Seele und psychisches Wesen
Der Jivatman, der Funken der Seele und das psychische Wesen sind drei verschiedene Formen derselben Realität, und sie dürfen nicht verwechselt werden, weil das die Klarheit der inneren Erfahrung verwirrt.
Der Jivatman oder das spirituelle Selbst, wie es gewöhnlich im Englischen genannt wird, ist selbstexistent über der Manifestation der Schöpfung, die ihm als Instrument dient, er ist Tod und Geburt übergeordnet, immer derselbe, das individuelle Selbst oder der Atman. Er ist das ewige, wahre Wesen des Individuums.
Die Seele ist ein Funke des Göttlichen, der nicht über der manifestierten Schöpfung steht, sondern der in die Manifestation der Schöpfung herunterkommt, um die Evolution der materiellen Welt zu unterstützen. Er ist am Anfang seiner Entwicklung eine nicht differenzierte Macht des Göttlichen, die alle Möglichkeiten enthält, die aber noch keine Form angenommen haben, und die Aufgabe der Evolution ist es, ihnen eine Form zu verleihen. Dieser Funke existiert in allen Lebewesen, von den niedrigsten Entwicklungsstufen bis zu den höchsten.
Das psychische Wesen wird von der Seele durch die Evolution entwickelt. Es unterstützt das Denken und die Gefühle und wächst durch deren Erfahrungen und trägt die menschliche Natur von Leben zu Leben. Es ist das psychische Wesen oder der „caitya purusa“.
Zuerst wird das psychische Wesen durch Gedanken, Gefühle und die Aktivitäten des Körpers verdeckt, aber während es wächst, wird es fähig hervorzutreten und das Leben, das Denken und den Körper zu bestimmen. Im gewöhnlichen Menschen hängt es für seinen Selbstausdruck von diesen ab und kann sie nicht für sich einnehmen und sie frei verwenden. Das Leben ist dann triebhaft animalisch oder menschlich geprägt, aber nicht göttlich.
Wenn das psychische Wesen durch das Praktizieren von Sadhana bestimmend werden kann und seine Instrumente frei verwendet, dann wird der Impuls, sich dem Göttlichen zuzuwenden, vollständig, und die Transformation nicht nur die Befreiung von Denken, Gefühl und Körper wird möglich.
Da das Selbst oder der Atman frei ist und übergeordnet über Geburt und Tod steht, bringt die Erfahrung des Jivatman und seiner Einheit mit dem höchsten universalen Selbst dieses Gefühl der Befreiung. Es ist für die höchste spirituelle Selbstbefreiung nötig; aber für die Transformation des Lebens und der Natur ist das Erwachen des psychischen Wesens und seine Herrschaft über sie unerlässlich.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:65

Die Seele, der Vertreter des zentralen spirituellen Wesens, ist ein Funke des Göttlichen, der alles individuelle Dasein in der Natur erhält; das psychische Wesen ist eine bewusste Form dieser Seele, die durch die Evolution wächst – in dem ständigen Prozess, der zuerst Leben in der Materie und das Denken in der Materie entwickelt, bis sich das Denken endlich in das Übermental und eine supramentale Wahrheit entfalten kann. Die Seele unterstützt die Natur in diesen Entwicklungsstufen, ist selbst aber nicht von diesen Dingen betroffen.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:57

Das psychische Wesen ist um den göttlichen Funken herum organisiert. Der göttliche Funke ist eins, universal, derselbe überall und in allem, eins und unendlich, in allen von der selben Art. Du kannst nicht sagen, dass es ein Wesen ist…, es ist das Wesen, wenn du willst, aber nicht ein Wesen. Natürlich, wenn du bis zum Ursprung zurückgehst, kannst du sagen, dass es nur eine Seele gibt, denn der Ursprung aller Seelen ist gleich, so wie der Ursprung des ganzen Universums derselbe ist, so wie der Ursprung der gesamten Schöpfung derselbe ist. Aber das psychische Wesen ist ein individuelles, persönliches Wesen mit seinen eigenen Erfahrungen, seiner eigenen Entwicklung, seinem eigenen Wachstum, seiner eigenen Organisation; nur ist diese Organisation das Resultat des aktiven Wirkens eines zentralen göttlichen Funkens.
Aber an dem Tag, an dem das äußere Wesen (körperlich, mental und vital) in direkten und konstanten Kontakt mit dem psychischen Wesen tritt, kann man auch sagen, dass das körperliche Wesen dieser Person durch das zentrale göttliche Bewusstsein organisiert wird.
DIE MUTTER, CWM 4:141

