8. Kapitel

Das erhabene Göttliche

In den letzten beiden Slokas haben wir gewisse Ausdrücke, die uns in knapper Form die hauptsächlichen wesenhaften Wahrheiten der Manifestation des höchsten Göttlichen im Kosmos darstellen. Es finden sich hier alle seine Aspekte als der Urheber und Bewirker, alles, was die Seele bei ihrer Rückkehr zum integralen Selbst-Wissen angeht. Da steht zuerst jenes Brahman, tad brahma; zweitens adhyātma, das Prinzip des Selbsts in der Natur; dann adhibhūta und adhidaiva, das objektive und das subjektive Phänomen des Seins, zuletzt adhiyajña, das Geheimnis des kosmischen Prinzips von Wirken und Opfern. Krishna sagt geradezu: Ich, der Purushottama, māṁ viduḥ, der Ich über all diesen Dingen stehe, muss dennoch durch sie alle gesucht und durch die Mittel ihrer Beziehungen zueinander erkannt werden –, und das ist der einzige, vollständige Weg für das Bewusstsein des Menschen, der seinen Weg zurück zu Mir sucht. Diese Begriffe sind aber zunächst an sich nicht ganz klar, oder sie lassen zumindest verschiedene Auslegungen zu. Sie müssen in ihrer vollen Bedeutung präzise erklärt werden. Darum bittet Arjuna, der Schüler, sofort um ihre Erläuterung. Krishna antwortet ganz kurz –, nirgendwo verweilt die Gita sehr lange bei einer rein metaphysischen Erklärung. Sie bietet nur so viel, und dies auf eine Art, dass die Erläuterung der Seele diese Wahrheit zu dem Zweck deutlich macht, dass sie zu ihrer Erfahrung weiterschreiten kann. (291-92)

8.1
Arjuna sprach:
Was bedeutet tad brahman (das Absolute), was ist adhyātma (das Selbst), und was ist karma (das Handeln), O Purushottama? Und was wird als adhibhūta bezeichnet und was als adhidaiva (als erschaffener und als göttlicher Bereich)?

8.2
Was bedeutet adhiyajña in diesem Körper, O Madhusudana? Und wie kannst Du im entscheidenden Augenblick des Hinscheidens vom körperlichen Sein von dem erkannt werden, der selbstbeherrscht ist?

8.3
Der Erhabene sprach:
Akshara ist der erhabene Brahman: svabhāva (Wesensart) wird adhyātma genannt; Karma ist der Name, der dem Schöpfungsablauf, visargaḥ, gegeben wird, der alle Wesen und ihre subjektiven und objektiven Zustandsformen ins Dasein ruft.

Hier finden wir die universalen Prinzipien einzeln aufgeführt. Jenes Brahman, ein Ausdruck, der in den Upanishaden mehr als einmal für das selbst-seiende Wesen, im Gegensatz zum phänomenalen, verwendet wird, bedeutet bei der Gita offensichtlich das unwandelbare Selbst-Sein, der höchste Ausdruck für das Selbst des Göttlichen, auf dessen unveränderliche Ewigkeit alles Übrige, alles, was sich bewegt und entwickelt, gegründet ist, akṣaraṁ paramam. Unter adhyātma versteht sie svabhāva, die spirituelle Art und das Wesensgesetz der Seele in der höchsten Natur. Karma ist der Name, der dem schöpferischen Impuls und der kreativen Energie, visargaḥ, gegeben wird, die die Dinge aus diesem ersten wesenhaften Selbst-Werden, diesem Swabhava, hervortreten lässt und unter ihrem Einfluss das kosmische Werden des Seienden in Prakriti bewirkt, erschafft und ausarbeitet. Unter adhibhūta ist das ganze Ergebnis des veränderlichen Werdens zu verstehen, kṣaro bhāvaḥ. Mit adhidaiva ist der Purusha gemeint, die Seele in der Natur, das subjektive Wesen, das als den Gegenstand seines Bewusstseins dieses ganze veränderliche Werden seines wesenhaften Seins beobachtet und genießt, das hier durch das Karma in der Natur ausgearbeitet wird. Unter adhiyajña, dem Herrn des Wirkens und Opferns, verstehe Ich, sagt Krishna, Mich selbst, das Göttliche, die Gottheit, den Purushottama, der hier insgeheim dem Körper all dieser verkörperten Daseinsformen innewohnt. Darum fällt alles, was ist, in den Bereich dieser Formel. (292)

