Kapitel 9

Präzises Denken ohne Worte

Worte sind nicht gut und nützlich, außer sie bringen dich durch eine besondere Gnade in Kontakt mit der Sache. Nur in sich selbst besitzen sie keinen Wert.

In der Tat, die ideale Bedingung – die schon von einigen Leuten teilweise realisiert wurde, ist, die wesentliche Idee und sogar etwas, was über sie hinausgeht: den Zustand, den Zustand des Bewusstseins, des Wissens und der Wahrnehmung, – direkt durch die Schwingung zu übermitteln. Wenn du denkst, vibriert die geistige Substanz in bestimmter Weise im Einklang mit der Form, welche dein Bewusstsein deinem Gedanken gibt; und es ist diese Schwingung, die von dem anderen mentalen Geist erfasst werden sollte, wenn er gut eingespielt ist.

Worte dienen wirklich nur dazu, die Aufmerksamkeit des anderen Bewusstseins oder des anderen Bewusstseinszentrums zu wecken, damit es auf die Schwingung aufmerksam wird und sie empfängt; aber wenn es sie nicht beachtet und sie nicht in verhältnismäßiger Stille aufnehmen kann, kannst du kilometerweise Worte hervorbringen, ohne dich im Mindesten verständlich zu machen. Und es kommt eine Zeit, in der das Gehirn, das sehr aktiv bestimmte Schwingungen aussendet, nur klare und präzise Schwingungen empfangen kann. Sonst ist es eine vage Mischung von etwas Verworrenem und Undeutlichen, das den Eindruck einer wolkigen und wolligen Masse vermittelt und keinerlei Vorstellung hervorruft. Man spricht dann, der Ton wird klar gehört, aber er vermittelt nichts, – es ist keine Frage des Klanges, es ist eine Sache von Genauigkeit in den Schwingungen.

Wenn du deinen Gedanken auf sehr präzise Weise aussenden kannst, wenn es etwas Lebendiges und Bewusstes ist, das von deinem Bewusstsein ausgeht und auf das andere Bewusstsein treffen wird, wenn du sozusagen weißt, was du sagen möchtest, dann kommt es mit derselben Präzision an. Es erweckt die entsprechende Schwingung, und mit dieser dazu passenden Schwingung kommt der korrespondierende Gedanke oder die Vorstellung oder der Bewusstseinszustand, und ihr versteht euch. Aber wenn das Ausgesendete wollig und unpräzise ist, wenn du nicht genau weißt, was du sagen willst, wenn du selbst versuchst zu verstehen, was du sagen willst, und wenn andererseits die Aufmerksamkeit des Zuhörers nicht wach genug oder er mit etwas anderem beschäftigt ist, – nun, dann könnt ihr stundenlang miteinander sprechen und werdet euch überhaupt nicht verstehen!

Und tatsächlich ist es das, was überaus häufig geschieht. Wenn du im Bewusstsein der anderen das sehen kannst, was du versucht hast, ihnen mitzuteilen, gibt es dir immer das Gefühl von… du weißt, was Vexierspiegel sind? Hast du nie Vexierspiegel gesehen? Spiegel, die dich größer oder dicker erscheinen lassen, die einen Teil vergrößern und einen anderen verkleinern… Dir schaut eine groteske Karikatur deiner selbst entgegen. – Ja, dies ist genau das, was geschieht: im Bewusstsein der anderen Person findest du eine völlig groteske Karikatur dessen, was du gesagt hast. Und die Leute stellen sich vor, dass sie einander verstanden haben, weil sie den Klang von Worten gehört haben. Aber sie haben nicht kommuniziert.

Wenn du auch nur die geringste Wirkung auf die mentale Substanz ausüben möchtest, musst du deshalb lernen klar zu denken und nicht einen verbalen Gedanken hervorbringen, der sich auf Worte verlässt, sondern einen Gedanken, der ohne Worte auskommt, der ganz ohne Worte verstanden werden kann, der mit einer Realität korrespondiert, der Realität eines Bewusstseinszustandes oder eines Wissens. Versuche nur einmal ohne Worte zu denken, dann wirst du sehen, wo du stehst.

Hast du das nie versucht? Nun, dann versuche es.

Du hast ein absolut klares und genaues Verstehen dessen, was du anderen mitteilen willst, – es hat eine ganze bestimmte Schwingung, es hat die Kraft, der mentalen Substanz eine Form zu geben; und dann, hinterher, schmückst du es als Zugeständnis an die menschlichen Gewohnheiten mit einer Anzahl Worten aus, um zu versuchen – dort, auf einer viel tieferen Ebene – dieser Schwingung des Bewusstseins eine verbale Gestalt zu geben. Aber die verbale Gestalt ist gänzlich zweitrangig. Sie ist für die Kraft des Gedankens wie eine Art Hülle, eine sehr grobe.

Worte sind Worte. Im Grunde bedeuten sie nichts, außer es ist etwas dahinter. Hast du nie bemerkt, dass, wenn du mit bestimmten Menschen sprichst und dich dabei ziemlich klar ausdrückst, sie aber trotzdem nichts verstehen; und zu anderen sagst du nur zwei Worte, und sie verstehen sofort? Du hast dies nie erlebt? Nein? Ich habe oft die Erfahrung gemacht. Es hängst also nicht von der äußeren Form, den gesprochenen Worten ab, sondern von der Kraft des Gedankens, den man hineinlegt. Und je größer, stärker, präziser und klarer die Gedankenkraft, umso größer ist die Chance, dass das, was du gesagt hast, von Menschen verstanden wird, die diese Kraft empfangen können.

Wichtig ist, das Bewusstsein der Gegenwart zu bewahren. Das heißt, die Gegenwart muss konkret sein, – und dann ist alles, was man sagt – was immer man tun oder sagen mag – diese Gegenwart, die sich ausdrückt.