Sri Aurobindo Digital Edition
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  1. KOMPILATIONEN
  2. Die inneren Kräfte

KAPITEL 9

INNERE SEHNSUCHT UND GEBET

Die Wirksamkeit des Betens wird oft angezweifelt, und das Gebet an sich gilt als irrational, und folglich als überflüssig und ineffektiv. Es ist wahr, dass der universale Wille immer unbeeinflusst sein Ziel ausführt, das durch egoistische Versuche ihn günstig zu stimmen und inständiges Bitten nicht abgewendet werden kann. Für das Transzendente, das sich in der universalen Ordnung ausdrückt, ist auch wahr, dass sein weites Wissen das voraussieht, was getan werden muss, da es allwissend ist, und dass es keine Anleitung oder Stimulierung durch menschliches Denken braucht, und dass die individuellen Wünsche in keiner Welt-Ordnung die bestimmenden Faktoren sind oder sein können. Aber weder wird diese Ordnung noch die Ausführung des universalen Willens insgesamt durch ein mechanisches Gesetz bewirkt, sondern durch Mächte und Kräfte, für die zumindest das menschliche Leben, der menschliche Wille, sowie seine Sehnsucht und sein Vertrauen, nicht unwichtig sind. Das Gebet ist nur eine bestimmte Form, die diesem Willen, der Sehnsucht und dem Vertrauen verliehen wird. Seine Ausdrucksformen sind oft unreif, und nicht nur kindlich, was an sich kein Defekt ist, sondern kindisch; aber trotzdem hat das Gebet eine wirkliche Kraft und Bedeutung. Seine Stärke und sein Sinn liegen darin, den Willen, das Sehnen und das Vertrauen des Menschen in Berührung mit dem göttlichen Willen als dem eines bewussten, wissenden Wesens zu bringen, mit dem wir in bewusste und lebendige Beziehungen treten können. Denn unser Wille und unsere Sehnsucht können entweder durch unsere eigene Stärke und Bemühung wirken, und können so zweifellos bedeutend und effektiv gemacht werden, ob für niedrigere oder höhere Zwecke – und es gibt eine Vielzahl von Disziplinen, die die menschliche Bemühung als wichtigste Kraft fördern – oder aber Wille und innere Sehnsucht können sich unterordnen, und in Abhängigkeit vom göttlichen oder universalen Willen handeln. Auf die zuletzt genannte Weise kann man gewiss den universalen Willen so betrachten, dass er für unser inneres Sehnen empfänglich ist, jedoch beinahe auf mechanische Weise, durch eine Art Gesetz der Energie, auf jeden Fall sehr unpersönlich, oder man kann ihn so betrachten, dass er bewusst die göttliche Sehnsucht und das Vertrauen in der menschlichen Seele beantwortet, und ihr bewusst die gewünschte Hilfe, die Führung, den Schutz und die Erfüllung bringt… (58)

SRI AUROBINDO

Nehmen Gebete und Sehnsüchte auch eine Form an, wie die Gedanken?

Ja, manchmal nehmen sie sogar die Form der Person an, die die Sehnsucht oder die Bitte hat – oftmals. Es kommt darauf an. Innere Sehnsucht nimmt manchmal die Form dessen an, wonach man sich sehnt, aber am häufigsten, nehmen besonders Gebete die Form desjenigen an, der betet.

Was ist der Unterschied zwischen Gebet und innerer Sehnsucht?

Irgendwo habe ich darüber geschrieben. Es gibt verschiedene Arten von Gebeten.

Es gibt das rein mechanische, materielle Gebet, dessen Worte auswendig gelernt wurden und automatisch wiederholt werden. Das bedeutet nicht sehr viel. Dieses Beten hat gewöhnlich nur ein einziges Resultat, die Person, die betet zu beruhigen, denn wenn ein Gebet mehrere Male wiederholt wird, endet der Effekt der Worte damit, dich ruhig zu machen.

Es gibt ein Gebet, das eine spontane Formulierung ist, um gen au das auszudrücken, worum man bittet: man kann für dies oder das beten, oder für die eine oder andere Sache, man kann für eine Person beten, für einen bestimmten Umstand, der eintreten soll, oder für sich selbst.

Es gibt einen Punkt, an dem sich das Gebet und das innere Sehnen treffen, denn es gibt Gebete, die eine spontane Formulierung einer gelebten Erfahrung sind: diese Gebete kommen ganz fertig aus dem inneren Wesen hervor, wie etwas das der Ausdruck einer tiefgründigen Erfahrung ist, das Gebet bringt Dank für diese Erfahrung hervor, und bittet um deren Fortdauer oder auch um die Erklärung dafür; und das kommt der inneren Sehnsucht sehr nahe. Aber seelische Sehnsucht wird nicht notwendigerweise in Worten formuliert, oder wenn sie in Worten ausgedrückt wird, ist es beinahe wie eine Anrufung an das Göttliche. Du strebst einen bestimmten Zustand an; zum Beispiel hast du etwas in dir ausfindig gemacht, was nicht mit deinem Ideal übereinstimmt, ein dunkles oder ignorantes Motiv, vielleicht sogar Feindseligkeit, etwas, was nicht in Harmonie mit dem ist, was du verwirklichen möchtest; das wird dann nicht in Worten formuliert, sondern es wird wie das Auflodern einer Flamme sein, die sich in einer lebendigen Erfahrung an das Göttliche überantwortet, die darum bittet, weitherziger zu werden, über den üblen Willen erhaben zu sein, und immer klarer und präziser zu werden. All das kann später in Worte gefasst werden, wenn man versucht sich daran zu erinnern und seine Erfahrung niederzuschreiben.

Aber innere Sehnsucht steigt immer nach oben, wie eine Flamme die hoch aufsteigt, und in sich selbst die Sache trägt, die man sein möchte, die man zu tun wünscht, oder auch das, was man sich wünscht. Ich gebrauche hier das Wort „Wünschen“, aber hier sollte man eigentlich das Wort „Sehnen“ benutzen, denn diese Sehnsucht hat weder die Qualität noch die Form eines Wunsches.

Sie ist eigentlich wie eine große reinigende Flamme des Willens, denn sie trägt in ihrem Innersten die Sache, um die man bittet.

Nehmen wir an, dass du etwas getan hast, was du bereust, weil es unglückliche Konsequenzen hat, die sich störend auf die Dinge auswirken, denn einige Menschen sind in die Sache mit hineingezogen, und du kennst die Reaktionen der anderen nicht, aber du selbst wünschst, dass das, was getan wurde, sich zum Besten wenden möge, und dass, wenn da ein Fehler begangen wurde, dieser verstanden werden soll, und egal, welcher Fehler es gewesen sein mag – du wünschst, dass er für dich die Gelegenheit zu einem größeren Fortschritt, zu einer größeren Disziplin, einem neuen Aufstieg zum Göttlichen sein möge, eine Tür, die sich für eine Zukunft öffnet, die du klarer und wahrer und intensiver haben möchtest; so, all das, was du fühlst, sammelt sich hier (sie zeigt auf ihr Herz), wie eine Kraft, dann wallt dieses Gefühl in dir auf, und steigt in einer gewaltigen Bewegung des Aufstiegs nach oben, manchmal ohne den Schatten einer Formulierung, ohne Worte, ohne Ausdruck, sondern, wie eine hochschnellende Flamme.

Das ist wirklich wahre Sehnsucht. Das kann hunderttausendmal täglich passieren, wenn man das Stadium erreicht hat, in dem man ununterbrochen Fortschritte machen, und ehrlicher werden möchte, und mehr in Harmonie mit dem, was der göttliche Wille von uns will.

