Kapitel 26
Geschieht das Beste in jeder Minute?
Du sagst: „Würde man stets das Gefühl haben, dass unter allen Umständen das Beste geschieht, so hätte man keine Angst.“ Geschieht wirklich unter allen Umständen das Beste?
Es geschieht das Beste in Anbetracht des Zustands der Welt – nicht ein unbedingt Bestes.
Zweierlei gibt es: Auf allumfassende und unbedingte Weise geschieht in jedem Augenblick das Bestmögliche für das göttliche Gesamtziel, und für den, der bewusst dem göttlichen Willen verbunden ist, geschieht das Günstigste für seine eigene göttliche Verwirklichung.
Das dürfte die richtige Erklärung sein.
Dem Gesamten geschieht immer, in jedem Augenblick, das Günstigste für die göttliche Evolution. Und den bewusst dem Göttlichen verbundenen Elementen geschieht das Beste für die Vollendung ihrer Vereinigung.
Nur darf man nicht vergessen, dass es sich beständig im Wandel befindet, es ist nicht ein statisches Bestes; es ist eines, das, würde es bewahrt werden, im nächsten Augenblick schon nicht mehr das Beste wäre. Und weil das menschliche Bewusstsein stets dazu neigt, das für gut Befundene oder Gehaltene festlegen zu wollen, wird es gewahr, dass jenes nicht zu greifen ist. Dies Trachten nach Bewahrung ist es, was die Dinge verfälscht.
Ich habe das beobachtet, als ich die Einstellung Buddhas verstehen wollte, der der Manifestation ihre Unbeständigkeit vorwarf. Für ihn waren Vollkommenheit und Beständigkeit ein und dasselbe. Bei seinem Kontakt mit dem manifestierten Universum hatte er einen ewigen Wandel festgestellt, woraus er schloss, die manifestierte Welt sei unvollkommen und müsse verschwinden. Und da der Wandel (die Unbeständigkeit) im Unmanifestierten nicht besteht, sei jenes das wahre Göttliche. Indem ich nun diesen Punkt betrachtete, mich darauf konzentrierte, sah ich in der Tat, dass seine Feststellung stimmte: die Manifestation ist ganz und gar unbeständig, sie unterliegt einer dauernden Umwandlung.
In der Manifestation aber besteht die Vollkommenheit darin, eine Bewegung der Umwandlung oder Entfaltung zu haben, die mit der göttlichen Bewegung, der wesenhaften Bewegung identisch ist. Wogegen alles, was zur nichtbewussten oder tamasischen Schöpfung gehört, sein Dasein als immergleiches zu bewahren sucht, statt durch beständige Umwandlung zu dauern.
Aus diesem Grund haben gewisse Denker postuliert, die Schöpfung sei durch einen Irrtum entstanden. Doch finden sich alle möglichen Auffassungen: eine vollkommene Schöpfung, worauf eine „Verfehlung“ den Irrtum einführte; die Schöpfung selbst eine niedrige Bewegung, die, weil sie einen Anfang hatte, auch aufhören muss; dann das vedische Konzept wie es Sri Aurobindo erläutert hat: eine fortschreitende und unendliche Entfaltung oder Entdeckung – grenzenlos und endlos – des Gesamten durch Ihn Selbst … Natürlich sind das alles menschliche Interpretationen. Im Augenblick ist es, sobald man sich menschlich ausdrückt, noch eine menschliche Übertragung. Aber je nach der Einstellung des menschlichen Überträgers (also eine Einstellung, die die „Ur-Verfehlung“ oder den „Zufall“ in der Schöpfung annimmt, oder aber den bewussten höchsten Willen von Anbeginn in fortschreitender Entfaltung) sind die Folgerungen oder die Folgen für die yogische Ausrichtung verschieden … Es gibt die Nihilisten, die Nirvanisten und die Illusionisten, es gibt all die Religionen, die in der einen oder anderen Form eine teuflische Einmischung annehmen; dann den reinen Vedismus, die ewige Entfaltung des Höchsten in fortschreitender Vergegenständlichung. Und je nach seinem Geschmack steht man hier oder da oder dort, und es gibt noch Schattierungen. Aber nach dem, was Sri Aurobindo als die umfassendste Wahrheit empfunden hat – diese Anschauung von einem fortschreitenden Universum –, kommt man zu der Aussage, dass in jedem Augenblick das Bestmögliche für die Entfaltung des Gesamten geschieht. Das ist ganz und gar logisch. Und ich glaube, all die Widersprüche entstammen lediglich einer mehr oder weniger ausgesprochenen Neigung für dieses oder jenes, diesen Standpunkt oder jenen. All die Denker, die das Auftreten einer „Verfehlung“ oder einer „Verirrung“ annehmen, mit dem daraus folgenden Streit zwischen den zurück- und den vorwärtsziehenden Kräften, können natürlich die Möglichkeit in Abrede stellen. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass für den, der spirituell mit dem höchsten Willen oder der höchsten Wahrheit verbunden ist, notgedrungen in jedem Augenblick das Beste zu seiner persönlichen Verwirklichung geschieht. Das gilt für alle Fälle. Das schlechthin Beste kann nur derjenige annehmen, der im Universum die Entfaltung, die Selbst-Bewusstwerdung des Höchsten sieht.
Um die Wahrheit zu sagen: all diese Dinge sind nicht im geringsten wichtig; denn das, was ist, übersteigt völlig und unbedingt alles, was das menschliche Bewusstsein darüber denken kann.