Kapitel 6
Der sonnenhelle Weg der Seele
Es gibt immer zwei Arten, den Yoga auszuüben – die eine, durch das Wirken eines wachsamen Mentals und Vitals zu sehen, zu beobachten, zu denken und zu entscheiden, was getan werden soll und was nicht. Natürlich geschieht das mit Hilfe der Göttlichen Kraft im Hintergrund, welche jene Kraft herabzieht oder ruft, denn im anderen Fall, könnte nicht viel getan werden. Es ist aber immer noch die persönliche Bemühung, auf welcher der Nachdruck liegt, und welcher die meiste Arbeit zufällt.
Die andere Art ist die des seelischen Wesens; das Bewusstsein öffnet sich dem Göttlichen, es öffnet nicht nur die Seele und lässt sie hervortreten, sondern auch das Mental, das Vital und das Physische, es empfängt das Licht und erkennt, was zu geschehen hat, es fühlt und sieht, wie es durch die Göttliche Kraft selbst geschieht, und trägt fortwährend durch wachsame und bewusste Zustimmung und durch seinen Ruf zum Göttlichen Wirken bei.
Meist ist nur eine Mischung dieser beiden Arten möglich, bis das Bewusstsein bereit ist, sich völlig zu öffnen, und seine gesamte Tätigkeit dem Göttlichen Ursprung unterzuordnen. Dann schwindet jede Verantwortung, und die Schultern des Sadhaks haben keine persönliche Last mehr zu tragen.
SRI AUROBINDO (23:594)

Wenn sich die Seele im Vordergrund befindet, wird die Sadhana selbstverständlich und einfach, und es ist nur eine Frage der Zeit und natürlichen Entwicklung. Wenn das Mental oder das Vital oder das physische Bewusstsein überwiegt, ist die Sadhana eine tapasya und ein Kampf
SRI AUROBINDO (24:1109)

Der Yoga besteht sehr oft aus einer Folge von Auf und Ab, bis du eine gewisse Höhe erreicht hast. Der Grund hierfür ist jedoch ein ganz anderer, und hat nichts mit den Launen der Seele zu tun. Im Gegenteil, wenn das seelische Wesen hervortritt und Meister wird, beginnt eine im wesentlichen ruhige Tätigkeit, und obwohl es noch Schwierigkeiten und Wellenbewegungen gibt, sind diese nicht länger von jähem oder dramatischem Charakter.
SRI AUROBINDO (24:1109)

Wenn die Seele erwacht ist und sich im Vordergrund befindet, wird es einfach, sich der Dinge, die in der äußeren Natur verändert werden müssen, bewusst zu bleiben – und dann ist es auch verhältnismäßig einfach, sie zu ändern. Wenn aber die Seele verhüllt wird und sich in den Hintergrund zurückzieht, ist es für die sich selbst überlassene äußere Natur schwierig, sich ihrer eigenen falschen Bewegungen bewusst zu bleiben, und es gelingt ihr auch mit großer Anstrengung nicht, sich von ihnen zu befreien. Du hast selbst gesehen, wie in der Essensangelegenheit, dass mit einer aktiven und erwachten Seele die rechte Einstellung auf natürliche Weise kommt und jede Schwierigkeit, welcher Art auch immer, sich bald verringert oder sogar verschwindet.
SRI AUROBINDO (24:1101)