Gebet ist eine viel mehr veräußerlichte Sache, und dreht sich im Allgemeinen um eine präzise Tatsache, und es wird immer formuliert, denn es ist die Formel, die das Gebet ausmacht. Man kann eine Sehnsucht haben und sie in ein Gebet umschreiben, aber innere Sehnsucht geht in jeder Hinsicht bei Weitem über das Gebet hinaus. Man ist dadurch viel näher bei sich und vergisst sich selbst in der Sache, die man sein oder machen möchte, und in der Hingabe an das Göttliche von allem, was man tun möchte. Du kannst beten, um etwas zu erbitten, du kannst auch beten, um dem Göttlichen für das zu danken, was Er dir gegeben hat, und dieses Gebet hat mehr Größe: man könnte es einen Akt der Danksagung nennen. Du kannst aus Dankbarkeit beten für den Aspekt der Freundlichkeit, den das Göttliche dir gezeigt hat, oder für das, was es für dich getan hat, oder für das, was du in ihm siehst, und die Anerkennung, die du ihm zeigen möchtest. All das kann die Form eines Gebetes annehmen. Das ist entschieden die höchste Form des Gebets, denn man ist nicht ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, es ist kein egoistisches Gebet.

Gewiss kann man ein inneres Sehnen in allen Teilen des Wesens haben, aber das eigentliche Zentrum der inneren Sehnsucht ist das psychische Wesen, während man in allen inneren Ebenen beten kann, und das Gebet der Domäne angehört, in der man betet. Man kann rein materielle, physische Gebete machen, gefühlsmäßige vitale Gebete, denkende, mentale Gebete, psychische Gebete, spirituelle Gebete, und jedes hat seinen besonderen Charakter, seinen speziellen Wert.

Es gibt auch eine Art von Gebet, zugleich spontan und selbstlos, das wie ein starker Ruf ist, gewöhnlich nicht für sich selbst persönlich, sondern etwas, das man eine Fürbitte für jemanden anderen an das Göttliche nennen könnte. Es ist äußerst machtvoll. Ich habe zahllose Fälle von dringenden Bitten gehabt, die beinahe sofort verwirklicht wurden wegen Gebeten dieser Art. Es setzt ein starkes Vertrauen voraus, eine große Begeisterung, eine tiefe Aufrichtigkeit, und auch eine großartige Einfachheit des Herzens, etwas das nicht kalkuliert, nicht plant, nicht mit der Idee handelt oder gibt um im Austausch etwas dafür zu erhalten. Denn die Mehrheit der Menschen gibt mit der einen Hand, und hält die andere auf um etwas im Austausch dafür zu bekommen; die größte Anzahl der Gebete ist von dieser Art. Aber es gibt andere, von der Art, wie ich sie beschrieben habe, Dankgebete, eine Art Gesang des Dankes, und diese sind sehr gut.

So sieht es aus. Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausgedrückt habe, aber so ist es.

Um es klarer zu machen, wir können sagen, dass ein Gebet immer in Worte gefasst ist; aber die Worte können unterschiedliche Werte ausdrücken, entsprechend des Zustandes, in dem man sich befindet, wenn man sie formuliert. Das Gebet ist eine Formulierung, und man kann dadurch zum Göttlichen aufsteigen. Aber es ist schwierig zu beten, ohne dass da jemand ist, zu dem man beten kann. Zum Beispiel, diejenigen die eine Auffassung vom Universum haben, aus der sie die Idee vom Göttlichen mehr oder weniger vertrieben haben – (es gibt viele Menschen dieser Art; diese Idee stört sie – der Gedanke, dass da jemand ist, der alles weiß, alles tun kann, und der so ungeheuer viel größer ist als man selbst, dass es sich nicht vergleichen lässt; das ist ein bisschen unangenehm für ihre Eigenliebe; deshalb versuchen sie eine Welt ohne das Göttliche zu machen) – diese Leute können offensichtlich nicht beten, denn zu wem würden sie beten? Außer, dass sie zu sich selbst beten, was nicht üblich ist. Aber man kann sich nach etwas sehnen, ohne irgendein Vertrauen in das Göttliche zu haben. Es gibt Menschen, die nicht an die Existenz von Gott glauben, aber sie haben Vertrauen in den Fortschritt. Sie haben die Idee, dass die Welt sich in einer konstanten Weiterentwicklung befindet, und dass dieser Fortschritt in Richtung einer immer größeren Verbesserung unbegrenzt weitergehen wird, ohne aufzuhören. Nun, diese Menschen können eine sehr große Sehnsucht nach Fortschritt haben, und sie brauchen dafür nicht einmal irgendeine Idee einer göttlichen Existenz. Die Sehnsucht nach etwas setzt notwendigerweise ein Vertrauen voraus, aber nicht unbedingt Vertrauen in ein göttliches Wesen: wohingegen das Gebet nicht existieren kann, wenn es nicht an ein göttliches Wesen gerichtet ist. Und zu was beten? Man betet nicht zu etwas, was keine Persönlichkeit hat! Man betet zu jemandem, der uns hören kann. Wenn da niemand ist, der uns hört, wie könnte man dann beten? Folglich, wenn man betet, bedeutet es, selbst wenn man es nicht zugibt, dass man Vertrauen zu jemandem hat, der unendlich erhabener ist als wir, unendlich mächtiger, der unser Schicksal und auch uns ändern kann, wenn man so betet, dass man gehört wird. Das ist der wesentliche Unterschied.

Die eher intellektuell orientierten Menschen lassen innere Sehnsucht gelten, und sagen, das Gebet sei etwas Minderwertigeres. Die Mystiker sagen dir dagegen, dass diese Sehnsucht schön und gut ist, aber wenn du wirklich gehört werden willst, und möchtest, dass das Göttliche dir zuhört, musst du beten, beten mit der Unkompliziertheit eines Kindes, einer perfekten Offenheit, das heißt, einem perfekten Vertrauen: „Ich brauche dies oder das (ob das nun ein moralisches, ein physisches oder ein materielles Bedürfnis ist), gut, ich bitte dich darum, gib es mir.“ Oder anders: „Du hast mir gegeben, worum ich dich gebeten habe, du hast mich konkret diejenigen Erfahrungen verstehen lassen, die mir unbekannt waren, und das sind Wunder, die ich jetzt durch meinen Willen erreichen kann; ja, ich bin dir grenzenlos dankbar und übermittle dir mein Dankgebet um dein Lob zu singen, und ich danke dir für dein Eingreifen.“ So ist es. Sich zu sehnen bedeutet nicht unbedingt, diese Sehnsucht auf jemanden Bestimmten zu richten. Man hat Sehnsucht nach einem gewissen Seinszustand, nach Wissen, nach einer Realisation, einem Bewusstseinszustand; man sehnt sich nach etwas, aber das ist nicht notwendigerweise ein Gebet; Gebet ist etwas Zusätzliches.

Gebet ist eine persönliche Angelegenheit, es wird an ein persönliches Wesen gerichtet, das heißt, an etwas – eine Kraft oder ein Wesen – das dich hören, und dir antworten kann. Sonst kannst du nicht um etwas bitten. (59)

DIE MUTTER

Innere Sehnsucht ist wie ein Pfeil, so (sie macht eine Geste). So, du sehnst dich, möchtest sehr ernsthaft verstehen, wissen, dich auf die Wahrheit einlassen. Ja? Und dann, mit dieser Sehnsucht machst du so (Geste). Deine Sehnsucht steigt auf, steigt, steigt, steigt gerade hoch, sehr stark und dann stößt sie auf eine Art … wie soll man das ausdrücken … Deckel, der dort oben ist, hart wie Eisen und extrem dick, und sie kann nicht durchkommen. Und dann sagst du: „Siehst du, was nützt es, sich zu sehnen? Es bringt überhaupt nichts. Ich stoße auf etwas Hartes und kann da nicht durchkommen!“ Aber du kennst die Geschichte von dem Tropfen, der auf einen Stein fällt, er macht schließlich einen Spalt hinein: er schneidet durch den Stein von oben nach unten. Deine Sehnsucht ist wie ein Tropfen Wasser, der aufsteigt, an statt zu fallen. So, durch das Aufsteigen klopft und klopft und klopft sie gegen den Deckel und macht eines Tages ein Loch kraft ihres Aufstieges; und wenn sie das Loch macht, schnellt sie plötzlich durch den Deckel empor und dringt ein in eine Unermesslichkeit von Licht, und du sagst: „Ah, jetzt verstehe ich.“

So ist es.

