9. Kapitel
Werke, Hingabe und Wissen
Bisher hat sich all die Wahrheit Schritt für Schritt so entfaltet, dass jeder einen neuen Gesichtspunkt des integralen Wissens herausstellte und auf ihn ein gewisses Ergebnis von spirituellem Zustand und Handeln gründete. Nun muss sie eine Wendung von außerordentlicher Bedeutung nehmen. Darum lenkt der Lehrer zuerst mit aller Sorgfalt die Aufmerksamkeit auf den entscheidenden Charakter dessen, was er jetzt zu sagen hat, damit Arjunas Mental aufgeweckt und aufmerksam wird. Denn er will dieses jetzt für die Erkenntnis und Schau des integralen Göttlichen öffnen und zur Vision des elften Kapitels hinführen, durch die der Krieger von Kurukshetra dessen bewusst wird, der der Urheber seines Wesens, seines Handelns und seiner Sendung ist: jener Gottheit im Menschen und in der Welt. Diesen Gott begrenzt und bindet nichts im Menschen und in der Welt. Denn alles geht aus ihm hervor, Ist eine Bewegung in seinem unendlichen Wesen, lebt weiter und wird gefördert durch seinen Willen, wird in seinem göttlichen Selbst-Wissen gerechtfertigt und hat ihn immer als Ursprung, Substanz und Ziel. Arjuna soll sich dessen bewusst werden, dass er allein in Gott existiert; dass er nur durch die Macht in seinem Inneren handelt, dass seine Unternehmungen nur eine Instrumentation des göttlichen Wirkens sind und dass sein egoistisches Bewusstsein nur ein Schleier ist und seiner Unwissenheit das wahre Wesen In seinem Inneren, das ein unsterblicher Funke und ein Teil der erhabenen Gottheit ist, falsch darstellt. (301)
9.1
Der Erhabene sprach:
Was Ich dir nun mitteilen will, da du kein Nörgler bist, ist das Geheimste, das essentielle Wissen, das mit allumfassender Erkenntnis verbunden ist. Wenn du dies weißt, wirst du vom Übel befreit werden.
9.2
Dies ist das Königs-Wissen, das Königs-Geheimnis (die Weisheit aller Weisheiten, das Geheimnis aller Geheimnisse). Es ist ein reines und erhabenes Licht, das man durch unmittelbare spirituelle Erfahrung nachprüfen kann. Es ist das rechte und wahrhaftige Wissen, das wirkliche Gesetz des Seins. Es ist leicht zu verwirklichen und unvergänglich.
9.3
(Aber Glaube ist nötig.) Die Seele, die es nicht fertigbringt, Glauben an die höhere Wahrheit und an das höhere Gesetz aufzubringen, O Parantapa, und nicht zu Mir gelangt, diese Seele muss wieder auf den Pfad des gewöhnlichen sterblichen Lebens zurückkehren (dem Tod, dem Irrtum und dem Übel unterworfen).
Denn das ist eine Wahrheit, die man im Leben verwirklichen muss. Sie muss im wachsenden Licht der Seele gelebt werden. Man kann sie nicht in der Finsternis des Mentals ausdiskutieren. Man muss in sie hineinwachsen, man muss sie werden –, das ist der einzige Weg, ihre Wirklichkeit zu bestätigen. Nur wenn wir über das niedere Selbst hinauskommen, können wir zum wirklichen göttlichen Selbst werden und die Wahrheit unseres spirituellen Seins leben. All die vordergründigen Wahrheiten, die man dieser Wahrheit entgegenhalten kann, sind nur die Scheinwahrheiten der niederen Natur. Die Befreiung vom Bösen und von den Mängeln der niederen Natur, aśubham, kann nur dadurch kommen, dass wir ein höheres Wissen annehmen, in dem all dies vordergründige Übel davon überzeugt wird, dass es letztlich etwas Unwirkliches ist und dass man es als eine Schöpfung unserer Finsternis aufzeigen kann. Damit wir aber so in die Freiheit der göttlichen Natur emporwachsen, müssen wir die Gottheit annehmen und an sie glauben, die insgeheim in unserer gegenwärtigen begrenzten Art da ist. Denn der Grund, warum dieser Yoga möglich ist und leicht praktiziert werden kann, liegt darin, dass wir, indem wir ihn praktizieren, alles Wirken dessen, was wir unserer Natur nach sind, in die Hand dieses inneren göttlichen Purusha geben. Gott bringt in uns die göttliche Geburt fortschreitend, einfach, unfehlbar dadurch zustande, dass er unser Wesen in das seinige empornimmt und es mit seinem eigenen Wissen und eigener Macht erfüllt, jñānadīpena bhāsvatā. Er legt seine Hand auf unsere dunkle unwissende Natur und wandelt sie um in sein Licht und seine Weite. Das, woran wir uns mit ganzem Glauben und ohne Egoismus halten und was wir unter seinem Antrieb sein wollen, das wird der Gott in unserem Inneren sicherlich zur Vollendung bringen. Aber das egoistische Mental und Leben, das wir jetzt und in unserer äußeren Erscheinung sind, muss sich zuerst zwecks Umwandlung dieser in unserem Inneren wohnenden geheimen Göttlichkeit überantworten. (310)
9.4
Durch Mich ist dieses ganze Universum in dem unbeschreiblichen Mysterium Meines Wesens ausgebreitet worden. Alle Daseinsformen haben ihren Stand in Mir, nicht Ich in ihnen.
