Erläuterungen zu Kapitel 1

Weise auch die falsche und träge Erwartung zurück, dass die göttliche Macht sogar die Überantwortung für dich leisten wird. Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Was heißt „unwiderrufliche Umwandlung“?

Die Umwandlung ist dann unwiderruflich, wenn dein Bewusstsein so weit umgewandelt ist, dass du nicht mehr in deine alte Verfassung zurückkehren kannst. Es gibt einen Augenblick, wo die Wandlung so umfassend ist, dass man unmöglich wieder so werden kann, wie man vorher war.

Setzt die Umwandlung nicht voraus, dass sie unwiderruflich ist?

Die Transformation kann teilweise vollzogen sein. Die Transformation, von der Sri Aurobindo hier spricht, ist die Umkehr des Bewusstseins: anstatt ichbezogen und persönlichen Befriedigungen zugewendet zu sein, ist das Bewusstsein in Hingabe dem Göttlichen zugekehrt. Und er hat klar ausgeführt, dass die Hingabe zunächst in Teilen vollzogen werden kann – einige Teile geben sich hin, andere nicht. Und erst wenn sich das gesamte Wesen überantwortet hat, ganzheitlich, in all seinen Regungen, ist die Umwandlung unwiderruflich. Es handelt sich um eine unwiderrufliche Wandlung in der Einstellung.

Was ist der Unterschied zwischen der göttlichen Shakti und der göttlichen Macht?

Die göttliche Macht ist nur ein Teil der göttlichen Shakti; die göttliche Macht ist eine Eigenschaft der göttlichen Shakti. Sri Aurobindo verwendet hier das Wort göttliche Shakti in der Bedeutung von chit-tapas, die schöpferische Kraft, das schöpferische Bewusstsein. So ist die göttliche Macht nur ein Teil der Shakti.

Immer wieder wird träge Passivität mit der wahren Überantwortung verwechselt, aber aus träger Passivität kann nichts Wahres und Mächtiges kommen. Gerade die träge Passivität der physischen Natur liefert diese jedem dunklen und ungöttlichen Einfluss aus. Gefordert ist eine freudige, starke und willige Unterwerfung dem Wirken der Göttlichen Kraft gegenüber… (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Was ist „eine freudige, starke und willige Unterwerfung“?

Du weißt, was „froh“ bedeutet? Du weißt, was „stark“ bedeutet? Du weißt, was „willig“ heißt? Nun gut, die Hingabe, also das Sich-selbst-Geben an das Göttliche, muss froh und freudig sein, man muss glücklich sein dabei, und stark muss sie sein; man darf sich nicht aus Schwäche und Ohnmacht geben, es muss durch einen tätigen und starken Willen geschehen. Und dann darf die Hingabe nicht in Trägheit verharren: „Ich habe mich hingegeben, – weiter habe ich im Leben nichts zu tun, ich darf nun gemütlich sitzen bleiben, meine Hingabe ist ja vollzogen.“ Und auch willig muss sie sein, also aktiv – sich an die Umwandlung des Wesens machen oder eine nützliche Arbeit leisten.

Deine Überantwortung muss eigenständig und frei sein; es muss die Überantwortung eines lebendigen Wesens sein, nicht die eines trägen Automaten oder eines mechanischen Werkzeugs. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Du kannst zum Beispiel von der Hingabe deiner Uhr sprechen: du ziehst sie auf und sie läuft, doch ist das keine Einwilligung zu bewusster Mitarbeit.

Die Umwandlung muss ganzheitlich sein, und ganzheitlich darum auch die Zurückweisung von allem, was sich ihr widersetzt. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Das versteht sich von selbst. Eine bejahende Regung genügt nicht, notwendig ist auch die verneinende Bewegung der Zurückweisung. Denn du kannst keine bleibende Umwandlung erlangen, solange du in deinem Wesen Dinge beherbergst, die sich ihr widersetzen. Wenn du in dir dunkle Elemente zulässt, können sie sich eine Zeitlang so ruhig und regungslos verhalten, dass du ihnen keinerlei Bedeutung zumisst, und eines Tages wachen sie dann auf und deine Umwandlung vermag ihnen nicht standzuhalten. Nicht nur die bejahende Bewegung der Selbsthingabe ist nötig, sondern auch die verneinende des Zurückweisens von allem, was sich in dir dieser Hingebung widersetzt. Diese Dinge dürfen nicht „einfach so“ belassen werden, irgendwo vergraben, so dass sie bei der ersten besten Gelegenheit aufwachen und deine ganze Arbeit zugrunde richten. Bestimmte Teile des Wesens verstehen das großartig, es gibt Elemente im Vital, die in dieser Hinsicht außerordentlich sind: da hält sich etwas so ruhig, so völlig still und unbewegt in einem Winkel versteckt, dass du glaubst, es sei überhaupt nicht vorhanden; dann bist du nicht mehr auf der Hut, du bist mit deiner Umwandlung und deiner Hingabe zufrieden, du meinst, alles gehe gut, und dann auf einmal, eines schönen Tages, ganz ohne Warnung, springt es wie ein Schachtelteufelchen auf und lässt dich alle Dummheiten der Welt begehen. Und es ist um so stärker, als es zusammengepresst – zusammengepresst und eingepfercht – in seinem Winkel gesteckt hat, gleichsam vergraben, um deine Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen; es hat sich mäuschenstill verhalten, und in einem Augenblick, wo du es nicht erwartest, schießt es hervor und du jammerst: „Ach! Was hat nun meine ganze Umwandlung genützt?“ Es hat eben dort gesteckt, und so ist es passiert. Ja, diese Dinge bleiben da und verstecken sich so gut, dass du sie – wenn du ihnen nicht mit einer hell leuchtenden Laterne nachspürst – nicht sehen kannst bis zu dem Tag, wo sie deine ganze Arbeit in einer Minute zugrunde richten.

