Kapitel 4
Die Gegenwart der Mutter
DIE STÄNDIGE GEGENWART
Lebe immer so, als ob du direkt unter dem Auge des Höchsten und der Göttlichen Mutter stündest. Versuche nichts zu tun, zu denken und zu fühlen, was der Göttlichen Gegenwart unwürdig wäre.
DIE PERSÖNLICHE UND UNIVERSALE
GEGENWART DER MUTTER
Du hast geschrieben: „Verhalte dich immer so, als ob die Mutter auf dich schaut; da sie, in der Tat, immer gegenwärtig ist.“ Du erklärtest mir, dies würde nicht bedeuten, sie sei physisch überall präsent, weil das unmöglich sei. Aber als ich die Mutter darüber befragte, sagte sie, dass sie persönlich überall zugegen ist. Wie vereinbaren sich diese widersprüchlichen Aussagen?
Falls du unter 'physisch' körperlich, in ihrem sichtbaren, greifbaren, materiellen Körper verstehst, ist es offensichtlich nicht möglich. Als du Mutter jene Frage stelltest, hat sie dich nicht so verstanden, als ob du dies meintest – sie sagte, sie könne überall präsent sein und meinte natürlich, in ihrem Bewusstsein. Es ist das Bewusstsein und nicht der Körper, welches das Wesen, die Person ausmacht; der Körper ist nur eine stützende Fassung und ein Instrument für das Wirken des Bewusstseins. Mutter kann persönlich in ihrem Bewusstsein zugegen sein. Die universale Präsenz ist natürlich immer vorhanden, und universell und persönlich sind zwei Aspekte desselben Wesens.
25-8-1936

Du hast gesagt: „Verhalte dich immer so, als ob die Mutter auf dich schaut; da sie, in der Tat, immer gegenwärtig ist.“ Heißt das, dass die Mutter jederzeit alle unsere unbedeutenden Gedanken kennt, oder nur dann, wenn sie sich konzentriert?
Es wird gesagt, dass die Mutter immer zugegen ist und dich sieht. Damit ist nicht gemeint, dass sie in ihrem physischen Mentalen immer an dich denkt und deine Gedanken sieht. Dazu besteht keine Notwendigkeit, da sie überall ist und überall aus ihrem universellen Wissen heraus handelt.
12-8-1933

In welchem Sinne ist die Mutter überall? Weiß sie alles, was auf der physischen Ebene geschieht?
Alles, einschließlich was Lloyd George heute zum Frühstück hatte, oder was Roosevelt zu seiner Frau über die Dienstboten bemerkte? Wieso sollte die Mutter auf menschliche Weise alles, was auf der physischen Ebene geschieht, 'wissen'? Ihre Aufgabe in ihrer Verkörperung liegt darin, das Wirken der universellen Kräfte zu kennen und sie für ihre Arbeit einzusetzen; was das Übrige angeht, weiß sie, was sie wissen muss, manchmal mit ihrem inneren Selbst, manchmal mit ihrem physischen Mentalen. Alles Wissen ist in ihrem universellen Selbst verfügbar, sie bringt aber nur hervor, was für die Vollbringung der Arbeit notwendigerweise hervorgebracht werden muss.
13-8-1933

Jemand sagte, dass die Mutter alle unsere physischen Bewegungen sieht. Wie geschieht das? Werden alle unsere physischen Bewegungen in ihrem Mentalen gespiegelt und sind dort als Bilder für sie sichtbar, oder treten sie in ihrem Bewusstsein gleichzeitig mit unserem Tun auf? Aber wäre das nicht sehr verwirrend und lästig für sie? Außerdem, wäre es nicht eine sehr materielle Form von Telepathie?
Es wäre nicht der Mühe wert. Mutter kann sehen, was Leute tun, durch Bilder, welche sie im subtilen Zustand empfängt, der Schlaf oder Konzentration entspricht, oder durch Bilder und Andeutungen, die sie im Normalzustand empfängt; aber selbst von dem, was auf diese Weise automatisch zu ihr kommt, ist vieles unnötig – und immerzu alles aufzunehmen wäre unerträglich störend, da es das Bewusstsein mit einer Million Trivialitäten besetzen würde – daher geschieht das nicht. Viel wichtiger ist es, den inneren Zustand der Leute zu kennen, und das ist es hauptsächlich, was zu ihr kommt.
29-6-1937

