Kapitel 6

Minderwertigkeitsgefühle

Worte der Mutter

Wenn du etwas Rechtes zustande bringen willst, irgendeine Arbeit oder eine beliebige Kleinigkeit, ein Spiel spielen, ein Buch schreiben, ein Bild malen, musizieren oder ein Rennen laufen, ganz gleich was, wenn du es gut machen willst, musst du das werden, was du tust, und nicht eine kleine Person bleiben, die sich beim Tun zuschaut; denn wenn man sich dabei zuschaut, ist man mit dem Ego noch im Einverständnis. Gelingt es einem, selbst das zu werden, was man tut, so hat man einen großen Fortschritt gemacht. Auch in den kleinsten Einzelheiten muss man dies lernen. Nehmen wir ein vergnügliches Beispiel: eine Flasche aus einer anderen füllen; du sammelst dich (du kannst es als Disziplin, als Gymnastik üben), und wenn du dabei die zu füllende Flasche, die gießende Flasche und die Gießbewegung bist – solange du nur dieses bist –, geht alles gut. Wenn du aber das Pech hast, plötzlich zu denken: „Ah, das geht ja gut, ich mache das fein“, dann läuft es im nächsten Augenblick daneben! Darum ist Arbeit ein so gutes Mittel der Disziplin, denn wenn du eine Arbeit ordentlich machen willst, ist es nötig, dass du die Arbeit wirst und nicht mehr jemand bist, der die Arbeit verrichtet, sonst machst du nie etwas Rechtes. Wenn du jemand bleibst, „der arbeitet“, und außerdem die Gedanken schweifen lässt, dann kannst du sicher sein, dass dir beim Umgehen mit zerbrechlichen Dingen diese kaputtgehen, beim Kochen das Essen anbrennt, beim Spielen die Bälle ihr Ziel verfehlen! Insofern ist Arbeit eine großartige Disziplin. Denn willst du sie wirklich gut machen, dann ist dies die einzige Weise.

Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der ein Buch schreibt. Sieht er sich beim Schreiben zu, dann kannst du dir nicht vorstellen, wie fade das Buch wird; es riecht sogleich nach der kleinen menschlichen Person, die dort zugegen ist, und verliert seinen ganzen Wert. Wenn sich ein Maler dabei zusieht, wie er ein Bild malt, wird es niemals gut, sondern immer nur eine Art Projektion des Künstlers, ohne wirkliches Leben, ohne Kraft, ohne Schönheit. Wird er aber auf einmal zu dem, was er ausdrücken will, wird er das Malen, die Pinsel, die Leinwand, der Gegenstand, das Bild, die Farben, die Bedeutung, das Gesamte, ist er voll und ganz darin und lebt das, dann bringt er etwas Großartiges zustande.

Für alles, für gar alles gilt das Gleiche. Es gibt nichts, das nicht eine yogische Disziplin sein könnte, wenn man es ordentlich macht. Und umgekehrt nutzt sogar die Tapasya nichts und führt nirgendwohin, wenn sie nicht ordentlich geübt wird. Denn es ist auch damit dasselbe; wenn du dir beim Ausüben der Tapasya zuschaust und dich fragst: „Mache ich Fortschritte, geht es bald besser, werde ich Erfolg haben?“ … , dann wird dein Ego immer riesiger und nimmt schließlich so viel Platz ein, dass für etwas anderes kein Platz mehr bleibt…

Was am meisten dies Gefühl der Minderwertigkeit gibt, der Beschränktheit, der Kleinheit, des Unvermögens, ist stets diese Ichbezogenheit, dies Verharren in den Grenzen eines mikroskopischen Egos. Man muss sich weiten, die Türen aufsperren. Und am Besten kann man das tun, indem man sich auf das ausrichtet, was man tut, und nicht auf sich selbst.

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