Geschieht das auch, wenn man eine starke Aspiration hat?

Die Aspiration muss sehr wachsam sein.

Ich kannte Menschen (und zwar viele, nicht nur ein paar, ich meine diejenigen, die Yoga praktizieren), ich habe viele kennengelernt, die jedes Mal, wenn sie eine gute und starke Aspiration hatten, und eine Antwort darauf bekamen, dass ihnen noch am selben Tag oder spätestens am nächsten das Bewusstsein völlig umkippte und sie sich vor dem Gegenteil ihrer Aspiration sahen. Solche Dinge geschehen fast ständig. Nun, diese Menschen haben die nur die bejahende Seite entwickelt. Sie üben eine Art Disziplin des Aufstrebens, sie bitten um Hilfe, versuchen mit höheren Kräften in Verbindung zu treten, und das gelingt ihnen auch, sie haben Erfahrungen; aber sie versäumten es gänzlich, ihr Zimmer zu säubern; es ist so schmutzig geblieben wie eh und je, und wenn dann die Erfahrung vorüber ist, wird dieser Schmutz natürlich noch abstoßender als zuvor.

Man darf nie versäumen, sein Zimmer zu säubern, das ist sehr wichtig; die innere Sauberkeit ist mindestens ebenso wichtig wie die äußere.

Vivekananda hat geschrieben (ich kenne den Urtext nicht, ich las nur eine französische Übersetzung): „Wasche jeden Morgen Seele und Körper, aber hast du nicht Zeit für beides, so wasche wenigstens die Seele.“

Wie kann man wissen, ob die kleinen schmutzigen Dinge verschwunden sind oder sich verstecken?

Man kann jederzeit kleine Experimente machen. Ich sagte, man müsse mit einer Fackel, mit einem hellen Licht, in seinem Wesen herumgehen. Wenn man sehr aufmerksam ist, kann man die hässlichen Winkel leicht erkennen. Angenommen, du hast eine schöne Erfahrung. Als Antwort auf deine Aspiration kommt plötzlich ein starkes Licht und du fühlst dich von Freude, Kraft, Helligkeit und Schönheit überflutet. Du hast den Eindruck, umgewandelt zu werden… und dann geht es vorüber – es geht immer vorüber, nicht wahr, vor allem am Anfang –, auf einmal hört es auf. Dann jammerst du, wenn du nicht wachsam bist: „So ist es also gekommen und wieder gegangen, ich armer Kerl! Gekommen und schon wieder weg – es hat mir gerade Geschmack an der Sache gegeben, dann hat es mich fallengelassen.“ Nun, das ist Blödsinn. Du musst dir folgendes sagen: „Sieh mal, ich vermochte es nicht zu halten, und warum nicht?“ Dann nimmst du deine Fackel und gehst in deinem Inneren herum, spürst dem engen Zusammenhang nach, der zwischen dem Bewusstseinswandel und jenen Regungen besteht, die das Aufhören der Erfahrung begleiteten. Und bist du ganz achtsam, ganz aufmerksam, und machst du deine Runde ganz gewissenhaft, dann findest du, dass etwas im Vital, im Mental oder im Körper auf einmal nicht mehr mitgemacht hat; etwas Mentales zum Beispiel, statt still achtzugeben, fing an, sich zu fragen: „Warte mal, was ist denn diese Erfahrung eigentlich? Was bedeutet das?“…, und versuchte, es sich zu erklären (was es „verstehen“ nennt). Oder etwas im Vital begann vielleicht die Erfahrung zu genießen: „Wie köstlich ist das, ich möchte, dass es noch zunimmt, es soll bleiben…“ Oder etwas im Physischen hat eingewendet: „Ach, das ist doch recht schwer zu ertragen, wie lange halte ich das noch aus?“ Vielleicht ist es nicht ganz so offenkundig, wie ich es hier schildere, sondern irgendwo ein klein wenig verborgen. Eines dieser drei Dinge wird man stets finden können, oder andere von der Art. Und dabei ist die Leuchte erforderlich: Wo liegt der Schwachpunkt? Wo steckt der Eigennutz, wo das Begehren? Wo dieser alte Schmutz, den wir nicht mehr wollen? Wo birgt sich das, was im Egoismus verharrt, statt sich zu geben, sich zu öffnen, sich zu verlieren? Wo verbirgt sich das, was sich selbst berücksichtigt, Nutzen aus dem Geschehenen zu ziehen sucht, die Frucht der Erfahrung für sich haben will? Oder was zu schwach ist, zu hart und zu starr, um der Bewegung folgen zu können?… Du bist dem auf der Spur und beginnst nun also, dies neu erworbene Licht darauf zu richten. Das ist es, was du tun musst: Es so darauf einzustellen, so in den Brennpunkt zu bringen, dass es nicht widerstehen kann.