(Bezüglich eines bestimmten Vorfalls, der sich kürzlich ereignet hatte:) Ich hatte den Eindruck, dass Mutter über solche Sachen augenblicklich Bescheid wissen könnte. Manche sagen sogar, dass sie alles weiß – alles Materielle und Spirituelle. Andere behaupten, dass sie dann weiß, wenn es sich um etwas handelt, in dem Bewusstsein eine Rolle spielt, z.B. sexuelle Bewegungen etc., aber weniger, wenn es um materielle Dinge geht.
Du lieber Himmel! Du erwartest doch nicht, dass ihr Verstand eine faktische Enzyklopädie aller Geschehnisse auf sämtlichen Ebenen und in allen Universen ist? Oder selbst nur auf dieser Erde, z.B. was Lloyd George gestern Abend gegessen hat?
Angelegenheiten des Bewusstseins sind ihr natürlich immer bekannt, selbst in ihrem äußersten physischen Mentalen. Materielle Tatsachen kann sie wissen, muss es aber nicht tun. Richtig wäre zu sagen, dass sie wissen kann, wenn sie sich konzentriert, oder wenn ihre Aufmerksamkeit darauf gelenkt wird und sie zu wissen beschließt. Ich erfahre oft von ihr, was geschehen ist, bevor jemand darüber berichtet. Aber in der Regel kümmert sie sich nicht darum.
16-7-1935

Diese Frage bezüglich des Wissens von Mutter wurde für mich heute noch interessanter. Sie gab mir die Blume, die 'Disziplin' bedeutet. Ich begann mich zu fragen, warum diese bestimmte Blume gegeben wurde. Schließlich fiel mir ein, dass ich gestern nicht die richtige Disziplin eingehalten hatte, beim Essen mit X und Y.
In dieser Hinsicht wird die Mutter von ihren Intuitionen geleitet, die ihr sagen, welche Blume in diesem Moment angezeigt oder hilfreich ist. Manchmal sind sie begleitet von einer Wahrnehmung eines besonderen Bewusstseinszustandes, manchmal von der eines materiellen Umstandes; aber nur das bloße Vorkommnis, im allgemeinen z.B. – ohne eine nähere Angabe, dass es 'diese bestimmte Sache' war, die getan wurde, oder wie X oder Y ins Spiel kamen. Nicht, dass es nicht möglich wäre, aber es ist unnötig und geschieht nur im Falle einer Notwendigkeit.
16-7-1935

Die Mutter kann unsere Gedanken kennen, aber kann sie auch den exakten Wortlaut der Gedanken wissen?
Wenn der Verstand der Person sehr klar ist, ja; ansonsten kommt nur die Substanz durch, oder ein Teil des Gedankens, oder ein allgemeiner Eindruck.
19-5-1933

Was du über X schreibst, ist wahr … Ihr wird nicht klar, dass die Mutter alle diese Sachen auf andere Weise weiß, und jede Information, die man ihr gibt, nur zu dem, was sie bereits weiß, gewisse physische Präzisionen hinzufügt.
Wie kann sie offen sein, wenn sie solche Ideen über die Mutter hegt? Sie müssen sie notwendigerweise dem Einfluss der Mutter verschließen.
Die Mutter hat ihr geschrieben, dass Y nichts gesagt hätte, und dass sie, unabhängig von irgendeiner Information, Dinge über X wüsste, und zwar vom inneren Wesen von X selbst, das beständig zu ihr kommt und ihr sagt oder zeigt, was in seiner Natur vorhanden ist.
Außerdem sieht die Mutter Dinge in innerer Schau und empfängt die Gedanken der Sadhaks beim Pranam oder zu anderen Zeiten … Nur handelt die Mutter nie aufgrund dieser supraphysischen Hinweise, es sei denn, es gibt eine physische Bestätigung, wie in diesem Falle den Brief selbst. Denn niemand würde ihr Handeln verstehen – die Sadhaks, die im physischen Mentalen leben, würden ihr Handeln unbegründet nennen; und die Betroffenen würden lauthals – wie es viele in der Vergangenheit getan haben – ihre geheimen Gedanken, Gefühle und Aktionen verneinen. Ich sage dir das alles im Vertrauen, damit du verstehen kannst, was die wirkliche Grundlage von Mutters Brief an X ist.
10-9-1936
DIE EMANATIONEN DER MUTTER
Was ist die genaue Bedeutung Deiner Aussage: „Verhalte dich immer so, als ob die Mutter dich sehen würde; denn sie ist in der Tat immer gegenwärtig“?
Sie bezieht sich auf die Emanation der Mutter, die jederzeit mit jedem Sadhak ist. In früheren Tagen, als sie die Nächte in einer Trance verbrachte und nicht mit Arbeit im Ashram, brachte sie das Wissen von allem, was jedem widerfuhr, mit sich zurück. Heutzutage hat sie dafür keine Zeit.
16-7-1935

