Kapitel 15
Seine Gedanken kontrollieren
Schlechte Gedanken
Sri Aurobindo sagt, man könne alles, was man denkt, dass man es sei, durch die bloße Tatsache solchen Denkens werden. Das Wissen darum, man könne alles, was man denkt, sein, ist ein wichtiger Schlüssel für die Entwicklung des Wesens, und das nicht nur vom Standpunkt seiner Möglichkeiten, sondern auch von dem der Kontrolle und der Wahl dessen, was man sein wird und sein will.
Das lässt uns die Notwendigkeit verstehen, keinen Gedanken in uns zuzulassen, der die Sehnsucht oder die Entstehung der Wahrheit unseres Wesens zerstört. Es zeigt, wie außerordentlich bedeutungsvoll es ist, nicht zu gestatten, dass sich das, was man nicht sein oder tun will, im Denken innerhalb des Wesens formuliert. Denn diese Dinge zu denken ist bereits der Beginn ihrer Verwirklichung. Von jedem Gesichtspunkt aus ist es schädlich, sich auf das zu konzentrieren, was man nicht will, was man verwerfen muss oder sich weigert zu sein, denn die bloße Tatsache, dass diese Gedanken bestehen, gibt den Dingen, die man zurückweisen will, eine Art Daseinsberechtigung in einem selbst. Dies erklärt, warum es so sehr wichtig ist, zerstörerische Eingebungen, Gedanken bösen Willens, des Hasses, der Vernichtung nicht eindringen zu lassen. Denn allein über sie nachzusinnen heißt, ihnen eine Macht zur Realisation zu verleihen. Sri Aurobindo sagt, das Denken sei nicht die Ursache der Existenz, wohl aber ein Vermittler, das Werkzeug, das dem Leben, der Schöpfung Gestalt gibt, und die Kontrolle dieses Instrumentes ist von vorrangiger Bedeutung, wenn man möchte, dass Unordnung und alles Anti-Göttliche aus der Schöpfung verschwinde.
Man darf schlechte Gedanken nicht unter dem Vorwand, sie seien nur Gedanken, zulassen. Sie sind Werkzeuge der Ausführung. Und wir sollten ihnen nicht erlauben, in uns zu existieren, wenn wir sie nicht ihr Werk der Vernichtung verrichten lassen wollen.
Unerfreuliche Gedanken
Mutter, manchmal tauchen unerfreuliche Gedanken auf und stören uns. Wie können wir sie loswerden?
Es gibt mehrere Methoden. im Allgemeinen – aber das hängt von den Leuten ab – im Allgemeinen ist die einfachste die, an etwas anderes zu denken. Das heißt seine Aufmerksamkeit auf etwas zu konzentrieren, was nichts mit diesem Gedanken zu tun, keinen Zusammenhang damit hat, wie lesen oder irgend eine Arbeit – im Allgemeinen etwas Schöpferisches, eine kreative Arbeit. Zum Beispiel diejenigen, die schreiben, (lasst uns einfach an einen Schriftsteller denken), während er schreibt, sind alle anderen Gedanken verflogen, denn er ist auf das konzentriert, was er tut. Sobald er das Schreiben beendet, werden die anderen Gedanken zurückkehren, falls er nicht über Kontrolle verfügt. Aber genau dann, wenn man von einem Gedanken angegriffen wird, kann man versuchen, eine schöpferische Arbeit aufzunehmen: der Wissenschaftler zum Beispiel eine Forschungsarbeit, eine besondere Studie, um etwas herauszufinden, etwas, das ihn ganz in Anspruch nimmt. Das ist das einfachste Verfahren. Diejenigen natürlich, die ihre Gedanken zu kontrollieren begonnen haben, können eine Bewegung des Zurückweisens ausführen, den Gedanken beiseite stoßen, wie man es mit einem physischen Gegenstand täte. Doch das ist schwieriger und verlangt größere Meisterschaft. Wenn es einem jedoch gelingt, ist es aktiver in dem Sinne, dass diese Regung, dieser Gedanke, wenn du ihn wirksam und stetig oder nahezu regelmäßig vertreibst, schließlich nicht mehr zurückkehrt. In dem anderen Fall jedoch können sie jederzeit zurückkehren. Das sind die beiden Methoden.
