Transformation unmöglich mache; und zwar, weil auch der beste menschliche Körper nur von einer Lebensenergie getrieben zu sein scheint, die ihre eigenen Grenzen hat und in ihren geringeren physischen Aktivitäten noch durch vieles gemindert wird, was kleinlich, roh oder gar böse ist; der Körper selbst ist belastet mit der Trägheit und der Unbewusstheit der Materie, nur teilweise erwacht und, obwohl ermuntert und belebt durch Nerventätigkeit, doch unterbewusst in den fundamentalen Tätigkeiten seiner konstituierenden Zellen und Gewebe und deren geheimer Arbeit. Sogar in seiner vollen Kraft und Stärke und in seiner größten Schönheit ist er noch eine Blüte des materiellen Unbewussten; das Unbewusste ist der Boden, aus dem er gewachsen ist, und der Ausdehnung seiner Kräfte und jedem Versuch zu einer radikalen Selbstübersteigerung ist in jeder Hinsicht eine enge Grenze gesetzt. Wenn aber ein göttliches Leben auf Erden möglich ist, dann muss auch diese Selbstübersteigerung möglich sein.

In der Bemühung um Vervollkommnung können wir bei jeder Schicht unseres Wesens beginnen, müssen aber, zumindest anfangs, jene Mittel und Verfahren anwenden, die unserer Wahl entsprechen. Im Yoga hat der Prozess eine spirituelle und seelische Qualität; sogar seinen vitalen und körperlichen Prozessen wird eine Wendung zum Spirituellen und Seelischen gegeben, wodurch sie in einen höheren Rang aufsteigen, als ihnen im gewöhnlichen Vitalen und Physischen zuerkannt wird, z.B. beim Training des Atmens und der Körperhaltungen im Hathayoga2 und Rajayoga3 Gewöhnlich müssen das Denkwesen (Mentale), das Vitale und der Körper für den Empfang der spirituellen Energie und für die Organisierung seelischer Kräfte und Methoden vorbereitet sein, und zwar in der dem Yoga entsprechenden speziellen Richtung. Andererseits müssen wir auch, wenn wir in irgendeinem Bereich der niederen Schichten anfangen, jene Mittel und Wege benutzen, die Vitales und Materie uns anbieten und auch die sogenannten Bedingungen und Techniken beachten, die uns durch die vitale und materielle Energie aufgezwungen werden. Wir mögen die Aktivität, die Leistungsfähigkeit, die Vollkommenheit weit über ihren anfänglichen Status, ja sogar über die normalen Möglichkeiten hinaus entwickeln und müssen doch auf der gleichen Basis bleiben, von der wir ausgegangen sind, und innerhalb ihrer Grenzen. Die Bemühungen von oben und von unten her können sich zwar begegnen, die höhere Vervollkommnung kann die niedere zu sich emporheben und in sich aufnehmen; aber gewöhnlich geschieht das nur durch den Übergang von der niederen zur höheren Auffassung, Sehnsucht und Motivation: und den müssen wir vollziehen, wenn wir uns das Ziel gesetzt haben, das menschliche Leben in ein göttliches umzuwandeln. Hier aber begegnen wir der Notwendigkeit, die Aktivitäten des menschlichen Lebens zu akzeptieren und durch die Macht des Geistes zu sublimieren. Die niedrigere Vollkommenheit wird hier nicht verschwinden; sie wird bleiben, aber durch die Vollkommenheit höherer Art vergrößert und umgeformt werden, was allein die Kraft des Geistes vermag. Das wird deutlich, wenn wir Dichtung und bildende Kunst, philosophisches Denken, die Vollkommenheit des geschriebenen Wortes oder die vollkommene Organisation des irdischen Lebens betrachten: sie müssen aufgegriffen werden, und die schon erlangten Möglichkeiten, oder welche Vollkommenheiten auch immer schon erreicht worden sind, müssen in eine neue und größere Vollkommenheit einbezogen werden, aber in der größeren Vision und Inspiration eines spirituellen Bewusstseins und mit neuen Formen und Kräften. Das gleiche gilt für die Vervollkommnung des Körpers.

Das Vitale und die Materie in das, seinem Wesen nach, spirituelle Streben mit aufzunehmen statt zurückzuweisen und gänzlich auszuschließen, wie es der Einstellung jener Spiritualität entsprach, die das Leben in der Welt mied oder sich von ihm abwandte, bezieht bestimmte Entwicklungen mit ein, die von einer spirituellen Institution alter Art als zweckentfremdet betrachtet werden könnte. Ein göttliches Leben in der Welt oder eine Institution mit diesem Ziel und Zweck kann sich auf die Dauer vom Leben der gewöhnlichen Menschen in der Welt nicht gänzlich absondern oder ausschließen oder am irdischen Dasein desinteressiert sein; sie muss die Arbeit des Göttlichen in der Welt selbst tun und nicht abseits oder getrennt von ihr. Die alten Rishis4 in ihren Ashrams lebten in solcher Verbundenheit; sie waren schöpferisch tätig, Erzieher und Führer der Menschen, und das Leben des indischen Volkes wurde in der alten Zeit weitgehend von ihnen gesteuert und hat sich unter ihrem formenden Einfluss entfaltet. In diesem neuen Streben sind Leben und Handeln nicht dasselbe, müssen aber ebenfalls auf die Welt wirken und etwas Neues in ihr sein. Es muss Berührungen und Verbindungen mit ihr haben und Aktivitäten aufweisen, die ihren Platz im allgemeinen Leben einnehmen und deren anfängliche oder ursprüngliche Ziele sich nicht von jenen der gleichen Aktivitäten in der äußeren Welt zu unterscheiden scheinen. Hier in unserem Ashram haben wir es für nötig gehalten, eine Schule für die Erziehung der Kinder der hier lebenden Ashramiten (Sadhaks) aufzubauen, in der wir die üblichen Fächer unterrichten, wenn auch mit gewissen Abwandlungen, und wir haben zusätzlich, und zwar als wichtigen Teil ihrer Erziehung, ein gründliches Körpertraining ins Programm aufgenommen, woraus die Spiele und Leichtathletik resultieren, die von der Sportjugend des Ashrams betrieben werden. Einige Leute haben gefragt, welchen Platz Sport in einem Ashram einnehmen könne, der für spirituelle Sucher geschaffen worden sei, und welche Verbindung es zwischen Spiritualität und Sport geben könne. Die erste Antwort liegt bereits in dem, was ich über die Verbindungen dieser Art Institution mit den Aktivitäten des gewöhnlichen Lebens geschrieben habe und wo ich auf die Nützlichkeit eines solchen Trainings für das Leben des Volkes und seinen Vorteil für das internationale Leben hingewiesen habe. Eine weitere Antwort aber mag sich für uns ergeben, wenn wir über diese ersten Ziele hinausgehen und uns dem Streben nach totaler Vollkommenheit zuwenden, die die Vervollkommnung des Körpers einschließt.

Wenn wir solche Aktivität wie Sport und Körpertraining im Ashramleben zulassen, dann heißt das, dass die Methoden und die ersten zu erreichenden Ziele der sogenannten unteren Schicht des Wesens angehören. Ursprünglich sind sie für die Körpererziehung und die Körperertüchtigung der Kinder der Ashram-Schule eingeführt worden, und diese sind zu jung, als dass man streng spirituelle Übungen oder Ziele in ihr Programm aufnehmen könnte; es ist fraglich, ob jemals eine große Anzahl von ihnen das spirituelle Leben wählen wird, wenn sie alt genug sind, ihre weitere Zukunft selbst zu bestimmen. Körpertraining und die Entwicklung bestimmter Bereiche im Mentalen und im Charakter sind das Ziel, soweit das durch dieses Training oder in Verbindung mit ihm geschehen kann, und ich habe im Vorwort bereits ausgeführt, wie und in welcher Richtung das möglich ist. Es ist eine relative und menschliche Vollkommenheit, die innerhalb dieser Grenzen erlangt werden kann; irgendetwas Größeres kann nur durch das Eingreifen höherer Mächte erreicht werden, seelischer Mächte oder der Mächte des Geistes. Und doch kann es etwas sehr Beachtenswertes und manchmal Großartiges sein, wozu man innerhalb der menschlichen Begrenzungen kommen kann: Das Geniale liegt im Entfaltungsbereich menschlichen Wesens und seine Leistungen, besonders die mentalen und willensmäßigen, können uns bereits halbwegs zum Göttlichen tragen. Und auch was Denken und Wille im eigentlichen Bereich des Körpers und seines Lebens mit dem Körper erreichen können, an körperlicher Leistung, körperlicher Ausdauer, Spitzenleistungen aller Art, an dauernder Aktivität, die keine Müdigkeit, kein Versagen zulässt und weit über das hinausgeht, was zunächst möglich zu sein schien, an Mut und der Weigerung, einem endlosen und mörderischen physischen Leiden zu erliegen – all diese und weitere Siege vielerlei Art, die manchmal ans Wunderbare grenzen oder es erreichen, kann man im rein menschlichen Bereich finden und müssen in unsere Vorstellung von totaler Vollkommenheit einbezogen werden. Von gleicher Art ist auch die unerschrockene und beharrliche Antwort, die der Körper, die Lebensenergie und auch das Mentale des Menschen auf jegliche Forderung geben können, die in den schwierigsten und entmutigendsten Umständen – etwa durch die Notwendigkeiten eines Krieges, einer Reise oder eines Abenteuers – an sie gestellt werden mag, und ihre Ausdauer kann ein erstaunliches Maß erreichen, und sogar das Unbewusste im Körper scheint fähig zu sein, überraschende Reaktionen zu zeigen.

Wir haben gesagt, dass der Körper eine Schöpfung des Unbewussten und selbst unbewusst sei, oder zumindest unterbewusst in Teilen seiner selbst und in vielen seiner verborgenen Mechanismen. Was wir aber das Unbewusste nennen, ist die Erscheinung, die Wohnung oder das Instrument eines geheimen Bewusstseins oder eines Überbewusstseins, das jenes Wunder geschaffen hat, das wir das Universum nennen. Das Unbewusste hat die Materie geschaffen, sie ist seine ureigene Ebene, und die Vollkommenheit der Verfahren der unbewussten Materie, die völlige Anpassung ihrer Mittel an einen Endzweck, die Wunderwerke, die sie vollbringt, die Wunder an Schönheit, die sie erschafft, tun die Gegenwart und Macht des Bewusstseins dieses Überbewusstseins in jedem Teil und jeder Bewegung des materiellen Weltalls kund, trotz all des unwissenden Leugnens, das wir ihm entgegensetzen können. Es befindet sich im Körper, es hat ihn geschaffen, und sein Auftauchen in unserem Bewusstsein ist das geheime Ziel der Evolution und der Schlüssel zum Geheimnis unseres Daseins.

Wenn wir Sport und körperliche Übungen für die Erziehung des Einzelnen in Kindheit und früher Jugend ausnutzen wollen, um seine sichtbaren und verborgenen Möglichkeiten zur vollsten Entfaltung zu bringen, sind wir in den anzuwendenden Mitteln und Methoden durch die Natur des Körpers begrenzt; ihr Ziel muss eine derartige relative menschliche Vollkommenheit sein, wie diese Methoden sie entwickeln helfen können, und zwar aller Kräfte und Fähigkeiten des Körpers, wie auch der Kräfte des Mentalen, des Willens, des Charakters und des Handelns, die in ihm wohnen und deren Instrument er ist. Ich habe genug über die mentalen und ethischen Seiten der Vervollkommnung geschrieben, zu denen dieses Streben beitragen kann und brauche das hier nicht zu wiederholen. Der Körper selbst kann hierdurch die Vollendung seiner natürlichen Beschaffenheit und Veranlagung erreichen und andererseits seine allgemeine Tauglichkeit zu einem Instrument für all die Aktivitäten trainieren, die das Mentale und der Wille, die Lebensenergien oder die wirkenden Vorstellungen, Beweggründe und Instinkte unseres subtilen physischen Wesens ihm abfordern mögen, das ein zwar unerkanntes, aber sehr wichtiges Element und eine Kraft unserer Natur darstellt. Gesundheit und Kraft sind die ersten Voraussetzungen für die natürliche Vollkommenheit des Körpers, nicht nur Muskelkraft, solide Gliederstärke und körperliche Widerstandsfähigkeit, sondern jene feinere, lebendige, plastische und anpassungsfähige Kraft, die unsere nervlichen und subtil-physischen Schichten in die äußerlichen Aktivitäten einbringen können. Außerdem gibt es die noch dynamischere Kraft, die die Lebensenergien in der Not dem Körper leihen, und die ihn zu größerer Aktivität, sogar zu Leistungen von ungewöhnlichstem Charakter aufrütteln können, zu denen er in normalem Zustand nicht in der Lage wäre. Und dann gibt es noch jene Kraft, die vom Denken und vom Willen dem Körper mitgeteilt oder von der er beherrscht und inspiriert werden kann, die aus ihren Ansprüchen und Antrieben resultiert, aus ihrer geheimen Macht, und von der wir, ohne genau den Ursprung ihrer Wirkung zu kennen, Gebrauch machen, oder durch die wir gebraucht werden. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir zu den natürlichen Fähigkeiten und Körperkräften, die so geweckt, angeregt und zu normaler Aktivität gebracht werden können, auch Gewandtheit und Ausdauer in allerhand Körperübungen zählen, wie zum Beispiel: Schnelligkeit im Laufen, Gewandtheit im Kampf, Geschicklichkeit und Ausdauer beim Bergsteigen, eine konstante und sogar außergewöhnliche Leistungsfähigkeit, die allen Anforderungen entspricht, die an den Soldaten, den Seemann, den Reisenden oder den Forscher bei Abenteuern jeglicher Art gestellt werden. Dazu gehört auch die große Summe physischer Befähigungen, an die sich der Mensch gewöhnt hat oder zu denen er ausnahmsweise durch seinen eigenen Willen oder durch den Zwang der Umstände gedrängt wurde. Bei all diesen Bemühungen geht es ganz einfach um eine generelle Tauglichkeit des Körpers zu allem, was von ihm verlangt werden mag, eine Tauglichkeit, wie sie ein paar oder auch viele erlangt haben, und die durch eine gründliche und vielseitige Körpererziehung und Disziplin allgemein erreichbar gemacht werden kann. Einige dieser Aktivitäten können unter der Bezeichnung Sport zusammengefasst werden; für andere wiederum können Sport und Körperübungen wirksame Vorbereitungen sein. Unsere Körperübungen können auch zu jenen Aktionen befähigen, in denen gemeinsames Vorgehen, Zusammenwirken und Disziplin erforderlich sind, für andere werden eher ein ausgeprägter individueller Wille, geschicktes Denken, schnelle Auffassungsgabe, kraftvolle Lebensenergie und feine körperliche Impulse benötigt und mögen sogar der eine, völlig ausreichende Lehrer sein. Alles muss in unserer Konzeption von den natürlichen Kräften des Körpers, seiner Fähigkeit und Brauchbarkeit als Instrument im Dienste des menschlichen Denkvermögens und Willens enthalten sein und deshalb auch in unserem Konzept von der totalen Vervollkommnung des Körpers.

