Kapitel 4
Die wahre Haltung zum Geld
Worte Sri Aurobindos
Du darfst dich weder in asketischer Scheu von der Geld-Macht abwenden, von den Möglichkeiten, die sie gibt, und den Dingen, die sie bringt, noch eine rajasische Anhänglichkeit ihr gegenüber hegen oder ihren Annehmlichkeiten gegenüber einen Geist von versklavender Maßlosigkeit pflegen. Betrachte Reichtum einfach als eine Macht, die für die Mutter zurückgewonnen und ihr zur Verfügung gestellt werden muss.
Aller Reichtum gehört dem Göttlichen, und die ihn besitzen, sind Treuhänder, nicht Besitzer. Heute ist er bei ihnen, morgen vielleicht anderswo. Alles hängt davon ab, wie sie das ihnen Anvertraute ausgeben, solange es bei ihnen ist, und in welchem Geist, mit welchem Bewusstsein und zu welchem Zweck sie es verwenden.
In deinem persönlichen Umgang mit Geld betrachte alles, was du hast oder erhältst oder einbringst, als das Eigentum der Mutter. Verlange nichts, aber nimm an, was du von ihr bekommst, und verwende es für die Zwecke, für die es dir gegeben wurde. Sei vollkommen selbstlos, vollkommen gewissenhaft, genau, sorgfältig im Detail, ein guter Treuhänder. Stets bedenke, dass es ihr Besitz ist und nicht der deine, mit dem du umgehst. Andererseits lege ehrfürchtig vor sie nieder, was du für sie erhältst. Verwende nichts davon zu deinen eigenen oder jemandes anderen Zwecken.
Schaue nicht zu Menschen ihres Reichtums wegen auf und lass dich nicht durch den Prunk, die Macht oder den Einfluss beeindrucken. Wenn du für die Mutter bittest, musst du fühlen, dass sie es ist, die durch dich ein klein wenig von dem verlangt, was ihr gehört, und der Mensch, den du fragst, wird sich durch seine Antwort selbst richten.
Wenn du dich vom verderblichen Einfluss des Geldes freihältst, ohne dich asketisch davon zurückzuziehen, wirst du darüber eine größere Verfügungsgewalt für die göttliche Arbeit haben. Gleichmut im Mental, Wunschlosigkeit und völlige Hingabe von all dem, was du besitzt und erhältst, sowie deine ganze Erwerbskraft für die Göttliche Shakti und ihr Werk sind die Zeichen dieser Freiheit. Jede Beunruhigung des Mentals im Hinblick auf Geld und seine Verwendung, jeder Anspruch, jede widerwillige Gewährung ist ein deutlicher Hinweis auf irgendeine Unvollkommenheit oder Bindung.
Ein in dieser Hinsicht idealer Sadhaka kann notfalls in Armut leben, und keine Regung eines Wunsches wird ihn berühren oder das ganze innere Spiel des göttlichen Bewusstseins beeinträchtigen. Gegebenenfalls kann er auch im Reichtum leben, ohne für nur einen Augenblick dem Begehren zu verfallen oder an seinem Reichtum und den Dingen, die er besitzt, zu hängen – oder der Zügellosigkeit zu erliegen oder in ein erbärmliches Festhalten der Angewohnheiten zu geraten, die der Besitz von Reichtum mit sich bringt. Ihm sind der göttliche Wille und das göttliche Ananda alles.
In der supramentalen Schöpfung muss die Geld-Kraft an die Göttliche Macht zurückgegeben und für eine wahre, schöne und harmonische Ausstattung und Ordnung einer neuen vergöttlichten vitalen und physischen Existenz verwendet werden, so wie es die Göttliche Mutter in ihrer schöpferischen Schau bestimmt. Zunächst aber muss diese Geld-Kraft für sie zurückerobert werden, und zu dieser Eroberung werden jene am besten befähigt sein, die in diesem Teil ihrer Natur stark und weit und frei vom Ego, ohne Anspruch oder Vorbehalt oder Zögern überantwortet sind – reine und machtvolle Kanäle für die Höchste Macht.

