16. Kapitel

Deva und Asura

Die Gita hat darauf bestanden, dass man alle Handlungen tun muss, sarvāṇi karmāṇi, kṛtsna-karmakṛt. Sie hat gesagt, in welcher Art der vollendete Yogin auch lebt und handelt; immer lebt und handelt er in Gott. Das kann nur sein, wenn auch seine Art in ihrer Dynamik und in ihrem Wirken göttlich wird und zu einer Macht, die unerschütterlich, unberührbar, unverletzlich, rein ist und durch die Reaktionen der niederen Prakriti nicht gestört wird. Wie und durch welche Schritte soll diese höchst schwierige Umwandlung bewirkt werden? Wie lautet dies letzte Geheimnis der Vollkommenheit der Seele? Welches ist das Prinzip oder der Prozess dieser Umwandlung unseres menschlichen und irdischen Wesens? (462)

Die sattwische Eigenschaft ist der erste Vermittler zwischen der höheren und der niederen Natur. In der Tat muss das Sattwa an einem gewissen Punkt sich selbst umwandeln oder sich selbst entkommen, sich zertrümmern und in seinen Ursprung auflösen. Sein durch die äußeren Bedingungen eingeschränktes, abgeleitetes Suchen nach Licht und sein sorgfältig konstruiertes Handeln, müssen sich in die freie, unmittelbare Dynamik und das unwillkürliche Licht des Geistes verwandeln. Inzwischen vermehrt sich aber die sattwische Macht in hohem Maß und befreit uns weithin von den uns untauglich machenden Wirkungen von Tamas und Rajas. Werden wir nun nicht zu sehr durch Rajas und Tamas herabgezogen, kann die eigene Untauglichkeit des Sattwa mit größerer Leichtigkeit überwunden werden. Bei dieser vorbereitenden Disziplin der Natur ist also erste Bedingung, das Sattwa so weit zu entwickeln, dass es von spirituellem Licht, von Ruhe und Glück erfüllt wird.