Die Gita fährt dann fort, das höchste und integrale Geheimnis zu enthüllen, den einen Gedanken, die einzige Wahrheit, in der zu leben lernen muss, wer Vollkommenheit und Befreiung sucht, das einzige Gesetz der Vervollkommnung seiner spirituellen Wesensseiten und all ihrer Regungen. Dies höchste Geheimnis ist das Mysterium der transzendenten Gottheit. Gott ist alles und überall; und doch ist er so viel größer und anders als das Weltall und alle seine Gestaltungen, dass nichts hier ihn in sich enthält, nichts ihn wirklich zum Ausdruck bringt und keine Sprache, die von den Erscheinungen der Dinge in Raum und Zeit und ihren Verhältnissen entlehnt ist, die Wahrheit seines unbegreiflichen Wesens auch nur andeuten kann. Das hieraus folgende Gesetz für unsere Vervollkommnung ist anbetende Verehrung durch unser ganzes Wesen und seine Selbst-Überantwortung an diesen göttlichen Ursprung und Besitzer unserer selbst. Unser endgültiger Weg ist der, unser ganzes In-der-Welt-Sein, nicht nur dieses oder jenes in ihm, in eine einzige Bewegung hin zum Ewigen zu verwandeln. Durch die Macht und das Mysterium eines göttlichen Yoga sind wir hervorgetreten aus seinen unvorstellbaren Geheimnissen in diese gebundene Art der phänomenalen Dinge. Durch eine rückläufige Bewegung desselben Yoga müssen wir die Begrenzungen der phänomenalen Art überwinden und jenes mächtigere Bewusstsein erwerben, durch das wir im Göttlichen und im Ewigen leben können. (312)
9.5
Und doch haben alle Daseinsformen ihren Stand auch wieder nicht in Mir – verstehe Meinen göttlichen Yoga richtig! Es ist Mein Selbst, das alle Wesen trägt und deren Dasein begründet.
Es gibt einen Yoga göttlicher Macht, me yoga aiśvaraḥ, durch den der Erhabene Phänomene seiner selbst in einer spirituellen – nicht materiellen – Selbst-Formulierung seiner ausgebreiteten Unendlichkeit gestaltet, eine Selbst-Ausdehnung, von der das Materielle nur ein Abbild ist. (312)
9.6
Ebenso wie das weite, überall eindringende Prinzip der Luft im Prinzip des Äthers wohnt, so wohnen alle Daseinsformen in Mir. So musst du dies verstehen!
Das universale Sein ist alles durchdringend und unendlich. Und auch das Selbst-Seiende ist alles durchdringend und unendlich. Aber die selbst-seiende Unendlichkeit ist fest, statisch, unbeweglich. Das Universale ist alles durchdringende Bewegung, sarvatragaḥ. Das Selbst ist eines, es ist nicht die Vielen. Aber das Universale bringt sich als All-Sein zum Ausdruck und ist, wie es scheint, die Summe aller Daseinsformen. Das eine ist das Wesen; das andere ist die Macht des Wesens, die im Sein des zugrunde liegenden, alles fördernden unbeweglichen Geistes alles bewegt, erschafft und bewirkt. Das Selbst wohnt nicht in all diesen Seienden, auch nicht in einem von ihnen. Das heißt: keines von ihnen kann das Selbst zu seinem Inhalt machen, genauso wenig, wie der Äther hier Inhalt von irgendeiner Gestaltung ist, obwohl alle Formen schließlich aus dem Äther abgeleitet sind. Auch ist das Selbst nicht in der Gesamtheit aller Seienden enthalten und wird nicht von diesen allen zusammen gebildet, ebensowenig wie der Äther in Bewegung und Ausdehnung des Luft-Prinzips enthalten ist oder durch die Summe ihrer Gestaltungen oder Kräfte gebildet wird. Dennoch ist Gott auch in der Bewegung. Er bewohnt die Vielen als der Herr in jedem einzelnen Wesen. Diese seine beiden Verhältnisse gehören gleichzeitig zu seiner Wahrheit. (319)
9.7
Alle Daseinsformen, O Kaunteya, kehren am Ende eines Zyklus in Meine göttliche Natur zurück (aus den Aktivitäten der Natur in deren Unbeweglichkeit und Schweigen). Mit Beginn eines neuen Zyklus lasse Ich sie wieder aus Mir hervorgehen.
9.8
Indem Ich Mich mit allem Nachdruck auf Meine eigene Natur (Prakriti) stütze, erschaffe Ich diese Vielfalt von Daseinsformen (lasse Ich sie in ein unterschiedliches Dasein hervorgehen), die hilflos der Herrschaft der Natur unterworfen sind.
