Kapitel 4
Das leere Mental
Bleibe ruhig und kümmere dich nicht darum, wenn es für einige Zeit eine leere Ruhe ist; das Bewusstsein ist oft wie ein Gefäß, dessen vermischten und unerwünschten Inhalt man leeren muss; und dann muss es eine Weile leer bleiben, bis es mit neuen und wahren, mit rechten und reinen Dingen gefüllt werden kann. Eines gilt es zu vermeiden, das Wiederauffüllen des Gefäßes mit dem alten, trüben Inhalt. Warte in der Zwischenzeit, öffne dich nach oben, rufe sehr ruhig und stetig und mit nicht zu rastlosem Eifer den Frieden, damit er in das Schweigen eintreten möge – und ist einmal der Friede vorhanden, dann bitte um die Freude und Gegenwart.

Der Unterschied zwischen einem leeren Mental und einem stillen Mental ist folgender: Wenn das Mental leer ist, gibt es keinen Gedanken, keine Begriffe, keine mentale Tätigkeit irgendwelcher Art, außer einer essentiellen Wahrnehmung von Dingen ohne die geformte Idee; doch im ruhigen Mental ist es die Substanz des mentalen Wesens, die still ist – so still, dass nichts sie stört. Sobald Gedanken oder Tätigkeiten aufkommen, erheben sie sich keinesfalls aus dem Mental, sondern kommen von außerhalb und durchkreuzen das Mental wie ein Zug Vögel, der die windstille Luft durchzieht. Er fliegt vorüber, er stört nichts und hinterlässt keine Spur. Selbst wenn tausend Bilder oder die gewaltsamsten Ereignisse es durchkreuzen, bleibt diese ruhige Stille erhalten, so als wäre die eigentliche Beschaffenheit des Mentals eine Substanz aus ewigem, unzerstörbarem Frieden. Ein Mental, das diese Ruhe erlangt hat, kann zu handeln beginnen, sogar intensiv und machtvoll zu handeln beginnen, doch wird es seine grundlegende Stille bewahren – nichts aus sich hervorbringend, sondern von Oben empfangend und diesem eine mentale Form verleihend, ohne etwas Eigenes hinzuzufügen, ruhig, leidenschaftslos, doch in der Freude der Wahrheit, in der glücklichen Macht und dem glücklichen Licht ihres Hindurchziehens.

Kapitel 5
Stille
Das erste Geheimnis des Yoga ist, immer die innere Stille zu bewahren und aus dieser Stille heraus allem zu begegnen.

Es ist nicht notwendig, dass [in einem stillen mentalen Geist] kein Gedanke da ist. Wenn es keine Gedanken gibt, ist es Schweigen. Aber man sagt, der mentale Geist sei still, wenn Gedanken, Gefühle usw. durch ihn hindurchgehen, aber er wird nicht gestört. Er fühlt, dass die Gedanken nicht seine eigenen sind; er beobachtet sie vielleicht, aber er wird durch nichts beunruhigt.

Was du über deinen Zustand schreibst, scheint als Ganzes gesehen richtig zu sein. Du hast bestimmt eine größere Stille erlangt und eine Freiheit des inneren Wesens, die du vorher nicht hattest. Dies gibt dir den Gleichmut und die Fähigkeit, den ernsthafteren Störungen zu entgehen. Wenn man diese Grundlage der inneren Stille hat, kann man den Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten der Oberfläche ohne Aufregung und Niedergeschlagenheit begegnen. Auch die Fähigkeit, sich unter andere zu mischen, ohne dabei überflutet zu werden, hat die gleiche Ursache.

Lege nicht so viel Wert auf Fehler und bestehe nicht darauf, dass du unempfänglich und unbewusst bist. Du brauchst dich nur immer wieder an die Kraft zu wenden, die dir Stille gibt, und in der Stille wirst du allmählich immer bewusster und empfänglicher werden.

Stille, selbst wenn sie zu Beginn etwas Negatives zu sein scheint, ist so schwierig zu erlangen, dass sie überhaupt zu besitzen als ein großer Fortschritt angesehen werden muss.
Tatsächlich ist Stille nichts Negatives, sie ist die eigentliche Natur des Sat-Purusha und die unbedingte Grundlage des göttlichen Bewusstseins. Was immer man sonst erstrebt und gewinnt, diese Stille muss bewahrt werden. Selbst Wissen, Macht und Ananda können, wenn sie kommen und diese Grundlage nicht vorfinden, nicht verweilen, sondern müssen sich zurückziehen, bis die göttliche Reinheit und der göttliche Friede des Sat-Purusha immer gegenwärtig sind.
Strebe nach den übrigen Aspekten des göttlichen Bewusstseins, jedoch mit einem ruhigen und tiefen Streben. Es kann glühend und gleichzeitig ruhig sein, jedoch nicht ungeduldig, rastlos oder voll rajasischem Eifer.
Nur in einem ruhigen Mental und Wesen kann die supramentale Wahrheit ihre wahre Schöpfung aufbauen.