Diese Vollkommenheit hat zwei Voraussetzungen: Das größtmögliche Erwecken des Körperbewusstseins und das Hervorrufen und Erziehen seiner Fähigkeiten, genauso total, so vollkommen und so vielseitig wie möglich. Die Gestalt oder der Körper ist seinem Ursprung nach zweifellos eine Schöpfung des Unbewussten und dadurch allseitig begrenzt, immerhin aber eines Unbewussten, das jenes geheime Bewusstsein entwickelt, das in ihm verborgen ist und das im Lichte des Wissens, der Macht und der Seligkeit wächst. Wir müssen ihn in jenem Stadium seiner menschlichen Entwicklung nehmen, den er in diesen Dingen erreicht hat, davon Gebrauch machen, soweit wie möglich; und soviel wir können, die Entwicklung bis zu jenem Höchstgrad fördern, den die Kraft des individuellen Temperamentes und der individuellen Natur zulässt. In allem Geformten in der Welt ist eine Kraft wirksam, unbewusst aktiv oder in ihren niederen Formen durch Trägheit gehemmt, im Menschen aber, mit seinen teils wachen, teils schlafenden oder verborgenen Entwicklungsmöglichkeiten, von Anfang an bewusst; was aber in ihm wach ist, haben wir vollends bewusst zu machen, was schläft, zu wecken und in Gang zu bringen, was verborgen ist, hervorzuholen und zu erziehen. Nun gibt es zwei Aspekte des Körperbewusstseins: Einerseits scheint es seine Arbeit auf der physischen Ebene ohne Einmischung des Denkens sozusagen automatisch zu verrichten, teilweise sogar ohne die Möglichkeit einer direkten Beobachtung durch das Denken, andererseits scheint es, wenn es bewusst oder wahrnehmbar ist, in der Arbeit fortzufahren, wenn sie erst einmal in Gang gekommen ist, und zwar durch ein offensichtlich mechanisches Verhalten, das keiner Steuerung durch das Denkvermögen bedarf und solange unverändert weitermacht, als das Denken nicht eingreift.

Es gibt auch noch andere Verhaltensweisen, die, mental gelehrt und trainiert, auch dann noch automatisch und doch fehlerfrei ablaufen können, wenn sie vom Denken oder Willen nicht beachtet werden; andere wiederum können im Schlafe wirken und Ergebnisse erzielen, die für das Wachbewusstsein wertvoll sind. Aber noch wichtiger ist jener trainierte und entwickelte Automatismus, jene perfekte Geschicklichkeit und Fähigkeit von Auge und Ohr, den Händen und allen Gliedern, jedem Anruf zu gehorchen, der an sie ergeht, bereit zu unmittelbarem Handeln als Instrument, vollkommen fähig zu jeder Aufgabe, die das Denken und die Lebensenergie an ihn stellen können. Das ist gewöhnlich das beste, was wir vom niederen Ende aus erreichen können, wenn wir von ihm ausgehen und uns auf die ihm eigenen Mittel und Methoden beschränken. Wollen wir mehr, dann müssen wir uns an Verstand und Lebensenergie selbst oder an die Energie des Geistes und ihre Möglichkeiten wenden, und an das, was sie für eine größere Vervollkommnung des Körpers tun können. Das meiste, was wir im physischen Bereich durch physische Mittel tun können, ist notwendigerweise sowohl ungesichert wie auch begrenzt; sogar die anscheinend vollkommene Gesundheit und Kraft des Körpers ist gefährdet und kann jeden Augenblick durch Störungen von innen oder einen starken Angriff oder Schock von außen her gestört werden; nur durch ein Überschreiten unserer Grenzen kann eine höhere und dauerhaftere Vollkommenheit erreicht werden. Unser Bewusstsein muss in einer bestimmten Richtung wachsen, nämlich, in zunehmendem Maße den Körper und seine Kräfte von innen und von oben her beeinflussen und ihn zu einer immer bewussteren Antwort auf die höheren Ebenen unseres Wesens bringen. Der Mensch ist charakterisiert durch sein Denkvermögen; er ist ein denkfähiges Wesen, und seine menschliche Vollkommenheit wächst in dem Maße, – gemäß den Upanishaden, – wie das mentale Wesen, Purusha, Herr über das Vitale und den Körper wird. Wenn sich die Vernunft der Instinkte und Automatismen der Lebensenergien, des subtil physischen Bewusstseins und des Körpers annehmen und sie kontrollieren, in sie eindringen und ihr instinktives oder spontanes Verhalten bewusst nutzen und sozusagen voll mentalisieren kann, dann wird auch die Vollkommenheit dieser Energien und ihres Wirkens bewusster, ihrer selbst mehr gewahr und noch vollkommener. Aber auch das Denken muss vollkommener werden, und das kann es am besten, wenn es sich weniger auf den fehlbaren Intellekt des physischen Mentalen verlässt, sich nicht einmal durch das ordentlichere und sorgfältigere Wirken der Vernunft begrenzt, sondern in die Intuition hineinwächst, ein weiteres, tieferes und innigeres Schauen und den leuchtenderen Energiestrom eines höheren intuitiven Willens erwirbt. Schon innerhalb der Grenzen seiner gegenwärtigen Entwicklung ist es schwierig zu ermessen, wie weit das Mentale fähig ist, seine Kontrolle über die Kräfte und Fähigkeiten des Körpers auszudehnen oder diese auszunutzen, und es wird unmöglich, irgendwelche Grenzen festzulegen, wenn das Mentale noch höhere Kräfte entwickelt und seine menschliche Begrenzung abstreift: Bei bestimmten Realisationen scheint es sogar möglich zu werden, sich willentlich in die Automatik der körperlichen Organe einzuschalten. Wo auch immer Begrenzungen schwinden und in dem Maße, wie sie verschwinden, wird der Körper plastischer und empfänglicher und gleichermaßen ein geeigneteres und vollkommeneres Instrument für das Wirken des Geistes. Für alles fruchtbare und wirkungsvolle Tun hier in der materiellen Welt ist die Zusammenarbeit der beiden Enden unseres Wesens unerlässlich. In gleichem Maße, wie der Körper aus Müdigkeit oder natürlicher Unfähigkeit oder irgendeinem anderen Grunde heraus unfähig ist, das Denken oder den Willen zu unterstützen, oder wie er irgendwie unansprechbar oder nicht genügend ansprechbar ist, wird jede Aktion fehlschlagen, den Erwartungen nicht entsprechen oder irgendwie unbefriedigend oder unvollkommen sein. Selbst eine scheinbar so rein mentale Ausbeute des Geistes wie der Ausfluss dichterischer Inspiration bedarf der antwortenden Mitschwingung des Gehirns und seines Offenseins als Kanal für die Macht des Gedankens und der Vision und für das Licht des Wortes, das sich einen Weg bahnt oder durchbricht oder nach seinem vollkommenen Ausdruck sucht. Wenn das Hirn ermüdet oder durch irgendein Hemmnis stumpf geworden ist, kann keine Inspiration kommen und nichts wird geschrieben, oder es geht daneben, und etwas Minderwertiges ist alles, was herauskommen kann; oder eine schwächere Inspiration tritt an die Stelle der leuchtenden Formulierung, die um ihre Gestaltung rang, oder der Verstand findet es leichter, sich einer weniger strahlenden Eingebung hinzugeben oder für poetische Tricks empfänglich zu sein und damit zu arbeiten. Sogar für rein mentale Aktivitäten ist die Tauglichkeit, die Bereitschaft oder das perfekte Training des körperlichen Instrumentes eine unerlässliche Voraussetzung. Dieses Bereitsein, dieses Antwortenkönnen gehört ebenfalls zur totalen Vollkommenheit des Körpers.

Das Auftauchen des Bewusstseins in einem offensichtlich unbewussten Universum, das Wachsen des Bewusstseins und mit ihm das Wachsen des Lichtes und der Macht des Wesens ist der wesentliche Zweck und das Zeichen einer wachsenden Entwicklung hier; es ist zwar unerlässlich, Formen zu entwickeln, die funktionieren oder lebensfähig sind, keinesfalls aber letzter Zweck oder zentraler Beweggrund. Das immer größere Erwachen eines Bewusstseins, das immer höhere Ebenen erklimmt und zu immer größerer Weite seiner Vision und seines Handelns gelangt, ist die Voraussetzung für unseren Fortschritt in Richtung auf jene höchste und totale Vollkommenheit, die das Ziel unseres Daseins ist, gleichzeitig aber auch die Voraussetzung für die totale Vervollkommnung unseres Körpers. Es gibt höhere Ebenen des Mentalen als irgendeine, die wir bis jetzt wahrnehmen, und die müssen wir eines Tages erreichen und uns über sie hinaus zu den Höhen eines größeren, eines spirituellen Lebens erheben. Im Emporsteigen aber müssen wir ihnen unsere tieferen Schichten öffnen und sie mit jener überlegenen und höchsten Dynamik des Lichtes und der Kraft erfüllen; den Körper aber müssen wir zu einem immer bewussteren, ja sogar gänzlich bewussten Gefäß und Instrument, zu einem bewussten Zeichen und Siegel, zu einer Kraft des Geistes machen. Sowie er in diese Vollkommenheit hineinwächst, muss auch die Kraft, die Spannweite seines dynamischen Handelns und seiner Empfänglichkeit wachsen, mit der er dem Geiste dient; gleichzeitig muss die Kontrolle des Geistes über ihn und die Anpassungsfähigkeit seines Funktionierens zunehmen, und zwar in den entwickelten und den erworbenen Kraftzentren, und auch in seinen automatischen Reaktionen bis hin zu jenen, die jetzt noch rein organisch sind und die Regungen eines mechanischen Unbewussten zu sein scheinen. Das kann aber nicht ohne eine wahrhaftige Transformation erreicht werden, und eine Transformation des Mentalen, des Vitalen und des eigentlich Körperlichen ist tatsächlich die Wandlung, auf die sich unsere Entwicklung insgeheim zubewegt, und diese Transformation ermöglicht erst das Auftauchen der ganzen Fülle eines göttlichen Lebens auf Erden. Und bei dieser Transformation kann der Körper selbst Handelnder und Partner werden. Es mag für den Geist tatsächlich möglich sein, mit einem nur passiv und unvollständig bewussten Körper als seinem letzten oder niedrigsten Werkzeug materiellen Wirkens eine beachtliche Offenbarung zu erreichen, aber das könnte nichts irgendwie Vollkommenes oder Vollständiges sein. Ein vollkommen bewusster Körper könnte sogar die richtige materielle Methode und den richtigen materiellen Prozess einer materiellen Transformation entdecken und herausarbeiten. Dazu müssen sich aber zweifellos das höchste Licht, die höchste Macht und die schöpferische Freude des Geistes auf dem Gipfel des individuellen Bewusstseins offenbart und ihr „Es sei“ dem Körper befohlen haben, trotzdem aber mag der Körper spontan Anteil an der Selbstentdeckung und Leistung beim Ausarbeiten nehmen. So würde er zum Mittäter und Vermittler der eigenen Umformung und der integralen Umformung des ganzen Wesens werden; und das würde ebenfalls ein Teil, ein Zeichen, ein Merkmal der totalen Vervollkommnung des Körpers sein.

Wenn das Auftauchen und Wachsen des Bewusstseins das eigentliche Motiv der Evolution ist und der Schlüssel zu ihrem verborgenen Sinn, dann muss sich durch dieses Wachstum, der eigentlichen Natur der Evolution gemäß, nicht nur eine ständig zunehmende Leistungsfähigkeit ergeben, sondern auch der Aufstieg zu immer höheren Ebenen, bis die höchstmögliche erreicht ist. Denn das Bewusstsein, das wir in der Materie an der Arbeit sehen, das materielle Universum erschaffend, startet auf der untersten Ebene, wo es in das Unbewusste eingewickelt ist; es entfaltet sich weiter über eine Unwissenheit, die doch immer mehr Wissen entwickelt und zu immer größerem Licht und zu immer umfassenderer Organisation und Wirksamkeit des Willens führt, wie auch zu einer Harmonisierung aller ihm innewohnenden und auftauchenden Kräfte; zuletzt muss es dazu kommen, die ganze Fülle seiner Fähigkeiten zu entwickeln oder zu erwerben, und das muss ein Zustand sein oder ein Wirken, in dem nicht länger Unwissenheit nach Wissen strebt, sondern das Wissen selbstbeherrscht dem Wesen innewohnt, Herr seiner eigenen Wahrheiten ist und sie mit einer natürlichen Vision und Kraft, an der weder Begrenzung noch Irrtum haften, herausarbeitet. Oder aber, wenn eine Begrenzung da ist, dann muss sie wie ein freiwillig vorgezogener Vorhang sein, hinter dem es die Wahrheit zurückhält für eine Offenbarung im Zeitlichen, sie aber hervorholt – willentlich und ohne sie erst suchen oder sich aneignen zu müssen – in der Reihenfolge einer richtigen Wahrnehmung der Dinge oder in der rechten Abfolge dessen, was dem Ruf der Zeit gehorchend offenbart werden muss. Das würde bedeuten, dass man in das sogenannte in sich selbst existierende Wahrheitsbewusstsein eintreten oder sich ihm nähern würde, in dem sich der Mensch seiner eigenen Wirklichkeiten bewusst wäre und die innewohnenden Kräfte hätte, diese in einer Zeitschöpfung zu offenbaren, wo alles Wahrheit wäre, Wahrheit, die ihren eigenen unfehlbaren Schritten folgte und ihre eigenen Harmonien aufbaute; jeder Gedanke und Wille, alles Fühlen und Handeln würde spontan richtig sein, inspiriert oder intuitiv und vollkommen, weil es aus dem Lichte der Wahrheit stammte. Alles würde Wirklichkeiten ausdrücken, die dem Geiste innewohnen; es würde viel mehr an Geistesmacht da sein. Man würde die jetzigen Grenzen des Mentalen überschritten haben: Denken würde zum Schauen im Lichte der Wahrheit werden, Wille zu Kraft und Macht der Wahrheit, Leben zu wachsender Erfüllung der Wahrheit, der Körper selbst ein bewusstes Gefäß der Wahrheit und Teil der Mittel zu ihrer Selbstverwirklichung und eine Form des Daseins, das seiner selbst gewahr ist. Wenn es ein göttliches Leben oder irgendeine volle Offenbarung der Materie geben soll, müsste zumindest eine Art Initiation dieses Wahrheitsbewusstseins, ein erstes Erscheinen und Wirken erreicht werden und in eine erste Operation eingetreten sein. Oder zumindest muss solch ein Wahrheitsbewusstsein mit unserem eigenen Denken, Leben und Körper in Verbindung stehen, zu einer Berührung mit ihm herabkommen, seine Schau und sein Wirken kontrollieren, seine Motive veranlassen, seine Kräfte ergreifen und ihre Richtung und ihren Zweck formen. Nicht alle, die von ihm berührt würden, mögen fähig sein, es voll zu verkörpern, aber jeder würde ihm eine gewisse Form geben, entsprechend seinem spirituellen Temperament, seiner inneren Fassungskraft und der Richtung seiner Entwicklung in der Natur: Er würde sicher jene Vollkommenheit erreichen, deren er unmittelbar fähig wäre und auf dem Weg sein zum vollen Besitz der Wahrheit des Geistes und der Wahrheit der Natur.