Unwissend ist der Jiva dem zyklischen Wirbel der göttliche Natur unterworfen, nicht Herr über sich selbst, vielmehr von ihr beherrscht, avaśaḥ prakṛter vaśāt. Nur wenn er zum göttlichen Bewusstsein zurückkehrt, kann er zu Herrschaft und Freiheit gelangen. Auch das Göttliche folgt dem Zyklus, doch nicht als ihm unterworfen, sondern als der ihn von innen gestaltende Geist und Lenker, nicht mit seinem ganzen Wesen ihm involviert, sondern ihn mit der Macht seines Wesens begleitend und gestaltend. (320)
9.9
Aber dies Wirken bindet Mich nicht, O Dhananjaya, denn Ich sitze wie unbeteiligt darüber, ohne dass Ich an diese Aktionen gebunden wäre.
Er ist die lenkende Kontrolle seiner eigenen Aktion der Natur, adhyakṣa, nicht ein in ihr geborener Geist, sondern der schöpferische Geist, der sie dazu veranlasst, das hervorzubringen, was in der Manifestation erscheint. In seiner Macht begleitet er sie und verursacht ihr ganzes Wirken. So ist er auch außerhalb von ihr wie jemand, der in suprakosmischer Herrschaft über der allumfassenden Aktion der Natur seinen Thron einnimmt. Er ist ihr nicht gebunden durch ein Begehren, das ihn in sie verwickelt oder ihn beherrscht, und deshalb auch nicht durch ihr Wirken gebunden, denn er überragt dieses in unendlicher Weise und geht ihm voraus. Er ist derselbe vor, während und nach all ihrem Fortschreiten in den Zyklen der Zeit. All ihre Veränderungen bewirken für sein unveränderliches Wesen keinen Unterschied. Das schweigende Selbst, das den Kosmos durchdringt und unterstützt, wird durch dessen Wandlungen nicht berührt, weil es nicht an ihnen teilhat, auch wenn es sie fördert. Dies mächtigste erhabene suprakosmische Selbst wird ebenfalls durch sie nicht beeinträchtigt, weil es sie überragt und ewig transzendiert.
Da aber auch diese Aktion die Tätigkeit der göttlichen Natur ist, svā prakṛtiḥ, und die göttliche Natur niemals vom Göttlichen getrennt sein kann, muss allem, was sie erschafft, die Gottheit immanent sein. Das ist eine Beziehung, die zwar nicht die ganze Wahrheit des Wesens Gottes ist; sie ist aber auch keine Wahrheit, die wir völlig übersehen dürfen. (320-21)
9.10
Ich bin der führende Herrscher über das eigene Wirken Meiner Natur, (nicht ein Geist, der in ihr geboren wurde, sondern) der schöpferische Geist, der sie veranlasst, all das hervorzubringen, was in der Manifestation erscheint. Aus diesem Grund, O Kaunteya, schreitet die Welt in Zyklen fort.
9.11
Irregeführte Gemüter missachten Mich, der Ich im menschlichen Körper wohne, denn sie erkennen Meine erhabene Wesens-Natur nicht, den Herrn aller Daseinsformen.
Das sterbliche Mental wird dadurch verwirrt, dass es sich in seiner Unwissenheit auf die Hüllen und äußeren Erscheinungen verlässt. Es sieht nur den äußeren menschlichen Körper, das menschliche Mental, die menschliche Lebensweise. Es ahnt nicht einmal flüchtig die Gottheit, die im Geschöpf ihre Wohnung hat. Es hat keine Kenntnis von der Gottheit in ihm selbst und kann sie auch nicht in anderen Menschen sehen. Und obwohl sich das Göttliche sogar in der Menschheit als Avatar oder Vibhuti offenbart, das Mental bleibt doch blind und erkennt nicht oder missachtet die verhüllte Gottheit, avajānanti māṁ mūḍhā mānuṣīṁ tanum āśritam. Und wenn es Gott nicht einmal in der lebendigen Kreatur erkennt, wie viel weniger kann es ihn in der gegenständlichen Welt schauen, auf die es aus seinem Gefängnis des trennenden Ego durch die vergitterten Fenster des endlichen Mentals blickt. Das mentale Wesen sieht Gott nicht im Weltall. Es weiß nichts von der erhabenen Gottheit, die der Gebieter ist dieser von vielartigen Daseinsformen erfüllten Ebenen und allem innewohnt. Es ist unbegabt für jene Schau, durch die alles in der Welt als göttlich erkannt wird, in dem die Seele zu der ihr eingeborenen Göttlichkeit erwacht und der Gottheit gemäß, Gott gleich wird. Was das mentale Wesen gerne sieht, woran es sich mit Leidenschaft hingibt, ist nur das Dasein des Ego, das endlichen Dingen um ihrer selbst willen nachjagt und um den irdischen Hunger des Intellekts, des Körpers und der Sinne zu befriedigen. Jene, die sich diesem Drängen der Mentalität nach außen allzu sehr überlassen haben, fallen der niederen Art anheim, klammern sich an sie und machen sie zu ihrer Grundlage. Sie werden eine Beute der Natur des Rakshasa im Menschen, der alles der