Kapitel 25
Das Universum ist essenzielle Freude
Gott kann nicht aufhören, sich zur Natur niederzuneigen, noch der Mensch, zur Gottheit emporzustreben. Das ist die ewige Beziehung zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen. Scheinen sie sich voneinander abzukehren, so nur, um sich inniger zu begegnen.
Im Menschen wird sich die Welt-Natur ihrer selbst wieder bewusst, damit sie den größeren Sprung zu ihrem Genießer hin tun könne. Dieser Genießer ist es, den sie unwissentlich besitzt, den Leben und Empfindung besitzen und zugleich leugnen, den sie leugnen und zugleich suchen. Die Welt-Natur kennt Gott nur darum nicht, weil sie sich selbst nicht kennt; sobald sie das tut, wird sie die unvermischte Wonne des Seins kennen.
In der Einheit zu besitzen ist das Geheimnis, und nicht in ihr sich zu verlieren. Gott und Mensch, Welt und Jenseits werden eins, wenn sie einander kennen. Ihre Trennung ist die Ursache der Unwissenheit, wie Unwissenheit die Ursache des Leidens ist. (Sri Aurobindo, Thoughts and Glimpses)
Gemäß dem, was Sri Aurobindo hier sagt, ist die Wirklichkeit des Universums das, was man Gott oder Gottheit nennt, doch im Grunde ist sie tiefe Freude, Wonne. Die Welt wurde in der Freude und für die Freude erschaffen. Doch diese tiefe Freude kann nur im vollkommenen Einssein der Schöpfung mit ihrem Schöpfer bestehen, und Sri Aurobindo beschreibt dieses Einssein als den Besitzer – das heißt den Schöpfer –, als den Besitzer, der von seiner Schöpfung besessen ist, als eine Art von wechselseitigem Besitz, der das Essenzielle des Einsseins ausmacht und die Quelle aller Freude ist.
Aufgrund der Trennung – weil der Besitzer nicht mehr besitzt und der Besitz auch seinen Besitzer nicht mehr besitzt –, wurde die essenzielle Wonne in Unwissenheit verwandelt, und diese Unwissenheit ist die Ursache des ganzen Leidens. „Unwissenheit“ nicht etwa in dem Sinn, wie man sie normalerweise versteht, denn die nennt Sri Aurobindo Nichtwissen: Diese Unwissenheit ist eine Folge der anderen. Die eigentliche Unwissenheit ist die Unkenntnis über das Einssein, die Einheit und die Identität. Und diese ist die Ursache allen Leidens.
Seit der Trennung, als die Schöpfung den direkten Kontakt zum Schöpfer verlor, herrschte die Unwissenheit, und alles Leiden war die Folge davon.
Alle, die die innere Erfahrung gehabt haben, hatten das Erlebnis, dass von dem Augenblick an, in dem man die Einung mit dem göttlichen Ursprung wiederherstellt, alles Leiden verschwindet. Doch es hat eine sich lang dahinziehende Bewegung gegeben …, bei der nicht etwa die essenzielle göttliche Freude an den Ursprung der Schöpfung gesetzt wurde, sondern das Begehren. Diese Freude der Schöpfung, der Selbst-Offenbarung, des Selbst-Ausdrucks, wurde von einer ganzen Reihe von Suchern und Weisen nicht als Freude, sondern als Begierde betrachtet. Die ganze buddhistische Richtung zeugt davon. Und anstatt die Lösung in einem Einssein zu sehen, das einem die essenzielle Freude an der Manifestation und am Werden zurückgibt, sind sie der Meinung, dass das Ziel und zugleich der Weg in der völligen Zurückweisung jeglichen Begehrens und in der Rückkehr zum Nichtmehrsein liege.
Diese Vorstellung läuft auf ein grundlegendes Missverständnis hinaus. Die empfohlenen Methoden zur Selbst-Befreiung sind Methoden zur Entwicklung, die sehr nützlich sein können. Doch diese Vorstellung einer Welt, die essenziell schlecht ist, weil sie das Resultat der Begierde ist, und der man sich um jeden Preis und so schnell wie möglich entziehen muss, ist die größte und bedenklichste Entstellung des ganzen spirituellen Lebens in der Geschichte der Menschheit gewesen.
Sie konnte vielleicht zu einem bestimmten Zeitpunkt nützlich sein, denn in der Geschichte der Welt ist alles nützlich, doch diese Nützlichkeit ist vorbei, sie ist überholt, und es ist Zeit, dass man diese Vorstellung hinter sich lässt und zu einer grundlegenderen und höheren Wahrheit zurückkehrt, dass man wieder zurückkehrt zur tiefen Freude am Sein, zur Freude an der Einheit und der Manifestation des Göttlichen.
Diese Neuorientierung – ich möchte sagen, neu in ihrer irdischen Verwirklichung – muss alle vorausgegangenen spirituellen Richtungen ersetzen und den Weg zu der neuen Verwirklichung öffnen, die eine supramentale Verwirklichung sein wird. Und deshalb sagte ich, dass nur die Wonne, die wahre göttliche Freude, den Sieg erringen könne.
Natürlich darf es keine Unklarheit darüber geben, was diese Wonne, diese tiefe Freude ist, und deshalb hat uns Sri Aurobindo gleich zu Anfang gewarnt, dass man in die Glückseligkeit nur kommen könne, wenn man über das Genießen hinausgegangen sei. Die Glückseligkeit ist genau der Zustand, der aus der Offenbarung dieser Wonne hervorgeht. Doch sie ist ganz das Gegenteil von allem, was man normalerweise Freude und Vergnügen nennt, und man muss diese vollkommen aufgegeben haben, um das andere bekommen zu können.