Der dritte Weg ist, fähig zu werden, ein ausreichend starkes Licht von oben herabzubringen, welches die „Verweigerung“ in einem tieferen Sinne sein wird. Das heißt wenn der ankommende Gedanke dunkel ist (und besonders, wenn er vom Unterbewussten oder Unbewussten stammt und vom Instinkt genährt wird) und man von oben das Licht eines wahren Wissens, einer höheren Macht herabbringen und den Gedanken diesem Licht aussetzen kann, vermag man ihn aufzulösen oder zu erhellen oder umzuwandeln – dies ist die höchste Methode. Sie ist noch ein wenig schwieriger. Doch ist es möglich, und wenn man diese Methode anwenden kann, ist man befreit – nicht nur, dass der Gedanke nicht wiederkehrt, sondern die eigentliche Ursache ist beseitigt.
Die erste Stufe ist, an etwas anderes zu denken (aber auf diese Weise, verstehst du, wird es sich unendlich wiederholen); die zweite ist zu kämpfen; und die dritte ist die der Umwandlung. Wenn man die dritte Stufe erreicht hat, ist man nicht nur befreit, sondern hat einen dauerhaften Fortschritt vollbracht.
Konzentriere dich auf das, was du sein möchtest
Damit du nicht durch deine eigenen Schwächen entmutigt wirst, gibt dir das Dhammapada dies tröstliche Bild: Die reinste Lilie kann einem Haufen Mist am Wegesrand entsprießen. Das heißt es gibt nichts, das so verdorben wäre, dass aus ihm nicht die reinste Verwirklichung hervorgehen könnte.
Wie auch immer die Vergangenheit gewesen sein mag, wie auch immer die begangenen Fehler, wie auch immer die Unwissenheit, in der man gelebt haben mag, tief in uns selbst tragen wir die allerhöchste Reinheit, die sich in eine wunderbare Verwirklichung umzusetzen vermag.
Das Wichtigste ist, daran zu denken, sich darauf zu konzentrieren und sich nicht mit all den Schwierigkeiten und Hürden und Hindernissen zu befassen.
Konzentriere dich ausschließlich auf das, was du sein möchtest, vergiss so vollständig wie möglich, was du nicht sein möchtest.
Vorstellungskraft
Ich sage dir, sei niemals niedergeschlagen oder enttäuscht, sondern lass deine Vorstellungskraft unter dem Druck der höheren Wahrheit immer hoffnungsvoll und freudig formbar sein, damit jene dich mit den erforderlichen Gestaltungen erfüllt finden möge, um ihr schöpferisches Licht zu bewahren.
Die Vorstellungskraft ist wie ein Messer, welches für gute oder schlechte Zwecke verwendet werden kann. Wenn du immer in der Idee oder dem Gefühl verweilst, dass du umgewandelt wirst, dann wird das den Fortschritt im Yoga unterstützen. Wenn du, im Gegenteil, der Niedergeschlagenheit nachgibst und jammerst, du seiest untauglich oder zur Verwirklichung unfähig, vergiftest du dein eigenes Wesen. Es geschieht nur dieser sehr wichtigen Wahrheit wegen, dass ich so unermüdlich darauf bestehe, euch zu sagen, alles geschehen, sich aber um Himmels willen nicht bedrücken zu lassen. Lebt lieber in der steten Hoffnung und Überzeugung, dass das, was wir tun, sich als ein Erfolg erweisen wird. Mit anderen Worten, lass deine Vorstellungskraft durch deinen Glauben an Sri Aurobindo geformt werden.
Die Vorstellungskraft öffnet den Pfad
Was ist die Funktion, der Nutzen der Vorstellungskraft?
Wenn man sie zu nutzen weiß, kann man, wie ich schon sagte, ein inneres und ein äußeres Leben für sich erschaffen. Man kann sich seine eigene Existenz mit seiner Vorstellungskraft aufbauen, wenn man sie zu verwenden weiß und über eine Kraft verfügt. Tatsächlich ist dies eine grundlegende Methode, Dinge in der Welt zu erzeugen und zu gestalten. Ich habe es immer so empfunden, dass jemand, dem die Fähigkeit zur Vorstellung fehlt, keinen Fortschritt machen würde. Deine Vorstellung geht deinem Leben immer voran. Wenn du über dich selbst nachdenkst, malst du dir gewöhnlich aus, was du werden möchtest, nicht wahr, und das geht voraus, du folgst, sie fährt fort vorauszugehen, und du folgst. Die Vorstellungskraft öffnet dir den Pfad zur Verwirklichung. Menschen, denen es an Vorstellungskraft fehlt – es ist sehr schwierig, sie zu veranlassen, sich fortzubewegen. Sie sehen nur, was sich vor ihrer Nase befindet, fühlen nur, was sie in jedem Augenblick sind, und sind nicht imstande vorwärtszuschreiten, weil sie vom nächstliegenden Ding festgenagelt sind.
