Wissen, was die Seele weiß

Das, was die Seele sieht und erfahren hat, das weiß sie wirklich; der Rest ist äußere Erscheinung, Vorurteil und Meinung.

SRI AUROBINDO, Gedanken und Aphorismen

Das bedeutet, dass alles Wissen, das nicht das Ergebnis der Vision oder der Erfahrung der Seele ist, ohne wahren Wert ist. Es taucht aber sofort die Frage auf – sie wurde mir gestellt: „Wie können wir wissen, was die Seele sieht?“

Offensichtlich gibt es dafür nur eine Lösung: sich seiner Seele bewusst zu werden. Und das vervollständigt den Aphorismus: wenn man sich seiner Seele nicht bewusst ist, besitzt man kein wahres Wissen. Deshalb muss die erste Bemühung darin bestehen, innen die Seele zu finden, sich damit zu verbinden und ihr zu erlauben, sein Leben zu leiten.

Manche Leute fragen: „Wie können wir wissen, ob das was wir finden die Seele ist?“ Diese Frage habe ich schon öfter beantwortet. Die, die diese Frage stellen, bestätigen einfach durch die Tatsache, dass sie sie stellen, dass sie sich ihrer Seele nicht bewusst sind, denn sobald du dir deiner Seele bewusst und mit ihr vereint bist, hast du eine positive Erfahrung davon und du fragst nicht länger, wie du sie erkennen kannst. Und diese Erfahrung der Seele kann weder gefälscht werden noch eingebildet sein; du kannst nicht vortäuschen, mit deiner Seele in Verbindung zu stehen – es ist etwas, was nicht verfälscht oder erfunden werden kann. Wenn die Seele dein Leben leitet, weißt du das mit absoluter Gewissheit und hast keine Fragen mehr dazu.

Aber die Nützlichkeit des Aphorismus, den wir gerade gelesen haben, liegt darin, dich verstehen zu lassen, dass alles, wovon du denkst, dass du es weißt, alles, was du gelernt hast, alles, was du in deinem Leben durch persönliche Beobachtung, Vergleichen und Schlussfolgerungen erworben hast – alles ein sehr relatives Wissen ist, auf dem du keine wirklich beständige und wirklich effektive Lebensweise begründen kannst.

Wie oft schon haben wir das wiederholt: Alles, was aus den Gedanken entspringt, ist gänzlich relativ. Je mehr der Verstand ausgebildet ist und sich mit verschiedenen Studienobjekten beschäftigt hat, desto fähiger wird er zu beweisen, dass alles was er vorbringt oder sagt, wahr ist. Durch Argumentieren kann man die Tatsachen von Allem beweisen, aber das macht es nicht wirklich wahr. Es bleibt eine Meinung, eine Voreingenommenheit, ein Wissen, das auf der Beobachtung von Erscheinungen basiert, die selbst mehr als zweifelhaft sind.

Deswegen scheint es nur einen Ausweg zu geben, sich auf die Suche nach seiner Seele zu machen und sie zu finden. Sie ist da, sie versteckt sich nicht, sie spielt nicht mit dir, nur um die Suche schwierig zu machen; im Gegenteil, sie macht große Anstrengungen, dir dabei zu helfen, sie zu finden und sich Gehör zu verschaffen. Nur stehen zwischen deiner Seele und deinem aktiven Wachbewusstsein zwei Persönlichkeiten, die die Angewohnheit haben, viel Lärm zu machen und zwar das Denken und das Gefühl. Und weil sie viel Lärm machen und die Seele nicht oder besser, so wenig wie möglich, hält dich ihr Lärm davon ab, die Stimme deiner Seele zu hören.

Deswegen musst du dich innerlich bemühen, sehr aufmerksam zu werden, wenn du erfahren möchtest, was deine Seele weiß. Und wirklich, wenn du hinter den äußeren Aktivitäten und Geräuschen des Denkens und des Fühlens aufmerksam bleibst, kannst du in dir etwas sehr Subtiles unterscheiden, das sehr still, sehr friedlich ist, das weiß und auch sagt, was es weiß. Aber das Drängen der vitalen und mentalen Natur in einem selbst ist so fordernd, während das andere, Subtile so still ist, dass du sehr leicht dazu verleitet wirst, auf das zu hören, was den meisten Krach macht. Sehr oft merkt man erst hinterher, dass das andere, Subtile, richtig war. Aber es drängt sich nicht auf, es zwingt dich nicht zuzuhören, denn es benützt keine Gewalt.

Wenn du zögerst, wenn du dich fragst, was du in dieser oder jener Situation machen sollst, tauchen die Wünsche auf, die mentalen oder vitalen Vorlieben, die dich bedrängen und darauf bestehen, erfüllt zu werden, die sich durchsetzen und behaupten wollen, mit den besten Begründungen auf der Welt, um die Zustimmung für sich zu gewinnen. Wenn du nicht wachsam bist und keiner entschlossenen Disziplin folgst, wenn du nicht die Angewohnheit hast, sie zu kontrollieren, werden sie dich schließlich davon überzeugen, dass sie das Richtige für dich sind. Und wie ich eben vorher gesagt habe, sie machen soviel Lärm, dass du noch nicht einmal die leise Stimme oder den winzig kleinen Hinweis der Seele hörst: „Tu es nicht.“

Dieses: „Tu es nicht!“ kommt oft, aber du weist es als etwas ab, das keine Macht hat und folgst deiner impulsiven Bestimmung. Aber wenn du wirklich ehrlich in deiner Bereitschaft bist, die Wahrheit zu finden und zu leben, dann lernst du immer besser darauf zu hören, du lernst immer besser zu unterscheiden und selbst wenn es dich Mühe kostet, selbst wenn es dir Schmerzen bereitet, lernst du darauf zu hören. Selbst wenn du nur ein einziges Mal darauf gehört hast, ist das eine mächtige Hilfe, ein beachtlicher Fortschritt auf dem Weg unterscheiden zu können, was die Seele ist und was nicht. Mit diesem Unterscheidungsvermögen und der nötigen Aufrichtigkeit wirst du dein Ziel mit Sicherheit erreichen.

Aber du sollst es nicht eilig haben, du darfst nicht ungeduldig sein, du musst sehr ausdauernd bleiben, selbst wenn du zehnmal etwas falsch machst und nur einmal etwas richtig.

Und wenn du das Falsche machst, darfst du nicht verzweifelt aufgeben, sondern musst dir sagen, dass die göttliche Gnade dich niemals aufgeben wird und dass es das nächste Mal besser sein wird.

Abschließend können wir sagen, um zu wissen, wie die Dinge wirklich sind, musst du dich zuerst mit deiner Seele vereinen, und um das zu tun, musst du es mit Ausdauer und Beharrlichkeit verfolgen.

Nur ein höheres Maß der Konzentration darauf kann den Weg verkürzen.

DIE MUTTER, CWM 10:23

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