Im Wirken eines solchen Wahrheitsbewusstseins würde sich ein bestimmter Automatismus in seinem Wahrheitsvollzug zeigen, der bewusst und gewollt ist und der an die Stelle der unfehlbaren Automatik der unbewussten oder scheinbar unbewussten Kraft treten würde, die aus einer scheinbaren Leere das Wunder eines geordneten Universums geschaffen hat, und dies könnte eine neue Offenbarungsordnung des Seins hervorrufen, in der eine vollkommene Vollkommenheit möglich würde, ja eine höchste und totale Vollkommenheit als letzte Möglichkeit in Aussicht stünde. Wenn wir diese Kraft in die materielle Welt herunterholen könnten, dann würden unsere jahrtausendealten Träume von menschlicher Vervollkommnungsfähigkeit, sowohl von individueller wie auch von der Vervollkommnungsfähigkeit der Gesellschaft, des Menschengeschlechtes überhaupt, der inneren Herrschaft über uns selbst, und einer völligen Kenntnis, Beherrschung und Nutzung der Naturkräfte schließlich und endlich Aussicht auf volle Verwirklichung haben. Diese völlige menschliche Selbst-Erfüllung könnte durchaus über ihre Grenzen hinausgehen und den Charakter eines göttlichen Lebens annehmen. Die Materie würde, nachdem sie die Kraft des Lebens und das Licht des Denkvermögens in sich aufgenommen und offenbart hat, das höhere oder höchste Licht des Geistes und seine Kraft in sich hineinziehen und in einem irdischen Körper, nachdem sie dessen unbewussten Teil losgeworden wäre, zu einem vollkommenen bewussten Gefäß des Geistes werden. Durch den Willen und die Kraft dieses innewohnenden Herrn könnte der körperlichen Hülle dauernde Kraftfülle und sichere Gesundheit erhalten bleiben; alle natürlichen Fähigkeiten des Körpers, alle Kräfte des physischen Bewusstseins würden ihre äußersten Grenzen erreichen und uns auf Wunsch, ihres fehlerlosen Wirkens sicher, zur Verfügung stehen. Als Instrument würde der Körper Fähigkeiten in einer Fülle, Tauglichkeit für alles, was sein Herr von ihm verlangen würde, in einer Totalität erwerben, die weit überall das hinausginge, was er bis jetzt vermag. Er könnte sogar das Gefäß der Offenbarung einer höchsten Schönheit und Seligkeit werden, das die Lichtschönheit des Geistes ausstrahlte, – von ihm überfließend und sich ausgießend, so wie eine Lampe das Leuchten ihrer inneren Flamme ausgießt und verstrahlt, – das in sich die Glückseligkeit des Geistes trüge, seine Freude des schauenden Erkennens, seine Freude des Lebens und der spirituellen Seligkeit, die Freude der Materie, die zu einem spirituellen Bewusstsein erlöst und von einer dauernden Ekstase durchschauert wäre. Das wäre die totale Vollkommenheit des spiritualisierten Körpers.

Das mag nicht alles zugleich kommen, obwohl solch eine plötzliche Erleuchtung möglich ist, wenn eine göttliche Kraft und göttliches Licht und göttliche Seligkeit auf dem Gipfel unseres Wesens stehen und ihre Kraft in Denken, Leben und Körper hinabsenden könnten, indem sie die Zellen erleuchteten und umformten und so im ganzen Gefäß Bewusstsein erweckten. Aber der Weg wäre offen und all das, was im Individuum möglich ist, könnte zunehmend stattfinden. Das Physische würde an dieser Erfüllung des Ganzen ebenfalls teilhaben.

Es würden aber immer Aussichten bleiben, die noch darüber hinausgingen, da der unendliche Geist die sich entwickelnde Natur zu höheren Höhen und größeren Weiten mitgenommen hat in dem Drang des befreiten Wesens, in den Besitz der höchsten Wirklichkeit, des höchsten Daseins, Bewusstseins und der höchsten Glückseligkeit zu gelangen. Aber es wäre verfrüht, davon zu sprechen: Was geschrieben wurde, ist vielleicht gerade soviel, wie das menschliche Denkvermögen in seiner jetzigen Beschaffenheit ins Auge zu fassen wagen und das erleuchtete Denken in gewissem Maße verstehen kann. Diese Auswirkungen des Wahrheitsbewusstseins, das herabkommt und Hand an die Materie legt, wären eine ausreichende Rechtfertigung der Entwicklungsarbeit. Dieser alles mitreißende Aufwärtsschwung des Geistes könnte von einem gleichzeitigen oder darauffolgenden Abwärtsstürmen einer triumphierenden spiritualisierten Natur begleitet sein, das alles einschließt, alles umwandelt und in dem sich eine glorreiche Wandlung der Materie, des physischen Bewusstseins, wie auch der körperlichen Gestalt und ihres Funktionierens vollziehen könnte, so dass wir dann nicht nur von der totalen, sondern der höchsten Vollendung des Körpers sprechen könnten.

1 Das jedem Einzelnen innewohnende Naturgesetz; auch: moralisches Gesetz.

2 Aktivierung der körperlichen Funktionen und Erweckung des Körperbewusstseins durch eine Schule von Körperhaltungen und Atemübungen. Der Körper ist das Instrument der Vervollkommnung und der Realisation.

3 Bewusst ausgewählte Atem- und Körperhaltungsübungen, um zu Befreiung und Vollkommenheit des Mentalen zu kommen und zur Meisterschaft über das Gefühls- und Empfindungsleben mit dem Ziel der Einheit mit dem göttlichen Wesen.

4 Die legendären Seher des alten Indiens, die sich in Einsiedeleien zurückgezogen hatten und dort ein kontemplatives Leben führten.

Der göttliche Körper

Ein göttliches Leben in einem göttlichen Körper, heißt das Ideal, das wir vor Augen haben. Was aber ist ein göttlicher Körper? Wie wird die Natur, die Struktur, die Grundverhaltensweise dieses Körpers beschaffen sein, die spezifische Vollkommenheit, die ihn von der begrenzten und unvollkommenen Körperlichkeit unterscheidet, an die wir jetzt gebunden sind? An welchen Umständen und Wirkungsweisen kann sein Leben, dessen Basis auf Erden noch physisch ist, als göttlich erkannt werden?

Wenn der göttliche Körper das Ergebnis einer Entwicklung sein soll, – und so müssen wir es sehen, – einer Entwicklung, die aus unserer menschlichen Unvollkommenheit und Unwissenheit hinaus in eine größere Wahrheit des Geistes und der Natur führt, durch welchen Prozess kann er bis zur Offenbarung kommen oder über welche Stufen sie schnell erreichen? Der Entwicklungsprozess auf Erden ist langsam und träge gewesen – welches Prinzip muss eingreifen, wenn eine Transformation, eine wachsende oder plötzliche Wandlung stattfinden soll?

Wir sind tatsächlich, als Resultat unserer Entwicklung, bei der Möglichkeit dieser Transformation angekommen. So wie sich die Natur über die Materie hinaus entwickelt und Leben geoffenbart hat, über das Leben hinaus Denken geoffenbart hat, so muss sie über das Denken hinaus ein Bewusstsein und eine Macht der Existenz offenbaren, ein supramentales oder Wahrheitsbewusstsein, das von der Unvollkommenheit und Begrenztheit unseres mentalen Daseins frei und fähig ist, die Macht und Vollkommenheit des Geistes zu entfalten. Und hier braucht die Art und Weise unserer Entwicklung nicht mehr in einer langsamen und zögernden Wandlung zu bestehen; sie wird diesen Charakter mehr oder weniger nur so lange haben, als die mentale Unwissenheit unseren Aufstieg aufhält und erschwert; sobald wir aber in das Wahrheitsbewusstsein hineingewachsen sind, wird die spirituelle Wahrheitskraft seines Wesens alles bestimmen. Zu dieser Wahrheit sollen wir befreit werden, und sie wird Denken, Leben und Körper umformen. Die natürlichen Kräfte des supramentalen Wahrheitsbewusstseins wie Licht und Seligkeit, Schönheit und die Vollkommenheit eines unwillkürlich richtigen Verhaltens des ganzen Wesens werden die eigentliche Natur des Mentalen, des Vitalen und des Körpers sogar hier auf Erden in eine Offenbarung des wahrheitsbewussten Geistes umformen. Die Dunkelheiten dieser Erde werden sich gegenüber dem supramentalen Wahrheitsbewusstsein nicht behaupten können, denn dieses kann vom allwissenden Licht und der allmächtigen Kraft des Geistes genug sogar in die Erde bringen, um sie zu erobern. Nicht alle mögen sich der Fülle seines Lichtes und seiner Kraft öffnen, was aber sich öffnet, muss sich in gleichem Maße auch der Wandlung unterziehen. Das wird das Prinzip der Transformation sein.

Möglicherweise wird der erste Schritt, der erste Versuch zur Lösung des Problems, in einer psychologischen Wandlung bestehen: In der Beherrschung der Natur durch die Seele, in einer Umformung der Denkkraft in ein Prinzip des Lichtes, der Lebensenergie in Kraft und Reinheit, um so der bloß menschlichen Form zu entfliehen und etwas aufzubauen, was ein göttliches Leben auf Erden genannt werden könnte, der Vorentwurf einer Über-Menschheit, eines supramentalen Lebens unter den Lebensbedingungen der Erdnatur. Das wäre aber noch keineswegs die erforderliche völlige und radikale Wandlung; es wäre keine totale Umformung, nicht die Fülle eines göttlichen Lebens in einem göttlichen Körper. Der Körper wäre immer noch menschlich und in seinem Ursprung wie in seinem grundlegenden Charakter tatsächlich animalisch, was den höheren Schichten des verkörperten Seins die entsprechenden unvermeidlichen Begrenzungen auferlegen würde. So wie Begrenzung durch Unwissenheit und Irrtum den grundsätzlichen Makel eines nicht transformierten Denkvermögens kennzeichnet, so wie Begrenzung durch unreife Impulse, unvollkommene Anstrengungen und Wünsche aus Begierde den Mangel einer untransformierten Lebensenergie charakterisiert, so stellen auch die schwachen Wirkungsmöglichkeiten körperlicher Verrichtungen, die Unvollkommenheit und Begrenztheit im Reagieren seines Halbbewusstseins auf die Forderungen, die an ihn gestellt werden, und die Grobheit und der Makel seiner ursprünglichen Tiernatur die Mängel eines unverwandelten oder nur unvollständig verwandelten Körpers dar. Diese Mängel könnten also nur hinderlich sein und sogar das Wirken der höheren Schichten der Natur auf sie selbst herabziehen. Die Transformation des Körpers muss also die Voraussetzung für die totale Transformation der Natur sein.

Die Transformation kann aber auch stufenweise vor sich gehen; es gibt Naturkräfte, die zwar noch zum mentalen Bereich gehören, aber doch zu wachsender Erkenntnis fähig sind und, über unsere menschliche Mentalität hinausgehoben, des Lichtes und der Kraft des Göttlichen teilhaftig wurden, – und eine Herabkunft dieser Ebenen in das denkbegabte Wesen und das Aufsteigen von unten her könnte als der natürliche Entwicklungsverlauf angesehen werden. In Wirklichkeit aber mag sich herausstellen, dass diese Hilfen zu einer totalen Transformation nicht ausreichen, denn sie könnten, obwohl sie selbst zwar leuchtende Möglichkeiten des Mentalen, aber noch nicht im vollen Sinne des Wortes supramental wären, dem Denken nur einen Tropfen Göttlichkeit bringen oder das Denkwesen emporheben, nicht aber in die volle Supramentalität des Wahrheitsbewusstseins erheben. Und doch mögen diese Ebenen zu Stufen des Aufstiegs werden, die einige erreichen würden, um dort haltzumachen, während andere höher stiegen und die darüberliegende Ebene eines halbgöttlichen Daseins erreichen könnten. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die ganze Menschheit en bloc zum Supramentalen erheben wird; zunächst würden nur jene zu der höchsten oder zu irgendeiner dazwischenliegenden Stufe des Aufstiegs gelangen, deren innere Entwicklung sie auf solch eine große Wandlung vorbereitet hätte, oder die durch eine direkte Berührung mit dem Göttlichen in sein vollkommenes Licht, seine vollkommene Macht und Seligkeit gelangt wären. Die große Masse der Menschen aber mag noch lange Zeit mit einer normalen oder nur teils erleuchteten und erhobenen menschlichen Natur zufrieden sein. Aber selbst das wäre eine genügend radikale Wandlung und beginnende Transformation des irdischen Lebens; denn der Weg wäre frei für alle, die den Willen hätten, aufzubrechen, der supramentale Einfluss des Wahrheitsbewusstseins würde das Erdenleben berühren und sogar seine untransformierten Massen beeinflussen, und es gäbe eine Hoffnung und ein Versprechen, das eventuell allen erreichbar wäre, woran jetzt nur wenige teilhaben oder was nur wenige jetzt verwirklichen.

Jedenfalls wäre das nur ein Anfang und nicht die Fülle des göttlichen Lebens auf Erden; es wäre eine neue Orientierung des irdischen Lebens, nicht aber das Ziel seiner Wandlung. Dazu bedarf es der souveränen Herrschaft jenes Wahrheitsbewusstseins, dem alle anderen Lebensformen unterstünden, von dessen Herrschaftsprinzip und höchster Macht sie abhingen, zu dem sie als Ziel aufschauen, aus dessen Einfluss sie Nutzen ziehen, von dem sie durch etwas von seiner erleuchtenden und durchdringenden Kraft bewegt und erhoben werden könnten. Der menschliche Körper musste, um dem Prinzip des Mentalen und dem Leben eines mentalen Wesens dienen und die Bewegungen und Aktionen der neuen Fähigkeiten des Lebens ausdrücken zu können, in Abwandlung der voraufgegangenen tierhaften Form mit aufrechter Gestalt ins Dasein treten; genauso muss für ein supramentales Bewusstsein ein Körper mit neuen Kräften und Wirkungsmöglichkeiten entwickelt werden, der dem Ausmaß göttlicher Aktion gerecht werden, ein wahrheitsbewusstes Wesen ausdrücken und einen bewussten Geist offenbaren kann. Während die Fähigkeit da sein muss, alle Tätigkeiten des Erdenlebens, die spiritualisiert werden können, aufzugreifen und zu sublimieren, muss die Folge und Begleiterscheinung dieser totalen Wandlung eine Transzendierung der ursprünglichen Tierhaftigkeit und jener Tätigkeiten sein, die unheilbar von ihr gezeichnet sind, oder zumindest muss eine gewisse erlösende Transformation, eine gewisse Durchgeistigung oder Durchseelung ihres Bewusstseins und der sie anregenden Motive stattfinden; und alles, was nicht in dieser Weise transformiert werden konnte, muss abgelegt werden; sogar eine Wandlung dessen, was man seine instrumentale Struktur nennen könnte, ihr Funktionieren und ihre Organisation, und darüber hinaus, eine vollständige und bisher beispiellose Kontrolle über diese Dinge muss folgen. All das ist bis zu einem gewissen Grade bereits durch das Leben vieler Menschen illustriert worden, die von spirituellen Mächten besessen waren, aber als etwas Außergewöhnliches und Gelegentliches, als eher zufällige oder unvollkommene Offenbarung einer erworbenen Fähigkeit, denn als Organisation eines neuen Bewusstseins, eines neuen Lebens und einer neuen Natur. Wie weit kann solch eine körperliche Transformation getrieben werden, wo liegen die Grenzen, die sie respektieren muss, um mit dem Leben auf Erden verbunden zu bleiben, ohne über die Erdsphäre hinaus oder zu einem außerirdischen Dasein getrieben zu werden? Das supramentale Bewusstsein ist keine feststehende Größe, sondern eine Kraft, die zu immer höheren Ebenen der Möglichkeit aufsteigt, bis sie die höchsten Gipfel spiritueller Existenz erreicht, in denen das Supramentale seine Erfüllung findet, so wie die Bereiche des spirituellen Bewusstseins, die von der menschlichen oder mentalen Ebene her zu ihm vorstoßen, ihrerseits im Supramentalen ihre Erfüllung finden. Bei dieser Weiterentwicklung mag auch der Körper eine vollkommenere Form finden, eine höhere Ausdruckskraft erreichen und ein immer vollkommeneres Gefäß der Gottheit werden.