Es ist die Stille, die von oben herabgekommen ist, aber du fühlst sie von dort (Mental und Herz) und nicht von über dem Mental. Aber du musst sie unter dem Herzen finden und nicht nur vom Herzen oben, – die Stille muss sich weiter unten ausbreiten.

Das erste ist die gewöhnliche grundlegende Stille des individuellen Adhara, das zweite ist die grundlegende unbegrenzte Stille des kosmischen Bewusstseins, eine Stille, die immer vorhanden ist, gleichgültig ob sie von allen Bewegungen abgetrennt ist oder diese stützt.
Dies ist die Stille des Atman, des Selbstes darüber, schweigend, reglos, unendlich.

Kapitel 6
Schweigen – Freiheit von den Gedanken
Schweigen bedeutet Freiheit von Gedanken und vitalen Regungen – wenn das ganze Bewusstsein ganz still ist.

Es ist das Schweigen des Mentals und Vitals – ein Schweigen, das hier nicht allein ein Aufhören der Gedanken miteinbezieht, sondern eine Stille der mentalen und vitalen Substanz. Es gibt verschiedene Abstufungen in der Tiefe dieser Stille.

Es ist nicht möglich, ein tiefes Schweigen auf einmal herbeizuführen, es sei denn, man kann sich von den Gedanken trennen, sie als von außen kommend wahrnehmen und sie zurückweisen, bevor sie kommen. Aber das kann nicht jeder auf einmal.

Es ist durchaus möglich, dass Gedanken vorbeiziehen, ohne das Schweigen zu stören – aber dazu muss man von den Gedanken völlig losgelöst und ihnen gegenüber gleichgültig sein.

Wenn im Innern absolutes Schweigen herrscht, ist es ganz natürlich, dass die Gedanken beim Betreten und Berühren der Stille abfallen. Das ist die Art und Weise, in der das Schweigen des äußeren Mentals gewöhnlich entsteht.

Im gänzlich schweigenden Mental hat man gewöhnlich die statische Empfindung des Göttlichen ohne jede aktive Bewegung. Doch alles höhere Denken und Streben, alle höheren Bewegungen können in es eintreten. Dies ist dann kein absolutes Schweigen, man fühlt aber ein grundlegendes Schweigen dahinter, das von keiner Bewegung gestört wird.

Kapitel 7
Schweigen und wahre Erkenntnis
Ein schweigendes Mental ist der erste Schritt zu wahrem Wissen und der Erfahrung des Göttlichen.

Ich habe die Botschaft des Yogi, die du in deinem Brief anführst, nochmals gelesen, doch derart aus dem Zusammenhang gerissen, kann ich nicht viel oder nichts sehr Wesentliches daraus entnehmen. Zwei Äußerungen sind klar:
„Im Schweigen liegt Weisheit“ – es ist das innere Schweigen des Mentals, in welches das wahre Wissen kommen kann; denn die gewöhnliche Tätigkeit des Mentals schafft nur oberflächliche Ideen und Vorstellungen, die nicht das wahre Wissen sind.
Das Sprechen ist meist der Ausdruck der Oberflächen-Natur; sich daher im Sprechen zu sehr zu verausgaben, vergeudet die Energie und verhindert das innere Lauschen, welches das Wort des wahren Wissens bringt… „Hörend wirst du das gewinnen, woran du denkst“, bedeutet vermutlich, dass im Schweigen die wahren Gedanken kommen und sich auswirken oder verwirklichen. Denken kann eine Kraft sein, die sich verwirklicht, doch das gewöhnliche Oberflächendenken ist nicht von dieser Art; es enthält mehr Energievergeudung als sonst irgendetwas. Allein in jenem Denken, das in ein ruhiges oder schweigendes Mental gelangt, liegt Macht.
„Sprich weniger und gewinne Macht“ hat im wesentlichen die gleiche Bedeutung; nicht nur ein wahreres Wissen, sondern auch eine größere Macht kommen zu einem in der Ruhe und dem Schweigen eines Mentals, das, statt an der Oberfläche zu schäumen, sich in seine Tiefen zu wenden und dort das zu hören vermag, was von einem höheren Bewusstsein kommt.
Vermutlich ist dies gemeint; diese Dinge sind allen bekannt, die einige Erfahrung im Yoga haben.

Kapitel 8
Schweigen und Ruhe des Mentals
Schweigen ist ein Bewusstseinszustand, der von oben kommt, wenn man sich dem Göttlichen Bewusstsein öffnet – darum braucht man sich jetzt nicht zu kümmern.
Ein ruhiger mentaler Geist, der die Dinge ohne Aufregung oder Eile aufnimmt und betrachtet, der nicht hetzt oder wahllos Ideen in den Raum wirft, ist das, was notwendig ist.