8.4
Adhibhūta ist kṣaro bhāva (die veränderliche Natur), adhidaiva ist der Purusha. Ich selbst bin der Herr des Opfers, adhiyajña, hier in diesem Körper, O Bester der verkörperten Wesen.

8.5
Wer seinen Körper verlässt und zur Zeit seines Endes im Gedenken an Mich weitergeht, erlangt Mein bhāva (das des Purushottama, Meinen Wesenszustand). Daran gibt es keinen Zweifel.

8.6
Wer jedoch am Ende den Körper aufgibt und dabei an irgendeine Gestaltung des Seins denkt, der erlangt jene Gestalt, O Kaunteya, zu dem die Seele während ihres körperlichen Lebens innerlich herangewachsen war.

Der in die Welt hineingeborene Mensch wandert seine Kreise zwischen Welt und Welt unter dem Wirken von Prakriti und Karma. Seine Formel heißt, Purusha in Prakriti: Was die Seele in ihm denkt, erwägt und tut, immer wird er zu diesem. Alles, was er gewesen ist, bestimmt seine gegenwärtige Geburt. Und alles, was er in diesem Leben bis hin zum Augenblick seines Todes ist, denkt und tut, bestimmt das, wozu er in den Welten des Jenseits und in den Lebensabläufen, die er noch zu leisten hat, werden wird. Wie die Geburt ein Werden ist, so ist auch der Tod ein Werden, keinesfalls ein Aufhören. Der Körper wird aufgegeben, aber die Seele geht weiter ihrer Wege, tyaktvā kalevaram. Viel hängt also davon ab, was der Mensch im kritischen Augenblick seines Weitergehens ist. Denn jene Werde-Gestaltung, auf die sein Bewusstsein zur Zeit des Todes fixiert ist und von der er immer in seinem Mental und Denken vor dem Tod erfüllt war, muss er erlangen, da Prakriti durch das Karma die Gedanken und Energien der Seele ausarbeitet. Das ist in Wirklichkeit ihre eigentliche Arbeit. Wenn also die Seele im Menschen den Zustand des Purushottama zu erlangen sucht, muss der Mensch zwei notwendige Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen, bevor das möglich sein kann. Er muss zu seinen Lebzeiten auf der Erde sein ganzes inneres Leben auf dieses Ideal hin gestaltet haben. Und er muss seinem Streben und Wollen bei seinem Weitergehen treu bleiben. Krishna sagt: „Wer seinen Körper verlässt und zur Zeit seines Endes im Gedenken an Mich weitergeht, erlangt mein bhāva.“ Das ist dasjenige des Purushottama, dessen Seins-Zustand. Er ist mit dem ursprünglichen Sein des Göttlichen geeint. Das ist das höchste Werden der Seele, paro bhāvah, das letzte Ergebnis von Karma, wenn sie zu sich selbst und zu ihrem Ursprung zurückkehrt. Die Seele kommt heim zu jener wesenhaften Natur, nachdem sie hier das Spiel der kosmischen Evolution mitgemacht hat, das ihre wesenhafte, spirituelle Natur, ihre ursprüngliche Werde-Gestalt, svabhāva, verhüllt hatte, und wenn sie durch alle diese anderen Arten des Werdens ihres Bewusstseins hindurchgegangen ist, die nur ihre äußeren Erscheinungsformen, ihre Phänomene, sind, taṁ taṁ bhāvam. Durch diese Rückkehr findet die Seele ihr wahres Selbst, ihren wahren Geist. Sie erlangt den ursprünglichen Zustand als Seiendes, der, vom Gesichtspunkt der Rückkehr aus betrachtet, ein höchstes Werden ist, mad-bhāvam. In gewissem Sinn können wir auch sagen, sie wird Gott, da sie sich in einer letzten Transformation ihrer eigenen phänomenalen Natur und Existenz mit der Natur des Göttlichen eint.