Deshalb muss man sehr ausdauernd sein, sehr hartnäckig, und muss über eine innere Sehnsucht verfügen, die steil nach oben aufsteigt, das heißt, die nicht überall umherschweift und alle möglichen Dinge sucht.

Nur das ist nötig: zu verstehen, verstehen, verstehen, zu lernen zu erkennen, zu sein.

Wenn man den Gipfel erreicht, gibt es nichts mehr zu verstehen, nichts mehr zu lernen, man ist, und dann, wenn man ist, versteht man und weiß man. (60)

DIE MUTTER

Macht der spontanen Sehnsucht

Mutter, wenn man eine Anstrengung macht, entsteht etwas in uns, das sehr selbstzufrieden und überheblich wird, und sich mit dieser Bemühung zufriedengibt, und das verdirbt alles. Wie können wir das loswerden?

Ah, das ist der Teil in einem, der sich selbst bei dem zuschaut, was er macht. Es gibt immer jemanden in einem selbst, der beobachtet, wenn man etwas tut. Dabei wird er manchmal stolz. Das zieht von der Bemühung offensichtlich sehr viel Wirkung ab. Ich glaube es ist das: Es ist die Angewohnheit, sich selbst beim Handeln zu beobachten, sich selbst beim Leben zuzuschauen. Es ist notwendig, sich selbst zu beobachten, aber ich glaube, es ist noch notwendiger, absolut aufrichtig und spontan zu sein, ganz ungezwungen in dem, wie man handelt: nicht immer dabei zu sein sich selbst zuzusehen, sich anzuschauen was man macht, und sich selbst zu beurteilen, manchmal sehr streng. Das ist in der Tat beinahe ebenso schlecht, wie sich selbst auf die Schulter zu klopfen, beides ist gleich schlecht. Man sollte so aufrichtig in seiner inneren Sehnsucht sein, dass man nicht einmal merkt, dass man strebt, sondern so, dass man selbst zu dieser inneren Sehnsucht wird. Wenn das tatsächlich durchgeführt werden kann, kann man wirklich eine außergewöhnliche Macht erreichen.

Eine Minute, nur eine Minute davon, und du kannst Jahre der spirituellen Realisation damit vorbereiten. Wenn man nicht länger ein sich selbst betrachtendes Wesen ist, ein Ego, das sich selbst beim Handeln zuschaut, sondern wenn man zur Handlung selbst wird, vor allem in der inneren Bestrebung, das ist wirklich gut. Wenn da nicht länger eine Person ist, die sich bemüht, sondern wenn es die innere Sehnsucht ist, die mit voller Konzentration empor strebt, dann führt das tatsächlich sehr weit. Sonst ist immer ein wenig Eitelkeit beigemischt, ein wenig Selbstgefälligkeit, auch ein bisschen Selbstmitleid, alle möglichen belanglosen Sachen, die entstehen und alles verderben. Aber es ist schwierig. (61)

DIE MUTTER

KAPITEL 10

ANTWORTEN UND LÖSUNGEN

Ein oder zweimal hast du, als ein Spiel, ein Buch von dir oder Sri Aurobindo genommen und planlos aufgeschlagen, und einen Satz daraus vorgelesen. Können diese Sätze einem ein Zeichen oder einen Hinweis geben? Was sollen wir machen, um eine wahre Antwort zu bekommen?

Jeder kann das machen. Es wird so gemacht: du konzentrierst dich. Jetzt hängt es davon ab, was du willst. Wenn du ein inneres Problem hast und eine Lösung möchtest, konzentrierst du dich auf dieses Problem; wenn du etwas über den Zustand erfahren möchtest, in dem du bist, weil er dir nicht bewusst ist – wenn du etwas Licht in den Zustand bringen möchtest, in dem du dich befindest, bringe es unkompliziert hervor und bitte um dieses Licht. Oder anders, ganz einfach, wenn du neugierig bist und erfahren willst, was dir das unsichtbare Wissen zu sagen hat, bleibst du für einen Moment schweigend und still, und öffnest dann das Buch. Ich habe immer empfohlen dafür ein Papiermesser zum Öffnen der Seiten zu nehmen, weil es dünner ist; während du konzentriert bist, schiebst du es in das Buch hinein, und zeigst mit der Spitze auf eine Textstelle. Wenn du dann verstehst dich zu konzentrieren, das heißt, wenn du es wirklich mit der inneren Sehnsucht machst, eine Antwort zu erhalten, kommt sie immer.

Denn in Büchern dieser Art, (Mutter zeigt auf Die Synthese des Yoga) Bücher der geistigen Enthüllung, gibt es immer eine Anhäufung von Kräften, zumindest von höheren mentalen Kräften, und sehr häufig von spirituellen Kräften des höchsten Wissens. Jedes Buch ist aufgrund der Worte, die es enthält, wie ein kleiner Akkumulator dieser Kräfte. Die Menschen wissen das nicht, denn sie wissen nicht, wie man sich das zunutze macht, aber es ist so. Ebenso ist in jedem Bild, in jeder Fotografie eine Anhäufung von Kräften enthalten, eine kleine Ansammlung, die die vitale Energie und die Natur der Person darstellen, die auf dem Bild zu sehen ist, und wenn sie über innere Kräfte verfügt, ihre Kräfte. Jetzt zu dir, wenn du aufrichtig bist und eine innere Sehnsucht hast, strahlst du eine gewisse Schwingung aus, die Schwingung deines inneren Strebens die aus dir hinausgeht, und auf die entsprechende übereinstimmende Kraft in dem Buch trifft, und es ist ein höheres Bewusstsein, das dir darauf die Antwort gibt.

Alles ist potenziell in sich selbst enthalten. Jedes einzelne Element eines Ganzen enthält potenziell das Ganze in sich. Es ist etwas schwer zu erklären, aber du wirst es an einem Beispiel verstehen: wenn Menschen Magie an einer Person praktizieren wollen, ist es genug, wenn sie ein Stückchen von einem Nagel oder ein wenig Haar dieser Person besitzen, denn darin ist potenziell alles enthalten, was die ganze Person ausmacht. Und in einem Buch ist potenziell – nicht ausgedrückt, nicht offenbart – das gesamte Wissen enthalten, das in der Person existiert, die das Buch geschrieben hat. So repräsentierte Sri Aurobindo eine Gesamtheit von Verständnis, Wissen und Kraft; und jedes seiner Bücher ist zugleich ein Symbol und eine Wiedergabe davon. Jedes seiner Bücher enthält symbolisch, potenziell das, was in Sri Aurobindo ist. Deswegen kannst du, wenn du dich auf das Buch konzentrierst, durch das Buch zu dieser Quelle zurückgehen. Und sogar wenn du nur das Buch liest, wirst du fähig sein, sehr viel mehr zu erhalten, als das, was in dem Buch steht.

Es gibt immer eine Art, das was man liest, so zu verstehen, dass es eine Antwort auf das gibt, was du wissen möchtest. Das ist nicht einfach nur ein Zufall oder ein Zeitvertreib, auch keine Art der Ablenkung. Du kannst es „einfach so“ machen, und dann passiert überhaupt nichts mit dir, du bekommst keine Antwort, und es ist nicht interessant. Aber wenn du es ernsthaft machst, wenn deine Sehnsucht ehrlich versucht, sich auf dieses Instrument des Buches zu konzentrieren – das Buch ist wie eine Batterie, die Energien enthält, nicht wahr – wenn sie versucht, mit der Energie die darin ist in Berührung zu kommen, und darauf besteht eine Antwort zu bekommen auf das was sie wissen will, nun, dann wird natürlich die Vereinigung der beiden Kräfte – der Kraft, die du von dir gibst und der, die in dem Buch angesammelt ist – deine Hand und dein Papiermesser leiten, oder was immer du benützt; sie wird dich genau zu der Sache führen die das ausdrückt was du wissen solltest… Es ist offensichtlich, dass überhaupt nichts passiert, wenn man es ohne Ehrlichkeit oder Überzeugung tut. Wenn man es aufrichtig macht, bekommt man eine Antwort.