Befriedigung seines gewalttätigen und gesetzwidrigen gesonderten vitalen Ego opfert und dieses zur finsteren Gottheit seines Wollens, Denkens, Handelns und Genießens macht. Oder sie werden durch arroganten Eigenwillen, selbst-genügsames Denken, auf das eigene Interesse gerichtetes Handeln in ziellosem Kreislauf vorwärtsgetrieben, sich selbst befriedigend und doch nie zufriedengestellt in ihrem intellektualisierten Hunger nach Lust asurischer Art. Wenn wir aber hartnäckig in diesem gesonderten Ego-Bewusstsein leben und dieses zum Mittelpunkt all unserer Aktivitäten machen, verfehlen wir ganz und gar die wahre Selbst-Erkenntnis. Der Zauber, den das Ego auf die irregeleiteten Instrumente des Geistes wirft, ist ein Bann, der unser Leben fesselt, so dass es sich nutzlos im Kreise dreht. All sein Hoffen, Handeln, Erkennen sind leere, eitle Dinge, gemessen am göttlichen und ewigen Maßstab. Denn das schließt die große Hoffnung aus, macht das befreiende Handeln unmöglich, verbannt das erleuchtende Wissen. Es ist eine falsche Erkenntnis, die zwar die äußere Erscheinung sieht, aber die Wahrheit verfehlt, die hinter der äußeren Erscheinung steht. Es ist eine verblendete Hoffnung, die dem Vergänglichen nachjagt, aber das Ewige verfehlt. Es ist ein unfruchtbares Handeln, dessen Gewinn stets durch Verlust vernichtet und das so zur immerwährenden Sisyphusarbeit wird. (325-27)
9.12
All ihr Hoffen, Handeln und Wissen sind eitle Dinge. Sie sind in der Natur der Rakshasa und Asura daheim, die den Willen und die Intelligenz irreleiten.
9.13
Aber die großen Seelen, O Partha, die in der göttlichen Natur daheim sind, erkennen Mich (die Gottheit, die im menschlichen Körper ihren Sitz hat) als den Unvergänglichen, in dem alle Daseinsformen ihren Ursprung haben. So wissend, wenden sie sich zu Mir mit ganzer und vollkommener Liebe.
Die großen Seelen, die sich dem Licht und der Weite der göttlicheren Natur öffnen, zu der der Mensch fähig ist, gehen einsam auf diesem Pfad, der am Anfang eng, an seinem Ende unaussprechlich weit ist, der zur Befreiung und Vollkommenheit führt. Den Gott im Menschen heranwachsen zu lassen, ist des Menschen eigentliche Aufgabe. Dass er ständig die niedere Art des Asura und Rakshasa in die göttliche Art verwandelt, ist die sorgsam verhüllte Bedeutung des menschlichen Lebens. Indem er darin vorankommt, fällt die Hülle, und die Seele erkennt immer besser den tieferen Sinn des Handelns und die wirkliche Wahrheit des Seins. Das Auge öffnet sich für die Gottheit im Menschen und für die Gottheit in der Welt. Es schaut nach innen und erkennt immer besser im äußeren Bereich den unendlichen Geist, den Unzerstörbaren, der der Ursprung von allem Seienden ist, der in allem ist, durch den und in dem stets alles ist. Darum wird, wenn diese Schau, diese Erkenntnis die Seele ergreift, alles Streben des Lebens zu einer außerordentlichen Liebe und unauslotbaren Verehrung des Göttlichen und des Unendlichen. Das Mental geht ganz und gar auf im Ewigen, Spirituellen, Lebendigen, Allumfassenden, Wirklichen. Es wertet nichts um seiner selbst willen, es freut sich allein am all-beseligenden Purusha. Alles Reden und alles Denken wird zu einem einzigen Hymnus auf die universale Größe, das Licht, die Schönheit, Macht und Wahrheit, die sich dem menschlichen Geist in ihrer Herrlichkeit geoffenbart hat, und zur Verehrung der einen erhabenen Seele und unendlichen Person. All das lange Bemühen des inneren Selbstes, nach außen durchzustoßen, nimmt jetzt die Form eines spirituellen Ringens und eines Strebens danach an, das Göttliche in der Seele zu besitzen und im Wesen zu verwirklichen. Das ganze Leben wird zum beständigen Yoga und zur Einung von Göttlichem Wesen und menschlichem Geist. Dies ist die Art der integralen Gottesverehrung. Sie bewirkt einen einzigen Aufschwung unseres ganzen Wesens und unserer Art durch Opfern mit einem dem ewigen Purushottama geweihten Herzen. (327)
9.14
Sie verehren Mich ewig im Yoga, indem sie Mich stets anbeten, in ihrem spirituellen Bemühen standfest verharren und sich vor Mir mit Hingabe verneigen.
9.15
Auch andere Menschen spüren Mich auf durch das Opfer des Wissens. Sie verehren Mich in Meinem Einssein, in jedem gesonderten Wesen und in all Meinen Millionen universalen Gesichtern (mit denen Ich ihnen in der Welt und in deren Geschöpfen gegenübertrete).