Die Gita legt hier großes Gewicht auf das Denken und den Zustand des Mentals zur Zeit des Todes. Das ist für uns schwer verständlich, wenn wir nicht das anerkennen, was man die selbst-schöpferische Macht des Bewusstseins nennen könnte. Unser inneres Wesen will sich verwandeln in das, was das Denken, die innere Betrachtung, der Glaube, śraddhā, mit endgültigem Nachdruck festhält. Diese Tendenz wird zu einer entscheidenden Kraft, wenn wir zu jenen höheren spirituellen, aus dem Selbst entfalteten Erfahrungen weiterkommen, die weniger von den äußeren Dingen abhängig sind, als es unsere gewöhnliche, der äußeren Natur versklavte Psyche ist. Dabei können wir dann sehen, wie wir stetig immer mehr zu dem werden, worauf wir unser Mental fixiert halten und wonach wir ständig trachten. Darum bedeutet jedes Absinken des Denkens, jede Untreue des Gedenkens stets eine Verzögerung der Umwandlung oder ein Herabsinken in deren Ablauf und eine Rückkehr zu dem, was wir vorher gewesen sind, zumindest so lange, als wir unser neues Werden noch nicht in Substanz und unwiderruflich gefestigt haben. Ist das aber geschehen und für unsere Erfahrung zu etwas Normalem geworden, dann bleibt das Gedenken daran im Selbst gegenwärtig, da das nun zur natürlichen Form unseres Bewusstseins geworden ist. Im kritischen Augenblick, wenn wir die sterbliche Ebene des Lebens verlassen, wird ersichtlich, wie wichtig der dann erreichte Zustand unseres Bewusstseins ist. Solch eine rettende Macht kann aber nicht ein bloßes Gedenken erst auf dem Totenbett bewirken, wenn die ganze Grundhaltung unseres Lebens und unsere vergangene persönliche Lebensweise im Gegensatz dazu standen oder dies Gedenken nur ungenügend vorbereitet haben. Das hier vorgetragene Denken der Gita stimmt nicht überein mit den Ablässen und sakramentalen Gebräuchen populärer Religionen. Es hat nichts gemein mit den primitiven Vorstellungen, die die Absolution und letzte Ölung durch den Priester zu einem erbaulichen „christlichen“ Tod nach einem unerbaulichen profanen Leben, die Planung oder den Zufall eines Todes im geheiligten Benares oder am heiligen Ganges zu einer ausreichenden Mechanik der Erlösung machen. Das göttliche subjektive Werden, auf das sich das mentale Wesen im Augenblick des physischen Todes mit aller Kraft konzentrieren soll, yaṁ smaran bhāvaṁ tyajati ante kalevaram, muss schon vorher ein Zustand gewesen sein, in den die Seele jeden Augenblick während des physischen Lebens hineingewachsen war, sadā tad-bhāva-bhāvitaḥ. (294-96)

8.7
Darum gedenke Meiner zu allen Zeiten und kämpfe! Denn wenn dein Gemüt und dein Verstand immer fest auf Mich gerichtet und an Mich hingegeben sind, wirst du sicher zu Mir gelangen.

8.8
Denn wenn man immer seiner gedenkt mit einem Bewusstsein, das in einem unentwegten Yoga von ständiger Praxis mit ihm vereint ist, dann, O Partha, gelangt man zum göttlichen und erhabenen Purusha.

