Kapitel 2
Die Weiten und Tiefen unserer seelischen Komplexität
Eine an den Tod gebundene Winzigkeit ist nicht alles, was wir sind:
Unsterblich warten unsere vergessenen Weiten
In unserem obersten Selbst entdeckt zu werden;
Unermessliche Breiten und Tiefen des Seins sind uns zu eigen.
Dem unbeschreiblichen Geheimnis nah verwandt,
Mystisch, ewig in unverwirklichter Zeit,
Sind die Höhenlagen der Natur des Himmels Nachbarn.
Auf diese hochgelegenen Machtgebiete, unserem Forschen versiegelt,
Zu weit entfernt von den Poststraßen der äußeren Natur,
Zu hoch zum Atmen für unser sterbliches Leben,
Weist tief in uns eine vergessene Verwandtschaft hin
Und eine leise Stimme von Ekstase und Gebet
Ruft nach diesen schillernden verlorenen Unermesslichkeiten.
Auch wenn wir es versäumen in unsere Seele zu schauen
Oder im irdischen Bewusstsein eingebettet liegen,
Haben wir dennoch Wesensteile, die dem Licht entgegenwachsen,
Gibt es noch helle Gebiete und klare Himmel
Und Eldorados von Herrlichkeit und Ekstase
Und Tempel für die Gottheit, die keiner sehen kann.
Eine gestaltlose Erinnerung weilt noch in uns
Und manchmal, wenn unser Blick nach innen gerichtet ist,
Hebt sich der Unwissensschleier der Erde von unseren Augen;
Es gibt ein kurzes wunderreiches Entrinnen.
Diesen engen Randbereich begrenzter Erfahrung
Als Leben uns zugeteilt, lassen wir zurück,
Unsere kleinen Runden, unser ungenügendes Feld.
Unsere Seele kann in großen einsamen Stunden
Stille Regionen unvergänglichen Lichtes besuchen,
Allsehende Adlergipfel schweigender Macht
Und mondflammige Ozeane prompter unergründlicher Seligkeit
Und ruhige Unermesslichkeiten spirituellen Raumes.
Im Entfaltungsprozess des Selbstes
Wählt das unbeschreibliche Mysterium manchmal
Ein menschliches Gefäß für seine Herabkunft aus.
Ein Hauch aus überirdischer Luft weht herab,
Geboren ist eine Gegenwart, ein führendes Licht erwacht,
Eine Stille fällt auf die Instrumente hernieder:
Fest, regungslos wie ein Marmordenkmal,
Steinstill, ist der Körper ein Sockel,
Der eine Figur ewigen Friedens trägt.
Oder eine enthüllende Kraft stürmt flammend herein;
Aus einem weiten überirdischen Kontinent
Bricht Wissen durch, mit sich ziehend seine strahlenden Meere,
Und von der Macht, der Flamme bebt die Natur.
Eine größere Persönlichkeit nimmt manchmal
Von uns Besitz, die wir dennoch als unsere eigene erkennen:
Oder wir beten den Meister unserer Seele an.
Dann schrumpft das kleine körperliche Ego und fällt ab;
Nicht mehr beharrend auf sein gesondertes Selbst,
Verlierend die Förmlichkeit seiner gesonderten Geburt,
Lässt es uns eins sein mit Natur und mit Gott.
In Momenten, wenn die inneren Lampen leuchten
Und die lieb gewonnenen Gäste des Lebens draußen bleiben,
Sitzt unser Geist allein und spricht zu seinen Tiefen.
Ein weiteres Bewusstsein öffnet seine Tore dann;
Aus spirituellen Verschwiegenheiten dringt
Ein Strahl der zeitlosen Glorie ein und hält eine Weile inne,
Um mit unserem ergriffenen und erleuchteten Lehm zu verkehren
Und unserem Leben ihren großen weißen Stempel aufzuprägen.
In dem vergesslichen Bereich des sterblichen Mentals,
Offenbart den geschlossenen Prophetenaugen der Trance
Oder in einer tiefen inneren Einsamkeit
Von einem seltsam unstofflichen Sinn bezeugt,
Erscheinen die Signale der Ewigkeit.
Die Wahrheit, dem mentalen Geist unwissbar, enthüllt ihr Antlitz,
Wir hören, was sterbliche Ohren nie vernommen haben,
Wir spüren, was irdischer Sinn nie erspürt hat,
Wir lieben, was gewöhnliche Herzen abweisen und fürchten;
Zu einer strahlenden Allweisheit verstummt unser Mental;
Eine Stimme ruft aus den Gemächern der Seele;
Wir erleben die Ekstase der Gottheit Berührung
In goldnen Gemächern unsterblichen Feuers.
Vertraut sind diese Zeichen einem größeren Selbst,
Das von uns ungesehen in unserem Innern lebt;
Nur manchmal kommt ein heiligerer Einfluss daher,
Die Flut einer mächtigeren Brandung trägt unser Leben
Und eine göttlichere Gegenwart bewegt die Seele;
Oder es bricht etwas durch die irdischen Verhüllungen,
Die Anmut und Schönheit spirituellen Lichtes,
Die flüsternde Zunge eines himmlischen Feuers.
Uns selbst und hohes Fremdes, das wir spüren,
Das ist und waltet ungesehen, als wäre es nicht;
Es folgt den Linien einer immerwährenden Geburt,
Doch scheint es zu vergehen mit seiner sterblichen Gestalt.
Der Apokalypse gewiss, die da kommen wird,
Zählt es nicht die Augenblicke und die Stunden;
Erhaben, geduldig, ruhig sieht es die Jahrhunderte vergehen,
Wartend auf das langsame Wunder unserer Wandlung
In dem bedächtigen sicheren Verfahren der Weltkraft
Und dem langen Marsch der allenthüllenden Zeit.
Es ist der Ursprung und der Meisterschlüssel,
Ein Schweigen über dem Haupt, eine innere Stimme,
Ein im Herzen thronend lebendiges Bild,
Eine mauerlose Weite und ein unergründbarer Punkt,
Die Wahrheit all dieser kryptischen Darbietungen im Raum,
Das Wirkliche, wonach unsere Sehnsucht strebt,
Der geheime grandiose Sinn unseres Lebens.
Ein Schatz an Honig in den Waben Gottes,
Eine Herrlichkeit, die in einem dunklen Mantel brennt,
Ist dieses unsere Glorie von der Flamme Gottes,
Unser goldner Brunnen von der Welt Freude,
Eine im Umhang des Todes vermummte Unsterblichkeit,
Die Gestalt unserer ungeborenen Göttlichkeit.
Es wacht über unser Schicksal in inneren Tiefen,
Wo die ewige Saat vergänglicher Dinge schläft.
Immer tragen wir in uns einen magischen Schlüssel
Verborgen unter des Lebens fest verschlossener Hülle.
Ein flammender Zeuge im Heiligtum
Schaut durch die Zeit und die blinden Mauern der Form;
Ein zeitloses Licht ist in seinen verborgenen Augen;
Er sieht die geheimen Dinge, für die es keine Worte gibt,
Und kennt das Ziel der unbewussten Welt
Und das Herzstück des Mysteriums der reisenden Jahre.
I.4.14-125