Kapitel 14

Glaube und Gnade

Bewahre den Glauben

Wir müssen den Glauben haben, dass immer das geschieht, was zu unserem Besten ist. Vielleicht betrachten wir es im Augenblick nicht als das Beste, weil wir unwissend und auch blind sind, weil wir die Folgen der Dinge und das, was später passiert, nicht sehen. Aber wir müssen den Glauben bewahren, dass es so ist, wenn wir uns auf das Göttliche verlassen, wenn wir Ihm die volle Verantwortung für uns selbst übergeben, wenn wir Ihn alles für uns entscheiden lassen, nun, dann müssen wir wissen, dass es immer das Beste für uns ist, was sich ereignet. Das ist eine unumstößliche Tatsache. In dem Ausmaß, in dem wir uns hingeben, widerfährt uns das Beste. Dies mag nicht in Übereinstimmung mit dem stehen, was du gerne hättest, deiner Neigung oder deinem Begehren, denn diese Dinge sind blind: es ist das Beste vom spirituellen Standpunkt, das Beste für deinen Fortschritt, deine Entwicklung, dein spirituelles Wachstum, dein wahres Leben. Das ist es immer. Und du musst diesen Glauben bewahren, denn Glaube ist der Ausdruck eines Vertrauens in das Göttliche und der vollen Überantwortung an das Göttliche. Und wenn du das vollziehst, ist es etwas vollkommen Wunderbares. Das ist eine Tatsache, das sind nicht bloß Worte, verstehst du, es ist eine Tatsache. Wenn du zurückblickst, erkennst du alle möglichen Dinge, die du nicht verstanden hast, als sie dir zustießen, als genau das, was notwendig war, um dich zum erforderlichen Fortschritt zu zwingen. Immer, ohne Ausnahme. Es ist unsere Blindheit, die uns daran hindert, das zu sehen.

Glaube durch Aspiration

Kann man Glauben durch Aspiration erwerben?

Was? Glauben durch ein sehnsuchtsvolles Streben? Ich glaube schon, denn es ist selten, dass man spontan über einen Glauben verfügt, dass man damit geboren ist. Sehr wenige Leute haben das Glück, einen spontanen Glauben zu besitzen. Aber wenn man in seinem Sehnen sehr aufrichtig ist, bekommt man ihn. Ein sehnsuchtsvolles Streben kann alles bewirken, vorausgesetzt, es ist aufrichtig und beständig. Man trägt immer ein winziges Element Glauben in seinem Inneren, sei es an das, was die Eltern sagten oder an die Bücher, die man studiert hat. Schließlich begründet sich deine ganze Erziehung auf einem Glauben dieser Art. Die, die dich erzogen haben, haben dir gewisse Dinge beigebracht. Du hattest keine Möglichkeiten zur Überprüfung, weil du zu jung warst und keine Erfahrung hattest. Aber du hast einen Glauben an das, was sie dir gesagt haben, und auf diesem schreitest du voran. So besitzt jeder ein wenig Glauben und um diesen zu mehren, kann man seine Aspiration verwenden.

Ein kindliches Vertrauen

Was sind die Bedingungen für eine Herabkunft des Glaubens?

Die wichtigste Bedingung ist ein fast kindliches Vertrauen, das unvoreingenommene Vertrauen eines Kindes, das sicher ist, dass er kommen wird, das sich nicht einmal Fragen darüber stellt. Wenn es etwas braucht, ist es sicher, dass es kommen wird. Nun, das ist es, diese Art Vertrauen – das ist tatsächlich die wichtigste Bedingung.

Zu streben ist unerlässlich. Aber einige Leute stehen in solch einem inneren Konflikt zwischen Glauben und dessen Abwesenheit, Vertrauen und Misstrauen, zwischen Optimismus, der sich seines Sieges gewiss ist, und einem Pessimismus, der sich fragt, wann die Katastrophe hereinbrechen wird. Nun, wenn dies im Wesen ist, kannst du dich vielleicht sehnen, aber du erhältst nichts. Und du sagst: „Ich habe trotz meines Strebens nichts bekommen.“ Das geschieht, weil du dein Streben die ganze Zeit mit deinem Mangel an Zuversicht zerstörst.