Nicht die Seele ist es, die leidet; das Selbst ist ruhig und gleichmütig gegenüber allen Dingen, und der einzige Kummer des seelischen Wesens ist der Kummer über den Widerstand der [menschlichen] Natur gegenüber dem Göttlichen Willen oder über den Widerstand der Dinge und Menschen gegenüber dem Ruf des Wahren, Guten und Schönen. Was vom Leiden betroffen wird, das ist die vitale Natur und der Körper. Wenn sich die Seele dem Göttlichen zuwendet, kann ein Widerstand im Mental auftreten, der meist in Form von Leugnung und Zweifel in Erscheinung tritt, was mentales und vitales Leiden hervorrufen kann. Es kann auch einen Widerstand der vitalen Natur geben, deren hauptsächlicher Wesenszug das Begehren ist, und wenn auf diesem Gebiet ein Konflikt zwischen der Seele und der vitalen Natur besteht, zwischen der Anziehungskraft des Göttlichen und dem Sog der Unwissenheit, dann leiden das Mental und der vitale Teil ganz offensichtlich. Auch das physische Bewusstsein kann Widerstand leisten, der im Allgemeinen in einer grundlegenden Trägheit besteht, einer Dunkelheit im reinen Stoff des Physischen, einem Nichtbegreifen, einer Unfähigkeit, auf das höhere Bewusstsein anzusprechen, sowie in der Gewohnheit, hilflos und mechanisch auf das Niedere zu reagieren, selbst wenn es nicht will; daraus kann sowohl vitales als auch physisches Leiden entstehen. Außerdem gibt es den Widerstand der Universalen Natur, die nicht will, dass das Wesen aus der Unwissenheit in das Licht entkommt. Das kann die Form eines leidenschaftlichen Beharrens auf der Weiterführung der alten Bewegungen annehmen, deren Wogen das Mental, Vital und den Körper erfassen, so dass die alten Ideen, Impulse, Begierden, Gefühle und Reaktionen fortbestehen – selbst nachdem sie hinausgeworfen und zurückgewiesen wurden – und wie eine Armee, die von außen angreift, zurückkehren können, bis schließlich die ganze dem Göttlichen hingegebene Natur sich weigert, sie anzunehmen. Das ist die subjektive Form des universalen Widerstandes; er kann aber auch eine objektive Form annehmen – Feindseligkeit, Verleumdung, Angriffe, Verfolgung, Unglück von vielerlei Art, feindliche Bedingungen und Umstände, Schmerzen, Krankheiten, Bedrohung von Seiten der Menschen oder Kräfte. Auch hier liegt die Möglichkeit des Leidens auf der Hand. Es gibt zwei Wege, all dem zu begegnen: erstens den des Selbstes, der Stille, des Gleichmuts – ein Spirit, ein Wille, ein Mental, ein Vital, ein physisches Bewusstsein, die entschlossen dem Göttlichen zugewandt bleiben, und sich von all den Suggestionen des Zweifels, Begehrens, Verhaftetseins, von Depression und Kummer, Schmerz und Tätigkeit nicht erschüttern lassen. Das ist möglich, wenn das innere Wesen erwacht, wenn man sich des Selbstes bewusst wird, des inneren Mentals, des inneren Vitals, des inneren Physischen, denn sie können sich leichter dem göttlichen Willen anpassen; und dann findet eine Spaltung im Wesen statt, als ob es zwei Wesen gäbe, eines im Inneren, ruhig, stark, gleichmütig, gelassen, ein Kanal des Göttlichen Bewusstseins und der Göttlichen Kraft, und ein äußeres, das immer noch von der niederen Natur missbraucht wird; dann aber werden die Störungen durch letzteres etwas Oberflächliches sein – nicht mehr als ein äußerliches Kräuseln, bis auch dieses unter dem inneren Druck dahinschwindet und versinkt, und auch das äußere Wesen ruhig, konzentriert und unangreifbar bleibt. Es gibt auch den Weg der Seele – er besteht darin, dass das seelische Wesen mit seiner ihm innewohnenden Kraft, seiner Weihung, Anbetung, seiner Liebe für das Göttliche, seiner Selbsthingabe und Überantwortung hervortritt und diese dem Mental, dem Vital und dem physischen Bewusstsein auferlegt und sie zwingt, all ihre Bewegungen auf Gott zu richten. Wenn die Seele stark und ganz und gar Gebieter ist, gibt es kein subjektives Leiden mehr oder nur noch wenig, und das objektive kann weder die Seele noch die anderen Teile des Bewusstseins berühren – der Weg ist sonnenhell und eine große Freude und Süße werden zum Grundton der ganzen Sadhana. Was die äußeren Angriffe und feindlichen Umstände anbelangt, so hängt das von dem Wirken der [Yoga-] Kraft ab, die die Beziehung des Wesens zur äußeren Natur umwandelt; in dem Maße wie die Kraft ihren Sieg ausdehnt, werden sie eliminiert werden; aber sie können die Sadhana nicht behindern, wie lange auch immer sie andauern, denn dann werden selbst feindliche Dinge und Geschehnisse ein Mittel für ihren Fortschritt und für das Wachsen des Spirits werden.
SRI AUROBINDO (24:1616)