Die Seele oder Psyche ist nur in dem Sinne unveränderlich, dass sie alle Möglichkeiten des Göttlichen in sich enthält, aber sie muss sie erst entwickeln und im Verlauf ihrer Entwicklung nimmt sie die Form eines sich entwickelnden psychischen Individuums an, das in der manifestierten Schöpfung seine individuelle Natur entfaltet und an der Evolution teilnimmt. Sie ist ein Funke des göttlichen Feuers, der mithilfe des psychischen Wesens hinter der Natur des Denkens, des Gefühls und des Körpers wächst, bis sie so weit ist, dass sie diese Natur der Unwissenheit in eine Natur des Wissens umwandelt. Dieses sich entwickelnde psychische Wesen ist deshalb nicht zu jeder Zeit all das, was die Seele oder das wesentliche psychische Sein potentiell in sich trägt. In einer Projektion des spirituellen Geistes bringt das psychische Wesen das in die Zeit und individualisiert das, was in seinem Potential ewig und in seinem Sein transzendent ist.
Das zentrale Wesen leitet die verschiedenen, nacheinander folgenden Geburten, aber selbst bleibt es ungeboren, denn es kommt nicht ins Dasein herunter, sondern bleibt darüber. Es hält das denkende, das fühlende und das körperliche Wesen und all die verschiedenartigen Teile der Persönlichkeit zusammen und es kontrolliert ihr Leben, entweder durch ihr mentales Wesen und durch ihr mentales Denken und Wollen oder durch das psychische Wesen, je nachdem welcher Teil am meisten im Vordergrund oder am stärksten in der Natur des jeweiligen Individuums ist. Wenn es seinen kontrollierenden Einfluss nicht ausübt, ist das Bewusstsein der Persönlichkeit in großer Unordnung und jeder Teil der Persönlichkeit handelt für sich selbst, so dass kein stimmiger Zusammenhang zwischen Gedanken, Gefühlen und Handlungen entsteht.
Das psychische Wesen befindet sich nicht darüber, sondern dahinter – sein Sitz ist hinter dem Herzen, seine Macht ist nicht das Wissen, sondern ein wesentliches oder spirituelles Gefühl, es hat den klarsten Sinn für die Wahrheit und eine Art innewohnende Wahrnehmung von ihr, die die Natur einer seelischen Wahrnehmung oder eines seelischen Gefühls annimmt. Das psychische Wesen ist unser innerstes Wesen und es fördert alle anderen Teile, den denkenden, den fühlenden und den körperlichen, aber es wird durch diese auch stark überlagert und muss eher als Einfluss auf sie einwirken als durch sein unabhängiges Recht direkter Einwirkung. Sein direktes Wirken wird erst zur Normalität und überwiegt erst auf einer hohen Stufe der Entwicklung oder durch Yoga. Es ist nicht das psychische Wesen, von dem du fühlst, dass es dir eine Intuition für zukünftige Dinge verleiht oder dich vor den Folgen bestimmter Handlungen warnt, sondern es ist ein Teil des inneren Wesens, manchmal des inneren mentalen, manchmal des inneren Gefühls, manchmal vielleicht des inneren oder subtilen Purushas. Das innere Wesen – innerer Verstand, inneres Gefühl, inneres oder subtil-physisches – wissen sehr viel mehr, als der äußere Verstand, das äußere Gefühl und der äußere Körper, denn sie stehen in direkterer Verbindung mit den verborgenen Kräften der Natur. Das psychische ist das innerste Wesen von allen; sein Privileg ist eine Wahrnehmung der Wahrheit, die der tiefsten Substanz des Bewusstseins innewohnt, ein Sinn für das Gute, das Wahre, das Schöne, das Göttliche in allem.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:58