Wir werden sehen, dass das die ganze Absicht der verbleibenden Kapitel der Gita ist. Vor Betrachtung dieser erleuchtenden Bewegung unterscheidet sie aber zunächst zwei Arten von Wesen, Deva und Asura. Der Deva ist fähig zu einer hohen, sich selbst umwandelnden sattwischen Wirksamkeit; nicht so der Asura. Wir müssen erkennen, was die Absicht dieser einleitenden Darstellung und die Tragweite dieser Unterscheidung ist. Die allgemeine Art aller menschlichen Wesen ist dieselbe. Sie ist eine Mischung der drei Gunas. Es könnte so aussehen, als ob in allen sich die Befähigung finden müsste, das sattwische Element zu entwickeln und zu verstärken, um es dann aufwärts zu wenden zu den Höhen der göttlichen Transformation. Wir sollten meinen, unsere gewöhnliche Neigung, Vernunft und Willen zu Dienern unseres Egoismus nach der Art von Rajas oder Tamas zu machen, zu Gehilfen unseres ruhelosen und falsch ausgewogenen beweglichen Begehrens oder unserer dem Ego nachgebenden Stumpfheit und Trägheit, wäre nur ein vorübergehendes Merkmal unseres unentwickelten spirituellen Wesens, eine primitive Stufe in unserer unvollkommenen Entwicklung, die verschwinden muss, wenn unser Bewusstsein auf der spirituellen Leiter höher hinaufsteigt. In Wirklichkeit können wir aber sehen, dass Menschen, zumindest Menschen oberhalb eines gewissen Niveaus, weithin in zwei Gruppen zerfallen: in jene, bei denen die sattwische Art vorherrscht, die sich der Erkenntnis, Selbstbeherrschung, Güte und Vollkommenheit zuwendet, und solche, bei denen die rajasische Art vorherrscht, deren Tendenz auf egoistische Bedeutung, Wunschbefriedigung, Befriedigung ihres eigenen starken Willens und ihrer Persönlichkeit gerichtet ist, die sie der Welt aufzwingen wollen, nicht um Mensch oder Gott zu dienen sondern um ihres eigenen Stolzes, Ruhmes und Vergnügens willen. Das sind die menschlichen Repräsentanten der Devas und Danavas oder Asuras, der Götter und der Titanen. In der indischen Religions-Symbolik ist diese Unterscheidung sehr alt. Der grundlegende Gedanke des Rig Veda ist ein Kampf zwischen den Göttern und ihren finsteren Gegnern, zwischen den Herren des Lichts, den Söhnen der Unendlichkeit, und den Kindern der Zertrennung und der Nacht. Das ist eine Schlacht, an der auch der Mensch teilnimmt und die in seinem ganzen inneren Leben und in seinem Handeln ihren Widerschein findet. Dies war auch das fundamentale Prinzip der Religion des Zoroaster. Dieselbe Idee ist in der späteren Literatur vorherrschend. In seiner ethischen Absicht ist das Ramayana die Parabel von einem gewaltigen Ringen zwischen dem Deva in menschlicher Gestalt und dem verkörperten Rakshasa, zwischen dem Repräsentanten einer hohen Kultur, eines hohen Dharma und dem einer riesigen, zügellosen Kraft, einer gigantischen Zivilisation des übertriebenen Ego. Das Mahabharata, zu dem die Gita als Abschnitt gehört, hat als Thema einen lebenslangen Konflikt zwischen Devas und Asuras, den Menschen der Macht, den Söhnen der Götter, die vom Licht eines hohen ethischen Dharma geleitet werden, und ihren Gegnern, die verkörperte Titanen sind, Machtmenschen, die nur darauf aus sind, ihrem intellektuellen, vitalen und physischen Ego zu dienen. In den alten Zeiten war das Mental für die Wahrheit der Dinge hinter dem physischen Vorhang offener als das unsrige. Man sah hinter dem Leben des Menschen gewaltige kosmische Mächte oder Wesen, die bestimmte Seiten oder Grade der universalen Shakti darstellen: göttliche, titanische, gigantische, dämonische. Und die Menschen, die in sich diese Wesensarten in besonderem Maße repräsentierten, wurden als Devas, Asuras, Rakshasas, Pisachas angesehen. Die Gita hält sich für ihre Zwecke an diese Unterscheidung und behandelt ausführlich den Unterschied beider Wesensarten, dvau bhūtasargau. Sie hat früher schon von der Art gesprochen, die dem Asura und Rakshasa eigen ist, von Wesen, die sich der Gottes-Erkenntnis, der Erlösung und der Vervollkommnung widersetzen. Nun stellt sie diese der Art der Devas gegenüber, die den göttlichen Dingen zugeneigt ist. (469-70)

16.1-3
Der Erhabene sprach:
Dies sind die Reichtümer des Menschen, der in die Art des Deva hineingeboren wurde: Furchtlosigkeit, Läuterung des Temperaments, Beständigkeit im Yoga des Wissens, Geben, Selbstbeherrschung, Opferbereitschaft, das Studium der Schriften, Askese, Aufrichtigkeit und Geradheit, Nichtschädigung anderer, Wahrhaftigkeit, Freisein von Zorn, Selbstverleugnung, Ruhe, Freisein vom Suchen nach Kritik, Mitleid mit allen Wesen, Freisein von Habgier, Güte, Bescheidenheit, Freisein von Ruhelosigkeit, Energie, Versöhnlichkeit, Geduld, Reinlichkeit, Freisein von Neid und Stolz.

Die vornehme Güte der Deva-Art, ihre Selbst-Verleugnung und Selbst-Beherrschung sind frei von aller Schwäche: Sie bedeutet Energie und Seelenkraft, starke Entschlussfähigkeit, Furchtlosigkeit der Seele, die im Recht daheim ist und sowohl im Einklang mit der Wahrheit lebt wie mit der Absicht, niemandem Schaden zuzufügen, tejaḥ, abhayam, dhṛtiḥ, ahiṁsā, satyam. Das ganze Wesen, das ganze Temperament ist vollständig rein. Es gibt die Suche nach Erkenntnis und das ruhige und feste Sich-Verankern im Wissen. Das ist der Reichtum, die Vollkommenheit des Menschen, der in die Deva-Art hineingeboren wurde. (472)

16.4
Und dies, O Partha, ist der Besitz des Menschen, der in die Art des Asura hineingeboren wurde: Hochmut, Anmaßung, maßloser Eigendünkel, Zorn, Hartherzigkeit und Unwissenheit.