Dieses Entwicklungsziel des Körpers ist in der Vergangenheit kaum ins Auge gefasst worden oder zumindest nicht für den Körper hier auf Erden; vielmehr wurden solche Formen als den bevorrechteten himmlischen Wesen zugehörig angesehen oder an ihnen erschaut und schienen als körperlicher Wohnsitz für eine Seele, die noch an die irdische Natur gebunden ist, unerreichbar zu sein. Die Vaishnavas1 haben von einem spiritualisierten, bewussten Körper gesprochen, cinmaya deha; es hat die Konzeption eines strahlenden oder leuchtenden Körpers gegeben, der als der vedische jyotirmaya deha verstanden werden könnte. Manche Menschen wollen gesehen haben, dass von den Körpern hochentwickelter spiritueller Personen ein Licht ausstrahlte, sogar bis zur Aussendung einer einhüllenden Aura hin, und in der Biographie einer so großen spirituellen Persönlichkeit wie Ramakrishna wird berichtet, dass Anfangssymptome dieser Art gesehen wurden. Aber diese Dinge haben entweder nur in der Vorstellung gelebt oder waren selten und gelegentlich; und meistens wurde der Körper nicht für transformationsfähig gehalten oder im Besitz von spirituellen Möglichkeiten. Man sprach von ihm als dem Mittel, das dharma zu erfüllen, und dharma schließt hier alle hohen Ziele, Leistungen und Ideale des Lebens mit ein und schließt die spirituelle Wandlung nicht aus: er sei aber ein Instrument, das fallengelassen werden müsse, wenn seine Arbeit getan sei, und obwohl es eine spirituelle Verwirklichung geben möge und geben müsse, während man noch im Körper weile, könne sie erst voll erreicht werden, nachdem die körperliche Hülle aufgegeben sei. Noch üblicher war in der spirituellen Tradition die Ansicht, dass der Körper ein Hindernis sei, unfähig zur Spiritualisierung oder zur Umwandlung, ein schweres Gewicht, das die Seele in der irdischen Natur festhielte und ihren Aufstieg zur spirituellen Erfüllung im Höchsten oder zur Auflösung des individuellen Wesens im Höchsten verhindere. Während sich diese Ansicht über die Rolle des Körpers in unserem Schicksal durchaus für eine Sadhana2 eignet, die die Erde bloß als einen Platz der Unwissenheit ansieht und das irdische Leben als eine Vorbereitung auf die rettende Abkehr vom Leben als der unerlässlichen Voraussetzung für die spirituelle Befreiung, ist sie unzureichend für eine sadhana, die sich vorstellt, dass ein göttliches Leben auf Erden und ein Freiwerden von der irdischen Natur selbst einen Teil des Gesamtplanes der Verkörperung des Geistes hier ausmacht. Wenn unser Ziel eine totale Transformation des Wesens ist, dann gehört die Transformation des Körpers notwendigerweise dazu; ohne sie ist kein völlig göttliches Leben auf Erden möglich.

Die vergangene Entwicklung des Körpers, besonders aber seine animalische Herkunft und Natur, scheinen dieser Vollendung im Wege zu stehen. Wie wir gesehen haben, ist der Körper ein Ergebnis und eine Schöpfung des Unbewussten, selbst unbewusst oder nur halb bewusst; er begann als unbewusste Materie, die Gestalt annahm, Leben entwickelte und aus einem materiellen Gegenstand ein lebendig Wachsendes wurde, Denkfähigkeit entwickelte und aus dem Unterbewusstsein der Pflanze und dem anfänglichen, elementaren Denkvermögen oder der unvollkommenen Intelligenz des Tieres das intellektuelle Denkvermögen und die vollkommenere Intelligenz des Menschen entwickelte und nun als körperliche Basis, als Gefäß und instrumentales Mittel unseres umfassenden spirituellen Strebens dient. Sein animalischer Charakter und seine grobe Begrenztheit stehen tatsächlich unserer spirituellen Vervollkommnung im Wege; die Tatsache aber, dass er eine Seele entwickelt hat und imstande ist, ihr als Instrument zu dienen, mag darauf hinweisen, dass er weiterer Entwicklung fähig ist und ein Gefäß und Ausdruck des Geistes werden kann, eine geheime Spiritualität der Materie zu enthüllen vermag und nicht nur halb, sondern gänzlich bewusst werden und ein gewisses Einssein mit dem Geiste erreichen kann. So viel muss er schon tun, so weit muss er wenigstens seine ursprüngliche Erdnatur hinter sich lassen, wenn er nicht länger ein Hindernis, sondern das vollkommene Instrument des göttlichen Lebens sein soll.

Anfangs gibt es einfach die Schwierigkeiten des animalischen Körpers, seiner animalischen Natur und Impulse und die Begrenzungen des menschlichen Körpers auch im besten Fall, und die dauern immer solange, wie die volle und grundlegende Befreiung noch nicht erreicht ist und solange sein Unterbewusstsein oder Halbbewusstsein und die Bindung seiner Seele, seines Denkvermögens und seiner Lebenskraft an die Materie, an Stofflichkeit aller Art, an den Ruf der nicht erneuerten Erdnatur, existieren und sich ständig dem Ruf des Geistes widersetzen und dem Aufstieg zu Höherem Grenzen setzen. Dem physischen Wesen bringt dies eine Bindung an die materiellen Instrumente, an Hirn, Herz und Sinne, die an Stofflichkeit und Materialismus aller Art gekettet sind, an den körperlichen Mechanismus mit seinen Nöten und Zwangsläufigkeiten, an das beherrschende Bedürfnis nach Nahrung als einem der bedrängendsten Lebensinteressen und das Beschäftigtsein mit den Mitteln, sie zu bekommen und zu speichern, an Müdigkeit und Schlaf und an die Befriedigung der körperlichen Begierden. Die Lebenskraft im Menschen ist ebenfalls an diese kleinen Dinge geknüpft; sie muss dem Spielraum ihrer größeren Ambitionen und Sehnsüchte Grenzen setzen, ihrem Drang, sich der Schwerkraft der Erde zu entziehen und den himmlischeren Intuitionen ihrer seelischen Schichten von oben her, dem Ideal des Herzens und dem Sehnen der Seele zu folgen. Dem Mentalen zwingt der Körper die Grenzen seines physischen Wesens und Lebens auf und das Gefühl, dass allein die physischen Dinge vollkommene Wirklichkeit besitzen, der Rest aber eine Art brillantes Feuerwerk der Einbildungskraft sei, eines Lichtes und einer Herrlichkeit, die ihr volles Spiel nur in jenseitigen Himmeln entfalten könnte, auf höheren Ebenen des Seins, nicht aber hier; er plagt Ahnung und Sehnsucht mit der Last des Zweifels, die Aussage der subtilen Sinne und die Intuition mit Unsicherheit, das große Feld supraphysischen Bewusstseins und supraphysischer Erfahrung mit der Unterstellung der Unwirklichkeit und umklammert mit seinen Erdwurzeln den Geist, der aus seiner ursprünglichen begrenzenden Menschlichkeit in die supramentale Wahrheit und die göttliche Natur hinaufwachsen will. Diese Hindernisse kann man überwinden, die Verneinung und der Widerstand des Körpers können bezwungen werden, seine Transformation ist möglich. Sogar der unbewusste und tierhafte Teil in uns kann erleuchtet und befähigt werden, die Gottnatur zu offenbaren, genauso wie unsere mentale Menschlichkeit dazu gebracht werden kann, die Übermenschlichkeit des supramentalen Wahrheitsbewusstseins und jene Göttlichkeit, die über unserem jetzigen Bewusstsein liegt, zu offenbaren und die völlige Umformung hier zu einer Realität zu machen. Dazu müssen aber die Nötigungen und Zwänge seiner Animalität aufhören notwendig zu sein, muss seine Stofflichkeit geläutert werden, wodurch die Offenbarung der göttlichen Natur aus dieser Urstofflichkeit ihre stoffliche Gediegenheit gewinnt. Denn bei der totalen Erdumformung darf nichts Wesentliches ausgeklammert werden; die Materie selbst kann in ein Mittel verwandelt werden, die spirituelle Wirklichkeit, das Göttliche zu offenbaren.

Die Schwierigkeit ist sowohl psychologischer wie körperlicher Art: die erstere besteht in der Auswirkung der nicht überwundenen Animalität auf das Leben, besonders in der Beharrlichkeit der groben Instinkte, Impulse und Begierden des Körpers; die zweite resultiert aus unserer körperlichen Struktur mit seiner organischen Instrumentation, die die Dynamik der höheren göttlichen Natur einschränkt. Die erste der beiden Schwierigkeiten ist leichter zu behandeln und zu meistern; denn da kann der Wille eingreifen und den Körper der Macht der höheren Natur unterwerfen. Gewisse Triebe und Instinkte des Körpers sind von spirituellen Suchern als besonders schmerzlich empfunden worden und haben wesentlich zu der asketischen Verneinung des Körpers beigetragen. Der Geschlechtstrieb und das Geschlechtsleben und alles, was daraus entspringt und sein Vorhandensein bezeugt, musste gebannt, ja aus dem spirituellen Leben entfernt werden, und das ist, wenn auch schwierig, so doch durchaus nicht unmöglich und kann zu einer Grundbedingung für den spirituellen Sucher erklärt werden. Obwohl es anfangs nicht leicht ist, sie zu erfüllen, ist sie für die asketische Lebensführung doch natürlich und unerlässlich, und ihre Einhaltung wird nach einer Weile ganz leicht. Die Überwindung der Sexualinstinkte und -impulse ist tatsächlich verbindlich für alle, die zur Selbstherrschaft kommen und ein spirituelles Leben führen wollen. Alle spirituellen Sucher müssen unbedingt zu ihrer totalen Beherrschung kommen, der vollkommene Asket sogar zu ihrer Auslöschung. Das muss man erkennen; und man darf es weder in seiner verbindlichen Wichtigkeit noch im Prinzip mildern.

In einem göttlichen Leben auf Erden kann dem Prinzip der Sexualität, abgesehen von der dumpfen physischen Befriedigung des Sexualtriebes aber nicht alle Daseinsberechtigung abgesprochen werden; es existiert, es spielt eine große Rolle, man muss sich damit befassen, es kann nicht einfach ignoriert, unterdrückt, unterbunden oder aus dem Gesichtskreis verbannt werden. Zunächst einmal ist es in einem seiner Aspekte ein kosmisches und sogar ein göttliches Prinzip: es nimmt die spirituellen Formen des Ishvara3 und der Shakti4 an, und ohne sie gäbe es keine Weltschöpfung oder Offenbarung des Weltprinzips von Purusha5 und Prakriti6, die beide für die Schöpfung notwendig sind, notwendig auch in ihrer Verbindung und ihrem Austausch für das Spiel seines psychologischen Wirkens und in ihrer Offenbarung als Seele und Natur, dieser Basis für das göttliche Spiel überhaupt (Lila). Im göttlichen Leben selbst wäre eine Fleischwerdung oder zumindest die Anwesenheit der beiden Kräfte in irgendeiner Form oder die anfängliche Einwirkung durch ihre Verkörperungen oder Repräsentanten unerlässlich, um die neue Schöpfung zu ermöglichen. Der Geschlechtstrieb ist in seinem menschlichen Wirken auf mentaler und vitaler Ebene keineswegs ein ganz und gar ungöttliches Prinzip; er hat seine edleren Aspekte und Wertigkeiten, und man muss sehen, wie und wie weit er in dem neuen und größeren Leben zugelassen werden kann. Alle dumpfe animalische Befriedigung sexueller Wünsche und Triebe müsste ausgelöscht werden; sie könnte nur fortgesetzt werden unter jenen, die nicht oder noch nicht zu einem vollkommenen spirituellen Leben bereit sind. All jene, die nach ihm strebten, es aber noch nicht in seiner ganzen Fülle verwirklichen könnten, müssten das Sexuelle sublimieren, dem spirituellen oder seelischen Impuls und einer Kontrolle durch das höhere Mentale und das höhere Vitale unterwerfen, alle seine leichteren, frivolen oder degradierten Formen abwerfen und sich der Berührung mit der Reinheit des Ideals offenhalten. Die Liebe würde bleiben, alle Formen der reinen Wahrheit der Liebe auf immer höheren Ebenen, bis ihre höchste Natur verwirklicht wäre, universale Liebe geworden, eingetaucht in die Liebe des Göttlichen. Die Liebe zwischen Mann und Frau würde ebenfalls diese Erhöhung und Vollendung erfahren; denn alle, die ein Gefühl für das Ideal und das Spirituelle haben, müssen dem Weg der Aufwärtsentwicklung folgen, bis sie die göttliche Wirklichkeit erreichen. Der Körper mit all seinen Aktivitäten muss als Teil des göttlichen Lebens akzeptiert werden und sich diesem Gesetz beugen; was aber die Voraussetzungen zum göttlichen Leben nicht akzeptieren kann, kann auch nicht einbezogen werden und muss daher von der sich weiterentwickelnden Natur fallengelassen werden, wie das auch schon in anderen Zeiten der Entwicklungsgeschichte geschehen ist.

Eine andere Schwierigkeit in Hinsicht auf die Transformation des Körpers besteht darin, dass er existenziell von Nahrung abhängt, und auch hierin sind die dumpfen körperlichen Instinkte, Impulse und Begierden verwickelt, die mit diesem schwierigen Faktor verbunden sind, das grundsätzliche Verlangen des Gaumens, die Gier nach Nahrung und animalischer Völlerei, die Verrohung des Mentalen, wenn es im Morast der Sinne herumkriecht, seiner bloß animalischen Schicht in Knechtschaft hörig geworden ist und sich an seine Bindung an die Materie klammert. Das höhere Menschliche in uns sucht Zuflucht in einer gemäßigten Abwandlung all dessen, in Enthaltsamkeit und Abstinenz oder in Nachlässigkeit hinsichtlich des Körpers und seiner Wünsche, und indem es sich an höhere Dinge verliert. Der spirituelle Sucher, wie z.B. der Jain-Asket, nimmt oft Zuflucht zu langem, häufigem Fasten, das ihn, zumindest zeitweise, aus den Fesseln des körperlichen Verlangens löst und ihm hilft, in sich die reine Leere der weiten Räume des Geistes zu fühlen. Aber all das ist noch keine Befreiung, und es mag sich die Frage erheben, ob sich das göttliche Leben ebenfalls nicht nur anfangs, sondern für immer dieser Notwendigkeit unterwerfen muss. Aber es könnte sich nur dann gänzlich befreien, wenn es den Weg ausfindig machen könnte, die universale Energie an sich zu ziehen, und zwar so, dass die Energie nicht nur die vitalen Schichten unserer Körperlichkeit erhalten würde, sondern auch die ihn aufbauende Materie, so dass keine äußere materielle Substanz zu seiner Aufrechterhaltung mehr nötig wäre. Es ist tatsächlich möglich, sogar während langer Fastenperioden, die volle Energie und Aktivität der Seele, des Mentalen und des Vitalen, ja sogar des Körpers zu erhalten, wach zu bleiben, doch alle Zeit im Yoga konzentriert, oder tief nachzudenken und Tag und Nacht zu schreiben, auf Schlaf zu verzichten, acht Stunden täglich zu marschieren, nur eine dieser Tätigkeiten oder aber alle miteinander zu verrichten und keinen Kräfteverlust zu spüren, keine Müdigkeit, keine Art von Versagen oder gar Zusammenbruch. Am Ende der Fastenzeit kann man sogar die normale oder gar eine größere als die normale Nahrungsmenge sofort zu sich nehmen, ohne einen Übergang oder irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, wie sie die medizinische Wissenschaft empfiehlt, als ob beides, sowohl das völlige Fasten wie auch das Schlemmen ganz natürliche Verhaltensweisen seien, wobei man sofort und leichthin von einer zur anderen überwechseln kann, weil der Körper schon durch eine Art beginnender Transformation trainiert ist, ein Instrument der Kräfte und Aktivitäten des Yoga zu sein. Einer einzigen Folge wird man nicht entgehen können, nämlich dem Schwinden des stofflichen Körpergewebes, seiner fleischlichen Substanz. Es wäre denkbar, wenn nur ein praktischer Weg und die Mittel gefunden werden könnten, dieses letzte und unbesiegbar scheinende Hindernis ebenfalls erobern und den Körper erhalten zu können, und zwar durch einen Austausch seiner Kräfte mit den Kräften der materiellen Natur, indem er ihr die notwendigen Rechte einräumen und von ihr direkt die unterstützenden Energien aus ihrer universalen Existenz beziehen würde. Es wäre auch denkbar, dass man auf dem Höhepunkte der Entwicklung des Lebens jenes Phänomen wiederentdecken und zurückerobern könnte, das man als seine Basis betrachten kann, nämlich die Fähigkeit, die Mittel zur Erhaltung und Selbsterneuerung aus der Umgebung an sich zu ziehen. Oder aber, das entwickeltere Wesen könnte die noch größere Fähigkeit erwerben, diese Mittel von oben an sich zu ziehen statt von unten oder aus unserer Umgebung rundum. Bis wir aber irgendetwas dieser Art erreicht oder ermöglicht haben, müssen wir zu Nahrung und den bekannten materiellen Kräften der Natur zurückkehren.

