Ist die persönliche Bemühung immer egoistisch? Unterscheidung zwischen „selbstsüchtig“ und „egoistisch“
Es kann eine Form von Bemühung geben, die überhaupt nicht selbstsüchtig ist und doch egoistisch, denn in dem Moment, in dem sie persönlich wird, wird sie egoistisch – das heißt, sie basiert auf dem Ego. Das heißt aber nicht, dass diese Bemühung nicht großzügig, mitfühlend oder uneigennützig ist oder dass sie beschränkten persönlichen Zielen dient. So ist es nicht. Sie kann einer ganz uneigennützigen Arbeit dienen. Aber solange ein Ego da ist, ist sie egoistisch. Und solange die Sinneswahrnehmung der eigenen Persönlichkeit existiert, ist sie natürlich egoistisch; sie gründet auf der Anwesenheit des Ego.
Und das muss für eine ziemlich lange Zeit so sein, denn es muss so lange dauern, bis die gesamte Individualität vollständig ausgebildet ist, bis sie einen gewissen Zustand individueller Perfektion erreicht hat. Ab dann ist die Anwesenheit des Ego nicht mehr nötig – aber nicht, bevor man die maximale individuelle Entfaltung erlangt hat.
Das Ganze ist nicht nur ein winzig kleiner Job. Es erfordert sehr viel Zeit und sehr viel Bemühung. Und wenn man die Perfektion seiner eigenen Entwicklung erreicht hat, wenn man ein wirklich persönliches individuelles Wesen besitzt, das heißt, das alle Merkmale hat, die sich von allen anderen unterscheiden – denn im Prinzip gibt es keine zwei Individuen auf der Welt, die sich genau gleichen – und wenn es einem gelungen ist, diese Individualität, die man ausschließlich ist und ausschließlich in der universalen Schöpfung repräsentiert auch auszudrücken, dann ist man reif dafür, dass das Ego verschwindet – aber nicht vorher.
Das erfordert eine gewisse Zeit, eine Bemühung, die nicht gering ist und eine gute Erziehung. Aber man kann durchaus uneigennützig sein, lange bevor man dazu reif ist, kein Ego mehr zu haben.
DIE MUTTER, CWM 7:366