Worte Sri Aurobindos
Du sagtest in Bezug auf die Kräfte, die das Geld beherrschen, dass zwei Bedingungen notwendig seien. Erstens müsse man sehr ruhig sein, sich keine Sorgen machen und kein Verlangen nach Geld haben. Zweitens erfordere es bojhapada – ein Wissen über die universalen Kräfte. Was ist dieses Wissen?
Es gibt viele verschiedene Arten. Selbst im Falle eines einzelnen Menschen gibt es verschiedene Methoden, denen er folgen kann – ich meine in Bezug auf den Yoga. Als Erstes musst du Gott dein Bedürfnis darlegen und ihn bitten, es zu erfüllen. Hier endet deine Pflicht. In diesem Fall brauchst du kein bojhapada, kein Wissen über die universalen Kräfte.
Aber wir betrachten Geld als eine Macht des Göttlichen, und wie mit allem anderen wollen wir es für das Göttliche im Leben erobern. Also ist in unserem Fall ein „Wissen“ erforderlich. Da die Macht des Geldes sich in den Händen der feindlichen Kräfte befindet, müssen wir natürlich gegen sie kämpfen. Wann immer sie sehen, dass man sie ausschalten will, werden sie versuchen, die entsprechenden Bemühungen zu vereiteln. Man muss eine höhere Macht als diese anwenden, um sie außer Gefecht zu setzen. Als Erstes versuchen sie, einen hereinzulegen, indem sie einen mit Erfolg ködern – sie versuchen sozusagen, einen zu kaufen. Wenn ein Mensch in diese Falle gerät, ist seine spirituelle Zukunft dahin.
Man muss der Macht des Geldes wirklich in einem bestimmten Rhythmus folgen, dem Rhythmus, der Geld einbringt, und dem, der es nach außen wirft.
Anfangs wird einem Geld gegeben; dann muss man sich dessen würdig erweisen. Man muss beweisen, dass man es nicht verschwendet. Wenn man es verschwendet, verliert man sein Recht darauf.
Was ist Verschwendung?
Verschwendung ist Verschwendung: Geld planlos herauszuwerfen, willkürliche Ausgaben, ohne sich um deren Nutzen oder um die Möglichkeit zu kümmern, Geld einzunehmen. Es geht nicht darum, dass man Geld horten soll. Es ist da, um ausgegeben zu werden. Aber wir müssen es auf die richtige Weise ausgeben – mit einer gewissen Sorgfalt und entsprechender Planung.
Selbst Großindustrielle folgen diesem Rhythmus, von dem du sprachst, sobald sie Geld bekommen.
Natürlich tun sie das, sonst könnten sie nicht reich werden. Sie nehmen es ein und geben es wieder aus, dann kommt es zurück, und es wird erneut ausgegeben. Das ist der Grund, warum sie zu solch kolossalem Reichtum gelangen. Diese reichen Leute hängen oftmals nicht am Geld. Es ist das Wirken der vitalen Macht, die ihnen Freude bereitet, nicht ihr Geld.
Geld ist eine Bewegung des Lebens.
Ja. Das war das Ideal des Vaishya im Gegensatz zum Bania – dem Geizhals. Der Vaishya war ein Mann, der enormen Reichtum erlangen konnte und ihn großzügig auszugeben verstand, der so einen Austausch schuf und in den Rhythmus eintreten konnte.

Worte der Mutter
Sri Aurobindo spricht hier vom „erbärmlichen Festhalten der Angewohnheiten, die der Besitz von Reichtum mit sich bringt“.