Die Atmosphäre, die du erzeugst
Du trägst mit dir, um dich herum, in dir die Atmosphäre, die du durch deine Handlungen erzeugst, und wenn das, was du tust, schön, gut und harmonisch ist, dann ist deine Atmosphäre gut, schön und harmonisch. Lebst du andererseits in schäbiger Selbstsucht, skrupelloser Eigennützigkeit, rücksichtslosem, bösen Willen, dann ist es das, was du in jedem Augenblick deines Lebens atmen wirst, und das bedeutet Elend, beständiges Unbehagen. Es bedeutet Hässlichkeit, die an sich selbst verzweifelt.
Wenn du gut bist, freigebig, großmütig, selbstlos, freundlich, bringst du in dir, um dich herum eine besondere Atmosphäre hervor, und diese Atmosphäre ist eine Art lichtvoller Befreiung. Du atmest, blühst wie eine Blume in der Sonne. Es gibt keinen schmerzhaften Rückzug auf dich selbst, keine Bitterkeit, keinen Widerwillen, keine Nöte. Auf unmittelbare, natürliche Weise wird die Atmosphäre leuchtend, und die Luft, die du atmest, ist erfüllt von Glück. Und das ist die Luft, die du atmest, in deinen Körper und aus deinem Körper, im Wachen und im Schlaf, im Leben und während des Übergangs aus diesem Leben, außerhalb deines irdischen Lebens bis zu deinem neuen.
Jedes falsche Handeln erschafft im Bewusstsein die Wirkung eines Windes, der verdorren, einer Kälte, die gefrieren lässt oder von brennenden Flammen, die verzehren.
Jede gute und freundliche Tat bringt Licht, erholsame Ruhe, Freude – den Sonnenschein, in welchem Blumen blühen.
Erschaffe dir deine eigene Atmosphäre
Liebe Mutter, hier steht geschrieben: „Eine spirituelle Atmosphäre ist wichtiger als äußere Bedingungen; wenn man das erreicht und sich auch seine spirituelle Atmosphäre, in der man atmet und lebt, erschafft, dann ist das die wahre Voraussetzung für Fortschritt.“ Wie kann man das bewirken und auch seine eigene spirituelle Atmosphäre erzeugen?
Das geschieht durch innere Disziplin. Du kannst deine Atmosphäre hervorbringen, indem du deine Gedanken beherrschst, sie ausschließlich der Sadhana zuwendest, deine Handlungen kontrollierst, indem du sie ausschließlich auf die Sadhana ausrichtest, alle Begierden und alle nutzlosen äußerlichen, gewöhnlichen Aktivitäten aufgibst, ein intensiveres inneres Leben führst und dich von gewöhnlichen Dingen, gewöhnlichen Gedanken, gewöhnlichen Reaktionen, gewöhnlichem Handeln fernhältst. Dann erschaffst du um dich herum eine besondere Atmosphäre.
Wenn du zum Beispiel statt irgendeine überflüssige Sache zu lesen und zu schwätzen oder irgendetwas zu tun, was auch immer, wenn du stattdessen nur das liest, was dir hilft, dem Pfad zu folgen. Wenn du nur in Übereinstimmung damit handelst, was dich zur göttlichen Verwirklichung führen kann; wenn du in dir alle Begierden und Antriebe, die sich auf äußerliche Dinge richten, beseitigst; wenn du dein mentales Wesen beruhigst; wenn du dich von außen kommenden Einflüssen verschließt und unempfindlich wirst gegenüber anderer Leute Handeln um dich herum, erschaffst du solch eine spirituelle Atmosphäre, die niemand antasten kann, und es hängt überhaupt nicht mehr von den Umständen ab, oder davon mit wem du zusammenlebst oder von den Verhältnissen, in denen du lebst, denn du bist umhüllt von deiner eigenen spirituellen Atmosphäre. Und das kann man auf diese Weise erreichen: man richtet seine Aufmerksamkeit einzig auf das spirituelle Leben, indem man nur liest, was einem dabei helfen kann, indem man nur das tut, was einen dort hinführt, usw. Dann erschaffst du dir deine eigene Atmosphäre. Aber natürlich, wenn du alle Türen öffnest, auf alles hörst, was dir die Leute erzählen, dem Ratschlag des einen und den Inspirationen des anderen folgst, erfüllt bist vom Verlangen nach äußeren Dingen, dann kannst du für dich keine spirituelle Atmosphäre erzeugen. Du wirst eine gewöhnliche Atmosphäre haben wie jeder andere auch.