Geld und wie man es richtig verwendet
Sri Aurobindo | Die Mutter
Geld stellt eine große Macht des Lebens dar, die für göttliche Zwecke erobert werden muss. Deshalb darfst du keine Bindung daran haben, aber auch keine Verachtung oder Abscheu dafür empfinden.
– Sri Aurobindo

Alle Reichtümer gehören dem Göttlichen. Es ist das Göttliche, das sie lebenden Wesen leiht. Zu Ihm müssen sie natürlicherweise zurückkehren.
– Die Mutter

Sri Aurobindo | Die Mutter GELD – UND WIE MAN ES RICHTIG VERWENDET
Kapitel 1
Geld und Kommerz
Worte Sri Aurobindos
Wenn auch die Wissenschaft uns auf diese Weise für ein Zeitalter von größerer und höherer Kultur vorbereitet hat, wenn sie trotz ihres Materialismus oder teilweise sogar durch diesen die Wiederkehr des wirklichen Materialismus, nämlich jenen der barbarischen Mentalität, unmöglich gemacht hat, so hat sie trotzdem mehr oder weniger indirekt durch ihre Einstellung dem Leben gegenüber wie durch ihre Erfindungen eine andere Art von Barbarei geschaffen – denn anders kann man dies nicht nennen –, nämlich die Barbarei des industriellen, kommerziellen und wirtschaftlichen Zeitalters, das sich jetzt seinem Höhepunkt und Ende nähert. Diese wirtschaftliche Barbarei ist wesentlich die des vitalen Menschen, der das vitale Wesen irrtümlicherweise für das Selbst hält und dessen Befriedigung als erstes Lebensziel ansieht. Das Charakteristikum seines Lebens ist die Gier und der Trieb nach Besitz. Ebenso wie die physische Barbarei den Körper an die erste Stelle setzt und die Entwicklung der physischen Kraft, Gesundheit und Tapferkeit zu ihrem Maßstab und Ziel erhebt, so tut dies die vitalistische oder wirtschaftliche Barbarei mit der Befriedigung der Bedürfnisse und Wünsche und der Anhäufung von Besitz. Ihr idealer Mensch ist nicht der kultivierte, edle, gedankenvolle, moralische oder religiöse, sondern der erfolgreiche Mensch. Etwas zu erreichen, Erfolg zu haben, zu produzieren, anzuhäufen und zu besitzen, das ist ihr Dasein. Das Ansammeln von Wohlstand und immer mehr Wohlstand, das Anhäufen von Besitz auf Besitz, Reichtum, Protz, Genuss, ein abstoßender kunstloser Luxus, eine Fülle von Annehmlichkeiten, ein Leben ohne Schönheit und Adel, eine entwürdigte oder nüchtern formalistische Religion, eine Politik und Führung, die zu Handel und Gewerbe degradiert sind, eine Freude, die zum Geschäft gemacht wurde – all das ist Kommerzialismus. Dem natürlichen, unverbildeten, wirtschaftlich denkenden Menschen bedeutet Schönheit etwas Verhasstes oder Unnötiges, Kunst und Dichtung eine Frivolität oder Prahlerei und ein Mittel zu öffentlicher Schaustellung. Seine Idee von Zivilisation ist Komfort, seine Idee von Moral soziale Achtbarkeit, seine Idee von Politik die Förderung der Industrie, die Öffnung von Märkten, Ausbeutung und Handel, der der eigenen Flagge folgt, seine Idee von Religion ist im besten Fall ein pietistischer Formalismus oder die Befriedigung gewisser vitalistischer Gefühle. Er bewertet Erziehung nach ihrer Nützlichkeit für die Erfolge des Menschen im Wettstreit oder möglicherweise auch in einer sozialisierten industriellen Daseinsform. Wissenschaft beurteilt er nach der Nützlichkeit von Erfindungen und Erkenntnissen, nach den Bequemlichkeiten und Vorteilen, nach der Produktionskapazität, mit der sie ihn ausstattet, nach Wirksamkeit der Organisation, nach Verordnungen und dem Anreiz für die Produktion. Der reiche Plutokrat sowie der erfolgreiche Mammut-Kapitalist und industrielle Organisator sind die Übermenschen des kommerziellen Zeitalters und die eigentlichen, wenn auch oft verborgenen Führer seiner Gesellschaft.
Der Kernpunkt der Barbarei in all diesem ist das Erstreben von vitalem Erfolg, von Befriedigung, Produktivität, Besitz, Genuss, Komfort und Vorteilen zum eigenen Wohl. Der vitale Teil des Wesens ist ebenso wie der physische Teil ein Element der ganzheitlichen menschlichen Existenz; er hat seinen Platz, darf aber nicht übertrieben werden. Ein ausgefülltes und gut geordnetes Leben ist für den Menschen wünschenswert, der der Gesellschaft angehört, doch es muss auch ein wahres und schönes Leben sein. Weder Leben noch Körper sind ein Selbstzweck, sondern Gefäß und Werkzeug eines höheren als des eigenen Gutes. Sie müssen den höheren Notwendigkeiten des mentalen Wesens untergeordnet werden, gezügelt und gereinigt nach einem höheren Gesetz der Wahrheit, des Guten und Schönen, bevor sie den richtigen Platz in der Gesamtheit menschlicher Vollkommenheit einnehmen können. Deshalb wird die Seele des Menschen in einem kommerziellen Zeitalter mit seinen gewöhnlichen und barbarischen Idealen von Erfolg, vitalistischer Befriedigung, Produktivität und Besitz vielleicht eine kurze Zeit verweilen, um gewisse Bereicherungen und Erfahrungen zu sammeln, aber sie wird hier nicht für längere Zeit bleiben. Würde sie sich doch festsetzen, würde das Leben verstopfen und in seiner eigenen Fülle verderben oder in seinem Streben nach stärkerer Ausbreitung auseinanderbrechen. Wie der allzu starke Titan zerbricht es an seiner eigenen Fülle, mole ruet sua.