Dies Wissen wird leicht zur Anbetung, zur tiefen Ergebenheit, zur umfassenden Selbst-Hingabe, zum integralen Selbst-Opfer. Denn es ist die Erkenntnis des Geistes, die Berührung mit dem Wesen, die Umarmung der erhabenen und allumfassenden Seele, die alles, was wir sind, für sich beansprucht, wie sie auch alle Schätze ihrer unendlichen Seins-Seligkeit in Fülle über uns gießt, wenn wir ihr nahen.
Auch der Weg des Wirkens wandelt sich In Anbetung und verehrungsvolle Selbst-Hingabe, da er ein ungeteiltes Opfern all unseres Wollens und seiner Betätigungen an den einen Purushottama ist. Der äußere vedische Ritus ist ein machtvolles Symbol, wirkungsstark für ein weniger hohes, gleichwohl noch himmelwärts gerichtetes Streben. Das wirkliche Opfer ist aber eine innere Darbringung, bei der der Göttliche All-Eine selbst zur rituellen Handlung, zum Opfer und zu jedem einzelnen Vorgang des Opferns wird. Alles Wirken und alle Formen dieses inneren Ritus sind Selbst-Verordnung und Selbst-Ausdruck seiner Macht in uns. Durch unser Streben steigen sie bis zum Ursprung von deren Kräften empor. Der Göttliche Einwohner wird selbst zur Flamme und zur Opfergabe, denn die Flamme ist der auf Gott gerichtete Wille, und dieser Wille ist Gott selbst in uns. Und auch die Opfergabe ist Gestalt und Kraft der unsere Art und unser Wesen bildenden Gottheit. Alles, was wir von ihm empfangen haben, wird dem Dienst und der Verehrung seiner eigenen Wirklichkeit, seiner erhabenen Wahrheit und diesem Ursprung dargebracht. (328-29)
9.16
Ich bin die Opferhandlung. Ich bin das Opfer. Ich bin die Opferspeise. Ich bin das Feuer spendende Kraut. Ich bin das Mantra und Ich bin die Butter. Ich bin die Flamme und die Opfergabe bin Ich.
9.17
Ich bin der Vater dieser Welt und auch die Mutter. Ich bin ihr Ordner und ihr erster Schöpfer. Ich bin der Gegenstand des Wissens, die heilige Silbe OM und ebenso die drei Veden Rik, Sama und Yajur.
9.18
Ich bin der Weg und das Ziel, der Erhalter, der Meister und der Zeuge, Haus und Land, Zuflucht und gütiger Freund. Ich bin Geburt, Bestand und Vernichtung des sichtbar gewordenen Seins. Ich bin der unzerstörbare Samen aller und ihr ewiger Ruheort.
9.19
Ich spende die Wärme. Ich halte den Regen zurück und schicke ihn wieder. Ich bin die Unsterblichkeit und auch der Tod, seiend und nicht-seiend, O Arjuna.
9.20
Von Mir erbeten jene den Weg zum Himmel, die den dreifachen Veda kennen, den Soma-Wein trinken, sich von der Sünde reinigen und Mich durch Opfer verehren. Wenn sie durch ihre Rechtschaffenheit zu den himmlischen Welten emporgestiegen sind, erfreuen sie sich im Paradies der heiligen Feste der Götter.
9.21
Nachdem sie die himmlischen Welten der Glückseligkeit genossen haben und der Lohn für ihre guten Werke aufgezehrt ist, kehren sie wieder in das sterbliche Dasein zurück. Da sie sich an die Tugenden halten, die durch die drei Veden eingeschärft werden, und die Befriedigung ihres Begehrens suchen, folgen sie dem Zyklus von Geburt und Tod.
9.22
Zu jenen Menschen, die Mich anbeten und dabei zum einzigen Gegenstand ihres Denkens machen, zu ihnen, die beständig im Yoga mit Mir geeint sind, bringe Ich von selbst jegliches Gute.