Gewisse Bücher sind stärker aufgeladen als andere; es gibt auch Bücher, in denen das Resultat weniger klar ist. Aber im Allgemeinen hat man mit den Büchern am meisten Erfolg, die Aphorismen und kurze Sätze enthalten – keine langen philosophischen Erklärungen, sondern eher Dinge in zusammengefasster und präziser Form.

Natürlich hängt der Wert der Antwort von dem Wert der spirituellen Kraft ab, die in dem Buch enthalten ist. Wenn du eine Novelle hernimmst, wird sie dir nichts als Dummheiten sagen. Aber wenn du ein Buch nimmst, das eine Kondensierung von Kräften des Wissens oder spiritueller Energie oder lehrender Kraft enthält – wirst du deine Antwort bekommen. (62)

DIE MUTTER

Das Geräusch all der Worte, all der Ideen in deinem Kopf ist so betäubend, dass es dich davon abhält, die Wahrheit zu hören, wenn sie sich erkennbar machen will.

Zu lernen, ruhig und schweigend zu sein … wenn du ein Problem zu lösen hast – anstatt in deinem Kopf alles zu überlegen, alle Möglichkeiten, alle Konsequenzen, all die möglichen Dinge, die man tun oder nicht tun sollte – wenn du stattdessen innerlich ruhig bleibst, mit der Sehnsucht nach dem guten Willen, wirklich verstehen zu wollen, wenn möglich, mit dem Bedürfnis nach dem guten Willen dazu, kommt die Lösung sehr schnell. Und da du still bist, bist du in der Lage, sie zu hören.

Wenn du in einer Schwierigkeit gefangen bist, versuche diese Methode: Anstatt erregt zu werden, hin- und her zu überlegen, und aktiv nach Lösungen zu suchen, anstatt dir Sorgen zu machen, dich aufzureiben, und in deinem Kopf von hier nach da zu rennen – ich meine nicht äußerlich, sondern in deinem Kopf, denn äußerlich hast du wahrscheinlich genug gesunden Menschenverstand das nicht zu tun – bleib still. Und ruf das Licht herbei, entsprechend deiner Natur durch innere Glut oder durch Friedlichkeit, durch Intensität oder indem du dich weitest, und dann warte, bis es kommt.

Auf diese Weise würde der Weg beträchtlich verkürzt werden. (63)

DIE MUTTER

KAPITEL 11

DIE MACHT DER BEHERRSCHUNG

Selbstbeherrschung

Jeder besitzt in einem bestimmten Moment die Kontrolle über das, was er macht. Und wenn man nicht einmal: „Ja“ gesagt hätte, wenn man nicht selbst diese Entscheidung getroffen hätte, hätte man es nicht so gemacht. Es gibt kein menschliches Wesen, das nicht die Energie oder die Kapazität besitzt, sich einer Sache zu widersetzen, die ihm aufgedrängt werden soll – vorausgesetzt, dass man frei ist, das zu tun. Die Leute erzählen dir zwar: „Ich kann nicht anders“ – das kommt aber daher, weil sie es in der Tiefe ihres Herzens nicht anders machen möchten; sie haben eingewilligt, Sklaven ihrer Laster zu sein.

Es gibt einen Moment, in dem man das akzeptiert hat. (64)

DIE MUTTER

Andere kontrollieren – die Macht der Meisterschaft

Man kann die äußere Materie nicht kontrollieren, wenn man die innere Materie nicht kontrollieren kann, denn sie sind ein und dasselbe.

Meisterschaft bedeutet, das Wissen zu besitzen, wie man mit gewissen Schwingungen umgeht; wenn du verstehst, wie du diese Schwingungen handhaben kannst, besitzt du die Herrschaft darüber. Das beste Feld zum Experimentieren bist du selbst: Zuerst musst du die Kontrolle über diese Schwingungen in dir selbst besitzen, und wenn du sie in dir selbst erlangt hast, kannst du diese Schwingung an andere übermitteln, in dem Maß wie du fähig bist dich mit ihnen zu identifizieren, und so diese Schwingung in ihnen zu erzeugen. Und wenn du in dir selbst nicht mit einer Schwingung umgehen kannst, und nicht einmal das Verfahren kennst, wenn du nicht einmal weißt, was du machen musst, wie kannst du das dann in anderen Menschen steuern? Du kannst andere Menschen durch Worte ermutigen, indem du einen Einfluss auf sie ausübst, damit sie das Notwendige tun, um Selbstkontrolle zu erlernen, aber du kannst sie nicht direkt kontrollieren.

Etwas zu kontrollieren, wie etwa die Absicht in einer anderen Person, heißt einfach, durch die eigene Gegenwart in ihr, ohne Worte oder Erklärungen, die schlechte Schwingung durch eine wahre zu ersetzen. Darin besteht die Macht der Meisterschaft. Sie liegt nicht im Reden, nicht im Erklären; mit Worten und Erklärungen und sogar einem gewissen Ausströmen von Kraft kannst du einen Einfluss auf jemanden ausüben, aber du kontrollierst nicht die Bewegungen seines Denkens oder seiner Gefühle. Die Kontrolle eines Beweggrundes in einer anderen Person, ist die Fähigkeit, der Schwingung dieses Motivs, eine stärkere, wahrere Schwingung entgegenzustellen, die die andere aufhalten kann… Ich könnte euch ein Beispiel geben, wisst ihr, ein sehr leichtes. Zwei Menschen dir gegenüber argumentieren miteinander, sie argumentieren nicht nur, sie sind an einem Punkt, an dem sie handgreiflich werden. Du erklärst ihnen also, dass sie das nicht machen sollen, du gibst ihnen gute Gründe aufzuhören, und sie hören auf. Du wirst auf sie einen Einfluss ausgeübt haben. Aber wenn du einfach nur vor ihnen stehst und sie anschaust, und eine Schwingung von Frieden, von Stille und Gemütsruhe ausstrahlst, ohne ein Wort zu sagen, ohne irgendeine Erklärung, wird die andere Schwingung des Streites nicht fähig sein, weiter zu bestehen, sie wird einfach von selbst wegfallen. Das ist meisterhafte Beherrschung.

Das Gleiche kann man bei der Beseitigung von Unwissenheit anwenden. Wenn du Worte brauchst um etwas zu erklären, ist das kein wahres Wissen. Wenn ich alles was ich sage, deswegen sagen muss, damit du mich verstehst, ist das keine Beherrschung, es bedeutet einfach, dass ich fähig bin, auf eure Intelligenz einen Einfluss auszuüben, und euch helfen kann, zu verstehen, und in euch den Wunsch zu erwecken, zu wissen, und euch zu disziplinieren, etc. Aber wenn ich, während ich euch einfach nur anschaue, ohne irgendetwas zu sagen, nicht fähig bin zu bewirken, dass das Licht in euch hineinfließt, das Licht, das euch verstehen lässt, habe ich die Handlungen oder den Zustand der Unwissenheit nicht gemeistert. (65)

DIE MUTTER

KAPITEL 12

DIE MACHT DER BEWEGUNGSLOSIGKEIT

Süße Mutter, ich verstehe nicht: „die starke Bewegungslosigkeit eines unsterblichen Geistes (Sri Aurobindo, Die Synthese des Yoga).“

Was ist es, das du nicht verstehst? Dass ein unsterblicher Geist eine starke Bewegungslosigkeit besitzt? Es meint, was es sagt. Ein unsterblicher spiritueller Geist ist notwendigerweise bewegungslos und stark, eben durch die Tatsache, dass er unsterblich ist.

