Kapitel 5

Askese und Armut sind nicht unser Ideal

Worte Sri Aurobindos

Es gibt natürlich auch die Idee der Askese, die für viele notwendig ist und die ihren Platz in der spirituellen Ordnung hat. Ich möchte behaupten, dass kein Mensch spirituell vollendet sein kann, solange er nicht asketisch zu leben oder ein Leben aufzunehmen vermag, das so karg ist wie das des ärmsten Einsiedlers. Das Verlangen nach Reichtum oder Gelderwerb darf natürlich nicht in seiner Natur vorhanden sein, ebensowenig die Gier nach Nahrung. Jegliche Bindung an diese Dinge muss aus seinem Bewusstsein entfernt werden. Doch ich halte die asketische Lebensweise nicht für unerlässlich zur spirituellen Vollendung oder mit ihr identisch. Es gibt sowohl den Weg der spirituellen Selbstmeisterung als auch den Weg des spirituellen Selbstgebens und der Hingabe an das Göttliche, das Abstreifen von Ego und Begehren selbst inmitten der Arbeit oder jeder Art von Arbeit, die das Göttliche von uns fordert. Wäre dies nicht der Fall, hätte es in Indien große spirituelle Menschen wie Janaka oder Vidura nicht gegeben. Es hätte selbst Krishna nicht gegeben, oder aber Krishna wäre nicht der Herr von Brindavan, Mathura und Dvaraka gewesen oder ein Prinz und Krieger oder der Wagenlenker von Kurukshetra, sondern lediglich ein weiterer großer Heiliger. Die indischen Schriften und die indische Tradition im Mahabharata und anderswo räumen sowohl einer Spiritualität der Zurückweisung des Lebens als auch dem spirituellen Leben der Tat einen Platz ein. Man kann nicht sagen, dass die indische Tradition nur eine der beiden Möglichkeiten darstellt und dass die Annahme des Lebens und der Werke aller Art, sarva karmani, unindisch, europäisch oder westlich und nicht spirituell sei.

Worte Sri Aurobindos

Wirf nicht überall in einer Zurschaustellung von Mildtätigkeit mit Almosen um dich. Verstehe und liebe, wo du hilfst. Lass die Seele in dir wachsen.

Worte Sri Aurobindos

Hilf den Armen, solange welche um dich sind, doch trachte auch danach und wirke dahin, dass es keine Armen mehr zu unterstützen gebe.

Worte Sri Aurobindos

Das Ideal der altindischen Gesellschaft verlangte vom Priester, dass er freiwillig einfach und rein lebe und die Gemeinde unentgeltlich unterweise, vom Herrscher, dass er regiere, den Schwachen Schutz gewähre, Krieg führe und sein Leben auf dem Schlachtfeld hinzugeben bereit sei, vom Kaufmann, dass er Handel treibe, Gewinn mache und von seinem Gewinn aus freien Stücken an die Gemeinschaft abgebe, und vom Knecht, dass er für die anderen und für materiellen Besitz arbeite. Als Ausgleich für seine Knechtschaft erließ man ihm die Bürde der Selbstverleugnung, den Blutzoll und die Besteuerung seines Eigentums.

Worte Sri Aurobindos

Das Vorhandensein von Armut ist der Beweis einer ungerechten und schlecht organisierten Gesellschaft, und unsere öffentlichen Wohltätigkeiten sind nur das erste langsame Erwachen des Gewissens eines Räubers.

Worte Sri Aurobindos

Valmekie, unser alter epischer Dichter, zählt zu den Zeichen eines gerechten und aufgeklärten Zustands der Gesellschaft nicht nur allgemeine Erziehung, Sittlichkeit und Spiritualität, sondern auch, dass niemand minderwertige Nahrung zu essen gezwungen ist, es keinen gibt, der ungekrönt und ungesalbt bleibt, und keinen, der als gemeiner und niedriger Sklave des Luxus lebt.

Worte Sri Aurobindos

Armut auf sich zu nehmen ist edel und förderlich für eine Gruppe oder einen Einzelnen, aber es wird verderblich und nimmt unserem Leben die Fülle und die Weite, wenn es perverserweise zum allgemeinen oder nationalen Ideal erklärt wird. Athen, nicht Sparta, ist das fortschrittliche Vorbild für die Menschheit. Das alte Indien mit seinem Ideal gewaltigen Reichtums und gewaltigen Gebens war das größte der Völker. Das moderne Indien mit seiner Neigung zu nationaler Askese ist völlig antriebslos geworden und in Schwäche und Entwürdigung gesunken.

Worte Sri Aurobindos

Armut ist ebensowenig eine Notwendigkeit für das gesellschaftliche Leben wie Krankheit für den natürlichen Körper. In beiden Fällen sind falsche Lebensgewohnheiten und Unkenntnis unserer wahren Organisation an einer vermeidbaren Unordnung schuld.

Worte Sri Aurobindos

Glaube ja nicht, dass die Menschen durch Befreiung von materieller Armut schon restlos glücklich und zufrieden wären oder die Gesellschaft ihrer Übel, Störungen und Probleme ledig wäre. Dies ist nur die erste und einfachste Notwendigkeit. Solange die Seele im Inneren mangelhaft organisiert ist, wird es immer äußere Unruhe, Unordnung und Umwälzung geben.