16.5
Die Eigenschaften des Deva führen zur Befreiung, die Eigenschaften des Asura zur Gebundenheit. Sei unbesorgt, O Pandava, du bist in die Art des Deva hineingeboren.

Der Lehrer sagt, Arjuna ist von der Art des Deva. Er braucht sich nicht mit dem Gedanken abzuquälen, er gebe den Impulsen des Asura nach, wenn er Kampf und Schlacht annimmt. Die Aktion, um die sich alles dreht, die Schlacht, die Arjuna auf Befehl des Herrn der Welt, der ihm als der Zeit-Geist erscheint, auszukämpfen hat, wobei die inkarnierte Gottheit als sein Wagenlenker fungiert, ist ein Kampf, um das Königtum des Dharma aufzurichten, das Reich der Wahrheit, des Rechts und der Gerechtigkeit. Er selbst ist in die Art des Deva hineingeboren. Er hat in sich das sattwische Wesen entwickelt, bis er jetzt an einen Punkt gekommen ist, wo er zu hoher Umwandlung und zur Befreiung von traiguṇya, deshalb auch von der sattwischen Natur fähig ist. (470-71)

16.6
Es gibt zwei Arten von Geschöpfen in dieser materiellen Welt: die von der Art der Devas und die von der Art der Asuras. Die Natur des Deva habe Ich dir ausführlich beschrieben. Höre nun, O Partha, auch über die Natur des Asura.

Die Unterscheidung zwischen dem Deva und dem Asura lässt sich aber nicht auf die ganze Menschheit anwenden, sie ist nicht in strengem Sinn für alle Individuen zutreffend. Und sie ist auch nicht auf allen Stufen der moralischen und spirituellen Geschichte der Menschheit oder in allen Phasen der individuellen Entwicklung scharf umrissen und endgültig. Der tamasische Mensch, der einen so großen Teil des Ganzen ausmacht, fällt unter keine der beiden Kategorien, wie sie hier beschrieben werden, obwohl er in geringem Umfang beide Elemente in sich haben kann und größtenteils den niederen Eigenschaften lau dient. Der gewöhnliche Mensch ist im Allgemeinen eine Mischung. Doch ist die eine oder andere Tendenz in ihm ausgeprägter und macht ihn zu einem vorwiegend rajaso-tamasischen oder sattwo-rajasischen Charakter. Man kann von ihm sagen, das bereite ihn für jede der beiden höchsten Typen vor: für die göttliche Klarheit und für die titanische Wildheit. Denn das, was hier infrage steht, ist ein gewisser Höhepunkt in der Entwicklung der qualitativen Natur, wie aus den im Text gegebenen Beschreibungen hervorgeht. Auf der einen Seite kann es zu einer gewissen Verfeinerung der sattwischen Eigenschaft kommen, zur höchsten Gestalt oder Manifestation des ungeborenen Deva. Auf der anderen Seite kann es zur Sublimierung der auf das Rajas gerichteten Seele in der Natur kommen, zur völligen Geburt des Asura. Die eine führt zu jener Tendenz der Befreiung, die die Gita hier hervorheben will. Sie macht es möglich, dass die sattwische Qualität hoch über das Ego hinausführt und es in die Ebenbildlichkeit mit dem göttlichen Wesen umwandelt, vimokṣāya. Die andere führt den Menschen weg von dieser universalen Macht-Möglichkeit und stürzt ihn hinab in eine stärkere Gebundenheit an das Ego. Dies ist der Punkt, in dem sie sich unterscheiden. (471)

16.7
Die asurischen Menschen haben kein wahres Wissen über den Weg des Handelns oder über den Weg der Enthaltung. In ihnen ist keine Wahrheit, kein reines Leben und kein rechtes Verhalten und keine Beachtung der Regeln.