Am ersten Tag schaffst du das noch nicht, aber du bleibst dabei, und nach und nach – oder auch ganz plötzlich, eines Tages –, verflüchtigt es sich. Und dann erkennst du nach einiger Zeit, dass du ein anderer Mensch geworden bist.

Aber wenn du die schon erwähnte Haltung einnimmst und die Gnade und das Licht dafür verantwortlich machst indem du dir sagst: „So ist es also wieder weg und hat mich im Stich gelassen“, dann kannst du dir sicher sein, dass du nach dreißig, vierzig, fünfzig Jahren noch an derselben Stelle sitzt und dich nicht geändert hast. Stets wird auf einmal etwas erwachen und deine Erfahrung fressen. Und statt fortzuschreiten, trittst du dann auf der Stelle, weil du eben nicht weiterkommst. Ergreifst du aber die Gelegenheit beim Schopf… Allerdings tut es manchmal ein wenig weh. Wenn du das Licht unsanft auf das richtest, was die Erfahrung genießen, das Wissen erlangen oder die Erfahrung mit dem mentalen Verständnis meistern will, oder das zu faul ist, die nötige Anstrengung zu machen, um die Erfahrung zu empfangen und auszuhalten oder sich rasch genug zu wandeln – wenn du darauf den Willen mit dem Licht des Bewusstseins richtest, und zwar fest entschlossen, dann kann es ein wenig schmerzen. Und du sagst dir: „Ach, nicht so schnell! Ich brauche Ruhe, das hat mich unnötig ermüdet.“ Dann muss man mit allem wieder neu anfangen. Es kann manchmal Tage, Monate, ja sogar Jahre dauern, bis das wiederkommt. Wenn deine Aspiration ein wenig stärker und inniger ist, kommt es eher. Machst du aber wieder dieselbe Dummheit, dann passiert wieder dasselbe. Bist du dagegen gleich auf der Hut und gebietest dem Mental, sobald es herumzuschnuppern beginnt, um über das Geschehen Bescheid zu wissen: „Schweig, sei still“, dann kann die Erfahrung sich fortsetzen. Wenn das Vital damit anfängt: „Ich will viel, viel, immer mehr…“, entgegnest du: „Ruhig, ruhig, rühre dich nicht, rege dich nicht auf.“ Oder wenn das physische Wesen damit kommt: „Ach, das erdrückt mich…“ – „Ein wenig Ausdauer, bitte, du bist ja eine Memme, bewähre dich mal!“ Tust du das rechtzeitig, mit der nötigen Ruhe, der nötigen Entschlossenheit und dem Willen, dann erreichst du etwas. Aber wenn du dich gehen lässt, passiv, träge, fatalistisch, und dir sagst: „Ich habe mich ja überantwortet – geschehe also, was da wolle, wir werden sehen, was geschehen wird“, in dem Fall wirst du in fünfzig Jahren um keinen halben Schritt vorangekommen sein.

In der letzten Stunde sagte ich, dass es gar nicht so leicht ist… Will man es machen, so muss man es recht machen, sonst lohnt es sich nicht. Es ist nutzlos, die Dinge halb zu tun, man muss sie ganz tun.

Es gibt natürlich andere Wege, zum Beispiel es einfach nicht versuchen, sich selbst zu vervollkommnen. Man kann stattdessen versuchen, sich in einer Arbeit, die mehr und mehr das ganze Wesen beansprucht, zu vergessen, das heißt, das, was man tut, als etwas dem Göttlichen Geweihtes zu tun, auf gänzlich selbstlose Weise, aber mit einer Fülle, einer Selbsthingabe, einem völligen Selbstvergessen: nicht mehr an sich selbst zu denken, sondern an das, was man tut. Ich habe das schon oft gesagt: Wenn du etwas gut machen willst, was immer es auch sein mag, irgendeine Arbeit, die kleinste Sache, ein Spiel spielen, ein Buch schreiben, ein Bild malen, musizieren oder ein Rennen laufen, ganz gleich was, wenn du es gut machen willst, musst du das werden, was du tust, und nicht eine kleine Person bleiben, die sich beim Tun zuschaut; denn wenn man sich dabei zuschaut, ist man noch der Komplize des Ego. Gelingt es einem, selbst das zu werden, was man tut, so hat man einen großen Fortschritt gemacht. Auch in den kleinsten Einzelheiten muss man dies lernen. Nehmen wir ein vergnügliches Beispiel: Du willst eine Flasche aus einer anderen füllen. Du konzentrierst dich (du kannst es als Disziplin, als Gymnastik üben), und wenn du dabei die zu füllende Flasche, die gießende Flasche und die Gießbewegung bist – solange du nur dieses bist –, geht alles gut. Doch wenn du unglücklicherweise plötzlich zu denken anfängst: „Ah, das geht ja wirklich gut, ich mache es gut“, dann läuft es im nächsten Augenblick daneben! Darum ist Arbeit ein so gutes Mittel der Disziplin, denn wenn du eine Arbeit ordentlich machen willst, ist es nötig, dass du die Arbeit wirst anstatt derjenige, der die Arbeit verrichtet. Ansonsten machst du nie etwas Gutes. Wenn du jemand bleibst, „der arbeitet“, und außerdem die Gedanken schweifen lässt, dann kannst du dir sicher sein, dass dir beim Umgehen mit zerbrechlichen Dingen diese kaputtgehen, beim Kochen das Essen anbrennt, beim Spielen die Bälle ihr Ziel verfehlen! Insofern ist Arbeit eine großartige Disziplin. Denn willst du sie wirklich gut machen, dann ist dies die einzige Weise.

Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der ein Buch schreibt. Sieht er sich beim Schreiben zu, dann kannst du dir nicht vorstellen, wie fade das Buch wird. Es riecht sogleich nach der kleinen menschlichen Person, die dort zugegen ist, und verliert seinen ganzen Wert. Wenn sich ein Maler dabei zusieht, wie er ein Bild malt, wird es niemals gut, sondern immer nur eine Art Projektion des Künstlers, ohne wirkliches Leben, ohne Kraft, ohne Schönheit. Wird er aber auf einmal zu dem, was er ausdrücken will, wird er das Malen, wird er die Pinsel, die Leinwand, der Gegenstand, das Bild, die Farben, die Bedeutung, das Gesamte, ist er voll und ganz darin und lebt das, dann bringt er etwas Großartiges zustande.

Für alles, für gar alles gilt das Gleiche. Es gibt nichts, das nicht eine yogische Disziplin sein könnte, wenn man es ordentlich macht. Und umgekehrt nützt sogar die Tapasya nichts und führt nirgendwohin, wenn sie nicht ordentlich geübt wird. Denn es ist auch damit dasselbe. Wenn du dir beim Ausüben der Tapasya zuschaust und dich fragst: „Mache ich Fortschritte, geht es bald besser, werde ich Erfolg haben?“, dann wird dein Ego immer riesiger und nimmt schließlich so viel Platz ein, dass für etwas anderes kein Platz mehr bleibt. Und neulich sagte ich, dass das spirituelle Ego von allen das schlimmste sei, weil es sich seiner Minderwertigkeit keineswegs bewusst, sondern im Gegenteil überzeugt ist, dass es etwas Überragendes, wenn nicht gar durch und durch Göttliches sei!

Wenn du in der Schule bist, musst du die Konzentration werden, die den Lehrer zu verstehen sucht, oder zum Gedanken, der in dich eintritt, oder zum Wissen, das dir geboten wird. Zu diesem also musst du werden. Nicht an dich sollst du denken, sondern nur an das, was du lernen willst. Und du wirst sehen, dass deine Fähigkeiten sich sogleich verdoppeln.

Was am meisten dies Gefühl der Minderwertigkeit gibt, der Beschränktheit, der Kleinheit, des Unvermögens, ist stets diese Ichbezogenheit, dies Verharren in den Grenzen eines mikroskopischen Ego. Man muss sich weiten, die Türen aufsperren. Und am besten kann man das tun, indem man sich auf das ausrichtet, was man tut, und nicht auf sich selbst.

28. APRIL 1951

Wegen des drohenden Regens findet der Unterricht in der Turnhalle statt. Vor dem Beginn kündigt die Mutter an, dass sie bei dem neuen Buch, das gelesen werden soll – Die Mutter von Sri Aurobindo –, anders vorgehen werde. Sie selbst wird es lesen und nicht mehr die Kinder, wie es bis jetzt der Fall war. Zuvor sollen sie jedoch ein Kapitel gelesen haben, und jedes soll eine Frage für den Unterricht vorbereiten. Grundlage für das folgende Gespräch ist das 1. Kapitel von „DIE MUTTER“.

Gefordert ist eine freudige, starke und willige Unterwerfung dem Wirken der Göttlichen Kraft gegenüber, der Gehorsam des erleuchteten Schülers der Wahrheit, des inneren Kriegers, der gegen Dunkelheit und Falschheit kämpft, des treuen Dieners des Göttlichen. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Liebe Mutter, wer ist dieser „innere Krieger“ ?

Das ist das bekehrte vitale Wesen. Das Vital, vollständig zum Göttlichen bekehrt, ist wie ein Krieger. Es hat sogar das Aussehen eines Kriegers. Das Vital ist der Ort der Macht, und die Macht ist es, die den Krieger zum Kampf antreibt, die kämpfen und siegen kann, und das ist das schwierigste, weil gerade diese kämpferischen Fähigkeiten den Sinn für Revolte und für Unabhängigkeit erzeugen und den Willen, seinen eigenen Willen auszuführen. Wenn das Vital jedoch versteht und sich bekehrt, wenn es wirklich dem göttlichen Willen ergeben ist, dann kehren sich diese kämpferischen Fähigkeiten gegen die anti-göttlichen Kräfte und gegen die ganze Dunkelheit, die deren Umwandlung verhindert. Und sie sind allmächtig und besiegen die Gegner. Die anti-göttlichen Kräfte sind in der vitalen Welt; von da aus haben sie sich natürlich im Physischen verbreitet, aber ihr eigentlicher Sitz ist in der vitalen Welt, und die bekehrte vitale Kraft hat die wahre Macht, sie zu besiegen. Aber es ist die schwierigste Bekehrung.