In Wirklichkeit beziehen wir ständig, wie unbewusst auch immer, universale Energie, die Kraft in der Materie, um unsere materielle Existenz und die mentalen, vitalen und anderen Fähigkeiten im Körper aufzufrischen: Wir tun es direkt in den unsichtbaren Austauschprozessen, die durch die Natur dauernd in Gang gehalten werden und durch spezielle Mittel, die sie erfunden hat; atmen ist eines dieser Mittel, schlafen und ruhen ebenso. Um aber den grobstofflichen Körper, sein Wirken und seine inneren Fähigkeiten zu erhalten und zu erneuern, hat die Natur als ihr grundlegendes Mittel das Aufnehmen von Materie von außen in Form von Nahrung gewählt, deren Verdauung, die Assimilierung dessen, was angleichbar ist, und die Ausscheidung dessen, was nicht angeeignet werden kann oder werden sollte; und das genügt zur bloßen Erhaltung; um aber dem Körper, der auf diese Weise erhalten wird, Gesundheit und Kraft zu verleihen, hat sie noch den Impuls zu Körperübungen und Spielen allerlei Art hinzugefügt, Wege der Verausgabung und Erneuerung der Energie, die Wahl oder die Notwendigkeit vielfältigen Handelns und Arbeitens. In dem neuen Leben wäre es, zumindest anfangs, nicht notwendig oder ratsam, eine übertriebene oder voreilige Zurückweisung der Nahrungsaufnahme zu fordern oder der althergebrachten natürlichen Art, den noch nicht völlig umgeformten Körper zu erhalten. Wenn diese Dinge überwunden werden müssen, dann muss der Entschluss aus dem erwachten Willen des Geistes kommen, eines Willens, der auch in der Materie selbst als gebieterischer Entwicklungszwang auftauchen müsste, als ein Akt der schöpferischen Transmutation der Zeit oder als eine Herabkunft aus dem Transzendenten. Unterdessen mag das Aufladen mit universeller Energie aus unserer Umwelt oder von oben durch bewussten Einsatz der höheren Kräfte unseres Wesens, durch Anrufen des für uns immer noch transzendenten Bewusstseins oder durch die Herabkunft und das Eindringen des Transzendenten selbst ein gelegentliches, ein häufiges oder ein ständiges Phänomen werden; und damit würde die Rolle, die die Nahrung und das Bedürfnis nach ihr spielt, immer mehr an Bedeutung verlieren und zu einer Nebensache werden, die uns nicht mehr wesentlich beschäftigt und von der wir immer weniger abhängig wären. In der Zwischenzeit mögen Ernährung und die gewöhnlichen Naturprozesse akzeptiert werden, obwohl wir uns aus der Haft der Begierden und der gröberen unterschiedslosen Gelüste und aus dem Griff der Fleischeslust befreien müssten, die alle in den Bereich der Unwissenheit gehören; die körperlichen Prozesse müssen verfeinert und die gröbsten sollten ausgelöscht werden, und entweder müssen neue Verfahrensweisen gefunden werden oder neue Mittel auftauchen. Solange sie akzeptiert sind, mag ein verfeinertes Vergnügen an ihnen erlaubt sein, sogar ein begierdeloses Entzücken des Geschmackssinnes an die Stelle des körperlichen Genusses und des wählerischen Bevorzugens und Zurückweisens treten, unserer jetzigen unreifen Antwort auf das, was die Natur uns anbietet. Es muss daran erinnert werden, dass Erde und Materie in einem göttlichen Leben auf Erden gar nicht zurückgewiesen werden können und sollen, sondern zu sublimieren sind; sie sollen die Möglichkeiten des Geistes in sich enthüllen, den höchsten Absichten des Geistes dienen und in Instrumente eines größeren Lebens umgeformt werden.

Das göttliche Leben muss immer durch den Drang nach Vervollkommnung angeregt sein; dazu gehört, und zwar ganz wesentlich, die Vervollkommnung der Lebensfreude; das Entzücken des Körpers an den Dingen und die Lebensfreude des Körpers sind davon nicht ausgeschlossen; sie müssen ebenfalls vervollkommnet werden. Die eigentliche Natur dieser neuen und sich entwickelnden Art des Daseins ist weite Totalität, eine Fülle von Möglichkeiten des Mentalen, das in ein Wesen des Lichtes verwandelt ist, des Lebens, das in eine Kraft der spirituellen Macht und Freude verwandelt ist, des Körpers, der in ein Instrument göttlichen Wirkens, göttlichen Wissens und göttlicher Seligkeit umgeformt ist. Alles kann in seinen Rahmen einbezogen werden, soweit es fähig ist, sich selbst umzuformen, alles, was ein Instrument, ein Gefäß, eine Gelegenheit für den Ausdruck dieser Totalität des sich selbst offenbarenden Geistes sein kann.

Diejenigen, die grundsätzlich jede Art von Verpflichtung zurückweisen, die ihnen durch die Animalität des Körpers aufgezwungen ist, sehen sich einem Problem des Sexuellen gegenüber, das sich jedem Streben nach einem höheren Leben beharrlich widersetzt: das ist die Notwendigkeit, dass das Menschengeschlecht weiter existiere, wozu die Natur die sexuelle Aktivität als einziges Mittel vorgesehen und der Menschheit unausweichlich aufgezwungen hat. Natürlich ist das kein Problem für den Einzelnen, ja nicht einmal für die Gruppe, die nicht nur für sich allein nach einem göttlichen Leben strebt, sondern wünscht, dass die Menschheit dieses Ziel, ganz allgemein, zumindest als Ideal anerkenne. Die große Menge wird sich nicht damit befassen oder nicht zu seiner völligen Verwirklichung bereit sein, und ihr kann man die Sorge um den Fortbestand der Menschheit überlassen. Die Zahl jener, die das göttliche Leben führen, kann erhalten bleiben und sich in dem Maße vergrößern, wie sich das Ideal verbreitet, und zwar durch den freiwilligen Anschluss derer, die durch die Sehnsucht ergriffen sind; man braucht zu diesem Zweck keine Zuflucht zu physischen Mitteln zu nehmen, auch nicht von der Regel strikter sexueller Enthaltsamkeit abzuweichen. Und doch mag es Umstände geben, unter denen es von einem anderen Standpunkt aus wünschenswert erscheinen könnte, freiwillig Körper für Seelen zu schaffen, die in das irdische Leben einzutreten versuchen, um das göttliche Leben auf Erden erschaffen und sich ausdehnen zu helfen. In dem Fall könnte die Notwendigkeit einer physischen Zeugung zu diesem Zweck nur vermieden werden, wenn neue Mittel übernatürlicher Art entwickelt und erreichbar gemacht würden. So wie wir es jetzt sehen, gehört eine Entwicklung dieser Art fraglos in die Sphäre des Okkulten, denn sie verlangt die Ausnutzung der verborgenen Kräfte des Wirkens oder der Schöpfung, was nicht zum Allgemeinwissen und -können der Menschheit gehört. Im Okkultismus geht es ganz richtig um die Nutzung der höheren Kräfte unserer Natur, – der Seele, der Denkfähigkeit, der Lebenskraft und der Fähigkeit des subtilen physischen Bewusstseins, – die entweder auf ihrer eigenen oder auf der materiellen Ebene durch einen gewissen Druck aus ihrem eigenen geheimen Wesensgesetz und dessen Möglichkeiten Resultate erzielen wollen, – Offenbarungen, die sich im menschlichen oder irdischen Mentalen, Vitalen und Physischen oder in den Dingen, bzw. Geschehnissen in der Welt der Materie niederschlagen. Einige berühmte Denker haben nun ins Auge gefasst, dass die Entdeckung, bzw. Verbreitung dieser wenig bekannten oder noch unentwickelten Kräfte der nächste Schritt sein wird, den die Menschheit in ihrer gegenwärtigen Entwicklungsphase zu machen hat; die schöpferische Kraft, von der wir gesprochen haben, ist in diese Entwicklungen bislang nicht einbezogen worden, könnte aber ohne weiteres als eine der neuen Möglichkeiten angesehen werden. Sogar die Naturwissenschaften suchen nach Mitteln, über die gewöhnliche Instrumentation oder die üblichen Verfahren der Natur in Hinsicht auf die Fortpflanzung oder Erneuerung der physischen Lebenskraft in menschlichen oder tierischen Wesen hinauszukommen; es wäre aber ein größeres Unterfangen, wenn es ermöglicht werden könnte, okkulte Mittel und die Hilfe subtilphysischer Prozesse anzuwenden, weil die Mittel und Resultate, die durch materielle Kraft allein bereits zu haben sind, Begrenzungen, Abstriche, Mängel und schwerwiegende Unvollkommenheiten zeigen, die vermieden werden könnten. In Indien hat es immer schon seit frühesten Zeiten den weitverbreiteten Glauben an die Möglichkeit und Realität des Gebrauchs okkulter Kräfte durch den Menschen gegeben, mit einem reifen Wissen um diese geheimen Dinge, einer entwickelten spirituellen Erkenntnis, Erfahrung und dynamischen Kraft, und sogar einem organisierten System ihrer Methode und Praxis, und zwar in den Tantras7. Man glaubt auch allgemein daran, dass der Yogi zu der gewünschten Geburt eines Nachkommen verhelfen kann, und er wird häufig darum angegangen, und manchmal wird er darum gebeten, einem auf diese Weise erhaltenen Kinde durch seinen Willen oder Segen spirituelles Wissen oder Schicksal zu verleihen; ein solches Ergebnis wird nicht nur laut Tradition aus der Vergangenheit berichtet, sondern durch Zeugen aus der Gegenwart bestätigt. Dabei handelt es sich aber immer noch um die Notwendigkeit, Zuflucht zu dem normalen Mittel der Zeugung und zu den groben Methoden der physischen Natur nehmen zu müssen. Wenn wir diese Notwendigkeit vermeiden sollen, müssten rein okkulte Methoden möglich sein, die Zuflucht zu supraphysischen Prozessen, in denen supraphysische Mittel ein physisches Ergebnis bewirkten; sonst könnte die Zuflucht zum sexuellen Impuls und seinem animalischen Prozess nicht transzendiert werden. Wenn in dem Phänomen der Materialisation und der Dematerialisation ein Kern von Wahrheit steckt, wie der Okkultist behauptet und wie durch Vorkommnisse offenbar geworden ist, die viele von uns bezeugen können, dann braucht eine solche Methode nicht außerhalb des Möglichen zu liegen. Gemäß Yogawissen und den Theorien der Okkultisten gibt es in der Hierarchie von Ebenen und Stufen unseres Wesens nicht nur eine subtile physische Kraft, sondern eine subtile physische Materie, die zwischen dem Vitalen und der groben Materie vermittelt, und in diesem Subtil-Physischen kann man Substanzen erschaffen und diese so geschaffenen Formen in unsere gröbere Stofflichkeit herabbeschwören. Es sollte nämlich möglich sein, und daran glaubt man auch, dass eine Form aus dieser subtilen physischen Substanz durch Intervention einer okkulten Kraft und eines okkulten Prozesses mit oder auch ohne Hilfe oder Vermittlung irgendeines grob materiellen Verfahrens aus ihrem Zustand der Feinstofflichkeit direkt in jenen der groben Stofflichkeit übergehen kann. Einer Seele, die in einen Körper eingehen oder sich selbst einen Körper formen möchte, um an einem göttlichen Leben auf Erden teilzuhaben, könnte geholfen werden oder sie könnte durch diese Methode der direkten Transmutation sogar mit einer solchen Form versorgt werden, ohne über den sexuellen Zeugungsprozess eine Geburt durchmachen zu müssen, oder sich einer Erniedrigung oder irgendeiner der schweren Behinderungen in Wachstum und Entwicklung ihrer Denkkraft und ihres materiellen Körpers unterwerfen zu müssen, wie sie unserer gegenwärtigen Daseinsart entsprechen. Sie könnte dann gleich die Struktur, die machtvolleren Kräfte und Wirkungsweisen des wahrhaft göttlichen Körpers annehmen, der eines Tages sowieso – bei fortschreitender Evolution zu einer total transformierten Existenz des Lebens wie auch der Formen – in einer vergöttlichten Erdnatur auftauchen muss.

Wie aber würde die innere oder äußere Form und die Struktur dieses göttlichen Körpers aussehen, und welcher Art wäre seine Instrumentation? Die materielle Entwicklungsgeschichte des tierischen und menschlichen Körpers hat diesen an ein umständlich konstruiertes und ausgearbeitetes Organsystem und an eine gefährdete Funktionsordnung gebunden, die leicht in Unordnung geraten kann, da sie der Möglichkeit einer allgemeinen oder örtlichen Desorganisation ausgesetzt, von einem störanfälligen Nervensystem abhängig und von einem Gehirn beherrscht ist, dessen Schwingungen man für mechanisch und automatisch und nicht für bewusst von uns kontrolliert hält. Der Materialist erklärt dies alles für ein bloßes Funktionieren der Materie allein, die in Wirklichkeit nichts anderes sei als Chemie. Demnach sei der Körper mittels chemischer Elemente konstruiert, baue Atome, Moleküle und Zellen auf, die wiederum die wirkenden Kräfte und einzigen Dirigenten in dem Orchester einer komplizierten physischen Struktur und Instrumentation seien und die einzige mechanische Ursache all unseres Handelns, Denkens und Fühlens; die Seele sei nichts als eine Fiktion, Denkkraft und Vitales nur eine materielle und mechanische Offenbarung und eine Projektion dieser Maschinerie, mit einem eingebildeten Bewusstsein in sich automatisch angetrieben, das aus den Kräften resultiere, die der unbewussten Materie innewohnten. Wenn das der Wahrheit entspräche, dann wäre jede Vergöttlichung oder göttliche Transformation des Körpers oder von irgendetwas anderem nichts als Illusion, Einbildung, ein sinnloses und unmögliches Hirngespinst. Aber selbst dann, wenn wir an eine Seele, einen bewussten Willen in diesem Körper glauben, könnte es zu keiner göttlichen Transformation kommen, wenn es keine radikale Umwandlung im körperlichen Instrument selbst und in der Organisation seines materiellen Verhaltens gäbe. Die transformierende Kraft würde in ihrer Arbeit durch die unwandelbare Fixiertheit des körperlichen Organismus gebunden und durch die unveränderte oder unvollkommen verwandelte ursprüngliche Tierhaftigkeit in uns aufgehalten werden. Die Möglichkeit von Unordnungen, Störungen, Krankheiten, die diesen physischen Systemen angeboren sind, wäre immer noch da und könnte nur durch eine dauernde Wachsamkeit oder verbindliche Kontrolle des innewohnenden spirituellen Meisters des körperlichen Instrumentes ausgeschlossen werden. Das könnte man aber keinen wirklich göttlichen Körper nennen; denn es würde der inneren Natur eines göttlichen Körpers entsprechen, von all diesen Dingen auf immer befreit zu sein; diese Freiheit würde aus der normalen und angeborenen Wahrheit seines Wesens resultieren und wäre deshalb selbstverständlich und unveränderlich. Das setzt aber eine radikale Transformation der Funktionen, höchstwahrscheinlich auch der Struktur, ganz bestimmt aber der allzu mechanischen und materiellen Impulse und Triebkräfte des körperlichen Systems als notwendig voraus. Wen oder was aber könnten wir zum Mittler dieser überaus wichtigen Befreiung und Wandlung machen? Es gibt etwas in uns – oder muss erst noch entwickelt werden, – vielleicht einen zentralen, aber noch verborgenen Teil unseres Wesens, das Kräfte enthält, deren Macht in unserer derzeitigen Natur nur ein Bruchteil dessen ist, was sie sein könnte, die aber, wenn sie vollständig und beherrschend wäre, mit Hilfe des Lichtes und der Kraft der Seele und des supramentalen Wahrheitsbewusstseins, wirklich die notwendige körperliche Transformation und ihre Folgen hervorbringen könnte. Dies könnte man in dem System der Chakren finden, das im tantrischen Wissen aufgezeigt ist und in den Yogasystemen akzeptiert wurde: Bewusste Zentren und Quellenall der dynamischen Kräfte unseres Wesens, – die über das Nervengeflecht wirken und die in Ebenen übereinanderliegen, beginnend bei dem untersten physischen über das höchste mentale bis zum spirituellen Zentrum, das der tausendblättrige Lotus genannt wird, durch welche die auffahrende Natur, die Schlangenkraft der Tantras, das Brahman trifft und befreit ist in das göttliche Sein. Diese Zentren in uns sind geschlossen oder halb geschlossen und müssen geöffnet werden, bevor sich ihre volle innere Kraft in unserer physischen Natur offenbaren kann; sind sie aber erst einmal geöffnet und völlig aktiviert, kann die Entwicklung ihrer Fähigkeiten nicht mehr so leicht begrenzt werden, und die totale Transformation wird möglich.