All dies ist sehr interessant; und ich vermute, Du selbst hast ebenso viele Emanationen. Ihr Zweck muss wohl sein, uns Schutz zu geben.
Ich bin mir keiner Emanation von mir bewusst. Was die der Mutter betrifft, sind sie nicht da zum Schutz, sondern, um die persönliche Verbindung oder den Kontakt mit dem Sadhak zu unterstützen und in dem Maße wirksam zu sein, als er es ihnen erlaubt.
16-7-1935

Bitte kläre uns etwas mehr auf über die Emanationen. Wie unterstützen sie die persönliche Beziehung? Ich dachte, alle persönlichen Beziehungen seien mit der Mutter direkt, nicht über einen Stellvertreter! Wenn X sagt, er fühle die körperliche Berührung der Mutter, mit wem hat er den Kontakt – mit der Mutter, oder mit der Emanation? Und dann, sind die verschiedenen Formen der Mutter, die man in Träumen sieht, auch ihre Emanationen?
Es ist furchtbar schwierig, über diese Dinge zu schreiben, denn ihr seid alle unwissend in diesen Dingen und missversteht bei jedem Schritt. Die Emanation ist kein Stellvertreter, sondern die Mutter selbst. Sie ist nicht an ihren Körper gebunden, sondern kann sich selbst aussenden (emanieren), auf jede ihr beliebige Weise. Was von ihr ausgesendet wird, passt sich der Natur der persönlichen Beziehung an, die sie mit dem Sadhak hat, die mit jedem anders ist, doch es ist immer sie selbst. Die Gegenwart der Emanation beim Sadhak hängt nicht davon ab, ob er sich ihrer bewusst ist. Wenn alles vom Oberflächenbewusstsein des Sadhaks abhinge, gäbe es nirgendwo eine Möglichkeit für das Göttliche Wirken. Der Menschen-Wurm bliebe der Menschen-Wurm, und der Menschen-Esel der Menschen-Esel, auf immer und ewig. Denn wenn es das Göttliche nicht geben könnte hinter dem Schleier, wie könnten sich beide je etwas anderem als ihrer Wurmhaftigkeit und ihres Eselstums bewusst werden, selbst über alle Zeiten hinweg?
(An den Rand neben der obigen Frage, „wenn X die Berührung der Mutter fühlt, mit wem hat er dann den Kontakt … ?“ schrieb Sri Aurobindo: „Mit der Mutter – wobei die Emanation hilft, was ihre Aufgabe ist.“)
19-7-1935

Wenn die Mutter auf den supraphysischen Ebenen arbeitet, geht sie zu jedem Sadhak in einer anderen Emanation.
11-12-1933

In einer Erfahrung im Traumzustand sehen wir manchmal die Mutter. Ist diese Form eine Emanation von ihr, oder ihr Körper selbst?
Eine Emanation. Wie kann ihr physischer Körper in einer Traum-Erfahrung gesehen werden?
7-7-1933

