Kapitel 27

Warum ein progressives Universum?

Eigentlich könnte man das Problem für den praktischen Gebrauch so formulieren: Wenn Gott für Seine Schöpfung keinen progressiven Zustand ersonnen hätte, hätte man von Anfang an einen Zustand der Seligkeit, der Unbewegtheit und der Unwandelbarkeit haben können. Doch von dem Augenblick an, wo … wie soll man es erklären, ich weiß es nicht… Auf Grund der Tatsache, dass die Welt progressiv sein sollte, mussten die vollkommene Identität, die Seligkeit dieser Identität, das volle Bewusstsein dieser Identität notwendigerweise verhüllt werden, sonst hätte sich nie etwas gerührt.

Man kann sich eine statische Welt vorstellen. Man könnte etwas ersinnen, das „ganz gleichzeitig und auf einmal“ ist. Dass es keine Zeit gibt, dass es nur eine Art Objektivierung gibt – aber nicht eine Entwicklung, wo sich die Dinge fortschreitend eins nach dem anderen manifestieren, nach einem besonderen Rhythmus, sondern dass sie alle gleichzeitig, auf einmal manifestiert werden. Dann wäre alles in einem Zustand der Seligkeit, und es gäbe keine Welt, wie wir sie sehen, es fehlte da ein Element der Entwicklung, die … nun ja, in der wir jetzt leben.

Lässt man aber einmal dieses Prinzip gelten, dass die Welt progressiv ist, dass die Entwicklung progressiv ist, dass auch die Wahrnehmung progressiv ist, statt dass man alles zusammen und auf einen Schlag wahrnimmt, dann findet alles darin Platz. Und die künftige Vollkommenheit muss zwangsläufig als etwas der vorhergehenden Überlegenes und Höheres vorausgeahnt werden. Die Verwirklichung, der man zustrebt, muss notwendig derjenigen, die vorher erreicht worden war, überlegen erscheinen.

Und dadurch wird allem die Tür geöffnet – allen Möglichkeiten.

Sri Aurobindo hat es oft gesagt: Was in einem bestimmten Moment im Universum schön, gut, sogar vollkommen, wunderbar und göttlich erschien, kann jetzt nicht mehr so erscheinen. Und was uns selbst jetzt schön, wunderbar, göttlich und vollkommen erscheint, wird zu einer bestimmten Zeit in Dunkel gehüllt sein. Und ebenso gehören die Götter, die zu ihrer Zeit allmächtige Götter waren, einer Wirklichkeit an, die der Wirklichkeit der Götter von morgen unterlegen ist.

Und das ist das Zeichen dafür, dass das Universum ein progressives Universum ist.

Dies ist immer und immer wieder gesagt worden, aber es wird nicht verstanden, wenn von all den großen Epochen die Rede ist, dass sie wie eine Verkleinerung des universellen Fortschritts auf das menschliche Maß seien.

Aus diesem Grund verlässt man – tritt man in den Zustand ein, in dem alles, so wie es ist, vollkommen göttlich erscheint –, gleichzeitig die universale Bewegung. Das war es, was Menschen wie Buddha oder Shankara begriffen hatten. Sie haben es auf ihre Weise formuliert: Wenn man den Zustand verwirklichen könnte, wo einem alles vollkommen göttlich oder restlos vollkommen erscheint, würde man die universale Bewegung verlassen und in das Unmanifestierte eintreten.

Das stimmt. So ist es nun einmal.

Sie waren äußerst unzufrieden mit dem Leben, so wie es war, und sie hatten sehr wenig Hoffnung, dass es besser werden könnte. So war es für sie die ideale Lösung. Ich nenne das sich entziehen, nun ja … Es ist nicht so leicht! Doch für sie war es die ideale Lösung – bis zu einem gewissen Grad, weil … man muss vielleicht noch einen Schritt weitergehen.

Aber es ist eine Tatsache. Wenn man in der Welt bleiben will, muss man das Prinzip des Fortschritts anerkennen, weil es eine Welt des Fortschritts ist. Wenn man eine statische Vollkommenheit verwirklichen will, nun, dann wird man notwendigerweise von der Welt abgelehnt, weil man nicht mehr zu ihrem Prinzip gehört.

Es ist eine Entscheidung.

Nur, Sri Aurobindo sagte oft: Die Leute, die sich für das Verlassen der Welt entscheiden, vergessen, dass sie gleichzeitig das Bewusstsein verlieren werden, mit dem sie sich zu ihrer Entscheidung beglückwünschen könnten! Das vergessen sie.

Es ist offensichtlich, dass das, was sich uns als Fortschritt, als fortschreitende Manifestation dartut, nicht nur ein Gesetz der stofflichen Manifestation ist, so wie wir sie kennen, sondern das eigentliche Prinzip der ewigen Manifestation. Will man sich auf die Stufe des irdischen Denkens begeben, so kann man sagen, es gibt keine Offenbarung ohne Fortschritt. Was wir aber Fortschritt nennen, was für unser Bewusstsein „Fortschritt“ ist, ist dort oben … irgendetwas, eine Notwendigkeit, was immer man will – es gibt dabei etwas Absolutes, das wir nicht verstehen, eine Absolutheit des Seins: es ist so, weil es so ist. Doch für unser Bewusstsein ist es immer mehr, immer besser – diese Worte sind blödsinnig –, immer vollkommener, immer tiefer wahrgenommen. Dies ist das eigentliche Grundgesetz der Manifestation.

Einssein bedeutet Identität im Ursprung; aber in der Manifestation folgt jede Wesenheit ihrem eigenen Weg der bewussten Rückkehr zum Einssein.