Was aber würde sich aus dem Auftreten dieser Kräfte und ihrem freigewordenen göttlichen Wirken auf den Körper selbst, aus ihrer dynamischen Verbindung mit ihm ergeben; wie sähe das Ergebnis der transformierenden Operation an der immer noch tierhaften Natur mit ihren animalischen Impulsen und groben materiellen Prozeduren aus? Vermutlich wird die erste notwendige Wandlung darin bestehen, die Denkkraft, die Lebenskraft, die subtil-physischen Organe und das physische Bewusstsein zu einer unbehinderten und göttlicheren Aktivität, zu einem vieldimensionierten und unbegrenzten Wirken ihres Bewusstseins freizusetzen, den höheren Mächten zu einem umfassenden Durchbruch zu verhelfen, das körperliche Bewusstsein selbst, seine Instrumentation, seine Fähigkeiten und seine Tauglichkeit zur Offenbarung der Seele in einer Welt der Materie zu sublimieren. Die subtilen Sinne, die jetzt noch in uns verborgen sind, könnten in freier Aktion nach vorne kommen, und die materiellen Sinne selbst könnten uns die Vision des jetzt noch Unsichtbaren vermitteln oder Instrumente der Entdeckung von Dingen werden, die uns zwar umgeben, aber gegenwärtig doch nicht greifbar und unserem Wissen noch vorenthalten sind. Über die Impulse der tierischen Natur müsste eine feste Kontrolle ausgeübt werden, oder sie müssten so gereinigt und verfeinert werden, dass sie Aktiva und nicht Passiva darstellten und so transformiert wären, dass sie Teile und Prozesse eines göttlicheren Lebens wären. Aber selbst diese Wandlungen würden immer noch einen Rückstand an materiellen Prozessen übriglassen, der an seiner alten Weise festhielte und keiner höheren Kontrolle zugänglich wäre und die restliche Transformation selbst hemmen und unvollkommen machen würde, falls das nicht geändert werden könnte. Eine totale Transformation des Körpers würde eine ausreichende Wandlung des materiellsten Teils seines Organismus, seiner Konstitution, seiner Prozesse und natürlichen Verhaltensweisen erfordern.

Andererseits sollte man meinen, dass eine volle Kontrolle genügen würde, das Wissen um diesen Organismus und die Einsicht in ihn und sein unsichtbares Verhalten, sowie eine wirksame Kontrolle, die seine Handlungen dem bewussten Willen entsprechend bestimmt, und das ist bereits von Einzelnen im Laufe der Entwicklung ihrer inneren Kräfte erreicht und bestätigt worden. Das Anhalten des Atems, während doch das Leben des Körpers intakt bleibt, das willentliche absolute Einhalten nicht nur der Atmung, sondern aller Lebensäußerungen über lange Zeiträume, gleichfalls das Einstellen des Herzschlages nach Belieben, während Denken, Sprechen und anderes mentales Verhalten unvermindert weitergehen, diese und andere Beweise der Willenskraft über den Körper sind bekannte und wohlbezeugte Beispiele dieser Art Meisterschaft. Aber es sind gelegentliche oder vereinzelte Erfolge, die sich nicht bis zur Transformation steigern; dazu sind eine totale Kontrolle und eine fest gegründete, eingeübte und wirklich zur Natur gewordene Meisterschaft notwendig. Und über das schon Erreichte hinaus muss etwas noch Grundsätzlicheres für die vollständige Befreiung und Umwandlung in einen göttlichen Körper angestrebt werden.

Es muss noch einmal betont werden, dass sowohl an der organischen Struktur des Körpers wie auch an seiner grundlegenden äußeren Form als notwendiger materieller Grundlage festgehalten werden müsste, da die Erdnatur beibehalten werden, das göttliche Leben mit dem Leben der Erde verbunden und somit der Entwicklungsprozess fortgeführt werden soll, um zu verhindern, dass ein Ausbruch nach oben hin und von der Erde weg zu einem Seinszustand stattfände, der einer höheren Ebene entspräche, nicht aber einer irdischen göttlichen Verwirklichung. Um der Kontinuität der Entwicklung im Ganzen willen wäre es erforderlich, dem Animalischen selbst weiterhin Daseinsberechtigung in unserer Natur einzuräumen; allerdings müsste es hinreichend umgeformt sein, um ein Instrument der Offenbarung werden zu können und kein Hindernis zu bleiben; es würde als das lebendige Gefäß, vahana, des auftauchenden Gottes in der materiellen Welt gebraucht werden, wo es zu handeln und die Werke und Wunder des neuen Lebens zu wirken hätte. Es ist klar, dass es eine Körperform als Bindeglied geben muss, als Träger der Erddynamik und ihrer fundamentalen Aktivitäten, aber das Bindeglied sollte keine Behinderung darstellen und keine einschränkende Begrenzung enthalten oder der Totalität der Wandlung Widerstand leisten. Wenn der jetzige Organismus ohne Transformation erhalten bliebe, würde er als solch eine Fessel und Beschränkung innerhalb der alten Natur wirken. Es gäbe dann zwar eine materielle Basis, aber sie hätte die Eigenschaften der sinnlichen alten Erde und nicht etwa der neuen Erde mit ihrer neuen psychologischen Struktur, die göttlicher geworden wäre; denn mit dieser Struktur geriete das alte System aus seiner Harmonie und wäre unfähig, seiner weiteren Entwicklung zu dienen, oder sie gar als Prinzip in der Materie zu unterstützen. Es würde einen Teil des Wesens, eine niedrigere Schicht, an die nicht transformierte Menschlichkeit und an das nicht umgewandelte animalische Funktionieren binden und deren Befreiung in das Übermenschentum verhindern. Folglich ist auch hier eine Wandlung notwendig, ja unerlässlich, als Teil der totalen körperlichen Transformation, die – wenigstens im Endergebnis – den ganzen Menschen vergöttlichen und seine Entwicklung nicht unvollkommen lassen würde.

Es muss erwähnt werden, dass diesem Ziel genügend gedient wäre, wenn die Zentren und ihre Kräfte dank ihrer Instrumentierung alles Wirken der Natur beherrschen würden und bei völliger Gewalt über den Körper ihn sowohl in seiner strukturellen Form als auch in seinem organischen Verhalten zu einem freien Instrument und Kommunikationsmittel machen würden, zu einem wandlungsfähigen Instrument der Erkenntnis und des dynamischen Wirkens hinsichtlich aller Aufgaben, die sie im materiellen Leben, in der Welt der Materie, zu leisten hätten. Es müsste allerdings eine Wandlung in den wirkenden Prozessen der materiellen Organe selbst und höchstwahrscheinlich sogar in ihrer eigentlichen Beschaffenheit und Bedeutung stattfinden; denn sie sollten dem neuen physischen Leben nicht ihre Begrenzungen aufzwingen können. Anfangs könnten sie eindeutiger zu äußeren Enden der Kanäle werden, durch die sich Kommunikation und Handlung vollzieht, brauchbarer für die psychologischen Absichten des innewohnenden Herrn, weniger blind materiell in ihren Reaktionen, des Handelns und des Zieles der inneren Vorgänge bewusster und auch der Mächte, die sie nutzen, von denen der materielle Mensch in uns fälschlicherweise annimmt, dass er sie hervorbringe und nutze. Das Gehirn wäre ein Verbindungskanal für die Gedankenformen und eine Batterie für ihr Einwirken auf den Körper und auf die äußere Welt, wo sie dann direkt wirken, sich von Denkwesen zu Denkwesen ohne physische Mittel mitteilen könnten, indem sie mit einer ähnlichen Direktheit auf die Gedanken, das Tun und das Leben anderer und sogar auf materielle Dinge Wirkungen hervorrufen könnten. Das Herz wäre ebenfalls ein direkter Mittler und ein Medium für den Austausch von Gefühlen und Empfindungen, die durch die Kräfte des seelischen Zentrums in die Welt hinausgesandt würden. Herz könnte direkt dem Herzen antworten, die Lebenskraft anderen Leben zu Hilfe kommen und trotz Fremdheit und Entfernung ihrem Rufen antworten, viele Wesen könnten von einem göttlichen Zentrum aus ohne äußere Mittel von der Botschaft gepackt werden und sich in seinem inneren Lichte treffen. Der Wille könnte jene Organe kontrollieren, die mit der Nahrungsaufnahme zu tun haben, die Gesundheit automatisch überwachen, Gier und Verlangen auslöschen, subtilere Prozesse einleiten oder Kraft und Substanz aus der universalen Lebenskraft ziehen, so dass der Körper lange Zeit seine eigene Kraft und Substanz ohne Verlust oder Schwund erhalten könnte, somit keiner Erhaltung durch materielle Nahrung bedürfte und doch in einer anstrengen den Arbeit ohne Ermüdung oder Schlaf- oder Ruhepause fortfahren könnte. Der Wille der Seele oder der Denkkraft könnte mit Hilfe höherer Quellen auf das Sexualzentrum und seine Organe wirken, um die gröberen sexuellen Impulse oder Antriebe sicher zu zügeln oder sogar zu verbannen, so dass sie, statt der animalischen Erregung oder einem rohen Drang oder der Begierde zu dienen, ihren Nutzen darin sehen würden, die wesentliche Energie, ojas, die in dieser Region hervorgebracht wird, zu speichern und dem Hirn, dem Herzen und der Lebenskraft zuzuleiten, und so die Arbeit des Denkwesens, der Seele, des Geistes und der höheren Lebenskräfte zu unterstützen und die Verausgabung der Energie an niedere Dinge zu begrenzen. Die Seele, das seelische Wesen, könnte leichter alles mit Licht füllen und die eigentliche Materie des Körpers höheren Zwecken und seinen eigenen größeren Absichten zuwenden.

Dies würde die erste mächtige Wandlung sein, aber längst nicht alles, was möglich oder wünschenswert wäre. Denn es könnte durchaus sein, dass der Entwicklungstrieb auf eine Umwandlung der Organe selbst in ihrem materiellen Verhalten und Nutzen drängen und weitgehend ihre instrumentelle und sogar ihre existenzielle Notwendigkeit mindern würde. Die Zentren im subtilen Körper, suksma sarira, – denn man würde sich seiner bewusst werden und alles wahrnehmen, was sich in ihm abspielt, würden ihre Energien in die materiellen Nervenzellen und Muskelgewebe ergießen und durch den ganzen materiellen Körper ausstrahlen; durch diese höheren Mittler könnte das ganze physische Leben und seine notwendigen Aktivitäten in diesem neuen Dasein erhalten bleiben und in einer freieren und weiteren, einer weniger drückenden und beschränkten Weise arbeiten. Das könnte soweit gehen, dass diese Organe nicht mehr unentbehrlich wären und gar als zu hinderlich empfunden würden: die zentrale Kraft würde sich ihrer immer weniger bedienen und sie zuletzt völlig fallenlassen. In diesem Falle könnten sie verkümmern, bis zu einem unbedeutenden Minimum gemindert werden oder sich sogar ganz auflösen. Die zentrale Kraft könnte sie durch subtile Organe von ganz anderem Charakter ersetzen oder, wenn irgend etwas Materielles nötig wäre, durch Instrumente, die keine Organe mehr wären, wie wir sie jetzt kennen, sondern eher anpassungsfähige Übermittler oder Zentren der Dynamik. Dies könnte sehr wohl Teil einer höchsten totalen Transformation des Körpers sein, obwohl auch das nichts Endgültiges zu sein bräuchte. Solche Wandlungen ins Auge fassen heißt sehr weit vorausschauen, und das Denken, das sich an der gegenwärtigen Form der Dinge orientiert, mag unfähig sein, diesen Möglichkeiten Glauben zu schenken. Dem Entwicklungsdrang aber können hinsichtlich irgendeiner notwendigen Wandlung keine solchen Grenzen gesetzt und kein solches Unmöglich entgegengehalten werden. Es muss nicht grundsätzlich alles umgewandelt werden: Im Gegenteil, alles, was für das Ganze noch gebraucht wird, muss erhalten, aber vervollkommnet werden. Und alles muss beibehalten, ja gefördert werden, was für die Entwicklung unerlässlich ist, für das Wachsen, Größer- und Höherwerden des Bewusstseins, worauf sein zentraler Wille hier zu zielen scheint, oder für den Fortschritt seiner dazu fähigen Mittel und der begünstigenden Umgebung; was aber überwunden werden muss, was nicht länger nützlich, sondern entartet, nicht mehr hilfreich, sondern hinderlich ist, kann weggeworfen oder unterwegs fallengelassen werden. Das ist aus der Entwicklungsgeschichte des Körpers von einfachen Formen am Anfang bis zu seinem kompliziertesten Vertreter, dem Menschen, bereits bekannt, und es gibt keinen Grund dafür, warum sich dieser Prozess beim Übergang vom menschlichen in den göttlichen Körper nicht wiederholen sollte. Für die Offenbarung oder den Aufbau eines göttlichen Körpers auf Erden muss es eine initiierende Transformation geben, muss ein neuer, größerer und entwickelterer Typ auftauchen, und die gegenwärtige Körperform mit ihren begrenzten Möglichkeiten kann nicht etwa, unter kleinen Modifikationen, weiterentwickelt werden. Was bewahrt bleiben muss, muss natürlich erhalten bleiben, d.h. alles, was notwendig ist oder dem Zweck des neuen Lebens auf Erden wirklich dienen könnte; was weiterhin notwendig und zweckdienlich, aber unvollkommen ist, muss beibehalten, aber entwickelt und vervollkommnet werden; was den neuen Zielen nicht länger von Nutzen oder gar unfähig ist, muss weggeworfen werden. Die notwendigen Formen und Instrumentationen der Materie müssen bleiben, denn das göttliche Leben muss sich in einer materiellen Welt offenbaren, ihre Materialität aber muss verfeinert, erhöht, veredelt und erleuchtet werden, weil die Materie und die Welt der Materie in wachsendem Maße den innewohnenden Geist offenbaren müssen.