Während des Schlafes am Nachmittag scheine ich oft mit der Mutter in Kontakt zu kommen. Ist es die Mutter, die ihre Emanation aussendet?
Ja, oder genauer gesagt, etwas von ihr ist immer mit dir.
14-12-1933
DIE GEGENWART DER MUTTER
UND DAS GÖTTLICHE BEWUSSTSEIN
Gibt es einen Unterschied zwischen der Gegenwart der Mutter und dem Göttlichen Bewusstsein?
Man kann das Göttliche Bewusstsein unpersönlich einfach als ein neues Bewusstsein fühlen. Die Gegenwart der Mutter ist etwas, das mehr ist – man fühlt sie da gegenwärtig im Innern, oder über einem, oder um einen herum, oder all dies zusammen.
8-7-1935
DIE GEGENWART DER MUTTER IM INNERN
Er muss in sich gehen und die Gegenwart der Göttlichen Mutter im Innern, und das seelische Wesen hinter dem Herzen finden, und von dort wird das Wissen kommen und alle Macht, um die inneren Hindernisse zu beseitigen.

Die ständige Gegenwart der Mutter kommt durch Übung; die Göttliche Gnade ist essenziell für Fortschritt in der Sadhana, aber es ist die Übung, die die Herabkunft der Gnade vorbereitet.
Du musst lernen, nach innen zu gehen und aufhören, nur in den äußeren Dingen zu leben, musst Ruhe ins Mentale bringen und danach streben, gewahr zu werden, wie die Mutter in dir wirkt.

Wir glauben daran, dass die Mutter in uns allen die Sadhana tut, besonders durch das Herz; aber wie kommt es, dass wir das kaum fühlen? Es muss eine Art Schleier in uns geben.
Es ist ein Schleier, der verschwindet, wenn das Wirken der Mutter, wie auch ihre Gegenwart, zu allen Zeiten bewusst fühlbar wird.
7-1-1935

Wie und wann kann man die konkrete Gegenwart der Mutter jederzeit fühlen?
Erstens ist es eine Sache beständiger Aktivität des Psychischen, und zweitens der Konversion [Umwandlung] des Physischen und seiner Offenheit für innere supraphysische Erfahrung. Abgesehen vom Vitalen und seinen Tumulten stellt das Physische die Hauptschwierigkeit dar, eine Kontinuität von yogischem Bewusstsein und Erfahrung herzustellen. Wenn das Physische durchwegs transformiert ist – geöffnet und bewusst –, dann werden Stabilität und Kontinuität einfach.
16-10-1933

Es ist ganz richtig und Teil des richtigen Bewusstseins in der Sadhana, dass du dich in deinem Herzen zur Mutter hingezogen fühlst und nach der Vision und Verwirklichung ihrer Gegenwart strebst. Aber es sollte keinerlei Unruhe mit diesem Gefühl verbunden sein. Das Gefühl sollte von ruhiger Intensität sein. Das Gefühl der Gegenwart kann sich dann leichter einstellen und in dir wachsen.
DIE GEGENWART UND DAS ABBILD
Ist es wahr, dass alle Gewohnheiten und Bewegungen der niederen Natur verschwinden, wenn die Gegenwart (das Abbild) im Herzen wahrgenommen wird?
Das Abbild und die Gegenwart sind nicht dasselbe. Man kann die Gegenwart fühlen, ohne das Abbild zu sehen. Aber die Gegenwart im Herzen reicht nicht dazu aus, die Ergebnisse zu produzieren, von denen du sprichst; im ganzen Bewusstsein muss die Gegenwart vorhanden sein und die Kraft der Mutter, die jedes Handeln der Natur lenkt.
DIE GEGENWART VOR UNS
Während der abendlichen Meditation gab es eine intensive, vom Herzen kommende Regung der Hingabe. Ich hatte das Gefühl der Gegenwart der Mutter unmittelbar vor mir, und eine Aspiration stieg von unter den Füßen, von den Beinen, vom Muladhara-Zentrum auf; eine willige und liebende Ergebung war da, die vom Herzen, vom ganzen Wesen herkam, wie um erfüllt zu werden. Ich vermute, das psychische Wesen kam nach vorne. Aber warum fühlte ich die Gegenwart der Mutter vor und nicht in mir?
Du warst zu diesem Zeitpunkt in der psychischen Verfassung, und das bedeutet, dass der Einfluss des psychischen Wesens nach vorne kommt. Wenn die psychische Öffnung vollkommen ist, dann ist die Gegenwart da. Die Gegenwart vor dir bedeutet, dass sie zwar bei dir war, aber erst noch in dich eintreten musste.
13-7-1937
DIE GEGENWART IN DEN HERZSCHLÄGEN
Aber ich wüsste nicht, warum ich das Gefühl sentimental nennen, oder das Spüren der Gegenwart der Mutter in den Herzschlägen etc. für unwirklich halten sollte. Es war dir von deinem psychischen Wesen eingegeben, und die Reaktion zeigte, dass das Bewusstsein bereit war. Mutter spürte, dass etwas in dir in Gang gekommen war und hatte das Gefühl, es sei der Anfang einer Verwirklichung – die sie ermutigte und nicht entmutigte. Wenn es eine falsche oder vitale Bewegung gewesen wäre, hätte sie es nicht so empfunden.
13-8-1934
DIE GEGENWART WÄHREND DES TAGES
Wenn du die Gegenwart der Mutter die meiste Zeit des Tages spürst, heißt das, dass dein psychisches Wesen aktiv ist und so spürt; denn ohne die Aktivität des Psychischen wäre das nicht möglich. Dein psychisches Wesen ist also da und keineswegs weit entfernt.
14-3-1935
DIE GEGENWART IM SCHLAF
Es [das Gefühl der Gegenwart der Mutter im Schlaf] folgt von selbst auf die Gegenwart im Wachzustand, aber es dauert einige Zeit.
11-1-1935