Worte der Mutter
Es gibt zwei Punkte, die starken Widerstand leisten – alles, was sich auf die Politik bezieht, und alles, was mit Geld in Zusammenhang steht. Das sind die beiden Punkte, bei denen es am schwierigsten ist, die menschliche Einstellung zu ändern.
Grundsätzlich haben wir gesagt, dass wir mit der Politik nichts zu tun haben. Und es ist wahr, wir haben nichts mit der Politik zu tun, so wie sie jetzt betrieben wird. Doch es liegt auf der Hand, wenn man Politik im eigentlichen Sinne meint – nämlich die Organisation von Menschenmassen, alle Einzelheiten der Regierung und der Regulierung des gemeinsamen Lebens, die Beziehungen zu den anderen Gemeinschaften, das heißt zu anderen Nationen, anderen Ländern –, ist es unbedingt notwendig, dass sie sich der supramentalen Umwandlung unterzieht. Denn solange das nationale Leben und die Beziehungen zwischen den Nationen so sind, wie sie sind, ist es völlig unmöglich, ein supramentales Leben auf der Erde zu führen. Die Politik muss sich also ändern. Man muss sich also auch damit befassen.
Was die finanziellen Fragen angeht, nämlich ein Tausch- und Produktionsmittel zu finden, das einfach ist – „einfach“, nun, das einfacher sein sollte, als es der primitive Tausch war, bei dem man eine Sache geben musste, um eine andere zu erhalten –, das prinzipiell weltweit, universell sein könnte – auch das ist für die Vereinfachung des Lebens ganz und gar unentbehrlich…
Diese beiden Punkte sind also die widerständigsten. Sie sind im menschlichen Bewusstsein noch am meisten den Kräften der Unwissenheit, der Nichtbewusstheit und – ich muss ganz allgemein sagen: dem bösen Willen unterworfen. Sie verweigern sich am meisten allem Fortschritt und jedem Weg zur Wahrheit. Und leider ist hier in jedem einzelnen Menschen der Punkt der Gegenwehr, der Punkt, der in stupider Enge bleibt und es ablehnt, das zu begreifen, was nicht in seiner Gewohnheit liegt. Es ist wirklich eine heroische Tat, diese Dinge aufzugreifen und umzuwandeln. Nun, wir versuchen dies auch, und solange es nicht getan wird, ist es unmöglich, die Verhältnisse auf der Erde zu ändern.

