Kapitel 5

Hast und Betriebsamkeit

Worte der Mutter

Betriebsamkeit, Eile und Unruhe führen nirgendwohin. Das ist Schaum auf dem Meer, viel Aufhebens, das nichts bewirkt. Die Menschen haben das Gefühl, dass sie nichts tun, wenn sie nicht immerfort überall herumrennen, sich in fieberhafte Tätigkeit stürzen, Gruppen, Gesellschaften und Bewegungen gründen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass all diese sogenannten Bewegungen irgendetwas ändern. Das ist gerade so, wie wenn man in einem Wasserglas umrührt; das Wasser gerät in Bewegung, aber es verändert sich dadurch in keiner Weise.

Diese Täuschung über das Tätigsein ist eine der größten Illusionen der menschlichen Natur. Sie schadet dem Fortschritt, weil sie einen ständig dazu treibt, sich stürmisch in irgendeine Unternehmung zu werfen. Wenn man doch nur das Täuschende, das Nutzlose von alledem einsehen würde, erkennen, dass nichts, aber auch gar nichts verändert wird. Nirgends kann man auf diese Weise etwas vollbringen. Die derart hierhin und dorthin hasten, sind das Spielzeug von Kräften, die Spaß daran haben, sie tanzen zu lassen, und diese Kräfte sind sicher nicht von der besten Sorte.

Alles, was auf der Welt getan worden ist, geht auf die kleine Anzahl jener zurück, die sich aus dem Betrieb heraushalten – in der Stille; denn sie sind die Werkzeuge der Göttlichen Macht und ihre dynamischen und bewussten Mittler; sie bringen die Kräfte herab, die die Welt umwandeln. Nur so werden die Dinge getan, nicht durch ruhelose Aktivität. Im Frieden, in Stille und in Ruhe ist die Welt erschaffen worden, und wann immer etwas wahrhaft zu erschaffen ist, muss es gleichfalls im Frieden, in Stille und in der Ruhe geschehen. Von großem Unwissen zeugt die Ansicht, man müsse vom Morgen bis zum Abend rastlos alle möglichen nichtigen Dinge betreiben, um etwas für die Welt zu vollbringen.

Um das Ausmaß der Täuschung zu sehen, genügt es, von diesen stürmischen Kräften einen Schritt Abstand zu nehmen und in die ruhigen Regionen einzutreten! Von dort aus sieht die Menschheit wie eine Masse blinder Geschöpfe aus, die in alle Richtungen hetzen, ohne zu wissen, was sie tun und warum sie es tun, und ständig übereinander stolpern und zusammenstoßen. Und das nennen sie Tätigkeit und Leben! Es ist bloß leere Betriebsamkeit, gewiss kein wirkliches Tätigsein und auch kein wahres Leben.

Ich sagte einmal, man müsse, um nutzbringend zehn Minuten lang zu reden, zehn Tage lang in der Stille bleiben. Ich könnte hinzufügen: um einen Tag lang nützlich zu handeln, muss man sich ein Jahr lang ruhig verhalten. Natürlich spreche ich nicht von den gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens, denn die sind nötig, es aufrecht zu erhalten; ich spreche von Menschen, die für die Welt etwas zu tun haben oder meinen, etwas zu tun zu haben. Und die Stille, von der ich spreche, ist die innere Gelassenheit, die nur jene haben, die handeln können, ohne sich mit ihrer Tätigkeit gleichzusetzen und sich in ihr zu verlieren, vom Lärm ihres eigenen Treibens betäubt und geblendet. Halte dich über deinem Tun, steige auf eine Höhe, die diese zeitlichen Bewegungen überragt; trete in das Bewusstsein der Ewigkeit ein. Dann wirst du wissen, was wirkliches Handeln ist.

Worte der Mutter

Wir – die Menschen, meine ich –, leben ruhelos. Da ist so etwas wie ein halbbewusstes Gefühl von der so kurzen Dauer ihres Lebens (sie denken zwar nicht daran, spüren es aber irgendwie); darum wollen sie ständig – rasch, rasch – sich von einer Sache auf die andere stürzen, schnell etwas erledigen, um zum nächsten überzugehen, statt dass jedes Ding in seiner eigenen Ewigkeit lebe. Immer will man vorwärts, vorwärts, vorwärts … Und man verdirbt die Arbeit.

Darum haben manche gelehrt: Der einzig wichtige Augenblick ist der gegenwärtige – faktisch ist das nicht wahr, aber psychologisch dürfte es stimmen. Das bedeutet, auf der Höhe seiner Möglichkeiten leben, in jeder Minute, ohne die nächste voraus zu bedenken, zu wollen, zu erwarten oder vorzubereiten. Denn man ist ständig in Eile, in Eile … und man macht nichts richtig. Und man ist in einer inneren Spannung, die vollkommen falsch ist – vollkommen falsch.

Alle, die nach Weisheit strebten, haben dies gelehrt (zum Beispiel die Chinesen, die Inder): in dem Gefühl der Ewigkeit zu leben. Auch in Europa hat man gesagt, man solle den Himmel, die Sterne kontemplieren und mit ihnen eins werden – alles Dinge, die einen weit und friedvoll machen.

Das sind Mittel, aber es ist unerlässlich.

Und ich habe dies in den Körperzellen beobachtet; sie sind sozusagen stets in Eile das zu tun, was sie zu tun haben, weil sie fürchten, nicht genug Zeit zu haben. So machen sie nichts ordentlich. Es gibt zappelige Leute (sie bringen alles durcheinander, ihre Bewegungen sind heftig und wirr), die dieses Hastige in hohem Masse an sich haben – schnell machen, schnell machen, schnell machen… Gestern klagte einer über rheumatische Schmerzen, und er meinte: „Ach, das lässt mich so viel Zeit verlieren, ich mache alles so langsam!“ Ich sagte (die Mutter lacht): „Na und?“ Er war nicht zufrieden. Klagen, wenn es einem weh tut, heißt, dass man weichlich ist, nichts weiter, aber sagen: „Ich verliere so viel Zeit, ich mache alles so langsam!“, das ist ein sehr klares Bild dieser Hetze, in der die Menschen sind – man schießt durchs Leben wie eine Kugel… wohin denn? … Kladderadatsch am Ende!

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