Der neue Typ, der göttliche Körper, muss die bereits entwickelte Form beibehalten; der Typ, an dem die Natur schon immer gearbeitet hat, muss weiterentwickelt werden, es muss eine Verbindung zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Körper bestehen, keine Loslösung zu etwas Unerkennbarem, sondern eine hohe Fortsetzung dessen, was bereits erreicht und teilweise vervollkommnet wurde. Der menschliche Körper enthält Schichten und Instrumente, die zu ihrem Dienst im göttlichen Leben hinreichend vorgebildet sind; sie müssen in ihrer Form weiterleben, allerdings noch vervollkommnet werden, ihre Grenzen an Spielraum und Verwendbarkeit, ihre Neigungen zu Fehlleistungen, Krankheit und Schwäche müssen verschwinden, ihre Fähigkeit zu Erkenntnis und dynamischem Handeln aber muss über die gegenwärtigen Grenzen hinausentwickelt werden. Neue Kräfte müssen vom Körper dazuerworben werden, die zu verwirklichen unsere gegenwärtige Menschheit nicht hoffen kann, von denen sie nicht einmal träumen oder die sie sich lediglich einbilden könnte. Vieles, was jetzt nur durch den Einsatz entsprechender Werkzeuge oder Maschinen erkannt, erarbeitet oder geschaffen werden kann, könnte durch den neuen Körper aus eigener Kraft oder durch den innewohnenden Geist durch seine eigene direkte spirituelle Macht erreicht werden. Der Körper selbst würde neue Möglichkeiten und Ebenen der Begegnung mit anderen Körpern erwerben, neue Verfahren entdecken, Wissen zu erlangen, neue Wahrnehmungssinne, neue Möglichkeiten der Behandlung seiner selbst und seiner Gegenüber entwickeln. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er Mittel besitzen oder entdecken könnte, die seiner Konstitution schon eingeboren sind, z.B. eine Substanz oder ein natürliches Instrument, um die Ferne anzunähern oder die Entfernung aufzuheben, etwas zu kennen, was derzeit jenseits der Erkennbarkeit durch den Körper liegt, an Orten oder auf Ebenen zu wirken, die jetzt noch nicht in seiner Reichweite oder in seinem Einflussbereich liegen, eine Feinheit und Anpassungsfähigkeit zu entwickeln, die unter den jetzigen Bedingungen, die eine Festigkeit des materiellen Gefäßes notwendig machen, nicht angebracht wäre. Diese und zahlreiche andere Fähigkeiten mögen auftauchen und den Körper zu einem Instrument machen, das demjenigen unermesslich überlegen wäre, das wir uns jetzt als möglich vorstellen können. Es könnte eine Entwicklung von einem ersten begreifenden Wahrheitsbewusstsein bis zu den höchsten Gipfeln der Hierarchie des Supramentalen stattfinden, und sogar über die selbst dem Supramentalen eigenen Grenzen hinaus dorthin, wo es beginnt, bestimmte Formen des Lebens zu versinnbildlichen, herauszuentwickeln und aufzuzeichnen, die von einer höchsten reinen Existenz und Seligkeit, einem höchsten reinen Bewusstsein berührt sind, die die Welten einer höchsten Wahrheit des Seins, der höchsten Dynamik der spirituellen Macht, tapas, der höchsten Herrlichkeit und Süße der Seligkeit konstituieren, der absoluten Essenz und des Gipfels der alles erschaffenden Seligkeit (ananda). Die Transformation des körperlichen Wesens könnte dieser ständigen Weiterentwicklung folgen, und der göttliche Körper könnte hier in einem göttlichen Leben auf Erden etwas von dieser höchsten Größe und Herrlichkeit des sich selbst offenbarenden Geistes widerspiegeln oder hervorbringen.

1 ind. Sekte, bekannt durch die ekstatischen Formen, in denen sich ihre Liebe zum Göttlichen ausdrückt.

2 Yogapraxis, geistige Disziplin

3 das reine göttliche Sein und die unendliche göttliche Person

4 die universale göttliche Energie

5 Geist-Seele

6 Natur

7 strengste asketische Yogadisziplin

Das Supramentale und das göttliche Leben

Ein göttliches Leben auf Erden, unser Ideal, kann sich nur durch eine spirituelle Wandlung unseres Seins verwirklichen, und durch eine radikale und fundamentale Wandlung, eine Evolution oder Revolution, unserer Natur. Das verkörperte Sein auf Erden müsste sich von der Beherrschung durch seine Schleier des Mentalen, des Vitalen und des Körpers freimachen und in das volle Bewusstsein und den Besitz seiner spirituellen Wirklichkeit eintreten; und auch seine Natur müsste sich von jenem Bewusstsein und jenen Bewusstseinsmächten, die zu dem mentalen, vitalen und physischen Wesen gehören, befreien und in das höhere Bewusstsein und die größeren Kräfte des Seins, in das weitere und freiere Leben des Geistes erheben. Zwar würde es diese alten Hüllen nicht verlieren, wohl aber deren Undurchsichtigkeit und das Unvollkommene ihrer Ausdrucksfähigkeit, sie würden zu wahren Trägern der Offenbarung werden; sie würden sich in Ordnungen des Lichtes verwandeln, in Mächte des spirituellen Lebens, in Gefäße spirituellen Daseins. Aber auch das könnte nur geschehen, wenn Denken, Leben und Körper durch eine überlegenere Seinsstufe, eine überlegenere Wesensmacht aufgegriffen und verwandelt würden, nämlich das Supramentale, das ebenso unermesslich hoch über unserer unvollkommenen mentalen Natur steht, wie diese über der Natur des animalischen Lebens und der beseelten Materie und diese ihrerseits wieder über der bloß materiellen Natur.

Das Supramentale ist seinem eigentlichen Wesen nach ein Wahrheitsbewusstsein, ein Bewusstsein, allezeit frei von jener Unwissenheit, die in unserem derzeitigen natürlichen oder evolutionären Dasein das Fundament bildet, und von der aus die Natur in uns zu Selbstwissen und Welt-Wissen, zu einem richtigen Bewusstsein und dem richtigen Gebrauch unseres Daseins im Weltall zu gelangen versucht. Dem Supramentalen wohnt dieses Wissen und diese Macht des wahren Daseins inne, weil es ein Wahrheitsbewusstsein ist; sein Weg ist geradeaus und kann unmittelbar zu seinem Ziel führen, sein Kraftfeld ist weit und kann sogar unbegrenzbar gemacht werden. Denn seine wahre Natur ist Wissen: Es braucht nicht Wissen zu erwerben, sondern besitzt es von Natur aus; es geht nicht von Nichtwissen oder Unwissen aus zu irgendeinem unvollkommenen Licht hin, sondern von Wahrheit zu größerer Wahrheit, von richtiger Schau zu tieferer Schau, von Intuition zu weiterer Intuition, von Erleuchtung zu äußerster, grenzenloser Lichtfülle, von wachsender Weite zur völligen Grenzenlosigkeit, zur eigentlichen Unendlichkeit. Auf seinen Gipfeln besitzt es das göttliche Allwissen und die göttliche Allmacht, und sogar im Entfaltungsprozess seiner eigenen gradweisen Selbstoffenbarung, durch den es dann im Laufe der Zeit seine eigenen höchsten Höhen enthüllt, muss es seiner wahren Natur gemäß von Unwissen und Irrtum wesenhaft frei sein: Es geht von Wahrheit und Licht aus und bewegt sich immer in Wahrheit und Licht. So wie sein Wissen immer in der Wahrheit ist, so auch sein Wille; es geht nicht tölpelhaft mit den Dingen um und strauchelt nicht auf seinem Weg. Im Supramentalen geben auch die Gefühle und Empfindungen nichts von ihrer Wahrheit auf, machen keine Fehler oder Fehltritte, weichen nicht vom Richtigen und Wirklichen ab und können weder Schönheit noch Wonne missbrauchen, noch ihre göttliche Geradheit verdrehen. Im Supramentalen können auch die Sinne nicht verführt werden oder verrohen; in dieser Grobheit und Schwerfälligkeit besteht ihre Unvollkommenheit hier, was unsere Unwissenheit zu Vorwürfen, Missbrauch und Misstrauen veranlasst. Sogar eine unvollständige Aussage des Supramentalen ist eine Wahrheit, die zu weiterer Wahrheit führt, und sein unvollendetes Wirken ein Schritt zur Vollkommenheit. Die Führung, das ganze Leben und Wirken des Supramentalen ist naturgemäß vor den Irrtümern und Ungewissheiten bewahrt, die unser Anteil sind; es bewegt sich sicher seiner Vollendung zu. Sobald das Wahrheitsbewusstsein hier sein eigenes, natürliches Fundament aufgebaut hat, wird die Entwicklung des göttlichen Lebens ein Wachsen in Freude sein, ein Aufbruch durch das Licht in die Seligkeit.

Das Supramentale ist eine ewige Wirklichkeit des göttlichen Seins und der göttlichen Natur. Auf seiner eigenen Ebene existiert es bereits, hat es immer existiert, besitzt es sein eigenes wesentliches Gesetz des Seins; es braucht nicht erschaffen zu werden oder emporzutauchen oder sich aus einer Involution in der Materie oder aus einem Nicht-Sein ins Da-Sein zu entwickeln, wie unser Denken sich das vorstellt, das seinen eigenen Ansichten nach so aus dem Vitalen und der Materie aufgetaucht ist, oder sich aus seiner Involution in Leben und Materie evolviert hat. Die Natur des Supramentalen ist immer dieselbe: ein wissendes Wesen, das von Wahrheit zu Wahrheit schreitet und das erschafft, oder vielmehr offenbart, was kraft seines Vorher-Wissens offenbart werden muss, nicht zufällig, sondern aus einer Bestimmung heraus, die durch sein Wesen bedingt ist, und aus der Notwendigkeit der Dinge an sich und deshalb unumgänglich. Ebenso unumgänglich wird seine Offenbarung des göttlichen Lebens sein; sein eigenes Leben auf seiner eigenen Ebene ist göttlich, und wenn das Supramentale auf die Erde herabsteigt, wird es notwendigerweise das göttliche Leben mit sich bringen und hier beheimaten.

Die Ebene des Supramentalen liegt über dem Mentalen, dem Leben und der Materie, und so, wie Denken, Leben und Materie sich auf Erden offenbart haben, so muss sich auch das Supramentale im unvermeidlichen Verlauf der Entwicklung in dieser Welt der Materie offenbaren. Tatsächlich gibt es hier schon ein Wahrheitsbewusstsein, aber involviert, verschleiert hinter diesem offenbarten Mentalen, dem Leben und der Materie und noch nicht sichtbar, oder in seiner ihm eigenen Machtfülle tätig: Wenn es wirkt, dann durch diese minderen Kräfte und abgewandelt durch deren Charakter und deshalb noch nicht erkennbar. Nur durch das Herannahen und die Ankunft des herabsteigenden Supramentalen kann dieses auf Erden frei werden und sich im Wirken unserer materiellen, vitalen und mentalen Schichten enthüllen, so dass diese niederen Kräfte Anteil an einer total vergöttlichten Aktivität unseres ganzen Wesens haben; und das wird uns eine vollkommen verwirklichte Göttlichkeit oder das göttliche Leben auf Erden bringen. Tatsächlich sind Leben und Denken, die in der Materie involviert waren, hier auf Erden wirklich geworden, denn nur was involviert ist, kann evolvieren, eine andere Art von Offenbarung gibt es nicht.

Die Offenbarung eines supramentalen Wahrheitsbewusstseins ist deshalb die Grundvoraussetzung, die ein göttliches Leben möglich machen wird. Erst wenn alle Denkvorgänge, alle Impulse und alles Handeln von einem aus sich selbst existierenden und leuchtenden automatischen Wahrheitsbewusstsein regiert und geleitet werden, wenn unsere ganze Natur aus ihm besteht, aus seinem Stoff aufgebaut ist, dann wird das göttliche Leben vollkommen und absolut sein. Sogar jetzt ist ein geheimes, aus sich selbst lebendes Wissen, eine Wahrheit dabei, sich hier in unserer Schöpfung zu offenbaren, wenn auch nicht augenscheinlich, so doch in Wirklichkeit. Das Göttliche wohnt bereits in uns, wir selbst sind es unserer innersten Wirklichkeit nach, und diese Wirklichkeit ist es, die wir zu offenbaren haben; sie gibt uns die Sehnsucht nach einem göttlichen Leben ein und macht die Schöpfung eines göttlichen Lebens sogar hier in diesem irdischen Dasein notwendig.

Eine Offenbarung des Supramentalen und seines Wahrheitsbewusstseins ist also unausweichlich; sie muss in dieser Welt früher oder später stattfinden. Sie vollzieht sich allerdings in zwei Bewegungen: der Herabkunft von oben und dem Aufstieg von unten, der Selbstoffenbarung des Geistes und der Entwicklung in der Natur. Der Aufstieg ist für die Natur notwendigerweise mühevoll und wird aus einem Drang oder Impuls heraus getan, ihre niederen Schichten durch eine evolutionäre oder revolutionäre Wandlung emporzuheben und durch eine Bekehrung oder eine Transformation ihrer göttlichen Wirklichkeit zuzuwenden, und dies kann entweder durch einen fortschreitenden Prozess oder durch ein Wunder geschehen. Der Herabstieg oder die Selbstoffenbarung des Geistes ist ein Akt der höchsten Wirklichkeit von oben her, der die Verwirklichung möglich machen wird, und kann uns entweder als die göttliche Hilfe erscheinen, die die Erfüllung des Fortschrittsprozesses mit sich bringt, oder als das Zulassen eine Wunders. Entwicklung, wie wir sie in dieser Welt beobachten, ist ein langsamer und schwieriger Prozess und braucht gewöhnlich ganze Zeitalter, um bleibende Resultate zu erzielen, und zwar deshalb, weil sie ihrer Natur nach ein Zu-Tage-Treten aus unbewussten Anfängen darstellt, ein Beginnen im Nicht-Wissen und – in der Unwissenheit der natürlichen Wesen – ein Wirken dessen, was eine unbewusste Kraft zu sein scheint. Im Gegensatz dazu ist aber auch eine Entwicklung im Lichte statt im Dunkel möglich, an der das sich entfaltende Wesen bewusst teilnimmt und mitwirkt, und genau das muss geschehen. Selbst in der Bemühung und im Aufstieg von der Unwissenheit zum Wissen muss dies, wenn nicht ganz, so doch teilweise, das Bestreben auf den Höhen unserer Natur sein; und es muss dies ganz und gar unser Anliegen werden, wenn die letzte Bewegung auf die spirituelle Wandlung, Verwirklichung und Transformation einsetzt. Dies muss umso mehr der Fall sein, wenn die Trennlinie zwischen Unwissen und Wissen überschritten wird und die Entwicklung von Wissen zu größerem Wissen übergeht, von Bewusstsein zu größerem Bewusstsein und von Sein zu größerem Sein. Da besteht dann keine Notwendigkeit mehr für die Langsamkeit der gewöhnlichen Entwicklung; hier kann es schnell zur Umkehr kommen, schnell von Transformation zu Transformation gehen, und das würde unserem normalen gegenwärtigen Denkwesen wie eine Kette von Wundern vorkommen. Eine Entwicklung auf supramentalen Höhen könnte durchaus diesen Charakter haben; es könnte aber genauso gut, wenn sich das Wesen entsprechend entscheiden sollte, einen gemächlicheren Übergang von einem supramentalen Zustand oder einem Gleichgewicht der Dinge zu einer nächsthöheren, jedoch immer noch supramentalen, zu einer göttlichen Ebene geben, eine göttliche Stufenfolge, ein freies Wachsen zum höchsten Supramentalen hin oder gar darüber hinaus zu jetzt noch unerträumten Ebenen des Seins, des Bewusstseins und der Seligkeit.