Die Worte „Seele“ und „Psyche“ werden in der englischen Sprache in sehr unbestimmter Art und Weise und mit vielen unterschiedlichen Bedeutungen benutzt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird sehr oft keine Unterscheidung getroffen zwischen dem Denken und der Seele und oft kommt es zu einer noch schlimmeren Verwirrung, denn das vitale Wesen der Wünsche – die falsche oder die Seele der Wünsche – wird als die „Seele“ oder „die Psyche“ bezeichnet und nicht die wahre Seele oder das wahre psychische Wesen. Das psychische Wesen ist ganz verschieden vom mentalen oder vitalen Wesen, es steht hinter dem Herzen, wo sie sich treffen. Dort ist sein zentraler Platz, aber eher hinter als im Herzen selbst. Denn was der Mensch gewöhnlich als das Herz bezeichnet, ist der Sitz von Emotionen und die menschlichen Emotionen sind Impulse des Fühlens und Denkens, die meist ihrer Natur nach nicht psychisch sind. Die meist verborgene Macht hinter den Emotionen ist die wahre Seele, nicht die Gedanken und die Lebenskraft, sondern sie ist das wahre psychische Wesen in uns. Die Macht der Psyche kann jedoch Einfluss nehmen auf den Verstand und auf das Vitale in uns, sowie auf den Körper, sie kann die Gedanken, den Körper und die Gefühle reinigen (die dann zu psychischem Fühlen werden), zu psychischen Empfindungen, Wahrnehmungen, zu psychischem Handeln und allem anderen in uns, das so für die göttliche Einwirkung vorbereitet wird.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:103

Sind die Seele und das psychische Wesen ein und dasselbe?
Es hängt von deiner Definition der Worte ab. In den meisten Religionen und auch in den meisten Philosophien wird das Wort „Seele“ für das vitale Gefühlswesen verwendet oder es wird gesagt, dass die „Seele“ zum Zeitpunkt des Todes den Körper verlässt, dabei ist es das vitale Gefühlswesen, das ihn verlässt. Man redet davon „die Seele zu retten“ oder von „bösen Seelen“ oder „die Seele zu erlösen“, aber all das gilt für das vitale Gefühlswesen, denn das psychische Wesen braucht man nicht zu retten! Denn es hat nicht Teil an den Fehlern der äußeren Person, es ist deshalb frei von allen Rückwirkungen.
DIE MUTTER, CWM 4:137

Die Seele oder der göttliche Funke ist schon da, bevor die Entwicklung eines organisierten Fühlens oder Denkens beginnt. Die Seele ist ein Teil des Göttlichen, der in die Evolution herabkommt und als göttliches Prinzip in ihrem Inneren die Entwicklung des einzelnen Individuums heraus aus der Unwissenheit hinein ins Licht unterstützt. Sie entwickelt im Verlauf der Evolution ein psychisches Individuum oder eine Seelen-Individualität, die von Leben zu Leben wächst, und das sich entfaltende Denken, Gefühl und den Körper als ihre Instrumente benutzt. Die Seele ist unsterblich, während alles andere zerfällt, sie geht von einem Leben zum anderen über und trägt dabei ihre wesentlichen Erfahrungen sowie den Fortbestand der Entwicklung des Individuums mit sich.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:118

Mutter, Sri Aurobindo sagt hier: „Das psychische Wesen dahinter unterstützt alles“. Was bedeutet das?
Nun, ja, das psychische Wesen steht hinter dieser ganzen Organisation, dieser dreifachen Organisation des menschlichen Lebens und des Bewusstseins, das psychische Wesen, das unsterblich ist, steht dahinter und unterstützt sie durch sein Bewusstsein. Wegen unseres psychischen Wesens verfügen wir über die so klare Wahrnehmung von Kontinuität im Leben. Ansonsten könntest du dich selbst, wenn du das, was du heute bist, vergleichst mit dem, was du im Alter von drei Jahren warst, in keinem Zusammenhang erkennen, weder mental, noch gefühlsmäßig, noch körperlich. Es gibt keinerlei Ähnlichkeit. Aber dahinter steht das psychische Wesen, das die Entwicklung, das Wachstum unterstützt und einem dieses Bewusstsein von Zusammenhang verleiht und einem das Gefühl gibt, dasselbe Wesen zu sein, sogar während man ganz anders geworden ist, absolut anders. Wenn man sich rückblickend genügend genau beobachtet, kann man sehen, dass es heute völlig unmöglich ist, die Dinge so zu sehen und zu tun, wie man sie früher verstanden hat und so zu handeln, wie man zu jener Zeit gehandelt hat, und dass man nie mehr so ähnlich handeln könnte, weil man überhaupt nicht mehr dieselbe Person ist. Und doch, weil wir innerlich das psychische Bewusstsein hatten, das unsterblich ist, hat man das Gefühl, dass man immer dasselbe Wesen ist und dass man weiterhin besteht und in Zukunft immer bestehen wird, mit mehr oder weniger fortschrittlichen und mehr oder weniger bewussten Veränderungen.
DIE MUTTER, CWM 7:218