Die Überantwortung muss vollständig sein und alle Teile des Wesens erfassen. Es genügt nicht, wenn das Seelische antwortet und das höhere Mental zustimmt oder sogar das innere Vital sich unterwirft und das innere Physische den Einfluss fühlt. Es darf in keinem Teil des Wesens, nicht einmal im äußersten, irgendetwas geben, das einen Vorbehalt hat, das sich hinter Zweifeln, Verwirrungen und Ausflüchten versteckt, das revoltiert oder sich verweigert. (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Was sind Ausflüchte?

Ausflüchte? Das sind Tricks. Du weißt, was ein Trick ist? Ja? Also, Tricks sind Täuschungsmittel, Mittel, die man zur Täuschung benutzt. Man verbirgt das, was man tun will, unter einem anderen Anschein, um zu täuschen; das sind „Ausflüchte“.

…Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen… (Sri Aurobindo, DIE MUTTER)

Was ist eine „unwiderrufliche Umwandlung“?

Unwiderruflich – das bedeutet eine Umwandlung, die man nicht mehr rückgängig machen kann, die ein für allemal abgeschlossen ist.

Liebe Mutter hier steht: „Es genügt nicht, wenn das Seelische antwortet und das höhere Mental zustimmt oder sogar das innere Vital sich unterwirft und das innere Physische den Einfluss fühlt. Es darf in keinem Teil des Wesens, nicht einmal im äußersten, irgendetwas geben, das einen Vorbehalt hat, das sich hinter Zweifeln, Verwirrungen und Ausflüchten versteckt, das revoltiert oder sich verweigert.“ Bedeutet das, dass es auch ein höheres Vital gibt?

Ja, die Unterwerfung des höheren Vitals ist im Allgemeinen viel weniger schwierig, weil es unter dem Einfluss des Mentals steht und manchmal auch des Seelischen; es versteht also leichter. Es ist viel leichter zu bekehren als das niedere Vital, das im wesentlichen das Vital der Begierden und Triebe ist. Damit meint er also, dass das niedere Vital sich unterwerfen kann, es ist damit einverstanden, zu gehorchen, zu tun, was man ihm sagt, aber es ist ganz und gar nicht froh. Es ist nicht glücklich, manchmal leidet es sogar, es frisst seine Auflehnung aus Gehorsam in sich hinein, aber es arbeitet nicht mit. Und wenn das Vital nicht mit Freude und wahrer Liebe mitarbeitet, ist nichts zu machen; die Umwandlung kann nicht kommen.

Hier verstehe ich nicht:

„Aber die höchste Gnade wird nur unter den Bedingungen des Lichts und der Wahrheit handeln; sie wird nicht unter Bedingungen handeln, die ihr von der Falschheit und der Unwissenheit auferlegt werden. Denn gäbe es den Forderungen der Falschheit nach, würde sie ihre eigene Absicht vereiteln.“

Was bedeutet „würde sie ihre eigene Absicht vereiteln“?

Ja. Das bedeutet, dass sie gegen ihre Arbeit wäre, gegen ihre eigene Arbeit. Die Gnade ist gekommen, also, sie arbeitet für die Verwirklichung der Wahrheit. Wenn sie die Bedingungen annimmt, die ihr von der Falschheit auferlegt werden, kann sie nichts mehr machen. Dazu könnte ich dir zahllose Beispiele von Menschen nennen, die hartnäckig darauf bestehen, dass die Dinge ihnen gegenüber auf eine ganz bestimmte Weise geschehen sollen. Sie flehen, manchmal fordern sie sogar, dass es so sei; und was sie erbitten, steht in krassem Gegensatz zur Wahrheit; und wenn die Gnade ihren Bitten nachkäme, würde sie gegen ihre eigene Absicht handeln und würde ihre eigene Absicht ruinieren, das heißt, sie würde gegen ihre eigene Arbeit und ihr eigenes Ziel angehen. Sie kommt hierher, um die Wahrheit zu verwirklichen. Wenn sie der Falschheit gehorcht, kehrt sie der Wahrheit den Rücken. Und meistens spannen die Menschen den karren vor das Pferd –, meistens aus Unwissenheit und Dummheit. Manchmal ist es aber auch böser Wille, dass sie auf der Erfüllung ihrer Bedingungen bestehen, dass sie sich auf eine Art Tauschhandel einlassen, im Gegenzug für ihre Hingabe, und sie tun es… Ja, viele tun es unbewusst – ich sagte, aus Unwissenheit und Dummheit. Manche tun es bewusst; und sie wollen dann, dass ihre Bedingungen erfüllt werden. Sie sagen: „Wenn es so und so ist…!“ Und das geht schließlich so weit, dass sie zum Göttlichen sagen: „Wenn Du so und so bist, wenn Du die Bedingungen, die ich Dir vorschreibe, erfüllst, werde ich Dir gehorchen!“ Sie formulieren es nicht so, weil das zu lächerlich wäre, aber sie tun es fast ständig. Sie sagen: „Ach, das Göttliche ist so und so. Das Göttliche tut das und das. Das Göttliche muss so und so antworten.“ Und so machen sie weiter, und es wird ihnen nicht klar, dass sie dabei ganz einfach ihre Vorstellungen, und auch ihre Wünsche, was das Göttliche sein soll und tun soll, dem Göttlichen aufzwingen. Und wenn das Göttliche nicht das tut, was sie wollen, oder ihre Bedingungen nicht erfüllt, sagen sie: „Du bist nicht das Göttliche.“ Das ist sehr einfach. „Du erfüllst nicht die Bedingungen, die ich stelle, folglich bist du nicht das Göttliche!“ Aber sie tun das ständig! Wenn sich nun die Göttliche Gnade den Ansprüchen dieser Leute beugte, um ihnen zu gefallen, würde sie natürlich ganz gegen ihre eigene Absicht handeln und ihr eigenes Werk zerstören!…