Kann man, selbst im Schlaf, hellwach für die Gegenwart der Mutter sein?
Das geschieht wirklich, aber normalerweise erst, wenn das Psychische voll aktiv ist.
DIE GEGENWART WÄHREND DER ARBEIT
Es fällt den meisten Menschen nicht leicht, die Gegenwart der Mutter bei der Arbeit zu spüren – es kommt ihnen vor, als ob sie es sind, die die Arbeit tun, ihr Verstand macht sich an die Arbeit und hat nicht die richtige Passivität oder Ruhe.
DAS GEFÜHL DER GEGENWART
UND DES EINSSEINS MIT DER MUTTER
Eine solche notwendige Reihenfolge gibt es nicht, bei der man erst die Gegenwart spüren muss und erst dann fühlen kann, dass man der Mutter gehört; vielmehr ist es öfters die Zunahme des Gefühls, das die Gegenwart bringt. Denn das Gefühl rührt vom psychischen Bewusstsein her und das Wachsen des psychischen Bewusstseins ist es, das die ständige Gegenwart schließlich möglich macht. Das Gefühl kommt vom Psychischen und ist wahr für das innere Wesen – selbst wenn es im Ganzen noch nicht verwirklicht ist, kann man es deswegen doch nicht als Einbildung bezeichnen; im Gegenteil, je mehr es wächst, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze Wesen diese Wahrheit verwirklicht; das innere bhava-Gefühl nimmt immer mehr Besitz vom äußeren Bewusstsein und gestaltet es derart um, dass es dort ebenfalls eine Wahrheit wird. Dies ist das immerwährende Prinzip des Handelns in der yogischen Transformation – was im Inneren wahr ist, kommt nach außen und nimmt Besitz vom Mentalen und Herzen und Willen und setzt sich durch sie gegen die Unwissenheit der äußeren Wesensteile durch und bringt die innere Wahrheit auch dort heraus.
16-9-1936

Ich habe der Mutter ein Gebet auf Französisch geschrieben. Ihre Antwort darauf lautete: „Ouvres ton coeur et tu me trouveras deja la“ („Öffne dein Herz und du wirst mich dort bereits vorfinden“). Was heißt das genau?
Wenn eine gewisse Öffnung im Herzen da ist, findest du, dass das ewige Einssein dort schon immer vorhanden war, (dieselbe Verbindung, die du immer oberhalb im Selbst erfährst).
2-7-1935