Zwischen der Seele im Wesentlichen und dem psychischen Wesen muss eine Unterscheidung getroffen werden. Hinter jedem Einzelnen und allem in der Schöpfung steht die Seele, die ein Funken des Göttlichen ist – nichts könnte ohne sie existieren. Aber es ist sehr gut möglich, dass man ein vital fühlendes und körperliches Wesen hat ohne ein deutlich entwickeltes psychisches Sein, das hinter ihnen steht…
Das innere Wesen ist aus der Ebene des inneren Denkens, des inneren Fühlens und des inneren körperlichen Daseins zusammengesetzt – aber das ist nicht das psychische Wesen. Das psychische ist das innerste Wesen und ganz verschieden davon. Das Wort „psychisch“ wird im Englischen allerdings verwendet, um alles Mögliche zu bezeichnen, das anders ist als das äußerliche Denken, das Leben und der Körper oder das, was tiefer geht, oder es bezeichnet alles, was hinter der Natur okkult geschieht oder über ihr, supraphysisch ist, aber diese Verwendung bringt Konfusion und Irrtümer mit sich, und deswegen verwerfen wir sie gänzlich…
Das psychische Wesen wird durch die Aktivitäten unseres oberflächlichen Wesens verdeckt und drückt sich so gut es kann durch die äußeren Mittel unserer Natur aus, die mehr durch die Kräfte äußerer Einflüsse kontrolliert werden als durch die inneren Einwirkungen des psychischen Wesens. Das heißt aber nicht, dass sie völlig von der Seele getrennt sind.
Die Seele lebt im Körper genauso wie der Verstand oder das Gefühl – aber der Körper, den sie in Anspruch nimmt, ist nicht nur diese grobe materielle Gestalt sondern auch der subtile Körper. Wenn die physische Hülle des Körpers zum Zeitpunkt des Todes zerfällt, bleibt die mentale und die fühlende Hülle des Körpers als ein Mittel für die Seele noch eine Weile bestehen, bis auch sie sich auflösen.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:116

Süße Mutter, kann die Seele sich ohne Gedanken, Gefühle und das Körperliche ausdrücken?
Sie drückt sich andauernd ohne sie aus. Nur damit der Mensch sie wahrnehmen kann, muss sie sich durch diese Instrumente ausdrücken, weil der Mensch gewöhnlich nicht direkt mit ihr in Verbindung ist. Wenn er es wäre, wäre er in seiner ganzen Ausprägung psychisch und dann wäre alles wirklich gut. Aber da er mit seinem psychischen Wesen nicht in Kontakt ist, weiß er nicht einmal, was es ist, und fragt sich verwundert, was für eine Art von Wesen das sein könnte. Um also das gewöhnliche menschliche Bewusstsein zu erreichen, muss die Seele sich deshalb durch gewöhnliche Mittel ausdrücken, durch das Denken, die Gefühle und das Körperliche. Eins von denen kann man auslassen, aber bestimmt nicht das letztere, denn sonst nimmt man überhaupt nichts mehr wahr.
DIE MUTTER, CWM 7:42

Die Seele und das Leben sind zwei ganz verschiedene Ausdruckskräfte. Die Seele ist ein Funken des göttlichen Geistes, der die individuelle Natur unterstützt. Der Verstand, das Leben und der Körper sind die Mittel des Ausdrucks für die materielle Manifestation der Natur. In den meisten Menschen ist die Seele verborgen oder durch die Aktionen ihrer äußeren Natur überdeckt, sie verwechseln ihr vitales Gefühl mit der Seele, weil es das Vitale ist, das den Körper anregt und bewegt. Aber dieses vitale Gefühlswesen besteht aus Verlangen sowie aus guten und schlechten ausführenden Kräften, die diese erfüllen, es ist die Wunschseele, nicht die wahre Seele. Wenn die wahre Seele, die psychische, in den Vordergrund der Person tritt und zunächst die Natur beeinflusst und später leitet, kann der Mensch seine vitalen Begierden überwinden und in eine göttliche Natur hineinwachsen.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:123

