Kapitel 10

Der Zweck der Schöpfung

In ihrer Essenz ist Liebe die Freude an der Identität; sie findet ihren höchsten Ausdruck in der Glückseligkeit der Einung.

Zunächst gibt es etwas – vor der Aussendung der Liebe –, das wir sehr unbeholfen mit „Freude der Identität“ ausdrücken können. Das ist schwer vorstellbar, denn das menschliche Denken kann sich die Dinge nur in Gegensätzen vorstellen, wohingegen die höchste Phase kommt, wenn die Liebe den ganzen Kreis im Universum durchlaufen hat, um zu ihrem Ursprung aufzusteigen; dann hat sie das Ergebnis ihrer ganzen Erfahrung und kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Sie kehrt zum Ausgangspunkt mit etwas mehr zurück, das sie vor dem Start nicht hatte: Das ist die Erfahrung des Universums. Und im Grunde ist das der Zweck der Schöpfung. Denn das Bewusstsein wäre nicht, was es ist, wenn es sich nicht in einer Schöpfung ausgedrückt hätte. Also, die Rückkehr der Schöpfung – dabei muss man bedenken, dass sich das nicht in der Zeit abspielt –, das ist sehr, sehr schwer vorstellbar, denn wir stellen uns Zeit und Raum vor, und für uns sind die Dinge aufeinanderfolgend, nacheinander; könnte man sich aber eine Gesamtbewegung vorstellen, die alles umfasste und die Anfang und Ende zugleich wäre und alles enthielte, dann wäre diese Rückkehr, die nicht eine Rückkehr in der Zeit wäre, die eine Rückkehr im Bewusstsein wäre –, dann wäre die Rückkehr der Liebe in ihren Ursprung, statt nur die Freude der Identität zu sein, eine Ekstase der Vereinigung – und wenn man sich den rein psychologischen Standpunkt zu eigen macht, geht aus der Erfahrung im Universum offensichtlich eine Bereicherung des Bewusstseins hervor, das heißt, es ist ein Reichtum an Inhalt und an Fülle des Bewusstseins da, die nicht vorhanden wären, wenn es kein manifestiertes Universum gegeben hätte. Und das ist natürlich die logischste Erklärung, der logischste Grund für die Schöpfung.

Und das ist das große Mysterium der Schöpfung, denn es handelt sich um dasselbe Bewusstsein – das Bewusstsein ist ein einziges. Doch sobald dies Bewusstsein sich offenbart, sich selbst äußerlich zeigt, sich entfaltet, da teilt es sich unzählbar auf um der Erfordernisse der Ausbreitung willen, und jedes dieser Teilchen war der Anfang, der Ursprung eines individuellen Seins. Der Ursprung aller individuellen Formen ist das Gesetz oder die Wahrheit dieser Form. Gäbe es nicht das Gesetz, die Wahrheit jeder Form, so bestünde nie die geringste Möglichkeit einer Individualisierung. Es gäbe etwas, das endlos weiterginge; da wären vielleicht Verdichtungen, Ansammlungen, aber es gäbe kein individuelles Bewusstsein. Jede Form stellt darum eines der Teilchen des Einen bei seiner Wandlung in das Viele dar. Diese Vielfältigkeit umfasst zahllose Gesetze, Bewusstseinselemente, Wahrheiten, die bei ihrer Entfaltung im Universum schließlich zu gesonderten Individualitäten werden. So scheint sich das Einzelwesen immer weiter von seinem Ursprung zu entfernen, gerade infolge seiner Individualisierung. Ist diese aber einmal vollzogen – das heißt diese Bewusstwerdung der inneren Wahrheit –, so wird es durch innere Identifikation möglich, in der Vielfalt die ursprüngliche Einheit wiederherzustellen. Dieses ist der Zweck des Universums, so wie wir es wahrnehmen. Damit dies Phänomen sich ereigne, ist das Universum geschaffen worden. Der Höchste hat sich vor Sich Selbst offenbart, um Seiner Selbst gewahr zu werden.