Teil 5
DAS LEBEN NACH DEM TOD UND DIE WIEDERGEBURT
Auf des Lebens Pfad geht neben uns der Tod einher,
Ein dunkler Zuschauer bei des Körpers Beginn
Und letztes Gericht eitlen, menschlichen Tuns.
Seiner Vieldeutigkeit Rätsel aber ist das nicht:
Der Tod ist eine Treppe, eine Tür, ein stolpernder Schritt
Der Seele, die von Leben zu Leben kreuzt,
Eine graue Niederlage, trächtig mit Sieg,
Eine Geißel, die uns treibt in unser todloses Sein.
Die unbewusste Welt ist des Spirits selbstgeschaffener Raum,
Die ewige Nacht ist der Schatten des ewigen Tags.
Die Nacht ist nicht unser Beginn noch unser Ende;
Sie ist die dunkle Mutter, in deren Schoß wir uns bargen,
Sicher vor allzu jähem Erwachen zum Daseinsschmerz.
Wir kamen zu ihr aus überirdischem Licht,
Vom Lichte leben wir und kehren zurück ins Licht.
SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH X CANTO 1

Alles Geschaffene und wiederum Aufgelöste
Schafft des Einen ruhige, beharrliche Schau
Unausweichlich wieder, es lebt erneut:
Kräfte und Leben und Wesen und Ideen
Nimmt eine Zeit lang die Stille auf.
Dort formen sie Zweck und Richtung aufs Neue,
Gießen und prägen erneut ihre Natur und Gestalt.
Immerfort sich wandelnd und wachsend im Wandel
Durchschreiten sie das fruchtbare Stadium des Todes
Und nehmen nach langem, erneuerndem Schlaf
Ihren Platz wieder ein im Wirken der Götter,
Bis ihr Werk in kosmischer Zeit vollbracht.
SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH II CANTO 14
Kapitel 1
Der Vorgang der Wiedergeburt
Jedes mal wenn die Seele in eine neue Geburt eintritt, wird ein Mental, Leben und Körper aus den Substanzen der universalen Natur geformt, die der vergangenen Evolution der Seele sowie ihrem Erfordernis für die Zukunft entsprechen.
Sobald der Körper sich auflöst, wandert das Vital zur vitalen Ebene, um dort eine Zeit lang zu bleiben, dann fällt die vitale Hülle ab. Schließlich zieht sich die Seele oder das seelische Wesen in die seelische Welt zurück, um dort zu ruhen, bis eine neue Geburt naht. Das ist der allgemeine Verlauf für ein normal entwickeltes menschliches Wesen. Es gibt jedoch Abweichungen, die der individuellen Natur und ihrer Entwicklungsstufe entsprechen. So kann zum Beispiel das mentale Wesen, wenn das Mental stark entwickelt ist, [bei der Seele] bleiben und ebenso das Vital, vorausgesetzt sie sind um das wahre seelische Wesen geordnet und um dieses zentriert – sie teilen dann die Unsterblichkeit der Seele.
Die Seele sammelt die wesentlichen Elemente ihrer Erfahrungen im Leben und macht sie zur Grundlage ihres Wachsens in der Evolution; sobald sie in das Leben zurückkehrt, nimmt sie mit ihren mentalen, vitalen und physischen Hüllen soviel karma auf, wie sie im neuen Leben zur weiteren Erfahrung braucht.
Es ist eigentlich der vitale Teil des Wesens, für den sraddha und Riten abgehalten werden, und dies geschieht, um dem Wesen zu helfen, sich von den vitalen Schwingungen zu befreien, die es noch an die Erde oder die vitalen Welten binden, so dass es rasch zu seiner Ruhe im seelischen Frieden gelangen kann.
SRI AUROBINDO (22:433)