Denn das ist eine Tatsache, es ist so. Wenn der Geist sich der Unsterblichkeit bewusst ist, wird er zu einer Bewegungslosigkeit, die ganz aus Stärke gemacht ist. Bewegungslosigkeit – das heißt, er bewegt sich nicht länger, aber dieser Zustand ist eine machtvolle Bewegungslosigkeit, keine Bewegungslosigkeit der Trägheit oder Impotenz; es ist eine starke Bewegungslosigkeit, die die Basis zum Handeln bildet, das heißt, alles was man tut, gründet sich auf dieser mächtigen – allmächtigen – Bewegungslosigkeit des Geistes, der unsterblich ist.

Aber, siehst du, es gibt keine Erklärung, die dir das vermitteln kann, du musst die Erfahrung davon machen, man kann mit dem Verstand nicht erfassen, was das heißt… Und das gilt für alles: der Kopf, das kleine Gehirn, kann nicht verstehen. In dem Moment, in dem man die Erfahrung hat, begreift man – nicht vorher. Man kann eine phantasiereiche Vorstellung davon entwickeln, aber das ist nicht das eigentliche Verstehen. Um es zu begreifen, muss man es leben. Wenn du dir deines unsterblichen Geistes bewusst wirst, wirst du erkennen, was seine starke Bewegungslosigkeit ist – aber nicht vorher. Sonst sind das bloß Worte.

Du verstehst nicht, wie man unbeweglich und zur gleichen Zeit stark sein kann, ist es das, was dir Schwierigkeiten macht? Gut, ich antworte, dass die größte Stärke in der Bewegungslosigkeit liegt. Das ist die souveränste Macht.

Und es gibt eine sehr kleine oberflächliche Anwendung dafür, die du vielleicht verstehen wirst. Jemand kommt und beschimpft dich, oder sagt sehr unangenehme Sachen zu dir; und wenn du anfängst, in Übereinstimmung mit dieser Wut oder diesem bösen Willen zu vibrieren, fühlst du dich sehr schwach und machtlos ihm gegenüber; und machst dich gewöhnlich lächerlich. Aber wenn du es fertig bringen kannst, in dir selbst, besonders in deinem Kopf, in dem Moment eine vollständige Bewegungslosigkeit zu halten, die sich weigert, diese Schwingungen anzunehmen, dann fühlst du zur gleichen Zeit eine große Stärke, und die andere Person kann dich nicht stören. Wenn du sehr ruhig bleiben kannst, sogar physisch, und wenn du fähig bist, sehr still, sehr schweigsam, sehr regungslos zu bleiben, wenn Feindseligkeit gegen dich gerichtet ist, nun, dann hat das eine Macht, nicht nur über dich, sondern auch über die andere Person. Wenn du in dir selbst nicht alle Schwingungen einer Antwort auf den Angriff fühlst, sondern wenn du überall in dir selbst völlig bewegungslos bleiben kannst, hat das eine beinahe sofortige Wirkung auf die andere Person.

Das vermittelt dir vielleicht eine Idee von der Macht der Bewegungslosigkeit. Und das ist eine sehr alltägliche Tatsache, die jeden Tag vorkommen kann; es ist kein großes Ereignis des spirituellen Lebens, es betrifft das äußere, materielle Leben.

In der Bewegungslosigkeit steckt eine ungeheure Macht: in der Bewegungslosigkeit des Denkens, in der Bewegungslosigkeit der Sinne, in der Bewegungslosigkeit des Körpers. Wenn du ruhig und fest wie eine Wand verharren kannst, absolut reglos, wird alles, was die andere Person gegen dich hervorbringt, sofort auf sie zurückfallen. Denn die Macht in dieser Bewegungslosigkeit wird sofort aktiv. Sie kann den Arm eines Mörders stoppen, verstehst du, so stark ist sie. Nur, man darf nicht nur so scheinen, als ob man bewegungslos wäre, innerlich jedoch überkochen! Das ist es nicht, was ich meine. Ich meine eine integrale, vollständige Bewegungslosigkeit. (66)

DIE MUTTER

Es gibt eine statische, gleichbleibende Kraft. Wie kann man es dir erklären? Schau, der Unterschied zwischen statischer und dynamischer Kraft ist der gleiche, wie zwischen einem Verteidigungsspiel und einem Angriffsspiel; verstehst du? Es ist der gleiche Unterschied. Statische Kraft ist etwas, das allem standhalten kann, nichts kann auf sie einwirken, nichts kann sie anrühren, nichts kann sie erschüttern – sie bleibt bewegungslos, trotzdem ist sie unbesiegbar. Dynamische Kraft ist eine Kraft in Aktion, die manchmal nach vorne drängt, und ab und zu Schläge einstecken muss. Das bedeutet, wenn du möchtest, dass deine dynamische Kraft immer als Sieger hervorgeht, muss sie von einer beträchtlichen statischen Kraft unterstützt werden, von einer unerschütterlichen Basis.

Ich weiß, was du sagen willst … dass ein Mensch eine Kraft nur dann wahrnehmen kann, wenn sie dynamisch ist; ein Mensch erkennt Kraft nicht als solche, außer wenn sie aktiv ist; wenn sie nicht aktiv ist, bemerkt er sie nicht einmal, er begreift nicht die gewaltige Kraft, die hinter dieser Inaktivität liegt – manchmal, sogar häufig, ist dies eine Kraft, die gewaltiger ist als die Kraft, die aktiv ist. Aber du kannst es für dich selbst ausprobieren, du wirst sehen, es ist sehr viel schwieriger, ruhig, regungslos und unerschüttert zu bleiben, wenn du mit etwas sehr Unangenehmen konfrontiert bist – ob es Worte oder Handlungen sind, die gegen dich erhoben werden – unendlich viel schwieriger, als mit der gleichen Gewalttätigkeit zu reagieren. Angenommen, jemand beschimpft dich; wenn du angesichts dieser Beschimpfungen reglos bleiben kannst (nicht nur äußerlich, ich meine vollständig), ohne auf irgendeine Weise erschüttert oder davon berührt zu werden: du stehst da, wie eine Kraft gegen die man nichts machen kann, und du antwortest nicht, du machst keine Geste, du sagst kein Wort, alle Beschimpfungen, die dir vorgeworfen werden, lassen dich innerlich und äußerlich absolut unberührt; du kannst deine Herzschläge vollkommen ruhig halten, du kannst die Gedanken in deinem Kopf ganz regungslos und ruhig halten, ohne dass sie im Mindesten gestört werden, das heißt, dein Kopf antwortet nicht sofort durch ähnliche Schwingungen, und deine Nerven sind nicht angespannt mit dem Bedürfnis, ein paar Schläge zurückzugeben, um Erleichterung zu spüren; wenn du so sein kannst, besitzt du eine statische gleichbleibende Kraft, und sie ist unendlich viel stärker, als wenn du die Art von Kraft hättest, die dich Beschimpfung mit Beschimpfung, Schlag mit Schlag, und Aufregung mit Aufregung beantworten lässt. (67)