Auf folgende Weise lernte der vedische Ritualist alter Zeiten den exoterischen Sinn des dreifachen Veda: Er reinigte sich von Sünde, trank den Wein der Kommunion mit den Göttern und suchte durch Opfer und gute Taten die Belohnungen des Himmels. Der starke Glaube an ein Jenseits und das Suchen nach einer gotterfüllteren Welt sichert der Seele auf ihrem Weg die Kraft, die Freuden des Himmels zu erlangen, auf die ihr Glaube und ihr Suchen konzentriert waren. Doch führt das zwangsläufig zur Rückkehr in die sterbliche Existenz, da das wahre Ziel dieses Seins nicht gefunden und verwirklicht worden ist. Hier, nicht irgendwo anders, muss die höchste Gottheit gefunden, muss die göttliche Natur der Seele aus der unvollkommenen physischen Natur des Menschen heraus entfaltet, durch Einung mit Gott, Mensch und Weltall die ganze umfassende Wahrheit des Seins entdeckt, gelebt und müssen ihre Wunder sichtbar gemacht werden. Dadurch vollendet sich der lange Kreislauf unseres Werdens und verschafft uns ein erhabenes Ergebnis. Das ist die hohe Möglichkeit, die der Seele durch die Geburt als Mensch verliehen wurde. Bevor sie nicht verwirklicht ist, kann die Seele nicht ans Ende kommen. Der Gott-Liebende strebt ständig nach diesem höchsten, notwendigen Ziel unserer Geburt im Kosmos durch konzentrierte Liebe und Anbetung, durch die er das erhabene und universale Göttliche zum einzigen Zweck und Ziel seines Lebens macht – weder um egoistischer irdischer Befriedigung noch himmlischer Welten willen –, nur Gott zum ganzen Inhalt seines Denkens und Schauens. Die ganze Voraussetzung seines spirituellen Seins ist: auf nichts zu schauen als auf das Göttliche, jeden Augenblick mit ihm geeint zu sein, ihn in allen Geschöpfen zu lieben, in allen Dingen tiefe Freude am Göttlichen zu finden. Seine Gottes-Schau schließt ihn nicht vom Leben ab. Er entbehrt auch nichts von der Fülle des Lebens. Denn Gott selbst wird für ihn zum spontanen Überbringer alles Guten und all dessen, was er im Inneren und Äußeren bekommt und hat, yoga-kṣemaṁ vahāmyaham. Die Freude des Himmels und die Freude der Erde sind nur ein kleiner Schatten von dem, was er nun besitzt. Denn er wächst empor in das Göttliche und zugleich strömt das Göttliche auf ihn herab mit all dem Licht, der Macht und Freude eines unendlichen Seins. (331-32)
9.23
Selbst jene, die anderen Gottheiten hingebungsvoll und gläubig opfern, auch sie opfern Mir, O Sohn der Kunti, wenn auch nicht im Einklang mit dem wahren Gesetz.
9.24
Ich selbst bin es, der sich aller Opfer erfreut, und bin der Herr aller Opfer. Aber sie erkennen Mich nicht wahrheitsgemäß und fallen darum (zurück in den Zyklus von Geburt und Tod, d.Ü.).
9.25
Jene, die die Götter verehren, gehen hin zu den Göttern. Zu den (vergöttlichten) Ahnen gehen die Ahnen-Verehrer. Zu den Elementargeistern gehen jene, die den Elementargeistern opfern. Aber die Mich verehren, kommen zu Mir.
Jedes aufrichtige religiöse Fürwahrhalten und Handeln ist in Wirklichkeit ein Suchen nach der einen erhabenen und allumfassenden Gottheit. Denn Gott ist immer der alleinige Herr des Opfers und der Askese des Menschen und derjenige, der sich unendlich an seinem Bemühen und seinem Streben erfreut. Wie klein oder niedrig die Art seiner Gottesverehrung, wie begrenzt seine Idee von der Gottheit, wie ärmlich seine Gabe, wie schwach sein Glaube und sein Bemühen, hinter den Vorhang seiner egoistischen Verehrung und Begrenztheit durch die materielle Natur zu kommen, auch sein mögen, bildet dies alles dennoch ein Band der Verbundenheit zwischen der Seele des Menschen und der All-Seele, und es findet Widerhall. Doch entspricht die Antwort, die Frucht der Anbetung und Darbringung der Erkenntnis, dem Glauben und Wirken, sie kann nicht größer sein als deren Begrenztheiten. Darum wird dieses niedere Opfer unter dem Gesichtspunkt der höheren Gott-Erkenntnis, die allein die vollkommene Wahrheit von Wesen und Werden verleiht, nicht dargebracht im Einklang mit dem wahren und höchsten Gesetz des Opferns. Es gründet sich nicht auf die Erkenntnis des höchsten Gottes in dessen integralem Sein, auch nicht auf die wahren Prinzipien seiner Selbst-Manifestation. Vielmehr bindet es sich an äußerliche und partielle Erscheinungen, na mām abhijānanti tattvena. Darum ist dieses Opfer auch in seinem Zweck und Ziel beschränkt. Es ist zumeist in seinem Motiv egoistisch. Es ist in seiner Ausführung und der Darbringung partiell und voller Irrtum, yajanti avidhi-pūrvakam. Voraussetzung dafür, dass wir uns ganz bewusst überantworten, ist die ganzheitliche Schau des Göttlichen. Sonst blicken wir nur auf Dinge, die unvollständig und partiell sind, fallen zurück und müssen umkehren, um uns in höherem Suchen und in umfassendere Gott-Erfahrung auszuweiten. Folgen wir aber ausschließlich und mit unserem äußersten Einsatz dem Weg zur erhabenen und allumfassenden Gottheit, dann erlangen wir alles Wissen und alle Ergebnisse, die man auf anderen Wegen gewinnt; ohne durch einen einzigen Aspekt beschränkt zu sein, finden wir die Wahrheit Gottes in allen Aspekten. Diese Bewegung zum höchsten Purushottama umfasst alle Gestalten des göttlichen Wesens.