1. Das seelische Wesen steht hinter dem Mental, Leben und Körper und stützt sie; die seelische Welt ist nicht eine Welt in der Rangordnung der mentalen, vitalen oder physischen Welten, sondern steht hinter diesen allen, und die sich hier entwickelnden Seelen kehren dorthin für die Zeit zwischen zwei Leben zurück. Wenn die Seele in der aufsteigenden Ordnung von Körper, Leben und Mental nur ein Prinzip wäre, den anderen ebenbürtig und in der Rangordnung auf gleicher Grundlage mit diesen, könnte sie nicht die Seele von allem übrigen sein, das göttliche Element, das die Evolution der anderen ermöglicht, und diese als Instrumente für das Wachsen zum Göttlichen hin durch kosmische Erfahrung benützt. Ebensowenig kann die seelische Welt eine unter den übrigen Welten sein, zu denen das evolutionäre Wesen sich um der überphysischen Erfahrung willen begibt; es ist eine Ebene, zu der es sich zur spirituellen Assimilation seiner Erfahrungen in sich selbst zurückzieht, eine Ebene für ein Wiedereintauchen in sein eigenes ursprüngliches Bewusstsein, seine eigene seelische Natur.
2. Für die wenigen, die die Unwissenheit zurücklassen und in das nirvana eintreten, besteht das Problem nicht, unmittelbar in die höheren Welten der Manifestation aufzusteigen. Nirvana oder moksha ist ein befreiter Daseinszustand und nicht eine Welt – es ist eine Abkehr von den Welten und der Manifestation.
3. Der Zustand der Seele, die sich in die seelische Welt zurückzieht, ist ein vollkommen statischer; jede [der Seelen] zieht sich in sich selbst zurück und hat keine Beziehung zu anderen. Wenn sie aus ihrem Trancezustand auftaucht, ist sie für ein neues Leben bereit, doch wirkt sie zwischenzeitlich nicht auf das Erdenleben ein. Es gibt andere Wesen, Wächter der seelischen Welt, doch kümmern sich diese nicht um die Erde, sondern nur um die seelische Welt, sowie um die Rückkehr der Seelen zur Reinkarnation.
4. Ein Wesen der seelischen Welt kann nicht mit der Seele eines Menschen auf der Erde verschmelzen. Was manchmal vorkommt, ist, dass ein sehr fortgeschrittenes seelisches Wesen eine Emanation herabsendet, die in ein menschliches Wesen eingeht und dieses, bis es bereit ist, auf das seelische Wesen selbst vorbereitet, damit dieses in das Leben eintreten kann. Diese geschieht, wenn eine besondere Arbeit verrichtet und das menschliche Gefäß hierfür vorbereitet werden muss. Eine derartige Herabkunft zeitigt eine erstaunliche und plötzliche Veränderung in der menschlichen Persönlichkeit und Natur.
5. Meist bewahrt die Seele die gleiche Linie des Geschlechtes. Eine Veränderung des Geschlechtes geht in der Regel von den nichtzentralen Teilen der Persönlichkeit aus.
6. Es gibt keine feststehende Regel dafür, in welchem Stadium die Seele zur Wiedergeburt in einen neuen Körper eintritt, denn die Umstände ändern sich mit dem einzelnen Individuum. Es gibt seelische Wesen, die vom Zeitpunkt der Empfängnis an Beziehung mit dem Milieu der Geburt und den Eltern aufnehmen und die Entwicklung der Persönlichkeit und Zukunft bereits im Embryo vorbereiten; andere treten [in den Körper] erst zum Zeitpunkt der Geburt ein, andere noch später im Leben – in diesen Fällen hält eine Emanation des seelischen Wesens das Leben aufrecht. Man sollte wissen, dass die Voraussetzungen des künftigen Lebens grundsätzlich nicht während des Aufenthaltes in der seelischen Welt bestimmt werden, sondern zum Zeitpunkt des Todes; das seelische Wesen wählt dann, was es im nächsten Erdenleben ausarbeiten wird, und dementsprechend gestalten sich die Voraussetzungen.
Du darfst nicht vergessen, dass die Vorstellung einer Wiedergeburt und bestimmter Umstände des neuen Lebens als Belohnung oder Bestrafung von punya (Tugend) oder papa (Sünde) eine unreife menschliche Vorstellung von Gerechtigkeit ist, ziemlich unphilosophisch, unspirituell und das wahre Ziel des Lebens entstellend. Das Leben auf Erden ist eine Evolution, und die Seele wächst durch Erfahrung, durch ein Ausarbeiten von diesem oder jenem in der menschlichen Natur; wenn Leiden sich einstellen, dann hat man sie zum Zwecke dieses Ausarbeitens zu erdulden, und nicht als ein Urteil, das von Gott oder dem Kosmischen Gesetz verhängt ist über unser Fehlen und Irren, welche unvermeidbar sind in der [Welt der] Unwissenheit.
SRI AUROBINDO (22:439)