DIE MUTTER

Manche Menschen sind, wie ich es nenne, „verhätschelt“, das heißt, unfähig, irgendeinem Schmerz standzuhalten oder ihn zu ertragen; sie sagen sofort: „Ich kann nicht! Es ist unerträglich. Ich kann nicht mehr ertragen!“ Ah, das ändert freilich nichts an den Umständen; es hält das Leiden nicht auf, denn du kannst es nicht dadurch vertreiben, dass du ihm sagst, dass du es nicht willst. Man kann aber zwei Dinge tun: wenn man, für alle nervenbedingten Leiden zum Beispiel, in sich selbst an die Stelle des Schmerzes eine Art Bewegungslosigkeit hineinbringen kann, die so total wie möglich ist, hat das die Wirkung eines Betäubungsmittels. Wenn es einem gelingt, an die Stelle, wo man leidet, eine innere Reglosigkeit, eine Bewegungslosigkeit der inneren Schwingung zu bringen, hat das gen au denselben Effekt wie ein Betäubungsmittel. Es durchschneidet den Kontakt zwischen der Stelle des Schmerzes und dem Gehirn, und wenn du einmal den Kontakt abgeschnitten hast, und wenn du diesen Zustand lang genug halten kannst, wird der Schmerz verschwinden. Du musst es dir zur Angewohnheit machen, das zu tun. Du hast die ganze Zeit den Anlass, die Gelegenheit dazu: du schneidest dich zum Beispiel, oder bekommst einen Stoß, siehst du, man zieht sich immer irgendwo eine kleine Verletzung zu – besonders wenn man Sport, Gymnastik und all das treibt – nun, das sind diese Gelegenheiten, die sich uns bieten. Anstatt da zu sitzen, und den Schmerz zu beobachten, und zu versuchen ihn zu analysieren, sich auf ihn zu konzentrieren, was ihn unbegrenzt zunehmen lässt…

Es gibt Menschen die denken dann an etwas anderes, aber es hält nicht lange an; sie denken an etwas anderes, und werden dann plötzlich in Gedanken wieder an die Stelle gezogen die schmerzt. Aber man kann Folgendes machen… Siehst du, weil der Schmerz da ist, zeigt das, dass du in Kontakt mit dem Nerv bist, der den Schmerz übermittelt, sonst würdest du ihn nicht fühlen. Gut, sobald du weißt, dass du in Kontakt damit bist, versuchst du, an dem Punkt der schmerzt, so viel Bewegungslosigkeit wie möglich anzusammeln, um die Vibration des Schmerzes zu stoppen; du wirst dann wahrnehmen, dass das den Effekt wie beim Einschlafen eines Körperteils hat, der in einer unangenehmen Lage ist, und der ganz plötzlich … du weißt, was passiert, nicht wahr … dann, wenn das Einschlafen aufhört, fängt es wieder an schrecklich zu kribbeln. Gut, du probierst ganz überlegt diese Art der Konzentration der Bewegungslosigkeit in dem schmerzenden Nerv; an den schmerzenden Punkt bringst du eine so totale Reglosigkeit, wie du kannst. Gut, du wirst sehen, dass es wirkt, wie ich dir gesagt habe, wie ein Betäubungsmittel: es bringt die Sache zum Schlafen. Und dann, wenn du dem noch eine Art inneren Frieden und das Vertrauen hinzufügen kannst, dass der Schmerz verschwinden wird, nun, ich sage dir, dass er dann auch verschwinden wird.

Von allen Dingen ist, vom yogischen Standpunkt aus gesehen, der Zahnschmerz am schwierigsten zu bewältigen, weil er sehr nahe am Gehirn sitzt. Nun, ich weiß, dass man das wirklich bis zu dem Ausmaß kontrollieren kann, dass man den Schmerz überhaupt nicht fühlt; das heilt zwar nicht den schlechten Zahn, aber es gibt Fälle, in denen es einem gelingt, den schmerzenden Nerv abzutöten. Gewöhnlich ist es in einem Zahn der Nerv, der durch die Karies, die Krankheit, angegriffen wird, und der anfängt, mit all seiner Stärke dagegen zu protestieren. So, wenn du damit Erfolg hast, diese Bewegungslosigkeit in ihm zu etablieren, hältst du ihn davon ab zu vibrieren, du hältst ihn davon ab, zu protestieren. Und was bemerkenswert ist, dass der Nerv absterben wird, wenn du es einigermaßen beständig machst, mit genügend Ausdauer, und du wirst überhaupt nicht mehr leiden. Denn er war es der gelitten hat, und wenn er tot ist, kann er nicht mehr leiden. Versuche es. (68)

DIE MUTTER

KAPITEL 13

MACHT DER IDENTITÄT

Man kann lernen, sich mit sich selbst oder einem Bewusstseinszustand eng zu verbinden, sich damit zu identifizieren. Man muss es lernen. Es ist unerlässlich, wenn man aus seinem Ego herauskommen will. Denn solange man in seinem Ego eingeschlossen ist, kann man keinen Fortschritt machen.

Wie kann man das machen?

Es gibt viele Verfahren. Ich werde euch eins nennen.

Als ich in Paris lebte, besuchte ich viele Orte, an denen alle möglichen Versammlungen stattfanden, mit Menschen, die alle Arten von Forschungen durchführten, spirituelle (sogenannte spirituelle), okkulte Forschungen usw. Und einmal war ich eingeladen um eine junge Dame zu treffen (ich glaube sie war Schwedin), die einen effektiven Prozess zur Aneignung von Wissen, genauer gesagt, eine Methode des Lernens herausgefunden hatte. Sie erklärte es uns. Wir waren zu dritt oder zu viert (ihr Französisch war nicht sehr gut, aber sie war sehr selbstsicher!); sie sagte: „Es geht so, du nimmst einen Gegenstand, oder malst ein Zeichen auf eine Tafel, oder nimmst eine Zeichnung – was es ist, ist nicht wichtig – nimm, was immer für dich am bequemsten ist. Nehmen wir zum Beispiel an, dass ich für euch zeichne … (sie hatte eine Tafel) ich zeichne eine Skizze.“ Sie machte eine Art halbgeometrische Zeichnung. „Jetzt setzt du dich vor diese Zeichnung und konzentrierst deine ganze Aufmerksamkeit darauf – auf diese Skizze hier. Du konzentrierst dich, konzentrierst dich, ohne irgendetwas anderes in dein Bewusstsein eindringen zu lassen – außer dieser Zeichnung. Deine Augen sind auf die Zeichnung fixiert, und bewegen sich kein bisschen. Du bist wie hypnotisiert von der Zeichnung. Du schaust, (und so saß sie da und schaute) du schaust, schaust, schaust … ich weiß nicht, es kann mehr oder weniger lange dauern, aber dennoch, für jemand der daran gewöhnt ist, geht es ziemlich schnell. Du schaust, schaust, schaust, bis du zu diesem Bild wirst, das du anschaust. Nichts anderes existiert mehr auf der Welt, außer der Zeichnung, und dann, plötzlich, gehst du rüber auf die andere Seite des Bewusstseins; und wenn du auf die andere Seite hinübergehst, dringst du in ein neues Bewusstsein ein, und dann weißt du.“

Wir mussten herzlich darüber lachen, denn es war amüsant. Aber es ist sehr wahr, es ist eine ausgezeichnete Methode zum Praktizieren. Natürlich, anstatt eine Zeichnung oder irgend ein Objekt zu nehmen, kannst du zum Beispiel eine Idee nehmen, oder einige Worte. Du hast zum Beispiel ein Problem, das dich völlig in Anspruch nimmt, du kannst die Lösung für dieses Problem nicht finden; nun, dann objektivierst du dieses Problem in deinem Verstand, fasst es in die deutlichsten, genauesten, kürzesten Begriffe die möglich sind, dann konzentriere dich, bemühe dich; du konzentrierst dich nur auf diese Worte, und wenn möglich auf die Idee die sie ausdrücken, das heißt, auf dein Problem – du konzentrierst dich, konzentrierst dich, konzentrierst dich, bis nichts mehr außer dem existiert. Und es ist wahr, dass man auf einmal das Gefühl bekommt, dass sich etwas öffnet, und man ist auf der anderen Seite. Die andere Seite von was?… Es bedeutet, dass du eine Tür in deinem Bewusstsein geöffnet hast, und augenblicklich hast du die Lösung für dein Problem.

Es ist eine ausgezeichnete Methode, um zu lernen „wie“ man sich mit etwas identifiziert.