Die absolute Selbst-Hingabe, diese Überantwortung des ganzen konzentrierten Mentals stellt die Gita als die Krönung ihrer Synthese dar. Durch diese Gottesliebe wird jedes Wirken und Bemühen in eine Darbringung an die höchste und universale Gottheit verwandelt. (332-33)
9.26
Wer Mir mit Hingabe ein Blatt darbringt, eine Blume, eine Frucht oder einen Becher Wasser –, willkommen ist Mir das mit Liebe gegebene Opfer der strebenden Seele.
Hier nimmt schließlich der unbedeutendste Umstand des Lebens, die geringste Gabe aus dem, was wir selbst sind oder haben, die einfachste Betätigung göttliche Bedeutung an und wird zu einem wohlgefälligen Opfer an Gott, der mit diesem Mittel die Seele und das Leben des Gott-Liebenden in seinen Besitz nimmt. Da verschwinden die vom Begehren und vom Ego getroffenen Unterschiede. Da gibt es kein angestrengtes Ringen um das gute Ergebnis unseres Handelns und auch kein Zurückscheuen vor einem unglücklichen Resultat. Da alles Handeln und alles Ergebnis dem Höchsten anheimgegeben ist, dem stets alles Handeln samt seinen Früchten in der Welt gehört, besteht auch keine weitere Gebundenheit. Denn bei absoluter Selbsthingabe verschwindet alles egoistische Begehren aus dem Herzen. Es kommt zu einer vollkommenen Einung zwischen dem Göttlichen und der Seele des Einzelnen, weil diese auf ihr gesondertes Leben innerlich verzichtet. Alles Wollen, alles Handeln und alle Ergebnisse werden zum Wirken der Gottheit, auf göttliche Weise vollzogen durch die geläuterte und erleuchtete Natur und gehören nicht mehr dem begrenzten persönlichen Ego. Die so überantwortete begrenzte Natur wird zum freien Weg des Unendlichen. Die aus ihrer Unwissenheit und Begrenzung herausgehobene Seele kehrt zu ihrem spirituellen Wesen, zu ihrem Einssein mit dem Ewigen zurück. (333-34)
9.27
Was du auch immer tust, woran du auch immer Freude hast, was du auch immer opferst, was du auch immer gibst, welche Energie der tapasyā, welches Wollen und Bemühen der Seele du auch aufbringst –, mache es zu einer Darbringung an Mich.
9.28
Auf diese Weise sollst du befreit werden von guten und bösen Ergebnissen, die die Fesseln des Wirkens begründen. Wenn deine Seele durch solche Entsagung im Einssein mit dem Göttlichen ist, wirst du frei werden und zu Mir gelangen.
9.29
Ich (der Ewige Innewohnende) bin der Gleiche in allen Daseinsformen. Keine ist Mir lieb und keine verhasst. Jene aber, die sich mit Liebe und Hingabe Mir zuwenden, die sind in Mir, und Ich bin auch in ihnen.
Er ist niemandes Feind, aber auch niemandes parteiischer Liebhaber. Keinen hat er ausgeschlossen, keinen hat er für ewig verdammt; niemanden hat er durch Despotismus willkürlicher Laune begünstigt. Letztlich kommen in gleicher Weise alle zu ihm nach dem Durchlaufen ihrer Unwissenheit. Aber nur vollkommene Verehrung kann das Innewohnen Gottes im Menschen und des Menschen in Gott zu etwas Bewusstem machen und ihn zu wachsender und vollkommener Einung führen. Die Liebe zum Höchsten und völliges Sich-überantworten sind der kürzeste Weg dahin. (334)
9.30
Und selbst ein Mensch mit schlechter Lebensführung, der sich mit einziger und ganzer Liebe Mir zuwendet, muss nun als Heiliger gelten. Denn sein entschlossener Wille zur Bemühung ist der rechte und vollkommene Wille.
9.31
Rasch wird er zu einer Seele der Rechtschaffenheit und erlangt den ewigen Frieden. Dies ist Mein Wort der Verheißung, O Arjuna: Wer Mich liebt, wird nicht zugrunde gehen.
Mit anderen Worten: ein Wille der vollständigen Selbst-Hingabe öffnet weit alle Tore des Geistes und bringt als Antwort darauf dem menschlichen Wesen die völlige Herabkunft und Selbst-Hingabe der Gottheit. Das gestaltet sofort alles in uns um und passt es durch rasche Umwandlung der niederen in die spirituelle Art dem Gesetz des göttlichen Seins an. Der Wille der Selbst-Darbringung zwingt durch seine Macht den Vorhang zwischen Gott und Mensch hinweg. Er klärt jeden Irrtum auf und vernichtet jedes Hindernis. Jene, die in ihrer menschlichen Kraft durch Bemühung ihres Wissens, durch tugendhaftes Bemühen oder durch Bemühung um strenge Selbst-Disziplin nach Gott streben, wachsen mit Angst und Erschwernis zum Ewigen hin. Wenn die Seele aber ihr Ego aufgibt, wenn sie alles Wirken dem Göttlichen überlässt, kommt Gott selbst zu uns und nimmt unsere Last auf sich. Dem Unwissenden bringt er das Licht göttlichen Wissens, dem Schwachen die Macht göttlichen Willens, dem Sünder Befreiung durch göttliche Reinheit, dem Leidenden unendliche spirituelle Freude und Ananda. (334-35)
9.32
Die ihre Zuflucht zu Mir nehmen, O Partha, auch wenn sie Kastenlose sind, aus sündigem Schoß geboren, Frauen, Vaishyas, selbst Shudras –, auch sie gelangen zum höchsten Ziel.