8.9-10
Dies erhabene Selbst ist der Seher, der Uralte der Tage, feiner als das Feinst-Stoffliche und (in der Schau und Weisheit seines ewigen Selbsts) der Meister und Gebieter allen Seins. Alle Dinge, die sind, setzt er in seinem Wesen an ihren rechten Ort. Unvorstellbar ist seine Gestalt. Er ist strahlend wie die Sonne jenseits von Dunkelheit. Wer zur Zeit seines Abscheidens an diesen Purusha mit unbewegtem Mental denkt, in seiner Seele gewappnet mit der Kraft des Yoga, in Bhakti eins geworden ist mit Gott und die Lebenskraft völlig emporgezogen hat und zwischen den Augenbrauen, dem Ort der mystischen Schau, konzentriert, er gelangt zu diesem höchsten, göttlichen Purusha.

Wir kommen hier zur ersten Beschreibung dieses höchsten Purusha –, der Gottheit, die noch mehr und größer ist als das Unwandelbare und der die Gita infolgedessen den Namen Purushottama gibt. Auch er ist in seiner zeitlosen Ewigkeit unwandelbar und steht weit jenseits aller Manifestation. Hier in der Zeit dämmern in uns nur flüchtige Ahnungen von seinem Wesen, die uns durch viele verschiedene Symbole und Verhüllungen mitgeteilt werden, avyakto kṣaraḥ. Trotzdem ist er nicht nur ein rein gestaltloses und ununterscheidbares Seiendes, anirdeśyam. Auch ist er nicht nur deshalb ununterscheidbar, weil er subtiler ist als die äußerste Feinheit, die unser Mental wahrnehmen kann, und weil die Gestalt des Göttlichen jenseits unseres Denkens ist, aṇor aṇīyāṁsam acintya-rūpam. (296)

Einung mit Gott durch Bhakti: Dies Geeintsein durch Liebe wird hier nicht durch die gestaltlose Vereinigung mittels der Erkenntnis überhöht; es bleibt bis zum Ende ein Teil der höchsten Kraft des Yoga. (297)

8.11
Diese erhabene Seele ist der unwandelbare, selbst-seiende Brahman, von dem die Veda-Kenner sprechen. Und er ist es, zu dem die Asketen eingehen, wenn sie die Neigungen ihres sterblichen Mentals hinter sich gelassen haben. Aus Verlangen nach ihm praktizieren sie die Kontrolle über die körperlichen Leidenschaften. Diesen Zustand will Ich dir jetzt in Kürze beschreiben.

Jene ewige Wirklichkeit ist die oberste Stufe, die Fußstütze, padam, des Wesens. Darum ist sie das höchste Ziel der Bewegung der Seele in der Zeit. Sie selbst ist aber an sich keine Bewegung, sondern ein ursprünglicher, ewig-dauernder und höchster Zustand, paraṁ sthānam ādyam. (297)

8.12-13
Wer alle Tore der Sinne verschlossen, das mentale Bewusstsein ganz in das Herz zurückgezogen, die Lebenskraft aus ihren diffusen Abläufen emporgenommen hat in das Haupt, die Intelligenz im Aussprechen der heiligen Silbe OM konzentriert und sein begreifendes Denken in der Erinnerung an die erhabene Gottheit, wer so seinen Körper aufgibt und weitergeht, gelangt zum höchsten Zustand.

Die Gita beschreibt den letzten Zustand des Mentals des Yogin, in dem er aus dem Leben durch den Tod hinübergeht in jenes höchste göttliche Sein… Das ist der festgelegte yogische Weg des Scheidens aus dem Leben, ein letztes Opfern des ganzen Wesens dem Ewigen, dem Transzendenten. Aber bis jetzt ist das nur der Verlauf des Vorgangs. Die wesentliche Voraussetzung ist das ständige, nicht abirrende Gedenken an das Göttliche im Leben, auch im Handeln, in der Schlacht – mām anusmara yudhya ca – und die Verwandlung des ganzen Lebensakts in einen ununterbrochenen Yoga, nitya-yoga. (297)

8.14
Der Yogin, O Partha, der sich Meiner ständig erinnert, der an niemand anderen denkt, der mit Mir im andauernden Einssein ist, findet es leichter, zu Mir zu gelangen.