Es wird oft gesagt, dass Kinder von ihrem seelischen Wesen Besitz ergreifen, wenn sie sieben Jahre alt sind. Was genau heißt das?
Es stimmt nicht. Es gibt Menschen, deren seelisches Wesen vor ihrer Geburt über ihre Formung wacht, selbst bevor sie in dem Schoß ihrer Mutter sind. Es gibt Kinder, deren seelisches Wesen im Augenblick ihres ersten Schreis mit ihnen in Verbindung tritt. Es gibt auch Menschen, deren seelisches Wesen einige Stunden nach ihrer Geburt den Kontakt mit ihnen aufnimmt, oder wenige Tage danach, oder einige Wochen, einige Monate, einige Jahre danach, oder … niemals!
DIE MUTTER (4:140)

Von einem furchtbaren Leiden, das die Seele im Verlauf der Wiedergeburt erdulden soll, ist mir nichts bekannt; volkstümliche Anschauungen, selbst wenn sie einer gewissen Grundlage nicht entbehren, sind selten vorurteilsfrei und genau.
SRI AUROBINDO (22:439)

Die Seele gibt die mentalen und anderen Hüllen (außer den physischen) nicht unmittelbar beim Tode auf. Man sagt, dass es im ganzen drei Jahre dauert, sich von der Verbindungszone mit der Erde zu lösen – es kann aber Fälle eines langsameren oder schnelleren Durchganges geben. Die seelische Welt ist nicht mit der Erde verbunden – jedenfalls nicht auf diese Weise. Und der Geist, der bei Séancen auftaucht, ist nicht das seelische Wesen. Was durch das Medium in Erscheinung tritt, ist ein Gemisch, das aus dem Unterbewusstsein des Mediums und dem der Séancen-Teilnehmer stammt (ich gebrauche „unterbewusst“ hier im gewöhnlichen, nicht im yogischen Sinn) – es können vitale Hüllen sein, die von den Verstorbenen zurückgelassen und unter Umständen von einem Geist oder vitalen Wesen benutzt werden; es kann auch der Verstorbene selbst in seiner vitalen Hülle sein, oder aber etwas, das für diese Gelegenheit übernommen wurde (es ist jedoch der vitale Teil, der die Verbindung herstellt), es können Elementargeister, also Geister der niedrigsten vital-physischen Welt nahe der Erde sein, usw. usw. Meist ein furchtbares Durcheinander – ein Mischmasch aller Arten von Dingen, die durch eine Vermittlungszone aus astralem Graulicht und Schatten kommen. Viele dieser „Vermittler“ scheinen Menschen zu sein, die gerade in die feinstoffliche Welt eingetreten sind, wo sie sich von einer verbesserten Ausgabe des Erdenlebens umgeben fühlen und glauben, dass dies die wirkliche und endgültige andere Welt nach der Erde sei – tatsächlich jedoch ist es nur eine Verlängerung der Ideen, Bilder und Assoziationen der menschlichen Ebene. Es ist die nächste Welt, wie sie von spiritistischen „Führern“ und anderen Séance-Vermittlern dargestellt wird.
SRI AUROBINDO (22:458)

Es kann scheinbar rückläufige Bewegungen geben, doch sind dies nur Zick-Zack-Bewegungen, es ist kein wirkliches Zurückfallen; es ist eine Rückkehr zu etwas, das noch nicht verarbeitet ist, damit man dann umso leichter vorwärtsschreiten kann. Nicht die Seele ist es, die zum Tierzustand zurückkehrt, es ist vielmehr ein Teil der vitalen Persönlichkeit, der sich ablösen und in eine Tiergeburt eintreten kann, um dort seine Tierneigungen auszuarbeiten.
SRI AUROBINDO (22:434)

