Kapitel 9

Intensität ohne Ungeduld

Eine der grundsätzlichen Erfordernisse für Erfolg in der Yoga-Sadhana ist utsāha, Eifer. Der Sucher muss den Anforderungen der Sadhana höchste Priorität geben, – er kann sie nicht einfach als eine seiner Interessen behandeln. Das spirituelle Leben wird das Hauptanliegen, und alles andere spielt eine wenn nicht beisteuernde, dann nebensächliche Rolle. Es versteht sich, dass das zentrale Streben allmählich auf alle Wesensebenen übertragen wird und Körper, Vital und Mental an der Bemühung teilnehmen.

Das Bemühen muss tatsächlich intensiv, aber nicht erschöpfend sein. Es sollte keinerlei Ungeduld geben. Intensität im Einsatz und im Geist gehört zur persönlichen Seite des Individuums. Ungeduld betrifft das Ergebnis, die Frucht, die nicht in den Händen des Individuums liegt. Es ist eine Anstrengung für etwas, das seine eigene Stunde hat. Ruhelosigkeit, Nervosität, Verzweiflung – die gewöhnlichen Folgen der Ungeduld – fördern die Situation nicht im Mindesten; im Gegenteil, sie beeinträchtigen sie, indem sie den ādhāra, die Basis, destabilisieren.

Das soll nicht heißen, dass man die Dinge leicht nimmt und sie einfach so laufen lässt. Eine gewisse Konzentration in der Bemühung und Zielgerichtetheit in der Einstellung sind notwendig. Es sollte nur kein fiebriges Ringen um Resonanz, eine Art Beanspruchen der Frucht der Bemühungen geben. Man sollte eine vertrauensvolle Haltung einnehmen und den Göttlichen Willen erwarten. Die Mutter sagt, dass es im Wesen ein Gleichgewicht zwischen intensivem Bemühen und ruhigem Vertrauen auf das Göttliche geben soll.

Die Upanishad sagt, dass das Selbst nicht allein durch Anstrengung erreicht werden kann; es ist die Wahl des Selbst, die entscheidend ist. Das Selbst offenbart sich nur dem, den es erwählt hat. Man muss geduldig die Stunde und die Billigung des Willens erwarten.

Und es kommt noch etwas hinzu. Ungeduld ist unyogisch. Die erste Anforderung an den Sadhak ist, wie von der Gita verkündet, Gleichmut, eine ruhige, unaufgeregte Gelassenheit. In den Traditionen einiger Vaishnava-Kulte wurde die Glorifizierung der Ungeduld als āturatā, starkes Verlangen nach dem Darshan des Herrn, übertrieben. Von solcher Ungeduld ergriffen zu werden, wird als positives Zeichen von Fortschritt gewertet. Eine normale Folge dieser Haltung war eine Kultur des abhimāna, des gekränkten Geistes, ein Gefühl von unerwidertem Anspruch auf das Göttliche. Man braucht nicht zu sagen, das solche Entwicklungen den Sadhak auf blinde emotionale Bahnen ohne Relevanz für das zentrale Ziel des Yoga leiteten.

Außerdem, betont die Mutter, führt Ungeduld zu Imitation. Das ist besonders der Fall, wenn wir eine Erfahrung suchen, z.B. eine Vision des Göttlichen, Erhellung des Wissens, Herabkunft von Macht oder was auch immer. Wenn im Wesen dieses ungeduldige Warten auf eine Erfahrung herrscht, gibt es einen subtilen Druck des Vitals auf die mentalen Fähigkeiten (zum Beispiel die Fähigkeit der Vorstellungskraft), das zu antizipieren, was ersehnt ist. Der Antrieb der Vorwegnahme, halbbewusst oder unbewusst, führt dazu, in uns ein Scheinbild der erwünschten Erfahrung zu schaffen. Dinge des Unterbewussten projizieren sich unter der treibenden Kraft der Ungeduld und die Tore sind für alle Arten von Pseudoerfahrungen geöffnet. Und in unserem Eifer, unserer Begeisterung für schnellen Erfolg, ergreifen wir die scheinbare Erfahrung und schließen uns in ihrem Zauber ein.

So eine Verwechslung wird möglich, weil die durch Ungeduld erzeugte Unruhe das Unterscheidungsvermögen des Seelischen im Inneren überdeckt. Und das ist noch nicht alles. Der Irrtum neigt dazu, sich zu vervielfachen, und eine positive Unwahrheit kommt ins Spiel. Wir beginnen in einer völlig subjektiven Welt zu leben, die keinen Bezug zur Wirklichkeit hat. Mit der Zeit hängen wir so an unserer Unwahrheit, dass wir auf jeden böse werden, der uns auf unseren möglichen Irrtum hinweist. Eine Sache führt zur nächsten, und wir verheddern uns.

Aus spiritueller Sicht ist Ungeduld kindisch, unreif. Es bekundet einen Mangel an Vertrauen in das Göttliche, eine fehlende Harmonie zwischen dem inneren friedvollen und frohen Wesen und der äußeren Person, die zwischen kühner Erwartung und schneller Enttäuschung hin und her gerissen ist.

Veröffentlicht im November 1983