Einige Sadhaks behaupten, dass sie mit der Mutter vereint sind. Ich frage mich, ob es nicht bloß ein Gefühl von Nähe zur Mutter ist, das sie manchmal haben.
Ich nehme an, sie versuchen die Gegenwart der Mutter zu spüren, und wenn sie eine Art Gefühl der Nähe bekommen, nennen sie es Einssein. Aber das ist natürlich nur ein Schritt hin zur Vereinigung. Einssein ist viel mehr als das.
5-3-1934

Du hast gestern geschrieben: „Das Offensein wird nicht bloß an Visionen gemessen“. Ganz richtig. Aber ein Verschmelzen der Strahlen der Sonne und des Mondes auf jeder Seite des Körpers zu haben und die Herabkunft und Gegenwart der Mutter in sich, hinter sich und über sich zu fühlen, ist das nicht eine außergewöhnliche Vision und Erfahrung? Kann sie stattfinden, ohne eine genügend große Öffnung zur Mutter zu haben?
Weshalb sollte es außergewöhnlich sein, Sonne und Mond auf beiden Seiten zu sehen, oder die Gegenwart der Mutter überall um sich zu spüren? Es gibt eine Menge Sadhaks, die diese oder ebenbürtige Erfahrungen hatten. Außergewöhnlich könnte es sein, die Gegenwart der Mutter immerzu auf diese Weise zu fühlen. Aber gelegentliche Erfahrungen wie diese hatten schon viele.
15-9-1936

Wenn ich meditiere, fühle ich eine Art Einssein mit dem Bewusstsein der Mutter; aber dieser Tage ist es überhaupt nicht möglich in der Meditation tief zu gehen. Ist es nicht möglich, dieses Gefühl von Einssein auch ohne Meditieren zu haben?
Das Wichtigste ist die Veränderung im Bewusstsein, zu der auch dieses Gefühl von Einssein gehört. Das Tiefgehen in der Meditation ist nur ein Mittel und nicht immer notwendig, wenn die großen Erfahrungen auch ohne das leicht kommen.
8-4-1934
AN DIE MUTTER SCHREIBEN
UND IHRE GEGENWART FÜHLEN
Das Gefühl der Gegenwart der Mutter oder ihrer Nähe hängt nicht davon ab, ob du schreibst oder nicht schreibst. Manche, die schreiben, fühlen sie oft nicht, andere, die selten schreiben, fühlen sie immer zugegen.
11-6-1936
VERSCHLEIERUNG VON MUTTERS GEGENWART
Die Gegenwart der Mutter ist immer da; aber wenn du beschließt, in eigener Regie zu handeln – gemäß deiner eigenen Vorstellung, deiner eigenen Auffassung von Dingen, gemäß deinem eigenen Willen und Verlangen in Bezug auf Dinge, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sich ihre Gegenwart verschleiert; nicht sie ist es, die sich von dir zurückzieht, sondern du bist es, der sich von ihr zurückzieht. Aber dein Mentales und Vitales wollen das nicht zugeben, weil sie immer damit beschäftigt sind, ihre eigenen Regungen zu rechtfertigen. Wenn dem Psychischen seine volle Vorherrschaft eingeräumt würde, könnte das nicht geschehen; es hätte die Verschleierung gefühlt, sich aber sogleich gesagt, „Ich muss etwas falsch gemacht haben, ein Nebel ist in mir aufgestiegen“, und es hätte gesucht und den Grund dafür gefunden.
25-3-1933

Die Gegenwart, deren Schwinden du bedauerst, kann nur gespürt werden, wenn das innere Wesen fortwährend geweiht bleibt und die äußere Natur in Harmonie versetzt, oder zumindest unter dem Einfluss des inneren Geistes gehalten wird.
Wenn du jedoch Dinge tust, die dein inneres Wesen nicht gutheißt, wird sich dieser Zustand allmählich trüben und die Möglichkeit, die Gegenwart zu spüren, wird sich mit jedem Mal verringern. Du musst einen starken Willen zur Läuterung haben und eine Aspiration, die nicht nachlässt und aufgibt, wenn die Gnade der Mutter vorhanden und wirksam sein soll.