Alle frühere Mühe und Vorbereitung, die Reinheit und Heiligkeit des Brahmanen, die erleuchtete Stärke des Königs-Weisen, der erhaben ist in Handeln und Wissen: sie alle haben ihren Wert, da sie es für das unvollkommene menschliche Geschöpf leichter machen, zu dieser weiten Schau und Selbst-Überantwortung zu gelangen. Aber auch ohne eine solche Vorbereitung finden alle, die Zuflucht nehmen beim göttlichen Liebhaber des Menschen, dass sich die Tore Gottes vor ihnen auftun: der Vaishya, der bisher nur auf sein enges Ziel ausgerichtet war, Reichtum zu erwerben und sich um die Produktion zu bemühen, der Shudra, der behindert ist durch tausend harte Einschränkungen, die Frau, die eingeschlossen und in ihrer Entwicklung behindert ist durch den engen Zaun, den die Gesellschaft um ihre Selbst-Ausweitung gezogen hat, und auch die Menschen, pāpa-yonayaḥ, denen ihr vergangenes Karma sogar die schlimmsten Geburten auferlegte, der Kastenlose, der Pariah, der Chandala. Im spirituellen Leben hören all diese äußeren Unterscheidungen auf. Die Menschen treffen sie so stark, weil sie mit unterdrückender Kraft an das äußere Mental appellieren. Sie verschwinden vor der ausgleichenden, unparteiischen Macht des göttlichen Lichts und seiner allmächtigen Weite. (335)
9.33
Um wie viel eher dann die heiligen Brahmanen, die Frommen und Königs-Weisen! Du nun, der du in diese vergängliche und unglückliche Welt gekommen bist, liebe Mich und wende dich Mir zu!
9.34
Werde Mir zugeneigt, Mein Liebender und Verehrender, ein Mir Opfernder, unterwerfe dich Mir. So im Selbst mit Mir geeint, wirst du zu Mir gelangen, da du Mich als dein höchstes Ziel hast.
Die Erden-Welt, so stark von den Gegensätzlichkeiten beherrscht und an die unmittelbaren vergänglichen Verhältnisse von Stunde und Augenblick gebunden, wird für den Menschen so lange zu einer Welt des Kampfes, Leidens und Kummers, als er den Dingen hier anhängt und akzeptiert, was sie ihm als das Gesetz seines Lebens auferlegen. Der Weg der Befreiung heißt: Umkehr vom Äußeren zum Inneren; weg von der äußeren Erscheinung, die durch das materielle Leben geschaffen wird und ihre Last dem mentalen Wesen auferlegt, das sie in den Gewohnheiten von Leben und Körper einsperrt, hin zur göttlichen Wirklichkeit die darauf wartet, sich durch die Freiheit des Geistes zu offenbaren. Die Liebe zur Welt, zur Maske, soll sich umwandeln in die Liebe zu Gott, zur Wahrheit. Wenn wir einmal diese geheime innere Gottheit erkannt und umarmt haben, wird unser ganzes Wesen und Leben höchsten Aufschwung und eine wunderbare Umwandlung erfahren. Statt befangen zu sein in der Unwissenheit der niederen Natur, die ganz aufgezehrt wird vom äußeren Wirken und von äußeren Erscheinungen, wird sich unser Auge öffnen für die Schau Gottes, der überall ist, für die Einheit und Universalität des Geistes. Leid und Schmerz der Welt werden in der Seligkeit des All-Seligen verschwinden. Unsere Schwäche, unser Irrtum und unsere Sünde werden in die allumfassende und alles wandelnde Stärke, Wahrheit und Reinheit des Ewigen umgestaltet. Sich aus dem weltlichen in das göttliche Sein erheben bedeutet, das Mental mit dem göttlichen Bewusstsein zu einen, das Ganze unserer emotionalen Natur überall zu einer einzigen Liebe zu Gott werden zu lassen, all unser Wirken als ein einziges Opfer dem Herrn der Welten darzubringen; all unsere Gottesverehrung und unser Streben zu einer einzigen Anbetung und Selbst-Übergabe an Gott zu machen; unser ganzes Selbst in völliger Einung auf Gott zu lenken. Das ist die Lehre der Gita von der göttlichen Liebe und Hingabe, in der Wissen, Wirken und die Sehnsucht des Herzens eins werden in höchster Vereinigung, im Verschmelzen all ihrer Unterschiede, im Sich-Verflechten all ihrer Fäden zu einem erhabenen einheitlichen Gebilde, zu einer umfassenden gleichsetzenden Bewegung. (335-36)