Hier steht:

„…nur die höchste supramentale Kraft, von oben herabkommend und von unten öffnend, kann die physische Natur siegreich meistern und deren Schwierigkeiten beseitigen…“

Ich verstehe den letzten Teil nicht.

Welche Worte genau verstehst du nicht?

Eine Öffnung von unten, kann die physische Natur siegreich meistern.

Siegreich meistern? Du weißt nicht, was das heißen soll? Eine Öffnung von unten bedeutet, etwas kommt von oben und drängt sich unten auf, um sich von unten nach oben zu arbeiten; es bahnt sich einen Weg, baut sich eine Art Straße, einen Weg durch den Widerstand, der da unten ist, schlägt eine Schneise, als sei man im Urwald und fällt die Bäume, um sich einen Weg zu bahnen. Nun, so ist das. In den unteren Ebenen der Materie gibt es einen Widerstand, und durch den Druck von oben wird ein Weg gebahnt, wird ein Durchgang durch den Widerstand geschlagen. Und dann… verstehst du dann das, was folgt?

Nein. „Kann die physische Natur siegreich meistern“.

„Meistern“, das bedeutet… Im Englischen heißt es „deal with“; das heißt, sie kann mit allen Widerständen der physischen Welt umgehen. Nur die höchste Kraft kann die Schwierigkeiten der Materie bewältigen, meistern. Das soll es heißen. Alle Widerstände und alle Schwierigkeiten der physischen Welt können nur von der höchsten Kraft überwunden werden – von der höchsten supramentalen Kraft. Hast du jetzt verstanden?

Ja.

Mutter, es heißt: „Weise die irrige Vorstellung zurück, dass die göttliche Macht auf dein Verlangen hin willens und verpflichtet sei, alles für dich zu tun, selbst dann, wenn du die vom Höchsten gestellten Bedingungen nicht erfüllst.“

Also…

Nun, es gibt Leute, denen man sagt: „Sie müssen sich überantworten.“ Dann antworten sie einem lächelnd: „Also, machen Sie, dass ich mich überantworte!“ Nicht wahr, das ist sehr einfach!

Wenn man Fortschritte machen will…

Ja.

Man probiert, aber man sieht, dass etwas nicht vorankommen will, keine Fortschritte machen will!

Ja, Fortschritte machen.

Wenn man dann das Göttliche bittet zu…

Zu helfen?

Ja.

Das ist etwas anderes. Helfen, selbstverständlich. Es ist da, um zu helfen. Aber was hier gesagt wird, das bedeutet, sitzen bleiben, ohne etwas zu tun, ohne auch nur die leiseste Bemühung, und nicht einmal Aspiration oder Willen, rein gar nichts, und dann zu sagen: „Also, Gott wird das für mich tun; das Göttliche wird es für mich machen. Die Göttliche Gnade macht, dass ich Aspiration habe. Wenn ich Aspiration brauche, wird Sie sie mir geben. Wenn ich Hingabe brauche, wird Sie sie mir geben“, und so fort. „Ich habe nichts zu tun als passiv sitzen zu bleiben, ohne mich zu regen und ohne etwas zu wollen.“ Es gibt viele solcher Menschen, viele! Man sagt zu ihnen: „Habe Aspiration!“ – „Gib mir Aspiration!“ Man sagt zu ihnen: „Sei freigebig!“ – „Ach, mache mich freigebig, und ich werde alles geben!“

(Ein anderes Kind) Ich wiederhole eine Frage. Liebe Mutter, hier im Französischen heißt es: „Sich den Durchgang von unten her bahnend“, aber im Englischen ist das Wort „Durchgang“ nicht da.

Ja? Wer hat das Englische?

Ich.

Lies es, lies dein Englisches!

„…and it is only the very highest supramental Force descending from above and opening from below that can victoriously handle the physical nature and annihilate its difficulties…“

Opening from below [von unten öffnend]?

Das kann heißen: der Kraft, die im Zentrum der Materie verborgen ist, zu erlauben, sich zu manifestieren. Das ist die Vorstellung der supramentalen Gegenwart, die im Zentrum aller Dinge ist, aber verborgen und unfähig, sich zu manifestieren, sozusagen, und die dann gleichsam von der Kraft von oben erweckt wird und sich manifestiert.

