Spontaneität
Was Laotse Spontaneität nennt, ist das: anstatt durch seinen persönlichen Willen angetrieben zu werden – mental, gefühlsmäßig oder körperlich – sollte man alle äußere Anstrengung bleiben lassen und sich durch das, was die Chinesen „Tao“ nennen, leiten lassen, was sie als Gottheit bezeichnen oder Gott oder das Höchste Prinzip oder den Ursprung aller Dinge oder die schöpferische Wahrheit, tatsächlich alle menschlichen Begriffe des Göttlichen und des Ziels, wie man es erreichen will.
Spontan sein heißt nicht, sich etwas mit dem persönlichen Willen auszudenken, zu organisieren, zu entscheiden und zu verwirklichen.
… Es ist natürlich nicht leicht, das zu leben, es erfordert eine Vorbereitung.
Und wenn man es auf der Ebene des Handelns umsetzen will, wird es noch schwieriger. Denn wenn man normalerweise mit einer Art Logik handeln will, muss man sich vorher ausdenken, was man machen möchte, und es überlegen, bevor man es in die Tat umsetzt, ansonsten kann man von allen möglichen Wünschen und Antrieben hin und her geworfen werden, die sehr weit von der Inspiration entfernt sind, über die im Wu Wei gesprochen wird. Beim Handeln ohne nachzudenken, wäre es einfach, nur den Regungen der niederen Natur zu folgen, die dich zum Handeln drängen. Deshalb ist es besser, in seinen täglichen Aktionen nicht impulsiv spontan zu reagieren, solange man nicht die Weisheit und den Abstand innerer Loslösung gewonnen hat, wie der chinesische Weise in dieser Geschichte, denn man würde riskieren, zum Spielball sehr undisziplinierter Einflüsse und Impulse zu werden.
DIE MUTTER, CWM 8:283

Ich sah ein Kind, das sich im Schmutz wälzte und dasselbe Kind strahlend, nachdem seine Mutter es gewaschen hatte, aber beide Male erschauderte ich beim Anblick seiner vollkommenen Reinheit.
SRI AUROBINDO, Gedanken und Aphorismen
Kann ein Kind sich diese Reinheit erhalten, selbst wenn es erwachsen ist?
Theoretisch ist es nicht unmöglich und einige Menschen, die weit weg von den Einflüssen von Städten, Zivilisationen und Kulturen geboren wurden, können sich das ganze Leben diese spontane Reinheit erhalten, eine Reinheit der Seele, die nicht durch die Aktivitäten des Denkens verdeckt wird. Denn die Reinheit, von der Sri Aurobindo hier spricht, ist die Reinheit des Instinktes, der den Impulsen der Natur spontan gehorcht, und dabei niemals berechnend ist, niemals zweifelt, niemals fragt, ob es gut oder schlecht ist, oder richtig oder falsch, was man macht, oder ob es eine Sünde oder Tugend ist oder ob das Ergebnis seines Handelns vorteilhaft oder unvorteilhaft sein wird. All diese Auffassungen kommen ins Spiel, sobald das mentale Ego in Erscheinung tritt und anfängt, eine dominierende Position im Bewusstsein einzunehmen und die Spontaneität der Seele zu verdecken.
Im modernen „zivilisierten“ Leben verlieren Eltern und Lehrer keine Zeit damit, durch ihren praktischen und rationalen „guten Rat“ diese Spontaneität, die sie Unbewusstheit nennen, zuzudecken und sie durch ein sehr kleinliches, sehr enges, begrenztes mentales Ego zu ersetzen. Das ist in sich selbst verschlossen, vollgestopft mit Vorstellungen von Fehlverhalten, Sünde und Bestrafung und Gedanken an persönliche Interessen mit Berechnungen zum eigenen Vorteil und Profit; was alles unvermeidlich zur Folge hat, das vitale Verlangen durch Unterdrückung, Furcht oder Selbstrechtfertigung zu verstärken.
Und doch sollte der Vollständigkeit halber hinzugefügt werden, dass der Mensch notwendigerweise im Laufe seiner Entwicklung diese unbewusste spontane Reinheit hinter sich lassen muss, die der spontanen Reinheit in den Tieren sehr ähnlich ist, weil er ein mentales Wesen ist, und nachdem er durch eine unvermeidliche Periode mentaler Pervertierung und Verunreinigung gegangen ist, entwickelt er sich über diese Denkweise hinaus und steigt auf in die höhere und leuchtende Reinheit des göttlichen Bewusstseins.
DIE MUTTER, CWM 10:54

Stellt sich Spontaneität von selbst ein oder muss man eine Disziplin verfolgen, um sie zu erlangen?
Spontaneität in den Gefühlen und Handlungen entsteht durch einen dauerhaften Kontakt mit seinem psychischen Wesen, das Ordnung in die Gedanken bringt und die vitalen Impulse automatisch kontrolliert.
DIE MUTTER, CWM 16:369