Es ist nichts Unerwünschtes, wenn das Mental zum Schweigen kommt, wenn es zu denken aufhört und still wird – denn dann findet meist die volle Herabkunft eines weiten Friedens statt, und in dieser weiten Ruhe breitet sich allenthalben die Verwirklichung des schweigenden Selbstes über dem Mental in seiner Unermesslichkeit aus. Sobald jedoch der Friede und dieses mentale Schweigen eingetreten sind, versucht das vitale Mental einzudringen und den Platz einzunehmen, oder aber das mechanische Mental versucht mit dem gleichen Ziel, seine kreisenden, banalen und gewohnten Gedanken geltend zu machen. Der Sadhak hat daher diese Eindringlinge vorsichtig zurückzuweisen und zu vertreiben, damit zumindest während der Meditation der Friede und die Stille des Mentals und Vitals vollständig bewahrt werden. Dies geschieht am besten, indem man einen starken und schweigenden Willen bewahrt. Dieser Wille ist der Wille des Purusha hinter dem Mental, und sobald das Mental zu Frieden und Schweigen gelangt ist, kann man diesen Purusha wahrnehmen – der ebenfalls schweigend und von der Tätigkeit der Natur getrennt ist.
Ruhig zu sein, stetig, im Geist, gefestigt dhira, sthira, diese Ruhe des Mentals, die Trennung des inneren Purusha von der äußeren Prakriti – all dies ist durchaus hilfreich und beinahe unerlässlich. Solange das Wesen dem Gedankenwirbel oder dem Durcheinander der vitalen Bewegungen unterworfen ist, kann man nicht ruhig und im Spirit gefestigt sein. Es ist unerlässlich sich abzulösen, zurückzustehen, sie als nicht zu sich gehörend zu empfinden.
Für die Entdeckung der wahren Individualität und ihren Aufbau in der Natur sind zwei Dinge notwendig: erstens, sich seines seelischen Wesens hinter dem Herzen bewusst zu werden, und dann, diese Trennung von Purusha und Prakriti zu vollziehen. Denn die wahre Individualität befindet sich dahinter und ist durch die Tätigkeiten der äußeren Natur verhüllt.

Schweigen ist immer gut; doch meine ich mit der Ruhe des Mentals kein völliges Schweigen. Ich meine ein Mental, das frei von Beunruhigung und Sorge ist, das stetig, licht und glücklich ist, damit es sich der Kraft, welche die menschliche Natur verändert, zu öffnen vermag. Das einzig Wichtige ist, sich von der Gewohnheit des Eindringens störender Gedanken und falscher Gefühle frei zu machen, von dem Wirrwarr der Ideen, den unglücklichen Regungen usw.. Diese stören die Natur und umwölken sie und erschweren der Kraft das Wirken; wenn das Mental ruhig und friedvoll ist, kann die Kraft leichter wirken. Es sollte möglich sein, die Dinge, die in dir verändert werden müssen, zu erkennen, ohne sich dabei erregen oder niederdrücken zu lassen; umso leichter kann dann die Veränderung stattfinden.

Wir sollten nicht übertreiben. Es geht nicht so sehr darum, die geistige Aktivität loszuwerden, sondern sie in die richtige Richtung zu lenken. Krishnaprem hat mentale Aktivität, aber es ist ein mentaler Geist, der nach innen gegangen ist und die Dinge von dort sieht, ein intuitives Mental; ich habe mentale Aktivität (inmitten des Schweigens), wann immer es nötig ist, aber es ist ein mentaler Geist, der nach oben gegangen ist und die Dinge von oben sieht, ein Übermental. Was überwunden und verändert werden muss, ist der intellektuelle Verstand, der die Dinge von außen nur durch Analyse und Schlussfolgerung sieht – und wenn er es nicht tut, dann eher durch einen voreiligen Blick und sagt: „So ist es“ oder „So ist es nicht“. Aber man kann das innere oder höhere Mental nicht erlangen, wenn die alte mentale Aktivität nicht ein wenig zur Ruhe kommt. Ein ruhiger mentaler Geist verstrickt sich nicht in seine Gedanken und lässt sich nicht von ihnen mitreißen; er hält sich zurück, löst sich von ihnen, lässt sie vorüberziehen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren, ohne sie sich zu eigen zu machen. Er wird zum Zeugen-Geist, der die Gedanken beobachtet, wenn es nötig ist, aber fähig ist, sich von ihnen abzuwenden und von innen und von oben zu empfangen. Schweigen ist gut, aber absolutes Schweigen ist nicht notwendig, zumindest nicht in dieser Phase. Ich weiß nicht, ob es viel nützt, mit dem mentalen Geist zu kämpfen, um ihn zur Ruhe zu bringen; normalerweise gewinnt der mentale Geist in diesem Spiel die Oberhand. Der einfachste Weg ist, sich zurückzunehmen, sich zu lösen und die Kraft zu finden, auf etwas anderes zu hören als auf die Gedanken des äußeren Mentals. Gleichzeitig kann man sozusagen nach oben schauen und sich die Kraft vorstellen, die direkt über einem ist, und sie herabrufen oder ruhig auf ihre Hilfe warten. So machen es die meisten Menschen, bis der mentale Geist allmählich ruhig wird oder von selbst verstummt oder das Schweigen von oben herabkommt. Aber es ist wichtig, nicht zuzulassen, dass sich Depression oder Verzweiflung einstellen, weil es keinen unmittelbaren Erfolg gibt; das kann die Dinge nur erschweren und jeden Fortschritt, der sich abzeichnet, aufhalten.