Süße Mutter, hier hat Sri Aurobindo gesagt: „Wenn die innerste Seele erwacht ist, wenn eine neue Geburt stattfindet, aus der rein mentalen, fühlenden und körperlichen Bewusstheit in das psychische Bewusstsein, dann kann dieser Yoga ausgeführt werden…“ Warum sagte er „die innerste Seele?“ Gibt es auch eine oberflächliche Seele?
Weil diese innerste Seele, das heißt, das zentrale psychische Wesen, die oberflächlichen Teile des Bewusstseins beeinflusst (oberflächlich im Vergleich mit ihr ist das Denken und die vitalen Gefühle). Den reinsten Verstand, das höchst entwickelte Gefühl, das emotionale Empfinden, diese Teile des Wesens beeinflusst die Seele, sie beeinflusst sie bis zu einem solchen Grad, dass man den Eindruck gewinnt, durch diese Wesensteile in Kontakt mir ihr zu sein. Deshalb halten die Menschen diese Teile des Wesens für die Seele und deshalb sagt er: „die innerste Seele“, das heißt die zentrale Seele, die wirkliche Seele.
Denn sehr oft, wenn man mit bestimmten Teilen des Denkens in Berührung kommt, die unter dem psychischen Einfluss stehen und voller Licht und der Freude dieses Lichts sind oder wenn man gewisse, sehr hoch entwickelte Teile des emotional empfindenden Wesens berührt, die die großzügigsten und uneigennützigsten Gefühle in sich tragen, hat man auch den Eindruck, mit seiner Seele in Verbindung zu sein. Aber das ist nicht die wahre Seele, die Seele in ihrer Quintessenz.
Es sind die Teile des Wesens, die unter ihrem Einfluss stehen und etwas von ihr sichtbar werden lassen. Sehr oft nehmen Menschen Kontakt zu diesen Wesensteilen auf und das gibt ihnen helle Einsichten, große Freude und Offenbarungen und sie denken, dass sie ihre Seele gefunden haben. Aber es ist nur der eine oder andere Teil in ihnen, der unter ihrem Einfluss steht… Was genau geschieht, ist, dass man diese Teile berührt und Erfahrungen bekommt und dann werden sie wieder verhüllt und man fragt sich verwundert: „Wie kommt es, dass ich meine Seele gefunden hatte und nun wieder in diesen Zustand von Unwissenheit und Ignoranz zurückgefallen bin?“ Es ist deshalb, weil man nicht seine Seele gefunden hatte, sondern die Teile seines Wesens, die mit ihr in Verbindung stehen und unter ihrem Einfluss sind und etwas von ihr erkennen lassen.
Ich habe es schon sehr oft gesagt, wenn man bewusst Verbindung mit seiner Seele aufnimmt und das Einssein mit ihr besteht, ist die Arbeit vorbei, das kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, es ist etwas Dauerhaftes, Konstantes, das allem standhält, auf das man jederzeit zurückgreifen kann. Dagegen kann man auf den anderen Ebenen sehr schöne Erfahrungen haben, aber die werden dann wieder überlagert, sodass man sich fragt: „Wie kann das geschehen? Ich habe meine Seele gesehen und nun finde ich sie nicht mehr.“ Es war nicht die Seele, die man erkannt hat. Diese inneren Ebenen unseres Wesens sind sehr schön und sie geben uns sehr eindrucksvolle Erfahrungen, aber das ist nicht der Kontakt mit dem eigentlichen psychischen Wesen.
Der Kontakt mit dem psychischen Wesen bleibt endgültig und deshalb sage ich denen, die mich fragen: „Habe ich einen Kontakt zu meinem psychischen Wesen?“ „Deine Frage allein zeigt, dass du ihn nicht hast.“
DIE MUTTER, CWM 7:259

… Du musst die Gefühle nicht für das psychische Wesen halten, verstehst du, das sind zwei völlig verschiedene Dinge! Die Leute denken immer, dass sie das psychische Wesen berühren, wenn sie Emotionen und Empfindungen haben. Diese Dinge haben mit dem psychischen Wesen nichts zu tun, sie liegen rein auf der Ebene der Gefühle. Sie sind der feinste Teil der Gefühle, wenn du so willst, aber es sind Gefühle. Man gelangt nicht über die Gefühle zum psychischen Wesen, sondern durch eine sehr intensive innere Sehnsucht und durch eine Loslösung aus seiner Selbstbezogenheit.
DIE MUTTER, CWM 7:249

Die Seele ist das, was aus dem Göttlichen entspringt, ohne es jemals zu verlassen und zu Ihm zurückgeht, ohne jemals aufzuhören, sich zu manifestieren.
Die Seele ist das Göttliche, das sich individualisiert, ohne aufzuhören, göttlich zu sein. In der Seele sind das Göttliche und die Einzelperson ewig eins. Deswegen ist man mit dem Göttlichen vereint, wenn man seine Seele findet. Deswegen kann man sagen, dass es die Aufgabe der Seele ist, aus dem Menschen ein wahres Wesen zu machen.
DIE MUTTER, CWM 14:329

