Kapitel 9

Die Idee der Entsagung und des Nirvana in den Religionen

Diese Einstellung findet man überall auf der Welt, nach Ländern und Religionen verschieden formuliert, und als Reaktion auf die Unwissenheit dieser Einstellung habe ich geschrieben: „Allein eine Macht, die größer ist als die des Bösen, kann den Sieg erringen. Es ist kein gekreuzigter, sondern ein verherrlichter Körper, der die Welt retten wird.“ (CWM Vol. 15, p. 172) Natürlich kommt dieselbe Vorstellung auch in Indien vor, diese Idee des vollständigen Entsagens aller physischen Realität, die tiefe Verachtung für die materielle Welt, die als Illusion und Lüge angesehen wird. Sie lässt, wie Sri Aurobindo immer sagte, der unumschränkten Gewalt der feindlichen Kräfte freie Bahn. Wenn du dich aus der konkreten Realität davonmachst, um eine abstrakte und ferne Wirklichkeit zu suchen, überlässt du das ganze Feld konkreter Realisation der Disposition der feindlichen Kräfte – die sich ihrer bemächtigt haben und sie jetzt mehr oder weniger beherrschen –, um das zu verwirklichen, was Sri Aurobindo hier eine Null oder eine leere Einheit nennt – um also Herrscher über ein Nichts zu werden. Es ist die Rückkehr in das Nirvana. Diese Idee lebt überall auf der Welt, doch in unterschiedlichen Ausdrucksformen.

Der Grund liegt darin, dass man bis dahin dem Bösen mit Schwäche begegnet ist, mit einer spirituellen Kraft ohne jede Macht zur Transformation der materiellen Welt, so dass diese gewaltige Bemühung des guten Willens in einem kläglichen Misserfolg endete und sie die Welt in demselben Zustand des Elends, der Korruption und Falschheit gelassen hat. Man muss auf derselben Ebene wie jener, auf der die feindlichen Kräfte herrschen, eine größere Macht als sie haben, die imstande ist, sie in diesem Bereich vollkommen zu besiegen. Anders ausgedrückt, eine spirituelle Kraft, die in der Lage wäre, beides umzuwandeln, das Bewusstsein und die materielle Welt. Diese Kraft ist die supramentale Kraft. Dazu ist es notwendig, auf der physischen Ebene für ihr Wirken empfänglich zu sein und nicht in ein fernes Nirvana zu flüchten und dem Feind die unumschränkte Vollmacht über das Preisgegebene zu überlassen.

Weder Opfer noch Verzicht noch Schwäche können den Sieg erringen. Nur die Wonne kann es, eine Freude, die Kraft ist, die Ausdauer ist, die höchster Mut ist – die Wonne, die von der supramentalen Kraft kommt. Das ist weitaus schwieriger, als alles im Stich zu lassen und davonzulaufen. Es erfordert einen unendlich viel größeren Heldenmut – doch es ist die einzige Möglichkeit zu siegen.

Die ganze Schöpfung, diese ganze universelle Manifestation, erscheint allenfalls wie ein sehr schlechter Scherz, wenn man nur soweit kommen sollte. Warum anfangen, wenn es nur deshalb geschieht, um wieder auszusteigen! Was nützt es, soviel gekämpft, soviel gelitten, etwas geschaffen zu haben, das – zumindest in seiner äußeren Erscheinung – so tragisch und dramatisch ist, wenn es nur deshalb geschah, um uns beizubringen, wie man da wieder hinauskommt [und in das Nirvana eingeht]. Es wäre besser gewesen, gar nicht erst anzufangen.

Doch wenn man den Dingen ganz auf den Grund geht, wenn man sich nicht nur ohne allen Egoismus, sondern auch ohne Ego total gibt, ohne Vorbehalt, auf so vollständige und so uneigennützige Weise, die einen die Absicht des Herrn erkennen lässt, dann weiß man, dass die Schöpfung kein schlechter Scherz ist, dass die Schöpfung kein gewundener Weg ist, auf dem man, ein wenig angeschlagen, zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Ganz im Gegenteil geschieht es, um die gesamte Schöpfung in der Wonne des Seins, in der Schönheit des Seins, in der Größe des Seins, in der Majestät eines erhabenen Lebens zu unterweisen und sie die immerwährende, ständig fortschreitende Entwicklung dieser Wonne, dieser Schönheit, dieser Größe zu lehren. Dann hat alles einen Sinn, dann gibt es kein Bedauern mehr darüber, dass man gekämpft und gelitten hat. Man ist nur noch von dieser Begeisterung erfüllt, das göttliche Ziel zu verwirklichen, und man stürzt sich kopfüber in die Verwirklichung mit der Gewissheit des Zieles und des Sieges.

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