16.8
„Die Welt ist ohne Gott“, sagen sie, „sie ist nicht wirklich, nicht auf die Wahrheit gegründet, zustande gekommen durch wechselseitige Vereinigung, mit Begehren als einziger Ursache, eine Welt des Zufalls.“

16.9
Die asurischen Menschen stützen sich auf diese Weltanschauung. Durch deren Unwahrheit zerstören sie ihre Seele und ihre Vernunft und werden zum Zentrum oder Werkzeug einer wilden, titanischen, gewalttätigen Aktion, eine Macht der Zerstörung in der Welt, eine Quelle der Rechtsverletzung und des Bösen.

16.10
Ihrer unersättlichen Begierde frönend, anmaßend, überheblich und trunken vor Hochmut, betören sich diese fehlgeleiteten Seelen selbst, beharren sie auf ihren falschen und eigensinnigen Zielen und verfolgen stur den unreinen Entschluss ihres Verlangens.

16.11
Sie bilden sich ein, Begierde und Genuss seien das einzige Ziel des Lebens, und sind (in ihrem unbeherrschten und unersättlichen Jagen nach diesem Ziel) bis zum Augenblick ihres Todes die Beute verzehrender, maßlos zunehmender Sorge und Gedanken, Anstrengung und Angst.

16.12-15
Durch hundert Fesseln gebunden, von Zorn und Lust verzehrt, unermüdlich davon besessen, ungerechte Gewinne anzuhäufen, die ihrem Lebensgenuss und der Befriedigung ihrer Begierden dienen sollen, haben sie immer nur den einen Gedanken: „Heute habe ich diesen Gegenstand, den ich begehrte, gewonnen; morgen werde ich jenen anderen haben. Heute besitze ich soviel Reichtum; morgen werde ich noch mehr bekommen. Diesen meiner Feinde habe ich umgebracht; die Übrigen werde ich auch noch umbringen. Ich bin der Herr und König der Menschen. Ich bin vollkommen, tadellos, stark, glücklich, erfolgreich. Ich habe das Privileg, die Welt zu genießen. Reich bin ich und von hoher Geburt. Wer kommt mir gleich? Ich werde opfern, ich werde geben, ich werde genießen.“

16.16
Derart besessen von vielen egoistischen Gedanken, Illusionen hingegeben und der Befriedigung des Begehrens zugetan (verrichten sie Werke, aber auf falsche Weise, sind sie ungemein aktiv, aber nur für sich selbst, ihre Begierde und ihren Genuss, nicht für Gott in ihrem eigenen Inneren und Gott im Menschen), stürzen sie hinab in die unreine Hölle ihres eigenen Übels.

16.17
Sie opfern und geben nicht gemäß der rechten Ordnung, sondern aus selbstbezogener Prahlerei, aus Eitelkeit und mit unverschämtem und törichtem Stolz.

16.18
Im Egoismus ihrer Stärke und Macht, in der Gewalttätigkeit ihres Zorns und ihrer Anmaßung hassen, verachten und schmähen sie Gott, der verborgen in ihnen wohnt, und Gott im Menschen.

16.19
Diese hochmütigen Hasser (des Guten und Gottes), diese Bösen, Grausamen, Gemeinsten unter den Menschen in der Welt, schleudere Ich ständig wieder hinunter in immer mehr asurische Geburten.

16.20
In asurische Schöße geworfen, von Geburt zu Geburt irregeführt, finden sie Mich nicht (da sie nicht nach Mir suchen) und sinken in den niedrigsten Zustand der Seele hinab.