Die Seele – das seelische Wesen –, wenn sie einmal das menschliche Bewusstsein erreicht hat, kann sich ebensowenig in ein niedrigeres Tierbewusstsein zurückwenden, wie sie in einen Baum oder ein kurzlebiges Insekt zurückkehren kann. Es ist jedoch richtig, dass ein Teil der vitalen Energie oder des geformten instrumentalen Bewusstseins der menschlichen Natur dies kann, und auch sehr häufig tut, wenn es von etwas im Erdenleben stark angezogen wird. Dies mag auch einzelne Fälle einer unmittelbaren Wiedergeburt in menschlicher Form mit voller Erinnerung erklären. Im Allgemeinen aber kann man sich nur durch yogische Entwicklung oder durch Hellsehen des vergangenen Lebens genau erinnern.
SRI AUROBINDO (22:445)

Kapitel 2
Überleben nach dem Tode und Reinkarnation
Diese Auffassung der Person und Persönlichkeit, wenn sie akzeptiert wird, muss gleichzeitig unsere gängigen Ideen über die Unsterblichkeit der Seele modifizieren; denn normalerweise, wenn wir auf der unvergänglichen Existenz der Seele bestehen, ist das, was gemeint ist, das Überleben einer bestimmten, sich nicht verändernden Persönlichkeit nach dem Tod, die immer und in alle Ewigkeit die gleiche war und sein wird. Es ist dieses sehr unvollkommene und oberflächliche „Ich“ des Augenblicks, von der Natur offensichtlich als eine vorübergehende Form betrachtet und nicht wert erhalten zu werden, für die wir dieses erstaunliche Recht des Überlebens und der Unsterblichkeit fordern. Doch ist die Forderung extravagant und kann nicht anerkannt werden; das „Ich“ des Augenblicks kann das Überleben nur dann verdienen, wenn es zustimmt sich zu wandeln, nicht länger es selbst zu sein, sondern etwas anderes, Größeres, Besseres, leuchtender im Wissen, mehr nach dem Bildnis der ewigen Schönheit geformt, mehr und mehr zur Gottheit des geheimen Spirits hin fortschreitend. Es ist jener geheime Spirit oder die Gottheit des Selbstes in uns, die unvergänglich ist, da sie ungeboren und ewig ist. Die seelische Wesenheit in uns, ihr Stellvertreter, das spirituelle Individuum in uns, ist die Person, die wir sind; doch das „Ich“ dieses Augenblicks, das „Ich“ dieses Lebens, ist nur eine Formierung, eine zeitweilige Persönlichkeit dieser inneren Person: sie ist ein Schritt der vielen Schritte unserer evolutionären Wandlung, und dient ihrem wahren Zweck nur dann, wenn wir darüber hinausgelangen zu einem weiteren Schritt, der näher zu einer höheren Stufe des Bewusstseins und Wesens hinführt. Es ist die innere Person, die den Tod überlebt, so wie sie vor der Geburt existiert; denn dieses fortwährende Überleben ist eine Wiedergeburt der Ewigkeit unseres zeitlosen Spirits in den Begriffen der Zeit.
SRI AUROBINDO (19:820)