…„Was ich brauche, wird mir gegeben werden. Wenn ich bete, werde ich eine Antwort bekommen. Wenn ich in einer Schwierigkeit stecke und um Hilfe bitte, wird sie mir zuteil – und nicht nur das, sie wird alles in Ordnung bringen.“ Wenn das Vertrauen da ist, spontan, unvoreingenommen, unbezweifelt, dann wirkt das besser als irgend etwas anderes, und die Ergebnisse sind wunderbar. Es sind die Widersprüche und Zweifel des Verstandes, die alles verderben mit dieser Art Einstellung, die auftritt, wenn man in Schwierigkeiten ist: „Oh, es ist unmöglich! Ich werde es nie schaffen. Und wenn es schlimmer wird, wenn dieser Zustand, in dem ich mich befinde, den ich nicht will, noch schlimmer wird, wenn ich fortfahre, tiefer und tiefer zu sinken, wenn, wenn, wenn, wenn…“, auf diese Weise, und man baut eine Wand zwischen sich und die Kraft, die man empfangen will. Das seelische Wesen besitzt dieses Vertrauen, hat es in wunderbarer Weise, ohne Schatten, ohne Beweisführung, ohne Widerspruch. Und wenn es so ist, dann gibt es kein Gebet, auf das keine Antwort erfolgt, keine Sehnsucht ohne deren Verwirklichung.

Über seinen Glauben wachen

Sicherlich ist eine persönliche Bemühung notwendig, um seinen Glauben zu bewahren, ihn innerlich wachsen zu lassen. Später – viel später – eines Tages, wenn wir zurückblicken, sehen wir vielleicht, dass alles, was geschah, sogar das, was uns als das Schlimmste erschien, eine Göttliche Gnade war, die uns auf dem Weg hat voranschreiten lassen; und dann wird uns bewusst, dass die persönliche Bemühung auch eine Gnade war. Aber bevor wir diesen Punkt erreichen, müssen wir viele Fortschritte machen, viel kämpfen, manchmal sogar viel leiden.

Sich in träger Passivität niederzulassen und zu sagen: „Wenn ich Glauben haben soll, werde ich ihn haben, das Göttliche wird ihn mir schenken“, ist eine Haltung der Faulheit, der Unbewusstheit und beinahe des schlechten Willens.

Damit die innere Flamme brennt, muss man sie nähren, muss man über das Feuer wachen, muss das Brennmaterial all der Irrtümer, die man loswerden möchte, hineinwerfen, all das, was den Fortschritt verzögert, alles, was den Pfad verdunkelt. Wenn man das Feuer nicht schürt, schwelt es unter der Asche der eigenen Unbewusstheit und Trägheit, und es werden nicht Jahre, sondern ganze Leben, Jahrhunderte vergehen, bevor man das Ziel erreicht.

Man muss über seinen Glauben wachen, wie man über der Geburt von etwas unendlich Wertvollem wacht und es sehr sorgfältig vor allem beschützen, das es beeinträchtigen könnte.

In der Unwissenheit und Finsternis des Anfangs ist der Glaube der unmittelbarste Ausdruck der Göttlichen Macht, die erscheint, um zu kämpfen und zu siegen.

Das Ausmaß der Gnade

Ganz gleich wie groß dein Glaube und dein Vertrauen in die göttliche Gnade sind, einerlei wie groß deine Fähigkeit, sie in allen Umständen, in jedem Augenblick, an jedem Punkt des Lebens wirken zu sehen, es wird dir nie gelingen, die wunderbare Unermesslichkeit Ihres Wirkens zu erfassen und die Präzision und die Genauigkeit, mit der sich dieses Wirken vollzieht. Du wirst niemals fähig sein zu begreifen, in welchem Ausmaß die Gnade alles tut, hinter allem steht, alles einrichtet, alles lenkt, damit das Voranschreiten zur göttlichen Verwirklichung unter Berücksichtigung der Verhältnisse in der Welt so schnell, so vollständig, so allumfassend und harmonisch wie möglich werde.

Sobald du mit Ihr in Kontakt bist, gibt es nicht eine Sekunde in der Zeit, nicht einen Ort im Raum, der dir nicht in überwältigender Weise dies unablässige Werk der Gnade, Ihr beständiges Eingreifen vor Augen führte.

Und wenn du dies einmal erkannt hast, fühlst du, dass du ihr nie ebenbürtig bist, denn du solltest sie nie vergessen, niemals irgendwelche Ängste haben, keinen Schmerz, kein Bedauern, keinen Widerwillen … nicht einmal ein Leid. Wärest du eins mit der Gnade, erblicktest du Sie überall, so würdest du ein Leben des Jubels, der All-Macht, des unendlichen Glückes beginnen.

Und das wäre die bestmögliche Mitarbeit im göttlichen Werk.

Das Verlangen nach der Gnade

Wie können wir erreichen, die Gnade mit Dankbarkeit anzunehmen?

Ah! Zuallererst musst du das Verlangen danach empfinden.

Das ist der wichtigste Punkt. Es bedeutet, eine gewisse innere Demut aufzubringen, die dir deine Hilflosigkeit ohne die Gnade bewusst macht, dass du wahrhaftig ohne sie unvollständig und machtlos bist. Dies ist zunächst das erste.