Wenn diese plastische Beschreibung auch jener Unterscheidung, auf die es ihr ankommt, vollen Wert verleiht, so darf man doch nicht erwarten, dass sie mehr hergibt, als sie beabsichtigt. Wenn davon die Rede ist, dass es zwei Arten von Schöpfungen in der materiellen Welt gibt, den Deva und den Asura1, so ist damit nicht gemeint, dass die Seelen der Menschen von Anfang an von Gott so geschaffen wurden, dass jede ihre eigene unvermeidliche Lebensbahn in der Natur habe. Und es ist auch nicht gemeint, dass es eine starre spirituelle Prädestination gibt und die von Gott Verworfenen von Anfang an so blind gemacht wurden, dass sie in die ewige Verdammnis und in die Unreinheit der Hölle hinabgeschleudert werden müssen. Alle Seelen sind ein ewiger Wesensteil des Göttlichen, der Asura ebenso gut wie der Deva. Alle können zur Erlösung, zum Heil kommen. Auch der größte Sünder kann sich zu Gott bekehren. Aber die Evolution der Seele in der Natur ist ein Abenteuer, bei dem das Swabhava und das vom Swabhava regierte Karma stets die Hauptmächte sind. Wenn nun eine Maßlosigkeit in der Manifestation des Swabhava, des Selbst-Werdens der Seele, eine Unordnung der Kräfte in ihrem Spiel, das Wesensgesetz nach der verkehrten Seite wendet, wenn den rajasischen Eigenschaften die Oberhand gegeben wird, wenn sie unter Minderung des Sattwa gefördert werden, dann können die Tendenzen des Karma und dessen Ergebnisse notwendigerweise nicht bis in die Höhe des Sattwa emporkommen, das zum Gang auf die Befreiung hin fähig ist, sondern sie steigern sich im höchsten Maß in den Verkehrtheiten der niederen Art. Wenn der Mensch nicht vorher innehält und den Irrweg aufgibt, trägt er schließlich einen voll-ausgewachsenen Asura in sich. Sobald er aber diese schreckliche Wendung eingeschlagen hat, weg vom Licht und der Wahrheit, kann er seinen tödlich schnellen Absturz nicht mehr aufhalten. Zu ungeheuerlich hat er die göttliche Macht in sich missbraucht, als dass er in den Abgründen, in die er gestürzt ist, die Talsohle gefunden und gesehen hat, wohin sein Weg ihn führte, so dass die so missbrauchte göttliche Macht völlig erschöpft ist und er sich im tiefsten Zustand der Seelen-Art, in der Hölle befindet. Nur wenn er versteht und sich dem Licht zuwendet, kommt jene andere Wahrheit der Gita zur Geltung, dass selbst der größte Sünder, der unreinste und gewalttätigste Bösewicht, in dem Augenblick gerettet wird, da er umkehrt, um die Gottheit in seinem Inneren zu verehren und ihr zu folgen. Dann kommt er, schlicht dank dieser Umkehr, sehr bald auf den Weg des Sattwa, der zur Vollkommenheit und Freiheit führt. (473-74)

16.21
Dreifach sind die Tore zur Hölle, die Zerstörer der Seele – Begehren, Zorn und Habgier: Darum soll sich der Mensch von ihnen lossagen.

16.22
Frei geworden von diesen Toren der Finsternis, O Sohn der Kunti, begibt sich der Mensch auf den Weg zu seinem eigenen höheren Wohl und gelangt zum höchsten Zustand der Seele.

16.23
Wer die Gebote des Shastra verworfen hat und den Verführungen des Begehrens folgt, erlangt nicht Vollkommenheit, nicht Glück, nicht den höchsten Zustand der Seele.

16.24
Darum lass das Shastra deine Autorität sein, die darüber entscheidet, was getan und was nicht getan werden soll! Im Wissen um das, was durch die Gebote des Shastra verkündet worden ist, solltest du in dieser Welt dein Werk verrichten.