… Wenn es in der Materie keine Seele gäbe, wäre sie nicht fähig, mit dem Göttlichen irgendeine direkte Verbindung aufzunehmen. Glücklicherweise, wegen dieser Präsenz des psychischen Wesens in der Materie, kann der Kontakt zwischen ihm und dem Göttlichen unmittelbar sein und man kann allen Menschen sagen: „Du trägst das Göttliche in dir, und du musst nur in dich gehen und du wirst es finden.“ Das ist etwas sehr Besonderes für den Menschen oder eher für die Bewohner der Erde. Im Menschen wird das seelische Wesen bewusster, stärker ausgebildet, wissender und auch unabhängiger. In den Menschen ist es individualisiert. Aber das ist ein besonderes Merkmal der Erde. Denn es ist eine direkte Infusion des Göttlichen in die tiefste Unwissenheit und die dunkelste Materie, die sehr speziell ist und die sie erlöst, sodass sie sich durch Entwicklungsstufen hindurch wieder des Göttlichen Bewusstseins, der göttlichen Gegenwart und schließlich des Göttlichen selbst bewusst werden kann. Es ist das Vorhandensein des Seelischen, das aus dem Menschen ein besonderes Wesen macht – ich sage ihm das nicht gern, weil er sowieso schon so viel von sich hält und so eine hohe Meinung von sich hat, dass es nicht nötig ist, ihn zu ermutigen! Aber trotzdem, das ist eine Tatsache – so sehr, dass sogar Wesen von anderen Domänen des Universums, diejenigen die von manchen Halbgötter oder sogar Götter genannt werden, Wesen von der Ebene, die Sri Aurobindo das Übermental genannt hat, sehr gerne einen physischen Körper haben wollen, um auf der Erde die Erfahrung des psychischen Wesens machen zu können, denn sie haben keins. Diese Wesen haben sicher viele Fähigkeiten, die der Mensch nicht hat, aber ihnen fehlt diese göttliche Gegenwart, die ganz außergewöhnlich ist und nur auf der Erde existiert und sonst nirgends. All die Lebewesen in den höheren Welten, auf der Ebene des höheren Denkens, des Übermentals und in anderen Regionen haben kein seelisches Wesen. Natürlich besitzen die Wesen der vitalen Welten es auch nicht. Aber die letzteren bedauern es nicht, denn sie wollen es nicht. Es gibt dort nur sehr wenige außergewöhnliche Wesen, die umgewandelt werden wollen, und dafür handeln sie, ohne zu zögern, sie nehmen sofort einen physischen Körper an, um geboren zu werden. Die anderen Wesen der vitalen Welten wollen es nicht, denn es bindet sie und beschränkt sie auf Regeln, die sie nicht mögen.
Das ist eine Tatsache, deswegen muss ich sagen, dass es eine außergewöhnliche Besonderheit des Menschen ist, in sich selbst das psychische Wesen zu tragen, und ehrlich gesagt, er nimmt diesen Vorteil nicht wirklich war. Er scheint diese Besonderheit nicht als etwas sehr Wünschenswertes anzusehen, wie man an der Art und Weise sieht, wie er diese Gegenwart in sich behandelt – genau das ist es. Er bevorzugt die Ideen seines Verstandes, die Wünsche seines vitalen Gefühlswesens und seine körperlichen Angewohnheiten.
DIE MUTTER, CWM 6:160