Wer reich ist, wer viel Geld auszugeben hat, gibt es im Allgemeinen für Dinge aus, die er angenehm findet, und er gewöhnt sich an diese Dinge, er hängt sich an sie. Und verlässt ihn das Geld eines Tages, so fehlt es ihm, er ist unglücklich, fühlt sich elend und kommt sich ganz verloren vor, weil er das Gewohnte nicht mehr hat. Das ist eine Bindung, ein schwächliches Anhangen. Wer dagegen völlig gleichmütig ist, dem ist es recht, wenn er mit diesen Dingen lebt, und wenn sie ihn verlassen, so ist es ihm auch recht. Er ist beiden gegenüber vollkommen gleichgültig. Dies ist die wahre Haltung: Wenn das Geld da ist, macht er davon Gebrauch, und wenn es nicht da ist, kommt er ohne es aus. Für sein inneres Bewusstsein macht das keinen Unterschied.

Worte der Mutter
Den Streit um das Geld könnte man als den „Streit um das Eigentumsrecht“ bezeichnen, doch in Wahrheit gehört Geld niemandem. Diese Vorstellung, Geld zu besitzen, hat alles verzerrt. Geld sollte kein „Besitz“ sein: Wie Macht ist es ein zum Handeln gegebenes Mittel, doch muss es gemäß – wie wir es nennen – dem „Willen des Gebers“ verwendet werden, also in einer unpersönlichen und erleuchteten Weise. Ist man ein gutes Instrument, um Geld zu verbreiten und zu verwenden, kommt es zu einem, und zwar im Verhältnis der Fähigkeit, es so zu verwenden, wie es gedacht war. Das ist der richtige Vorgang.
Dies ist die wahre Haltung: Geld ist eine Kraft, die für die Arbeit auf Erden bestimmt ist, für die erforderliche Arbeit, die Erde so vorzubereiten, dass sie die göttlichen Kräfte empfangen und zu manifestieren vermag. Und diese Kraft – das heißt die Macht der zweckmäßigsten Verwendung des Geldes – muss in die Hände jener gelangen, die die klarste, umfassendste und wahrste Schau haben.
Vor allem – und das ist eine grundlegende Sache – darf man nicht das Gefühl haben, man besitze etwas. Denn was heißt das: „Es gehört mir.“? … Nun, ich verstehe nicht ganz. Warum wollen die Leute, dass es ihnen gehört? Damit sie es nach Belieben verwenden, damit tun können, was sie wollen, und sie es gemäß ihren eigenen Vorstellungen handhaben können? Genauso ist es. Andererseits gibt es Leute, die es irgendwo bunkern …, das aber ist eine Krankheit. Um sicherzugehen, es allzeit zu haben, horten sie es.
Würden die Leute aber verstehen, dass man wie eine empfangende und übermittelnde Station sein sollte… Je weiter das Verbreitungsgebiet ist, also genau das Gegenteil von persönlich, je unpersönlicher, umfassender und weiter, umso mehr Kraft vermag man zu halten. „Kraft“ ist hier übersetzt in das Materielle: Geldscheine und Münzen. Diese Macht festzuhalten steht im Verhältnis zur Fähigkeit, Geld in der besten Weise zu verwenden. In der „besten Weise“ heißt, in Begriffe des allgemeinen Fortschritts übertragen: der umfassendsten Schau entsprechend, der tiefsten Einsicht und der vernünftigsten, genauesten und wahrsten Verwendung, und zwar nicht für die entstellten Bedürfnisse des Egos, sondern für das allgemeine Bedürfnis der Erde, für ihre Entwicklung und Erschließung. Das bedeutet, die umfassendste Schau wird die größte Kapazität haben.