Das supramentale Wissen, das Wahrheitsbewusstsein des Supramentalen, ist in sich eins und allumfassend; selbst wenn eine freiwillige Selbstbegrenzung des Wissens vorkommt, oder nur eine anscheinende Teiloffenbarung, so ist das gewollt; die Begrenzung resultiert nicht in einer Art von Unwissenheit und geht auch nicht von ihr aus, sie stellt auch kein Verleugnen oder Zurückhalten des Wissens dar, denn die ganze restliche Wahrheit, die nicht ausgedrückt wurde, steht dahinter. Vor allem aber gibt es keine Widersprüche: Was auch immer dem Verstand gegensätzlich scheinen mag, trägt hier seine eigene richtige Relation und die versöhnende Übereinstimmung in sich selbst, falls tatsächlich so etwas wie Versöhnung nötig wäre, denn die Harmonie in diesen anscheinenden Gegensätzen ist vollkommen. Das Mentale neigt dazu, Persönliches und Unpersönliches einander gegenüberzustellen, als ob sie Gegensätze wären; das Supramentale aber sieht und versteht sie als auf der untersten Stufe sich ergänzende und sich gegenseitig erfüllende Kräfte der einen Wirklichkeit, und – noch charakteristischer – als sich gegenseitig durchdringend und untrennbar und selbst als diese eine Wirklichkeit. Die Person hat ihren Aspekt der Unpersönlichkeit, unabtrennbar von ihr selbst, ohne den sie nicht sein könnte, was sie ist, oder nicht ihr ganzes Selbst: Das Unpersönliche ist in Wahrheit nicht etwa ein Zustand des Daseins, ein Zustand des Bewusstseins und ein Zustand der Seligkeit, sondern ein aus sich selbst existierendes Wesen, seiner selbst bewusst und erfüllt von seiner eigenen, in sich ruhenden Seligkeit – denn Seligkeit ist die eigentliche Substanz seines Wesens – und so letztlich die eine, einzige und unbegrenzbare Person: der Purusha. Im Supramentalen begrenzt das Endliche nicht das Unendliche, zerteilt es nicht, fühlt sich dem Unendlichen gegenüber nicht als Gegensatz; vielmehr fühlt es seine eigene Unendlichkeit: Das Relative und das Zeitliche stellen keinen Gegensatz zur Ewigkeit dar, sondern deren, in richtige Beziehung gesetzte Aspekte, des Ewigen natürliches Wirken oder sein unvergänglicher Charakterzug. Zeit ist da nur das Ewige in seiner Ausdehnung, und das Ewige kann im Augenblicklichen erlebt werden. So ist immer das ganze Göttliche im Supramentalen gegenwärtig, und es bedarf keiner Theorie einer Illusion oder einer sich selbst widersprechenden Maya1, um seine Daseinsweise zu rechtfertigen. Hiernach leuchtet ein, dass das Göttliche dem Leben nicht zu entfliehen braucht, um sich selbst oder seine Wirklichkeit zu finden; es besitzt immer beides, entweder im kosmischen Leben oder in seinem transzendenten Dasein. Das göttliche Leben kann nicht im Widerspruch zum Göttlichen oder zur höchsten Wirklichkeit stehen; es ist ein Teil dieser Wirklichkeit, einer ihrer Aspekte oder eine ihrer Ausdrucksformen und nichts anderes. Das Leben auf der supramentalen Ebene besitzt die ganze Gottheit, und wenn das Supramentale auf die Erde herabsteigt, so muss es diese Gottheit mit sich bringen und deren vollen Besitz hier möglich machen.

Das göttliche Leben wird denjenigen, die sich darauf einlassen und es besitzen, einen wachsenden und schließlich vollständigen Besitz des Wahrheitsbewusstseins und all dessen, was es mit sich bringt, schenken, d.h. die Verwirklichung des Göttlichen im Selbst und des Göttlichen in der Natur. Alles, was der Gottsucher angestrebt hat, wird sich in seinem Geiste und in seinem Leben erfüllen, sowie er sich der spirituellen Vollendung nähert. Er wird sich der transzendenten Wirklichkeit bewusst, besitzt in der Selbst-Erfahrung das höchste Sein, das höchste Bewusstsein und die höchste Seligkeit und wird eins mit Sach-chid-ananda2. Er wird eins werden mit dem kosmischen Sein und mit der universalen Natur: Er wird die Welt in sich enthalten, in seinem eigenen kosmischen Bewusstsein, und er wird sich selbst eins fühlen mit allen Wesen; er wird sich selbst in allen sehen und alle in sich selbst, und vereint und wesens-eins geworden sein mit dem Selbst, das zu allen Wesen geworden ist. Er wird die Schönheit des All-Schönen wahrnehmen und das Wunder des All-Wunderbaren; er wird am Ende in die Seligkeit des Brahman eingehen und dauernd in ihr leben, und für all dies ist es nicht notwendig, dem Dasein aus dem Wege zu gehen oder die Vernichtung der spirituellen Person in irgendeinem selbstauslöschenden Nirvana zu suchen. Er kann das Göttliche in seinem Selbst wie auch in der Natur verwirklichen. Die Natur des Göttlichen ist Licht, Macht und Seligkeit: Er kann das göttliche Licht, die Macht und die Seligkeit über sich fühlen und wie sie in ihn herabsteigen und jede Fiber seiner Natur, jede Zelle und jedes Atom seines Wesens erfüllen, wie sie seine Seele, sein Denken, sein Leben und seinen Körper überfluten und ihn gleich einer unendlichen See umgeben und die Welt ausfüllen, wie sie all sein Fühlen, seine Sinne und sein Erleben durchtränken und damit sein Leben wahrlich absolut göttlich machen. Dieses und alles andere, was spirituelles Bewusstsein ihm bringen kann, wird das göttliche Leben ihm geben, wenn es seine äußerste Vollständigkeit und Vollkommenheit erreicht hat und das supramentale Wahrheitsbewusstsein in ihm ganz erfüllt ist; aber auch vorher schon kann er etwas von all dem erreichen, darin wachsen und leben, sobald das Supramentale in ihn herabgestiegen ist und die Führung seines Daseins übernommen hat. Er wird alle göttlichen Beziehungen leben; die Dreieinigkeit des Wissens um das Göttliche, der Werke für das Göttliche und der Hingabe an das Göttliche wird sich in ihm auftun und auf eine äußerste Selbst-Hingabe, auf die Hingabe seines ganzen Seins und seiner Natur dringen. Er wird in und mit Gott leben; er wird sozusagen Gott besitzen, ja in ihn eintauchen und alle trennende Persönlichkeit vergessen, ohne sie jedoch in der Selbst-Auslöschung zu verlieren. Die Liebe zu Gott und alle Süße dieser Liebe wird ihm bleiben, die Seligkeit der Berührung genauso wie die Seligkeit des Eins-Seins und die Seligkeit des Verschiedenseins in der Einheit. All die unendlichen Erfahrensbereiche des Unendlichen werden ihm gehören und alle Freuden des Endlichen in der Umarmung des Unendlichen.

Die Herabkunft des Supramentalen wird dem, der es in sich aufnimmt und erfüllt ist von seinem Wahrheitsbewusstsein, alle Möglichkeiten des göttlichen Lebens bringen. Es wird ihm nicht nur all die charakteristischen Erfahrungen des göttlichen Lebens bringen, die wir bereits als dem spirituellen Leben zugehörig erkannt haben, sondern auch alles, was wir jetzt davon ausschließen, was aber der Vergöttlichung fähig ist, all das inbegriffen, was überhaupt von der Erdnatur und dem Erdenleben durch die Berührung mit dem Supramentalen umgewandelt werden und in das offenbarte Leben des Geistes emporgehoben werden kann. Denn ein göttliches Leben auf Erden braucht nichts Abgesondertes zu sein, nichts Exklusives, das mit dem gewöhnlichen irdischen Dasein nichts zu tun hätte: Es wird menschliches Sein und menschliches Leben in sich aufnehmen, wandeln, was umgewandelt werden kann, spiritualisieren, was spiritualisiert werden kann, den Rest seinem Einfluss unterwerfen und eine radikale oder eine läuternde Wandlung bewirken, eine tiefere Gemeinschaft zwischen dem Universellen und dem Individuellen zustande bringen, das Ideal mit der spirituellen Wahrheit durchdringen, deren leuchtender Schatten es ist, und ihr helfen, sich in ein größeres oder zu einem höheren Dasein zu erheben. Das Mentale wird sich zu einem göttlicheren Licht des Denkens und Willens emporschwingen, das Leben wird zu tieferem und wahrerem Fühlen und Handeln, zu größerer Macht aus sich selbst, zu höheren Motiven und Zielen getragen werden. Was aber noch nicht zur vollen Wahrheit seines Seins erhoben werden kann, wird dieser Fülle doch näher gebracht werden; was auch zu dieser Wandlung noch nicht bereit ist, wird doch den Weg vor sich geebnet finden, wann immer es in seiner noch unvollendeten Entwicklung zur Selbsterfüllung bereit ist. Sogar der Körper wird sich, wenn er die Berührung des Supramentalen ertragen kann, seiner eigenen Wahrheit deutlicher bewusst werden, denn es gibt ein Körperbewusstsein, das seine eigene instinktive Wahrheit und die Fähigkeit zur richtigen Beschaffenheit und zum rechten Wirken besitzt; ja, im Aufbau seiner Zellen und Gewebe ist sogar eine Art unausgelebtes okkultes Wissen vorhanden, das eines Tages bewusst werden und zu der Transformation des physischen Wesens beitragen kann. Die Erdnatur und das Erdbewusstsein müssen erwachen, und das wird, wenn auch nicht der tatsächliche Anfang, so doch zumindest eine wirksame Vorbereitung und der erste Schritt in ihrer Entwicklung zu einer neuen und göttlicheren Weltordnung sein.

Das wäre die Erfüllung des göttlichen Lebens, das die Herabkunft des Supramentalen und das Wirken des Wahrheitsbewusstseins all denen bringen würde, – indem es die ganze Natur des Lebewesens erfasst, – die sich ihrer Macht oder ihrem Einfluss öffneten. Als erstes unmittelbares Ergebnis würde es allen dazu Befähigten ermöglichen, in das Wahrheitsbewusstsein einzutreten und alle Regungen der Natur mehr und mehr in die Bewegungen der supramentalen Wahrheit zu verwandeln, in die Wahrheit des Denkens, in die Wahrheit des Wollens, in die Wahrheit des Fühlens, in die Wahrheit des Handelns, in die richtige Beschaffenheit des ganzen Wesens, sogar des Körpers, und schließlich in die Transformation, – eine vergöttlichende Wandlung. Für alle, die sich so öffnen und offenbleiben könnten, gäbe es für diese Entwicklung keine Grenzen, ja sogar keine grundsätzliche Schwierigkeit; denn alle Schwierigkeiten würden sich unter dem Druck des Lichtes und der Macht des Supramentalen von oben, die sich in das Mentale, das Vitale und den Körper ergießen, auflösen. Die Wirkung der supramentalen Herabkunft braucht sich jedoch nicht auf diejenigen zu beschränken, die sich selbst gänzlich so öffnen könnten und braucht sich auch nicht auf die supramentale Wandlung zu beschränken; es könnte auch zu einer kleineren oder sekundären Transformation des mentalen Wesens kommen, und zwar innerhalb eines befreiten und vervollkommneten Bereiches der mentalen Natur. An Stelle des menschlichen Mentalen, das jetzt so beschränkt und unvollkommen ist, jeden Augenblick auf alle mögliche Weise von der Wahrheit abweicht oder sie verfehlt, allen Arten von Irrtum offen ist, sogar den Einflüsterungen totaler Lüge und der Verderbtheit der Natur, ein verblendetes Mentales, in Unbewusstheit und Unwissenheit gefallen, das kaum zu Erkenntnissen durchdringt, ein Intellekt, der höheres Wissen nur in Abstraktionen und indirekten Metaphern wiederzugeben vermag, der sogar die Botschaften der höheren Intuition mit unsicherem und zweifelndem Verständnis begreift und festhält, könnte dann ein befreites wahres Mentales auftauchen, das fähig wäre zur freien und äußersten Vervollkommnung seiner selbst sowie seiner Instrumente, ein Leben, das durch ein freies und erleuchtetes Mentales geleitet und ein Körper, der für das Licht empfänglich wäre und fähig, all das auszuführen, was ein freies Denkwesen und ein freier Wille von ihm verlangen könnten. Diese Wandlung würde sich nicht nur in einigen Wenigen ereignen, sondern die ganze Menschheit allgemein erfassen. Wenn diese Möglichkeit in Erfüllung ginge, würde der menschliche Traum von Vollendung, von Vervollkommnung ihrer selbst, ihrer gereinigten und erleuchteten Natur, all ihrer Handlungsweisen und ihrer Lebensart nicht mehr länger ein Traum sein, sondern eine Wahrheit, die sich verwirklichen könnte, und die Menschheit wäre dann aus der Umklammerung durch Unbewusstheit und Unwissenheit befreit. Das Leben des mentalen Wesens könnte mit dem Leben des Wahrheitsbewusstseins, das dann den höchsten Rang über ihm einnähme, in Harmonie gebracht werden, ja es könnte sogar ein Wirkungsbereich oder ein Anhängsel des Wahrheitsbewusstseins werden, ein Teil und eine Provinz des göttlichen Lebens. Es liegt auf der Hand, dass eine ungeheure Wandlung des menschlichen Lebens unausweichlich wäre, – sogar dann, wenn es nicht bis zur Transformation kommen würde –, sobald das Wahrheitsbewusstsein herabgekommen wäre und eine Ordnung supramentaler Art als führendes Prinzip in der Erdnatur aufgebaut hätte, – so wie das Mentale jetzt das führende Prinzip ist, – jedoch mit einer Sicherheit und einer vollkommenen Herrschaft über das irdische Dasein, mit einer Fähigkeit der Transformation aller Wesen auf ihrer Ebene und innerhalb ihrer natürlichen Grenzen, deren das Denkwesen in seiner Unvollkommenheit nicht fähig war.

Es bleibt noch zu bedenken, welcher Art die Hindernisse auf diesem möglichen Wege sein könnten, besonders, welcher Art jene Hindernisse wären, die aus der Natur der irdischen Ordnung und ihrer Funktion als einem Feld der stufenweisen Entwicklung erwachsen, deren Unvollkommenheit – so könnte argumentiert werden – eigentlich die Voraussetzung für die Entwicklung gewesen ist, in der unsere Menschheit eine Stufe darstellt. Wie weit könnte oder würde das Supramentale durch seine Gegenwart und Herrschaft diese Schwierigkeit überwinden und dabei doch das Prinzip der Stufenordnung respektieren, und könnte es die falsche Ordnung, die uns durch die Unwissenheit und das Unbewusste auferlegt worden sind, berichtigen und durch eine richtige Hierarchie ersetzen, in der Vollkommenheit und Vergöttlichung möglich sein würden? Sicherlich wäre dem Einzelnen der Weg offen, und auch jenen Menschengruppen, die sich vereint um ein vollkommenes individuelles oder kollektives Leben bemühen oder sich nach einem göttlichen Leben sehnen, würde bei der Erfüllung dieses Strebens geholfen werden: Das wäre das mindeste als Folge der Gegenwart des Supramentalen. Aber die größere Möglichkeit wäre ebenfalls gegeben und könnte sogar der ganzen Menschheit angeboten werden. Daraus ergibt sich die folgende Frage: Was würde die Herabkunft des Supramentalen für die Menschheit bedeuten, was wäre ihr Ergebnis oder ihre Verheißung für das ganze Leben, für die zukünftige Entwicklung und für das Schicksal der menschlichen Rasse?

1 Illusion, das phänomenale Bewusstsein

2 absolutes Sein, absolutes Bewusstsein, absolute Seligkeit

  1. Das Supramentale und die Menschheit
  2. Das Supramentale in der Evolution
  3. Das Lichtmentale
  4. Das Supramentale und das Lichtmentale
Copyright © 2025 Sri Aurobindo Digital Edition. Alle Rechte vorbehalten.
Joomla! ist freie, unter der GNU/GPL-Lizenz veröffentlichte Software.