Du solltest einen weit verbreiteten Irrtum hinsichtlich der Reinkarnation vermeiden. Die allgemeine Vorstellung ist, dass Titus Balbus als John Smith wiedergeboren wird, als ein Mensch mit der gleichen Persönlichkeit, dem gleichen Charakter und den gleichen Fähigkeiten, die er in einem früheren Leben besaß, mit dem einzigen Unterschied, dass er Mantel und Hosen trägt statt einer Toga, und dass er Cockney-Englisch spricht statt des volkstümlichen Lateins. Das ist nicht der Fall. Es hätte nicht den geringsten Sinn, die gleiche Persönlichkeit oder den gleichen Charakter Millionen Male vom Anbeginn der Zeit bis an ihr Ende zu wiederholen. Die Seele tritt um der Erfahrung willen in die Geburt ein, um des Wachstums und der Entwicklung willen, bis sie das Göttliche in die Materie bringen kann. Es ist das zentrale Wesen, das sich inkarniert, nicht die äußere Persönlichkeit – die Persönlichkeit ist lediglich eine Form, die sich das zentrale Wesen in diesem einen Leben für seine Erfahrungen schafft. In einer anderen Geburt wird es sich eine andere Persönlichkeit schaffen, andere Fähigkeiten, ein Leben, das anders verläuft. Angenommen, Virgil würde wiedergeboren, dann könnte er sich durchaus in einem oder zwei weiteren Leben wieder der Poesie zuwenden, doch würde er vermutlich nicht wieder ein Epos schreiben, sondern eher eine leichte, doch elegante und schöne Lyrik, derart, wie er sie in Rom schreiben wollte, aber nicht dazu kam. In einem weiteren Leben würde er vielleicht überhaupt kein Dichter sein, sondern ein Philosoph oder ein Yogi, der die höchste Wahrheit zu erreichen und auszudrücken sucht, denn auch dies war ein unverwirklichter Zug seines Bewusstseins in jenem Leben. Und vielleicht ist er zuvor ein Krieger oder Herrscher gewesen und hatte Taten wie Aeneas oder Augustus vollbracht, die er später dann besungen hat. Und so weiter – auf die eine oder andere Weise entfaltet das zentrale Wesen einen neuen Charakter, eine neue Persönlichkeit, es wächst und entwickelt sich und geht durch alle Arten der Erderfahrung.
In dem Maße wie das sich entfaltende Wesen sich weiterentwickelt und reicher und komplizierter wird, sammelt es gleichsam Persönlichkeiten an. Manchmal verbergen sie sich hinter den aktiven Elementen und bringen etwas Farbe in diese, einen charakteristischen Zug, hie und da eine Fähigkeit –, oder aber sie befinden sich im Vordergrund, und es entsteht eine vielschichtige Persönlichkeit, ein vielseitiger Charakter oder ein vielseitiges, ja gleichsam universales Talent. Wenn aber eine frühere Persönlichkeit, eine frühere Fähigkeit voll in Erscheinung tritt, dann nicht deshalb, um das zu wiederholen, was bereits getan wurde, sondern um die gleiche Fähigkeit in neue Formen und Umrisse zu gießen und zu einer neuen Harmonie des Wesens zu verschmelzen, die nicht die Wiederholung dessen sein wird, was vorher war. Daher darfst du nicht erwarten, das zu sein, was der Krieger und Dichter waren. Einige der äußeren kennzeichnenden Eigenschaften mögen wiederkehren, jedoch in sehr veränderter Form und neuer Zusammenstellung. Die Energien werden in eine andere Richtung gelenkt, um das zu vollbringen, was vorher nicht vollbracht wurde.
Noch etwas anderes. Nicht die Persönlichkeit, sondern der Charakter ist bei der Wiedergeburt von vordringlicher Wichtigkeit – das seelische Wesen ist es, das hinter der Evolution der menschlichen Natur steht und sich mit ihr entfaltet. Die Seele, sobald sie sich vom Körper löst und das Mental und Vital auf dem Weg zu ihrem Ruheplatz zurücklässt, bewahrt den Kern der Erfahrung – nicht die physischen Ereignisse, nicht die vitalen Bewegungen, nicht den mentalen Aufbau, nicht die Fähigkeiten des Charakters, sondern etwas Wesentliches, das sie aus ihnen bezieht, etwas, das man das göttliche Element nennen könnte, um dessentwillen das übrige bestand. Und das ist die immerwährende Hinzufügung, durch die man dem Göttlichen entgegenwächst. Daher hat man auch meist keine Erinnerung an die äußeren Ereignisse und Umstände des vergangenen Lebens, die zwar in einer Art keimhaften Erinnerung vorhanden sind, gewöhnlich aber nicht in Erscheinung treten – für eine derartige Erinnerung hätte eine kraftvolle Entwicklung auf ein ununterbrochenes Fortbestehen des Mentals, Vitals und selbst des feinen Physischen stattfinden müssen. Das, was das göttliche Element in der harmonischen Geistigkeit und weitherzigen Vitalität des Dichters war, und das sich in ihnen ausdrückte, wird erhalten bleiben und in einer neuen Harmonie des Charakters einen neuen Ausdruck finden; oder aber es wird, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, als eine Fähigkeit für die Verwirklichung oder die Arbeit, die für das Göttliche zu geschehen hat, in Erscheinung treten.
SRI AUROBINDO (22:451)