Das kann das bedeuten, das heißt, damit soll möglicherweise ausgedrückt werden, dass die beiden äußersten Enden sich berühren wie in einem Kreis; Anfang und Ende berühren sich. Das kann das bedeuten.

(Pavitra) Mutter, gerade das bedeutet es im Französischen – in der französischen Übersetzung.

Offensichtlich! Nur wird es nicht mit Worten gesagt. In Wirklichkeit heißt das – wie auch immer es ausgedrückt wird –, dass die beiden Enden sich treffen, sich vereinigen, dass der Höchste, der in der Materie ist, und der Höchste, der außerhalb der Materie ist, sich treffen und vereinigen. Das bedeutet es. Aber in beiden Fällen bedeutet es dasselbe.

Liebe Mutter, was bedeutet „träge Passivität“?

Träge Passivität? Das bedeutet … Passivität – wir haben kürzlich gesagt, dass sie sich nicht regt, nicht tätig ist, nicht schwingt, nicht antwortet. Also, eine träge Passivität ist völlig unbewusst, untätig und reagiert nicht. Dagegen haben wir kürzlich eine Passivität beschrieben, die antwortet, die sich öffnet und die empfänglich ist, die sich aber nicht regt, die nicht tätig ist, die das Gegenteil ist von… Nehmen wir Passivität als das Gegenteil von Aktivität, etwas, das nicht tätig ist, das aber empfänglich ist und empfängt.

Aber eine träge Passivität ist eine Passivität, die nichts empfängt, die wie ein Stein ist, zum Beispiel. Man sagt, der Stein hat eine träge Passivität … wie Erde, wie Sand. Das ist nicht ganz richtig, weil es nichts gibt, das nicht wenigstens ein bisschen für Kräfte empfänglich ist. Nun ja, je mehr man sich dem sogenannten Unbewussten nähert, desto träger und gleichzeitig passiver wird es. So ist das.

Eine träge Passivität in jemandem ist also eine Art Unfähigkeit zu schwingen, zu empfangen, sich zu öffnen, zu antworten, etwas, das völlig unbewusst ist und sich nicht regt – in keiner Weise.

Liebe Mutter, wie kann die Unterwerfung freudvoll werden?

Sie muss aufrichtig sein. Wenn sie wirklich aufrichtig ist, wird sie freudvoll. Solange sie nicht – man kann die Sache umkehren –, solange sie nicht freudig ist, kannst du sicher sein, dass die Unterwerfung nicht vollkommen aufrichtig ist; denn wenn sie vollkommen aufrichtig ist, ist sie immer freudvoll. Wenn sie nicht freudvoll ist, bedeutet das, dass sich etwas zurückhält, etwas, das möchte, dass es anders ist, etwas, das einen Eigenwillen hat, einen eigenen Wunsch, ein eigenes Ziel und das nicht zufrieden ist; das folglich nicht ganz hingegeben, in der Hingabe nicht aufrichtig ist. Ist man aber in der Hingabe aufrichtig, dann ist man automatisch voller Freude. Ganz automatisch genießt man ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Folglich gilt: Solange dieses unbeschreibliche Glücksgefühl nicht vorhanden ist, ist das ein sicheres Zeichen, dass man nicht aufrichtig ist, dass da etwas ist, ein großer oder kleiner Wesensteil, der nicht aufrichtig ist.

Liebe Mutter wie kann man diesen Wesensteil finden?

Aspiration haben, nicht nachgeben, das Licht darauf richten, notfalls beten. Es gibt viele Wege. Manchmal sind chirurgische Eingriffe nötig, das Glüheisen auf der Wunde, als hätte man irgendwo einen hässlichen Abszess, der nicht aufgehen will.

(Ein anderes Kind) Hier heißt es:

„Der Höchste fordert deine Überantwortung an sie, doch erzwingt er sie nicht: bis die unwiderrufliche Umwandlung kommt, bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen oder deine Selbsthingabe zu widerrufen, insofern du gewillt bist, die spirituellen Konsequenzen zu tragen.“

Ja, das geschieht alle Augenblicke.

Das Kind nimmt den Satz wieder auf: „…bist du in jedem Augenblick frei, das Göttliche zu leugnen oder abzuweisen…“ Leugnen, was heißt das?

Leugnen? Das habe ich vorhin gesagt. Leute, die finden, dass das Göttliche nicht alles will, was sie wollen, oder dass Es nicht mit ihrem Eigenwillen übereinstimmt, sie leugnen Es. Sie sagen: „Das ist nicht das Göttliche.“ Oder dann gibt es andere, die noch weitergehen und sagen: „Es gibt kein Göttliches. Das Göttliche existiert nicht, weil es nicht übereinstimmt mit…“ Es ist sehr störend, dass es ein Göttliches gibt: Man sagt, es gibt keines!

Liebe Mutter, was heißt „eines trägen Automaten“?