Mutter, hängt im Leben viel davon ab, welche Erfahrungen das psychische Wesen machen möchte?
Sehr viel!
Ich habe heute erst mit jemandem darüber gesprochen und ich sagte, dass man den Grund für sein gegenwärtiges Dasein dann erkennt, wenn man sich seines psychischen Wesens voll bewusst werden kann, und man versteht dann, welche Erfahrungen die eigene Seele im Leben machen möchte. Anstatt diese Erfahrung irgendwie halb bewusst oder etwas mehr als halb unbewusst zu erleben, kann man sie abkürzen und dem psychischen Wesen so helfen, in einer begrenzten Anzahl von Jahren die Erfahrungen zu machen, für die es sonst mehrere Leben brauchen würde. Die Hilfe beruht nämlich auf Gegenseitigkeit. Das psychische Wesen bringt Licht in das äußere Leben, wenn es Einfluss darauf nimmt und Ordnung, Frieden und die Freude des Kontakts mit dem Göttlichen. Aber auch das physische, das Körperbewusstsein, wenn es mit dem psychischen Bewusstsein identifiziert ist und dadurch lernt, welche Art der Erfahrungen das psychische Wesen haben möchte, kann ihm helfen, diese Erfahrungen in sehr kurzer Zeit zu machen und der Seele so nicht nur Zeit, sondern viele Leben zu ersparen. Es ist eine gegenseitige Hilfe.
Kurz gesagt, das ist es, was Yoga bedeutet. Yoga hilft dir, deiner Bestimmung voll bewusst zu werden, das heißt, deiner Aufgabe im Universum und nicht nur der für den gegenwärtigen Moment, sondern was sie in der Vergangenheit war und was sie in der Zukunft sein wird. Und wegen dieses Wissens kannst du durch eine Konzentration deines Bewusstseins all diese Erfahrungen in sehr kurzer Zeit sammeln und viele Leben gewinnen und so in ein paar Jahren das tun, wozu du sonst eine beachtliche Anzahl von Leben brauchen würdest, um es zu erreichen. Das psychische Wesen geht stufenweise durch all diese Erfahrungen, um seine ganze Reife zu erlangen, seine völlige Unabhängigkeit, seine Befreiung – in dem Sinn, dass es kein neues Leben mehr braucht. Wenn es in die physische Welt zurückkommen möchte, dann kommt es zurück, weil es dort etwas tun möchte, und es entscheidet frei, ins Leben zurückzukommen. Aber bis dahin, bis zu dieser Befreiung, ist es gezwungen wiederzukommen, um all die Erfahrungen zu machen, die es braucht. Nun, wenn es passiert, dass das körperliche Wesen genügend entwickelt und bewusst ist und genügend guten Willen aufbringt, um sich des psychischen Wesens ganz bewusst zu werden, kann es hier und jetzt all die Umstände und die äußeren Erfahrungen schaffen, die für das psychische Wesen nötig sind, um seine Reife noch in diesem Leben zu erlangen.
DIE MUTTER, CWM 6:447

Süße Mutter, ist es dasselbe, sich mit der Seele zu identifizieren, wie wenn sie in den Vordergrund des Wesens tritt?
Der erste Schritt ist, dich mit deiner Seele zu identifizieren, und wenn du diese Identifizierung aufrechterhalten kannst, führt sie alles andere in deiner Natur und in deinem Leben. Sie meistert dein Leben. Das meinen wir damit, wenn wir sagen, dass die Seele in den Vordergrund des Wesens tritt. Sie führt, lenkt und organisiert sogar das Leben, sie ordnet das Bewusstsein und die verschiedenen Teile des Wesens. Wenn das geschieht, geht die yogische Arbeit sehr schnell. Sehr schnell… nun gut, relativ sehr schnell.
Im menschlichen Bewusstsein geschieht alles sehr langsam. Wenn wir die Zeit, die wir brauchen, um innerlich etwas zu verwirklichen, mit der Dauer der menschlichen Existenz vergleichen, erscheint es endlos. Aber glücklicherweise kommt ein Zeitpunkt, an dem man diesem Zustand entkommt, wenn man nicht mehr länger in menschlich begrenzten Maßstäben fühlt. Sobald man wirklich mit seinem psychischen Wesen in Berührung steht, verliert man diese Art von Begrenztheit und auch diese Qual, diese Marter, die so schrecklich ist: „Ich muss schnell machen, ich muss schnell sein, ich habe nicht viel Zeit. Ich muss mich beeilen, ich habe nicht viel Zeit übrig.“ Dann erledigt man die Dinge sehr schlecht oder man macht sie überhaupt nicht mehr. Aber sobald der Kontakt mit dem inneren psychischen Wesen besteht, verschwindet das tatsächlich; man fängt an, innerlich etwas weiter zu werden, ruhiger und friedlicher und beginnt, in der Ewigkeit zu leben.
DIE MUTTER, CWM 6:334