Ein anderes Beispiel, du bist mit jemandem zusammen. Diese Person sagt etwas zu dir, du behauptest das Gegenteil (wie es üblich ist, einfach durch den Widerspruchsgeist), und du beginnst zu argumentieren. Natürlich wirst du nie auf den Punkt kommen, sondern es wird Streit geben, wenn du schlecht gelaunt bist. Aber anstatt es so zu machen, anstatt bei deinen eigenen Ansichten und Meinungen zu bleiben, wenn du dir stattdessen sagst: „Warte mal ein bisschen, ich werde versuchen zu verstehen, warum er das zu mir gesagt hat. Ja, warum hat er mir das erzählt?“ Und du konzentrierst dich: „Warum, warum, warum?“ Du bleibst dabei, einfach so, und versuchst es. Die andere Person redet weiter, nicht wahr? – und sie ist auch sehr glücklich, denn du widersprichst ihr nicht länger! Sie redet überschwänglich und ist sich sicher, dich überzeugt zu haben. Dann konzentrierst du dich stärker und stärker auf das, was sie sagt, mit dem Gefühl, dass du nach und nach durch ihre Worte in ihren Verstand eindringst. Wenn du in ihren Kopf eintrittst, steigst du plötzlich in ihre Art zu denken ein, und als Nächstes, stelle dir mal vor, verstehst du, warum sie so zu dir spricht. Und dann, wenn du eine ziemlich schnelle Intelligenz besitzt, und stellst das was du gerade eben verstanden hast, neben das was du selbst vorher gewusst hast, hast du die beiden Ansichten nebeneinander vor dir, und so kannst du die Wahrheit finden, die die beiden in Übereinstimmung bringt. Hiermit hast du jetzt wirklich einen Fortschritt gemacht. Es ist die beste Art, sein Denken zu erweitern.

Wenn du anfängst zu argumentieren, bleib sofort, augenblicklich ruhig. Du musst still bleiben, überhaupt nichts sagen, und dann versuchen, die Sache so zu sehen, wie die andere Person sie sieht – dadurch vergisst du nicht deine eigene Art sie zu sehen, überhaupt nicht! Aber du wirst dadurch fähig, beide Betrachtungsweisen zusammen zu sehen. Du wirst dadurch einen wirklichen Fortschritt gemacht haben, einen wahren Fortschritt.

Das gilt für alles. In allem, was du mit anderen zusammen machst, falls du nicht mit ihnen übereinstimmst, nimm es als eine göttliche Gnade, als eine wundervolle Gelegenheit, die dir gegeben wird, um Fortschritte zu machen. Und es ist einfach: an statt auf dieser Seite zu sein, bist du auf der anderen, an statt dich nur selbst zu betrachten, gehst du in die andere Person hinein und schaust. Du brauchst dazu bloß ein kleines bisschen Vorstellungskraft, ein wenig mehr Kontrolle über deine Gedanken, über dein Handeln. Aber das ist nicht sehr schwierig. Wenn du es ein bisschen probiert hast, findest du es nach einer Weile ganz einfach.

Es reicht nicht, dass du einfach nur schaust, was der andere tut, und dann eine gedankliche Anstrengung machst, indem du dir sagst: „Warum ist das so oder so? Warum macht er das? Warum sagt er das?“ So wirst du nie darauf kommen. Du wirst es so nicht verstehen, du wirst dir alle möglichen Erklärungen vorstellen, die wertlos sind, und dich überhaupt nichts lehren, außer dir selbst zu sagen: „Diese Person ist dumm oder böse“ – Dinge, die nirgendwo hinführen. Andererseits, wenn du nur diese kleine Bewegung auf den anderen zu machst, und anstatt die andere Person wie ein Objekt zu betrachten, das dir fremd ist, versuchst, in ihr Inneres hineinzukommen – du kommst ins Innere hinein, in den kleinen Kopf der vor dir ist, und dann, plötzlich, findest du dich auf der anderen Seite wieder, du schaust und verstehst sehr gut, was sie sagt – alles ist klar, das Warum, das Wie, der Grund, das Gefühl das hinter der ganzen Sache steckt … hundertmal täglich hast du Gelegenheit dieses Experiment zu machen.

Zuerst wird es dir nicht sehr gut gelingen, aber wenn du es unbeirrt fortsetzt, wirst du letztendlich bewundernswert erfolgreich sein. Das macht das Leben viel interessanter. Und nebenbei ist es eine Aufgabe, die dich wirklich weiterkommen lässt, denn sie sorgt dafür, dass du aus der kleinen Rüstung herauskommst, in der du dich so angenehm eingeschlossen hast, in der du gegen alles anstößt. Du hast Motten gesehen, die gegen das Licht anstoßen, nicht wahr?… Das Bewusstsein von jedem ist so, es stößt hier an, es stößt dort an, denn da außen sind alles Sachen, die ihm fremd sind. Anstatt überall anzustoßen, betritt man so das Innere der Dinge, dann fängt es an, mehr Teil von einem selbst zu werden. Man weitet sich, atmet frei, hat genügend Raum um sich zu bewegen, man stößt gegen nichts mehr an, man kommt herein in das Innere, durchdringt es, und versteht. Und man lebt dabei zur selben Zeit an vielen verschiedenen Plätzen. Es ist sehr interessant, man macht das dann automatisch.

Du liest zum Beispiel ein Buch, das dich stark interessiert, eine wundervolle Novelle, voll mit aufregenden Abenteuern, du bist völlig in die Geschichte vertieft, und manchmal vergisst du deine Unterrichtsstunden, oder sogar deine Essenszeiten oder deine Schlafenszeit.

Du bist vollkommen absorbiert von dem, was du liest. Nun, das ist ein Vorgang, bei dem man sein Selbst mit dem was man liest, identifiziert. Und wenn du es mit einer gewissen Perfektion machst, gelingt es dir, im Voraus zu verstehen, was passieren wird. Es gibt einen Moment wenn du, während du in die Geschichte vertieft bist, erfährst, (ohne zu versuchen es herauszufinden) zu welchem Ausgang der Autor dich führen wird, wie er seine Geschichte entwickeln, und zu ihrem Ende führen wird. Denn du hast dich mit dem kreativen Denken des Autors identifiziert. Du machst das mehr oder weniger vollständig, ohne zu merken, dass du es machst, aber dies sind Vorgänge in denen sich das Selbst innerlich mit dem Geschehen des Buches identifiziert.

Es gibt in Paris Theater der dritten oder vierten Klasse in denen sensationelle Dramen aufgeführt werden. Das sind Vorstadttheater. Sie sind nicht für Intellektuelle, sondern für die Massen, und alle Spiel-Elemente sind immer extrem dramatisch und bewegend. Nun, diejenigen die dort hingehen sind meist sehr einfache Leute, und sie vergessen vollständig, dass sie in einem Theater sind. Sie identifizieren sich mit dem Schauspiel. Und so passieren Dinge wie diese: Auf der Bühne ist ein Verräter der sich hinter einer Tür versteckt, und der Held kommt da entlang, der natürlich nicht weiß, dass sich ein Verräter hinter der Tür versteckt, der ihn töten will. Jetzt sitzen da Leute oben (in der Galerie), ganz oben im Theater, die schreien: „Pass‘ auf! Er ist da!“ (Gelächter). Das ist nicht nur einmal passiert, es geschieht hunderte von Malen, ganz spontan. Ich habe ein Spiel dieser Art gesehen das „Le Bossu“ hieß, glaube ich; wie auch immer, es war ein sehr sensationelles Drama, und es wurde in dem Theater: Theatre de la Porte Saint Martin aufgeführt. In diesem Stück gab es ein Zimmer. Man konnte auf der Bühne einen großen Raum sehen, und daneben ein kleines Zimmer und … ich erinnere mich nicht mehr an die Geschichte, aber in dem kleinen Zimmer gab es einen Knopf, den man drücken konnte, und durch den Knopfdruck konnte die Decke des großen Raumes heruntergelassen werden, auf diejenigen, die sich darin befanden, um sie unerbittlich zu zerquetschen!… Es wurde eine Warnung ausgegeben, die Leute hatten schon darüber gesprochen und die Nachricht weitergegeben. Jetzt gab es einen Betrüger, der sich in dem kleinen Zimmer versteckt hatte, und der den Trick mit dem Knopf kannte, und dann war da der Held, der mit anderen Leuten in das große Zimmer kam, und sie fingen an zu argumentieren; und jeder im Zuschauerraum wusste, dass die Decke herunterkommen würde… Ich sagte nichts, ich erinnerte mich daran, dass ich im Theater war, ich wartete darauf, wie der Autor aus dieser Situation herauskommen würde, um seinen Helden zu retten (denn es war offensichtlich, dass er ihn nicht einfach vor allen Leuten erschlagen lassen konnte!). Aber die anderen Zuschauer waren überhaupt nicht in diesem gelassenen Zustand. Denn es gab Zuschauer, die sogar schrien, wirklich schrien: „Pass auf! Gib‘ auf die Decke acht!“ So war das.