Worte der Mutter
Seit etwa hundert Jahren leidet die Menschheit an einer Krankheit, die sich immer mehr auszubreiten scheint und die nun, in unserer Zeit, ihren Höhepunkt erreicht hat – wir können sie Utilitarismus nennen. Menschen und Dinge, Umstände und Aktivitäten scheinen ausschließlich von diesem Blickwinkel aus betrachtet und gewürdigt zu werden. Nichts hat irgendeinen Wert, es sei denn, es ist nützlich. Natürlich ist etwas Nützliches besser als etwas Nutzloses. Doch zuerst müssen wir uns darauf einigen, was wir als nützlich bezeichnen – nützlich für wen, inwiefern, wofür?
Denn die Völker, die sich selbst als zivilisiert beschreiben, bezeichnen immer mehr jenes als nützlich, das Geld anzieht, verschafft oder einbringt. Alles wird vom finanziellen Gesichtspunkt aus beurteilt und bewertet. Das nenne ich Utilitarismus. Und diese Krankheit ist äußerst ansteckend, denn selbst Kinder sind nicht gegen sie immun.
In einem Alter, in dem sie von Schönem träumen sollten, von Größe und Vollkommenheit – Träume, die dem gewöhnlichen Menschenverstand zu unglaublich erscheinen, die diesem stumpfen gesunden Menschenverstand jedoch weit überlegen sind –, träumen die Kinder nun vom Geld und zerbrechen sich den Kopf, wie man es verdienen kann.
Wenn sie an ihr Studium denken, denken sie vor allem an das, was für sie nützlich sein kann, um damit eine Menge Geld verdienen zu können, wenn sie erwachsen sind.
Und so wird es für sie zum wichtigsten Anliegen, sich so vorzubereiten, dass sie erfolgreich ihre Prüfungen bestehen, denn mit Diplomen, Auszeichnungen und Titeln werden sie eine gute Arbeitsstelle finden und eine Menge Geld verdienen.
Für sie hat das Studium keinen anderen Zweck, keine andere Bedeutung.
Lernen um des Wissens willen, studieren, um die Geheimnisse der Natur und des Lebens zu entdecken, sich selbst zu erziehen, um bewusster zu werden, sich zu disziplinieren, um Meister seiner selbst zu werden, um seine Schwächen, sein Unvermögen und seine Unwissenheit zu überwinden, sich darauf vorzubereiten, im Leben auf ein Ziel hin fortzuschreiten, das edler und weiter, weitaus reicher und wahrer ist …, all dem schenken sie kaum einen Gedanken, betrachten es als sehr utopisch. Die einzig wichtige Sache ist, pragmatisch zu sein, sich vorzubereiten und zu lernen, wie man Geld verdient.