Was damit gemeint ist, dass die Seele in den Vordergrund tritt, ist einfach das: Normalerweise befindet sich das psychische Wesen tief in unserem Inneren. Sehr wenige Menschen nehmen ihre Seele wahr – wenn sie von ihrer Seele sprechen, meinen sie gewöhnlich ihr vitales Gefühlswesen und ihr mentales Wesen, oder aber ihre (falsche) Seele der Wünsche. Das psychische Wesen befindet sich hinter diesen Wesensteilen und handelt nur indirekt durch das Denken, durch die Gefühle oder durch das Körperliche, wo immer es sich ausdrücken kann. Aus diesem Grund hat das psychische Wesen nur einen geringen, unvollständigen, verborgenen und vermischten oder verwässerten Einfluss auf das Leben der meisten Menschen, außer in Fällen, in denen es sehr stark entwickelt ist. Sein Hervortreten bedeutet, dass es aus der Verborgenheit hervorkommt und seine Anwesenheit schon im alltäglichen Bewusstsein gefühlt wird. Dann überwiegt sein Einfluss, er erfüllt und transformiert die Gedanken, die Gefühle und deren Motivationen und sogar das Körperliche. Man nimmt seine Seele wahr, fühlt, dass das psychische das eigene wahre Wesen ist, und der Verstand und das übrige Wesen fangen an, dem Innersten in uns als Instrumente zu dienen.
Das innere mentale Denken, das innere Gefühl und das innere Körperliche sind ebenso verborgen, aber sie liegen viel näher an der Oberfläche unseres Wesens, und viel von ihren Inspirationen und Motivationen dringt im Leben weit entwickelter Menschen durch den Schleier dieser Verdeckung (aber nicht in ihrer ganzen Reinheit oder Fülle) und etwas davon durchdringt auch das Leben ganz gewöhnlicher Menschen. Diese inneren Teile in uns werfen im Yoga nach einer Weile jedoch ihren Schleier ab und ihr Wirken überwiegt im Bewusstsein, während das äußere Wesen nicht länger als das eigene Selbst gefühlt wird, sondern als der Vordergrund oder sogar als die äußere Peripherie unseres Wesens.
SRI AUROBINDO, CWSA 30:354

Die Verbindung zwischen dem psychischen Wesen und dem höheren Bewusstsein ist das hauptsächliche Mittel der Siddhi.
SRI AUROBINDO, Lights on Yoga
Gibt es normalerweise keine Verbindung zwischen dem psychischen Wesen und dem höheren Bewusstsein?
Meinst du mit „normalerweise“ im gewöhnlichen, alltäglichen Leben?
Ja.
Sie besteht, aber beinahe, ja, fast vollkommen unbewusst. Im gewöhnlichen Leben gibt es nicht einen Menschen unter Millionen, der einen bewussten Kontakt mit seinem psychischen Wesen hat. Das psychische Wesen kann von innen her arbeiten, aber das geschieht für die Wahrnehmung des äußeren Wesens so unsichtbar und unmerklich, als ob es gar nicht stattfinden würde. Und in den meisten Fällen, bei der überwiegenden Mehrheit, fast in der Gesamtheit aller Fälle, ist es, als ob es schlafen würde und überhaupt nicht aktiv ist, so, als ob es sich in einem Zustand der Benommenheit befinden würde.
Nur durch Sadhana und eine sehr ausdauernde Bemühung gelingt es einem, mit seinem psychischen Wesen einen bewussten Kontakt herzustellen. Natürlich ist es möglich, dass es außergewöhnliche Fälle gibt – aber das ist wirklich ungewöhnlich und es gibt so wenig davon, dass man sie zählen kann –, in denen das psychische Wesen ein vollkommen ausgebildetes befreites Wesen ist, das die Meisterschaft über sich selbst besitzt, und es sich ausgewählt hat, zur Erde zurückzukommen, um seine Arbeit zu machen. In diesem Fall ist es möglich, dass das psychische Wesen stark genug ist, eine mehr oder weniger bewusste Verbindung herzustellen, selbst wenn die Person keine Sadhana macht. Aber diese Fälle sind sozusagen einzigartig und es sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen.
In fast allen Fällen ist eine sehr sehr lange andauernde Bemühung nötig, um sich seines psychischen Wesens bewusst zu werden. Es wird gesagt, dass man sehr glücklich sein kann, wenn es einem in dreißig Jahren gelingt – dreißig Jahre ausdauernder Bemühung, meine ich. Es kann schneller gehen, aber das geschieht so selten, dass man über so eine Person sofort sagt: „Dies ist kein gewöhnlicher Mensch.“ Das ist so bei Menschen, die man mehr oder weniger als göttliche Wesen betrachtet, die große Yogis, große Eingeweihte waren.
DIE MUTTER, CWM 7:269