Hinter jeder falschen gibt es eine wahre Regung. Es gibt eine Freude, in einer Weise lenken, verwenden und organisieren zu können, dass es ein Minimum an Verschwendung und ein Maximum an Resultat gibt. So etwas ist eine sehr interessante Sicht. Und das muss die wahre Seite in jenen Menschen sein, die Geld anhäufen wollen: Es ist die Fähigkeit, es in sehr großem Umfang einzusetzen. Dann gibt es jene, die Geld sehr gerne besitzen und sehr gerne ausgeben. Das ist etwas anderes – sie sind von großzügiger Natur, weder geregelt noch organisiert. Doch die Freude, alle wahren Bedürfnisse, alle Notwendigkeiten befriedigen zu können, tut gut. Es ist wie die Freude, Krankheit in Gesundheit umzuwandeln, Falschheit in Wahrheit, Leiden in Freude. Es ist dasselbe, wie ein künstliches und törichtes Bedürfnis – das mit nichts Natürlichem übereinstimmt – in eine Möglichkeit umzuwandeln, etwas ganz Natürliches zu werden. Es ist so viel Geld nötig, um dieses oder jenes zu tun. So viel wird gebraucht, um dieses zu veranstalten, um das zu reparieren oder aufzubauen, um jenes zu organisieren – das ist in Ordnung. Und ich verstehe, dass die Leute gerne Kanäle sind, durch die das Geld genau dort hinfließt, wo es gebraucht wird…
Geld gehört nicht irgendjemandem. Geld ist ein gemeinschaftlicher Besitz, der nur von jenen verwendet werden sollte, die eine ganzheitliche, allumfassende und universale Sicht der Dinge haben. Ich würde dem noch etwas hinzufügen: Nicht nur ganzheitlich und allumfassend sollte diese Sicht sein, sondern im Grunde auch wahr – eine Sicht der Dinge, die den Unterschied erkennt zwischen einer Verwendung, die im Einklang mit dem universalen Fortschritt ist, und einer Verwendung, die man als unrealistisch bezeichnen könnte. Doch das sind Einzelheiten, denn selbst die Fehler und die Verschwendung helfen – von einem bestimmten Standpunkt aus gesehen –, dem allgemeinen Fortschritt: Das sind Lektionen, bei denen man Lehrgeld zahlt.

Worte der Mutter
Wenn einem der Gedanke kommt: „Ich möchte von meinem Geld den zweckmäßigsten Gebrauch machen.“ – und den zweckmäßigsten Gebrauch nicht nur in dem Sinn, wie der betreffende Herr oder die Dame sich die Zweckmäßigkeit vorstellen –, also, da kann man gespannt sein. Meistens – es gibt Ausnahmen –, meistens stellen die Leute, die viel Geld haben, eine Bedingung: Die Ausgabe muss ihnen wenigstens Befriedigung bringen, oder es muss ein Verdienst sein – dass sie zwar geben, dass sie aber auch etwas gewinnen. Wenn es keine Geschäftsleute sind, die ihr Geld geben, um noch mehr zu gewinnen, sondern Philanthropen, die Geld geben wollen, um der Menschheit zu einem Fortschritt zu verhelfen, haben sie immer, mehr oder weniger bewusst – aber meist sehr bewusst –, den Wunsch, dass ihnen das Ruhm, so etwas wie Befriedigung der Eigenliebe einbringt. Sie geben Geld für die Gründung einer Schule: Die Schule wird ihren Namen tragen. Sie errichten irgendwo ein Kulturdenkmal: Es muss angegeben werden, dass Herr Soundso das Geld dafür gegeben hat, und so fort. Als ich dabei war, das Golconde, eines der Gasthäuser im Ashram, zu bauen, traten Leute an mich heran oder schickten andere zu mir, um mir mitzuteilen: „Ich bin bereit, Ihnen soundsoviel zu geben, aber Sie müssen in einem Zimmer eine Marmortafel anbringen mit der Aufschrift: Dieses Zimmer ist eine Stiftung von Herrn Soundso.“ Da sagte ich: „Es tut mir leid, ich kann Ihnen schon Marmortafeln machen, aber damit pflastere ich mein Untergeschoss!“ So ist das.