Dies sind Phänomene der Identifikation des Selbst. Nur sind sie unwillkürlich. Das ist übrigens auch eine der Methoden die man heute einsetzt, um Nervenkrankheiten zu heilen. Wenn jemand nicht schlafen kann, sich nicht beruhigen kann, weil er zu aufgeregt und nervös ist, und seine Nerven durch die übermäßige Aufregung krank und geschwächt sind, wird ihm zum Beispiel geraten, sich vor ein Aquarium zu setzen – ein Aquarium, das ist sehr hübsch, nicht wahr – vor ein Aquarium mit niedlichen kleinen Fischen darin, Goldfischen; einfach nur dazusitzen, es sich in einem Lehnstuhl bequem machen, und zu versuchen an nichts zu denken, (besonders nicht an die Sorgen, die man hat) und den Fischen zuzuschauen. Der nervöse Mensch betrachtet also die Fische, wie sie herumziehen, kommen und gehen, schwimmen, gleiten, wenden, sich treffen, sich kreuzen, sich gegenseitig unaufhörlich jagen, betrachtet auch das langsam fließende Wasser und die vorbeiziehenden Fische. Nach einer Weile lebt er das Leben der Fische: er kommt und geht, schwimmt, gleitet, spielt. Und nachdem eine Stunde beendet ist, sind seine Nerven in bestem Zustand, und er ist vollkommen beruhigt!

Aber die Bedingung ist, dass man nicht an seine Sorgen denken soll, sondern einfach nur den Fischen zuschauen.

Kann das Göttliche auch auf diese Weise erreicht werden?

Weißt du, der einzige Weg das Göttliche zu erfahren ist, sich mit ihm zu identifizieren. Es gibt keinen anderen, es gibt nur einen, einen einzigen Weg. Deswegen, wenn du einmal Meister dieser Methode der Identifikation des Selbst bist, kannst du dich mit Ihm als eins erkennen. Du wählst also dein Objekt für die Identifikation, du möchtest dich mit dem Göttlichen identifizieren. Aber solange du nicht weißt, wie du dich innerlich mit ihm verbinden sollst, werden dir hundertundeine Sache in den Weg kommen, die dich hierhin und dorthin ziehen, die dich zerstreuen, und du wirst nicht fähig sein, dich mit Ihm zu identifizieren. Aber wenn du gelernt hast, wie du dich mit Ihm identifizieren kannst, dann musst du diese Identifizierung nur ausrichten, sie dort platzieren, wo du sie haben willst, und dann daran festhalten, bis du ein Resultat bekommst. Es wird sich sehr schnell einstellen, wenn du Meister deiner Kraft der Identifikation bist. Ja, das wird sehr schnell passieren. Ramakrishna pflegte zu sagen, dass die Zeit zwischen drei Tagen, drei Stunden und drei Minuten variieren könnte. Drei Tage für sehr langsame Leute, drei Stunden für die, die etwas flinker sind, drei Minuten für die, die daran gewöhnt sind. (69)

DIE MUTTER

Seine Identifikation erweitern

Warum möchten Menschen immer für das, was sie geben, etwas zurückbekommen?

Weil sie in sich selbst verschlossen sind.

Sie fühlen ihre Begrenzungen und sie denken, um wachsen, sich vergrößern und sogar überleben zu können, müssen sie von Dingen die außer halb von ihnen sind Besitz ergreifen, denn sie leben im Bewusstsein ihrer persönlichen Begrenzung. Darum macht das was sie hergeben für sie ein Loch, und dieses Loch muss dadurch aufgefüllt werden, dass sie etwas erhalten!… Natürlich ist das ein Fehler. Die Wahrheit ist, dass, anstatt in den engen Grenzen ihrer kleinen Persönlichkeit eingeschlossen zu bleiben, sie ihr Bewusstsein so erweitern könnten, dass sie fähig wären, sich nicht nur mit anderen innerhalb ihrer engen Grenzen zu identifizieren, sondern aus diesen Begrenzungen herauszukommen, darüber hinauszugehen, sich überall auszubreiten, sich mit dem einen Bewusstsein in allem zu vereinen, und eins mit allen Dingen zu werden, dann, in diesem Moment werden die engen Begrenzungen verschwinden, aber nicht vorher. Und solange man diese engen Grenzen fühlt, möchte man nehmen, denn man fürchtet, etwas zu verlieren. Man gibt aus, und möchte wieder auffüllen. Es ist darauf zurückzuführen, mein Kind. Denn wenn man in allen Dingen innerlich ausgebreitet wäre, wenn alle Schwingungen die aus einem herausgehen und wieder zurückkommen, das Bedürfnis ausdrücken würden sich mit allem zu einen, sich zu erweitern und zu wachsen, nicht durch das Verbleiben innerhalb der eigenen Grenzen, sondern indem man aus ihnen herauskommt, um sich schließlich mit allem zu identifizieren, dann hätte man nicht länger irgendetwas zu verlieren, denn man besäße alles. Nur weiß man es nicht. Und deshalb, weil man es nicht weiß, kann man es nicht machen. Man versucht zu nehmen, anzusammeln, anzusammeln, anzusammeln, aber das ist unmöglich. Man kann nichts anhäufen. Man muss sich mit allem identifizieren. Und dann noch etwas, das kleine bisschen was man gibt, das möchte man zurückhaben: man gibt einen guten Gedanken, man erwartet dafür Anerkennung, man gibt ein wenig Zuneigung, man erwartet die Erwiderung von anderen … denn man hat nicht die Fähigkeit, zu den guten Gedanken in allem zu werden, man hat nicht die Fähigkeit, die Zuneigung, die zärtliche Liebe in allen Dingen zu sein. Man fühlt sich so betrübt und zerrissen, und fürchtet alles zu verlieren, fürchtet zu verlieren, was man hat, weil man arm werden könnte. Auf der anderen Seite, wenn man sich mit allem identifizieren könnte, bräuchte man nicht länger Dinge an sich zu ziehen. Je mehr man sich innerlich in allen Dingen erweitert, desto mehr erhält man. Je mehr man innerlich mit allem identifiziert ist, desto mehr wird man sein. Und dann kann man geben, anstatt zu nehmen. Und je mehr man gibt, desto mehr wächst man.

Aber dafür muss man fähig sein, aus den Grenzen seines kleinen Egos herauszukommen. Man muss mit der Kraft und der Schwingung des Göttlichen in allem identifiziert sein, anstatt sich mit seinem Ego zu identifizieren.

Es ist sehr schwierig, aber man kann Erfolg haben. (70)

DIE MUTTER

  1. 14. MACHT ÜBER KRANKHEIT UND SCHMERZ
  2. 15. INNERE STILLE, INNERE RUHE, INNERER FRIEDE, INNERES SCHWEIGEN
  3. 16. DER KÖRPER
  4. 17. DIE VITALE GEFÜHLSEBENE, DAS VITALE

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