…Und dann, wenn dir klar wird, dass es nur die Gnade ist, die das zu tun vermag (was du nicht tun kannst), dass aus der Lage, in der du dich befindest, dir allein die Gnade heraushelfen kann und dir die Lösung und die Kraft zu geben vermag, herauszukommen, dann erwacht in dir in ganz natürlicher Weise eine heftige Sehnsucht, ein Bedürfnis, das sich in ein öffnen umwandelt. Wenn du rufst, dich sehnst und wenn du auf eine Antwort hoffst, wirst du dich ganz natürlich der Gnade aufschließen.

Und später – darauf musst du große Aufmerksamkeit richten (die Mutter legt ihren Finger auf die Lippen) – wird dir die Gnade antworten, Sie wird dir aus deiner misslichen Lage heraushelfen, dir die Lösung deines Problems schenken oder dich aus der Schwierigkeit herausholen. Sobald du jedoch von deinen Sorgen befreit und aus deiner Notlage heraus bist, vergiss nicht, dass es die Gnade war, die das vollbracht hat und glaube nicht, du seist es selbst gewesen. Denn das ist tatsächlich das Wichtigste. Die meisten Leute sagen, sobald die Schwierigkeit überwunden ist: „Schließlich habe ich mich doch recht gut aus meiner Notlage herausgearbeitet.“

Siehst du! Und dann verschließt und verriegelst du die Tür, verstehst du, und du kannst nichts mehr empfangen. Du brauchst wieder einmal einen scharfen Schmerz, eine furchtbare Notlage, damit diese innere Dummheit nachgibt und damit du wieder einmal erkennst, dass du nichts tun kannst. Denn nur dann, wenn du dir bewusst wirst, dass du machtlos bist, beginnst du, dich ein wenig zu öffnen und formbar zu werden. Doch solange du glaubst, dass das, was du tust, auf deiner eigenen Geschicklichkeit und Fähigkeit beruht, wahrhaftig, dann schließt du nicht nur eine Tür, verstehst du, sondern viele, eine nach der anderen, und sperrst sie zu. Du schließt dich selbst in eine Festung ein, und nichts kann dort eintreten. Das ist das große Hindernis: man vergisst sehr schnell. Ganz selbstverständlich gibt man sich mit seiner eigenen Fähigkeit zufrieden.

Die Gnade und der Sünder

Wie kommt es, dass die Gnade dem Sünder hilft?

Sie hilft dem Sünder nicht dabei, ein Sünder zu sein! Sie hilft ihm, die Sünde aufzugeben, das heißt Sie verstößt ihn nicht, indem Sie sagt: „Für dich werde ich nichts tun.“ Sie ist da, immer, selbst wenn er sündigt, um ihm dabei zu helfen, sich von der Sünde zu befreien, nicht aber, damit er fortfährt zu sündigen.

Es besteht ein großer Unterschied zwischen dieser Haltung und der Vorstellung, du wärest schlecht und deshalb: „Ich werde mich nicht um dich kümmern, ich werde dich weit von mir werfen, und was immer dir auch geschehen soll, es wird geschehen, es kümmert mich nicht!“ Das ist die gängige Vorstellung. Man sagt: „Gott hat mich verstoßen“, weißt du. Das ist es nicht. Du bist vielleicht nicht imstande, die Gnade zu fühlen, aber Sie ist immer da, selbst bei dem schlimmsten aller Sünder, selbst dem gemeinsten Verbrecher, ihm zu helfen, sich zu ändern, von seinen Verbrechen und der Sünde befreit zu werden, wenn er danach verlangt. Sie wird ihn nicht ächten, aber Sie wird ihn nicht unterstützen, Böses zu tun. Das wäre nicht länger die Gnade.

Identifiziere dich mit der Gnade

Es ist die göttliche Gnade, die dich den Fortschritt machen lässt, und mit der göttlichen Gnade fühlst du die göttliche Freude. Aber statt dich mit der Gnade, die dich voranbringt, zu identifizieren, identifizierst du dich mit der hässlichen Sache, die du loswerden willst, und deshalb fühlst du dich natürlich mit ihr gleich und leidest.

Das ist ein Experiment, das du unternehmen kannst, wenn du nur ein wenig bewusst bist. Es gibt etwas in dir, das du nicht möchtest, etwas Schlechtes – aus irgend einem Grunde möchtest du es nicht, du möchtest es herausreißen – nun, wenn du dich auch nur ein wenig mit jenen Dingen identifizierst, spürst du den Schmerz der Extraktion. Wenn du dich im Gegenteil mit der göttlichen Kraft identifizierst, die kommt, dich zu befreien, empfindest du die Freude der göttlichen Gnade – und du erfährst die tiefe Wonne des Fortschritts, den du gemacht hast.

Dies ist ein sicheres Zeichen für dich, ein sicherer Anhaltspunkt dafür, womit du dich identifizierst. Bist du mit den niederen Kräften identifiziert, leidest du; identifizierst du dich mit den Kräften von oben, bist du glücklich.