Kapitel 2
Wesen und Wert der Kraft des Geldes
Worte Sri Aurobindos
Geld ist das sichtbare Zeichen einer universalen Kraft, und diese Kraft wirkt in ihrer irdischen Manifestation auf der vitalen und physischen Ebene und ist für die Fülle des äußeren Lebens unentbehrlich. Seinem Ursprung und wahren Wirken nach gehört es dem Göttlichen. Aber wie andere Mächte des Göttlichen ist es hierher abgeordnet, und in der Unwissenheit der niederen Natur kann das Ego es zum eigenen Gebrauch an sich reißen oder können asurische Einflüsse es festhalten und zu ihren Zwecken missbrauchen. In der Tat ist Geld eine der drei Kräfte – Macht, Reichtum, Sex –, die die stärkste Anziehung auf das menschliche Ego und den Asura ausüben, und die von denen, die darüber verfügen, oft schlecht verwaltet und verwendet wird. Die dem Reichtum nachjagen oder ihn schon haben, sind oft mehr von ihm besessen als dass sie ihn besitzen. Nur wenige entgehen einem gewissen entstellenden Einfluss ganz, der ihm infolge der langen Beschlagnahme und Pervertierung durch den Asura anhaftet. Deshalb verlangen die meisten spirituellen Disziplinen eine völlige Selbst-Kontrolle, Loslösung und den Verzicht auf jegliche Bindung an Wohlstand und auf jeden persönlichen und egoistischen Wunsch, ihn zu besitzen. Manche ächten sogar das Geld und den Reichtum und erklären Armut und Dürftigkeit des Lebens zur einzigen spirituellen Haltung. Das ist aber ein Irrtum, denn es lässt die Macht in den Händen der feindlichen Kräfte. Es für das Göttliche, dem es gehört, zurückzuerobern und es auf göttliche Weise für das göttliche Leben zu verwenden, ist der supramentale Weg für den Sadhaka.

Worte der Mutter
Wenn man an Geld denkt, denkt man an Banknoten oder an Geldstücke oder an irgendwelche Reichtümer, an Kostbarkeiten. Das ist aber nur der physische Ausdruck einer Kraft, die man vital handhaben kann und die, wenn man sie besitzt und kontrolliert, fast automatisch zu diesen materielleren Ausdrucksformen des Geldes führt. Und dies ist eine Art Macht. Sie ist eine Anziehungskraft für gewisse sehr materielle Schwingungen und hat eine Verwendungsfähigkeit, die ihr Vermögen vergrößert. Sie macht gleichsam eine physische Übung, was ihre Stärke durch den Gebrauch noch erhöht.
Hat man die Kontrolle über diese Kraft – eine Kraft, deren Farbe in der vitalen Welt wechselt zwischen Rot, einem tiefen Rot von äußerst kräftigem Farbton, und einem Dunkelgold, das nicht leuchtet und auch nicht sehr klar ist –, nun, wenn man diese Kraft in Bewegung setzt, in Umlauf bringt, wird sie stärker. Sie ist nichts, das man anhäufen und behalten kann, ohne dass sie in Gebrauch ist. Diese Kraft muss immer in Zirkulation sein. Geizige etwa, die alles Geld und alle Güter, die sie an sich ziehen können, anhäufen, überlassen diese Kraft sich selbst, ohne ihr Bewegungspotenzial zu nutzen. Und dann entschwindet sie entweder oder sie erschlafft und verliert ihre Stärke.

Worte der Mutter
Aus finanzieller Sicht basiert unser Handeln in erster Linie auf folgendem Prinzip: Geld ist nicht dazu da, um Geld zu verdienen. Der Gedanke, dass man durch Geld Geld machen muss, ist ein Irrtum und eine Entstellung.
Geld ist ein Mittel, um den Wohlstand, das Wohlergehen und die Produktivität einer Gemeinschaft, eines Landes oder besser der ganzen Erde zu mehren. Geld ist ein Mittel, eine Kraft, eine Macht und nicht ein Selbstzweck. Und wie alle Kräfte und Mächte vermehrt und vergrößert es seine Macht durch Bewegung und Zirkulation, nicht durch Anhäufung und Stagnation.
Wir versuchen hier, der Welt durch ein konkretes Beispiel zu beweisen, dass durch innere psychologische Verwirklichung und äußere Organisation eine Welt geschaffen werden kann, in der die meisten Ursachen menschlichen Elends nicht mehr bestehen werden.

Worte der Mutter
Geld ist nicht dazu da, um Geld zu verdienen; Geld ist dazu da, die Erde für die Ankunft der neuen Schöpfung vorzubereiten.

Worte der Mutter
Ein Tag wird kommen, an dem aller Reichtum dieser Welt, endlich befreit von der Versklavung durch die antigöttlichen Kräfte, sich spontan und vollständig dem Dienst an der Göttlichen Arbeit weihen wird.