8.15
Wenn diese großen Seelen zu Mir gekommen sind, kehren sie nicht wieder in die Geburt zurück, in den vergänglichen, leidvollen Zustand unseres sterblichen Wesens. Sie erreichen die höchste Vollkommenheit.

Der Zustand, den die Seele erlangt, wenn sie so aus dem Leben scheidet, ist ein suprakosmischer. Die höchsten Himmel der kosmischen Ebene sind einer Rückkehr zur Wiedergeburt unterworfen. Jener Seele aber, die aufbricht zum Purushottama, wird keine Wiedergeburt auferlegt. Darum wird jedes Ergebnis, das man aus dem sehnsuchtsvollen Streben nach Erkenntnis des unbestimmbaren Brahman erzielen kann, ebenso gewonnen durch dieses andere und umfassendere sehnsuchtsvolle Streben durch Erkenntnis, Wirken und Liebe nach der selbst-seienden Gottheit, nach ihm, der der Gebieter des Wirkens, der Freund der Menschheit und aller Wesen ist. Ihn so zu erkennen und ihn so zu suchen, fesselt uns nicht an die Wiedergeburt oder die Kette des Karma. Die Seele kann ihre Sehnsucht befriedigen und für immer dem vergänglichen und schmerzvollen Zustand unseres sterblichen Lebens entkommen. Und um dem mentalen Wesen dies Kreisen in der Runde der Geburten und das Entkommen aus ihr noch deutlicher zu machen, nimmt die Gita hier die alte Theorie von den kosmischen Zyklen an, die zu einem feststehenden Teil der indischen kosmologischen Erkenntnisse geworden ist. (297-98)

8.16
Die höchsten Himmel des kosmischen Plans sind noch der Rückkehr zur Wiedergeburt unterworfen. Jedoch wird keine Wiedergeburt jener Seele auferlegt, O Kaunteya, die zu Mir (dem Purushottama) kommt.

8.17
Jene, die einen Tag des Brahman, der eine Dauer von tausend Zeitaltern (Yugas) hat, und die Nacht, die tausend Zeitalter umschließt, kennen, sind die Kenner von Tag und Nacht.

Es gibt einen ewigen Zyklus von miteinander abwechselnden Perioden der kosmischen Manifestation und Nicht-Manifestation. Jede Periode wird dementsprechend ein Tag und eine Nacht des Schöpfers Brahma genannt. Sie sind an Zeit von gleicher Dauer. Der lange Äon, in dem er wirkt, dauert tausend Zeitalter. Der lange Äon, in dem er schläft, dauert weitere tausend schweigende Zeitalter. (298)

8.18
Beim Anbruch des Tages werden alle Manifestationen aus dem Nicht-Manifestierten heraus ins Dasein geboren. Beim Anbruch der Nacht vergehen sie alle oder werden in sie aufgelöst.

8.19
Diese Vielzahl von Daseinsformen tritt wieder und wieder hilflos in das Werden ein, wird zunichte gemacht mit dem Anbruch der Nacht, O Partha, und wird wieder ins Dasein geboren mit dem Beginn des Tages.

8.20
Aber dies Nicht-Manifestierte ist nicht die ursprüngliche Göttlichkeit des Seins. Es gibt noch einen anderen Zustand seines Daseins, einen supra-kosmisch Unmanifestierten, jenseits dieser kosmischen Nicht-Manifestation (der ewig in sich selbst ruht, kein Gegensatz zu diesem kosmischen Zustand der Offenbarung ist, aber weit darüber steht und, ihm ungleich, unveränderlich ist und ewig), der nicht gezwungen ist, zugrunde zu gehen mit dem Untergang all dieser Daseinsformen.