Dass wir dem Gesetz des Begehrens folgen, gehört nicht zur wahren Ordnung unseres Wesens. Es gibt einen höheren und gerechteren Maßstab für sein Wirken. Wo ist dieser aber verkörpert? Wo ist er zu finden? Erstens hat es in der menschlichen Rasse immer ein Suchen nach diesem gerechten und hohen Gesetz gegeben. Alles, was da entdeckt wurde, ist in ihrem Shastra verkörpert: in ihren Normen für die Wissenschaft und den Richtlinien für das Wissen, ihren Gesetzen der Ethik, ihren Geboten der Religion, ihren Normen des besten gesellschaftlichen Lebens und ihren Vorschriften für die rechte Beziehung zwischen Mensch, Gott und Natur. Shastra bedeutet aber nicht eine Masse von Gewohnheiten, deren einige gut, andere schlecht sind und die ohne Intelligenz vom herkömmlichen Routine-Mental des tamasischen Menschen befolgt werden. Shastra ist vielmehr das Wissen und die Lehre, die verfasst sind aufgrund der Intuition, Erfahrung und Weisheit, der Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit des Lebens, die besten für die Menschenart erreichbaren Maßstäbe. Der halb-erwachte Mensch, der die Beachtung der Normen des Shastra verlässt, um der Führung durch seine Instinkte und sein Begehren zu folgen, kann daraus zwar einen Lustgewinn haben, aber er wird dadurch nicht glücklich. Denn das innere Glück kann nur durch das rechte Leben kommen. Er kann nicht zur Vollkommenheit fortschreiten, er kann den höchsten spirituellen Zustand nicht erlangen. Das Gesetz von Instinkt und Begehren scheint in der Tierwelt an erster Stelle zu stehen. Die Menschlichkeit des Menschen wächst durch Trachten nach Wahrheit, Religion, Erkenntnis und einem rechten Leben. Das Shastra, das anerkannte Recht, das der Mensch aufgerichtet hat, um seine niederen Seiten durch seine Vernunft und seinen vernunftbegabten Willen zu regieren, muss darum zuerst beobachtet und zur Autorität gemacht werden: für Verhalten und Wirken, für das, was getan, und das, was nicht getan werden soll, bis die instinktive Begehrens-Natur erzogen und gemäßigt ist, bis sie durch die Gewohnheit der Selbstbeherrschung niedergehalten wird, bis der Mensch geeignet ist, zuerst zur freieren vernünftigen Selbst-Lenkung, dann für das höchste erhabene Gesetz und die größte Freiheit der spirituellen Art.

Denn das Shastra in seinem gewöhnlichen Aspekt ist nicht jenes spirituelle Gesetz, obwohl es auf seinem Höhepunkt, wenn es zu einer Wissenschaft und Kunst spirituellen Lebens geworden ist, Adhyatma-Shastra – die Gita beschreibt selber ihre Lehre als das höchste und geheimste Shastra –, eine Regel formuliert, der gemäß sich die sattwische Art selbst transzendiert und jene Disziplin entfaltet, die zur spirituellen Umwandlung führt. Dennoch ist alles Shastra auf eine Anzahl vorbereitender Voraussetzungen, auf Dharmas, aufgebaut. Es ist ein Mittel, aber nicht der Endzweck. Das höchste Ziel ist die Freiheit des Geistes, wenn die Seele alle Dharmas aufgegeben hat und sich Gott zuwendet als dem einzigen Gesetz ihres Handelns, wenn sie dann unmittelbar aus dem göttlichen Willen wirkt und in der Freiheit der göttlichen Art lebt, nicht mehr im Gesetz, sondern im Geist. Dies ist die Entwicklung der Lehre, die durch die folgende Frage Arjunas vorbereitet wird. (475-76)

1 Die Unterscheidung zwischen den beiden Schöpfungen hat ihre volle Wahrheit auf den supraphysischen Ebenen, wo das Gesetz der spirituellen Evolution den Gang der Dinge nicht beherrscht. Dort gibt es Welten der Devas und Welten der Asuras. In diesen Welten unseres Hintergrunds gibt es ständig Arten von Wesen, die das gesamte Spiel der Schöpfung unterstützen. Sie sind unentbehrlich für den Gang des Universums und beeinflussen auch die Erde, das Leben und die Art des Menschen auf dieser physischen Seins-Ebene.

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