8.21
Dieser Zustand wird der Ungeoffenbarte, Unwandelbare genannt. Von ihm sprechen sie als von der erhabenen Seele und vom höchsten Zustand. Wer diesen erlangt, kehrt nicht zurück. Er ist Mein erhabener Ort im Sein.

Denn die Seele, die dorthin gelangt, ist dem Zyklus von kosmischer Manifestation und Nicht-Manifestation entronnen.

Ob wir nun diese kosmologische Auffassung annehmen oder zurückweisen – was von dem Wert abhängt, den wir dem Wissen der „Kenner des Tages und der Nacht“ beizulegen geneigt sind –, wichtig ist die Wendung, die die Gita ihr gibt. Man könnte sich leicht vorstellen, dass dies ewig nicht-manifestierte Sein, dessen Zustand offenbar nichts zu tun hat mit der Manifestation oder der Nicht-Manifestation, das ewig undefinierte und undefinierbare Absolute sein muss. Der geeignete Weg, zu ihm zu gelangen, wäre dann, dass wir loskommen von alledem, zu dem wir in der Manifestation geworden sind, dass wir nicht unser ganzes inneres Bewusstsein in einer kombinierten Konzentration der Erkenntnis des Mentals, der Liebe des Herzens, des Willens und der vitalen Lebenskraft unseres Yoga zu ihm emportragen. Besonders würde dann das Bhakti auf das Absolute unanwendbar erscheinen, da dieses leer ist von jeder Beziehung, avyavahārya. Die Gita besteht jedoch im nächsten Sloka darauf, dass – obwohl diese Zustandsform suprakosmisch und ewig ungeoffenbart ist – dieser höchste Purusha trotzdem durch Bhakti gewonnen werden muss… Mit anderen Worten dieser höchste Purusha ist nicht ein völlig beziehungsloses Absolutes, das fern und erhaben ist über unseren Illusionen. Er ist vielmehr der Seher, Schöpfer und Herrscher der Welten, kavim anuśāsitāram, dhātāram. Und nur, wenn wir Ihn als den Einen und als das Ganze erkennen und lieben, vaāsudevaḥ sarvam iti, sollten wir die erhabene Vollendung, die Vollkommenheit, die absolute Befreiung suchen, indem wir unser ganzes bewusstes Wesen in allen Dingen, allen Kräften, allem Wirken mit ihm einen.

Dann bringt die Gita einen eher eigentümlichen Gedanken, den sie von den Mystikern des frühen Vedanta übernommen hat. Sie nennt die verschiedenen Zeiten, zu denen der Yogin seinen Körper verlassen soll, je nachdem, ob er die Wiedergeburt sucht oder vermeiden will. (298-99)

8.22
Aber jener erhabene Purusha kann nur durch ein Bhakti gewonnen werden, das sich allein ihm zuwendet, in dem alle Wesen sind und durch den diese ganze Welt im Raum ausgebreitet wurde.

8.23
Jene Zeit will Ich dir noch erklären, O Bester der Bharatas, in der abscheidende Yogins nicht mehr zurückkehren, und auch jene, in der Yogins, die darin scheiden, wieder zurückkommen.

Welche psycho-physische Tatsache oder welcher Symbolismus hinter dieser Auffassung auch stehen mag1 –, sie stammt aus dem Zeitalter der Mystiker, die in jedem physischen Ding ein wirkungsstarkes Symbol für etwas Psychisches sahen und die überall einem Zusammenwirken zwischen beiden und einer Art von Identität zwischen Äußerem und Innerem, zwischen Licht und Wissen, dem Prinzip des Feuers und der spirituellen Energie nachspürten –, wir brauchen hier nur die Wendung zu beachten, mit der die Gita diesen Abschnitt beschließt: „Darum sei zu allen Zeiten im Yoga!“

Denn das ist schließlich das Wesentliche, dass wir unser ganzes Wesen eins werden lassen mit dem Göttlichen, so völlig und in jeder Beziehung eins, dass wir in natürlicher Weise und beständig fest und sicher in dieser Einung sind und dass wir so alles Leben, nicht nur das Denken und die Meditation, sondern auch das Handeln, die Arbeit und den Kampf zu einer ständigen Erinnerung an Gott machen. „Gedenke Meiner und kämpfe!“ bedeutet, dass wir das immer-gegenwärtige Denken an den Ewigen im Zusammenprall des Vergänglichen auch nicht einen einzigen Augenblick lang verlieren, das normalerweise unser mentales Wesen ganz gefangen nimmt. Das scheint schwer genug, fast unmöglich zu sein. Es ist in der Tat nur vollauf möglich, wenn wir die anderen Bedingungen erfüllen: Wenn wir in unserem Bewusstsein zu einem einzigen Selbst mit allen anderen geworden sind, zu einem einzigen Selbst, das für unser Denken stets das Göttliche ist, und wenn sogar unsere Augen und die anderen Sinne das Göttliche Wesen überall sehen und empfinden, so dass es uns zu gar keiner Zeit möglich ist, etwas nur als jenes zu fühlen und zu denken, das die unerleuchteten Sinne empfinden, sondern allein als die Gottheit, die zugleich in dieser Gestalt verborgen und geoffenbart ist. Und wenn unser Wille im Bewusstsein eins ist mit dem höchsten Willen und wenn jeder Akt von Willen, Mental und Körper so gefühlt wird, dass er von dorther kommt, dass er dessen Bewegung und ganz von ihm durchdrungen und identisch mit ihm ist, dann kann das, was die Gita fordert, vollständig getan werden. Diese Erinnerung an das Göttliche Wesen wird nicht mehr nur ein immer wieder unterbrochener Akt des mentalen Wesens sein, sondern die natürliche Voraussetzung all unserer Aktivitäten und in gewisser Beziehung die wirkliche Substanz unseres Bewusstseins. Der Jiva ist in den vollen Besitz seiner richtigen, natürlichen und spirituellen Beziehung zum Purushottama eingetreten. Nun ist unser ganzes Leben Yoga, Einssein, das vollendet ist und sich doch ewig neu vollendet. (299-300)

8.24-25
Diese Zeiten entsprechen den Gegensätzen von Feuer und Licht, Rauch und Nebel, Tag und Nacht, der hellen Hälfte des Mond-Monats und der dunklen, dem nördlichen und dem südlichen Wendekreis. Während des ersten von den Gegensatz-Paaren gehen die Kenner Brahmans in Brahman ein. Aber während des zweiten gelangt der Yogin in das „Mond-Licht“ und kehrt darum wieder in die menschliche Geburt zurück.

8.26
Es sind die hellen und die dunklen Pfade (in den Upanishaden werden sie der „Pfad der Götter“ und der „Pfad der Väter“ genannt). Den einen nimmt jener, der nicht mehr zurückkehrt; den anderen der, der wiederkehrt.

8.27
Der Yogin, der sie kennt, wird nicht in die Irre geführt. Darum, O Arjuna, sei zu allen Zeiten im Yoga.

8.28
Wenn der Yogin dies weiß, lässt er die Frucht aller verdienstlichen Werke, die in den Veden genannt werden, der Opfer, der Verzichtleistungen und wohltätigen Gaben, weit hinter sich und gelangt zum höchsten und ewigen Zustand.

1 Die Yoga-Erfahrung zeigt tatsächlich, dass es eine wirkliche psycho-physische Wahrheit hinter dieser Idee gibt, die aber sicherlich in ihrer Anwendbarkeit nicht absolut ist. Das heißt: Es handelt sich hier um den inneren Kampf zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis, wobei erstere dahin tendieren, dass sie ein natürliches Vorherrschen in den hellen Perioden des Tages oder Jahres, letztere jedoch in den dunklen Perioden besitzen. Und dieses Ringen um die Vorherrschaft mag dauern, bis der fundamentale Sieg gewonnen

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