Automat, das ist noch etwas mehr als träge Passivität. Automat, das ist eine mechanische Bewegung; und „träge“ bedeutet unbewusst. Das ist also eine unbewusste mechanische Bewegung, etwas, das keine Seele hat, keinen Geist, keinen Willen, keinen Schwung, etwas, das nur wie eine Maschine ist, das kein Bewusstsein hat; und träge heißt, vollkommen bar allen Bewusstseins und auch aller Empfänglichkeit. Selbst eine Uhr, zum Beispiel, kann man wohl kaum einen trägen Automaten nennen. Eine Uhr hat so etwas wie eine Seele. Eine Maschine – wenn sie sehr gut gebaut ist –, hat so etwas wie eine Seele, sie spricht an, sie hat eine gewisse Empfänglichkeit. Doch das, das ist etwas ohne jede Empfänglichkeit, ohne jegliches Bewusstsein und nur wie ein Mechanismus, den man aufzieht und der so macht (Die Mutter vollführt automatische Handbewegungen), ohne zu wissen, warum und wieso.

Mutter, was heißt unwillige Unterwerfung?

Unterwerfung… unwillig? Das kann nicht sein. Es heißt willige Unterwerfung…

Eine freudige Unterwerfung, wie ich vorhin sagte. Eine starke, nicht wahr, nicht etwas Schwaches und Energieloses; stark, kraftvoll; und willig, das heißt, sie ist tätig, sie ist wirksam, sie bringt Ergebnisse, eine Hingabe, die sich nützlich erweist, eine Hingabe, die zum Beispiel bei der Arbeit, beim Fortschritt mitarbeiten will. Sie ist das Gegenteil eines trägen Automaten; sie steht gerade im Gegensatz dazu.

Liebe Mutter, was heißt „eine ausschließliche Öffnung seiner selbst für die göttliche Kraft“?

Statt „Öffnung seiner selbst“ kann man auch Empfänglichkeit sagen, etwas, das sich öffnet, um zu empfangen. Also, anstatt sich nach allen Seiten hin und für alle Menschen zu öffnen und von ihnen etwas zu empfangen, wie man das gemeinhin tut, öffnet man sich nur gegenüber dem Göttlichen, um nur die göttliche Kraft zu empfangen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Leute üblicherweise tun. Sie sind immer an der Oberfläche offen, sie empfangen Einflüsse von allen Seiten. Und daraus entsteht in ihrem Inneren dann ein sogenanntes Potpourri (die Mutter lacht) von allen möglichen widerstreitenden Regungen, die natürlich zahllose Schwierigkeiten verursachen. Hier wird also empfohlen, sich nur dem Göttlichen gegenüber zu öffnen und nur die göttliche Kraft zu empfangen, unter Ausschluss von allem anderen. Das lässt alle Schwierigkeiten fast ganz verschwinden. Nur eines bleibt schwierig, nämlich… Man kann das machen, aber wenn man nicht in einem Zustand hermetischer Abgeschlossenheit lebt, dann ist es schwierig, mit den Menschen in Verbindung zu sein, zum Beispiel mit ihnen zu reden, irgendwelchen Austausch mit ihnen zu pflegen, ohne etwas davon aufzunehmen. Es ist schwierig. Ist man in einer Art von … in einer Atmosphäre, die wie ein Filter wirkt, dann wird alles, was von außen kommt, gefiltert, bevor es uns berührt. Aber es ist sehr schwierig; das verlangt eine sehr große Erfahrung. Übrigens gingen deshalb Menschen, die den leichtesten Weg suchten, in die Einsamkeit und setzten sich unter einen Baum, redeten nicht mehr und sahen niemand mehr; weil das den nicht wünschenswerten Austausch verringert. Nur etwas war auffallend, nämlich, dass diese Menschen sich enorm für das Leben kleiner Tiere, für das Leben der Pflanzen zu interessieren begannen, weil es schwierig ist, ohne Austausch mit etwas zu leben. Also ist es besser, das Problem geradewegs anzugehen und sich mit einer so restlos auf das Göttliche konzentrierten Atmosphäre zu umgeben, dass das, was diese Atmosphäre durchquert, beim Durchgang gefiltert wird.

Doch auch wenn das geschafft ist, bleibt noch die Nahrung. Solange unser Körper zu seiner Erhaltung fremde Substanz aufnehmen muss, wird er gleichzeitig eine beträchtliche Menge träger und unbewusster Kräfte oder eines wenig wünschenswerten Bewusstseins aufnehmen, und diese Alchemie muss im Körper ablaufen. Wir sprachen über alle Arten von Bewusstsein, die man mit der Nahrung aufnimmt. Man nimmt mit der Nahrung aber auch Nichtbewusstheit auf – und zwar in reichlicher Menge. Und deshalb wurde in vielen Yoga-Disziplinen der Rat gegeben, die Nahrung vor dem Essen dem Göttlichen darzubringen (Die Mutter macht eine Geste der Darbringung, die beiden Hände nebeneinander und nach oben geöffnet). Der Rat besteht darin, vor der Mahlzeit das Göttliche in die Nahrung herabzurufen. Man bringt sie Ihm dar – das heißt man bringt sie mit dem Göttlichen in Berührung, damit sie während des Essens unter dem göttlichen Einfluss ist. Das ist sehr nützlich, das ist sehr gut. Wenn man es zu tun vermag, ist das sehr nützlich, denn es verringert die Arbeit der inneren Umwandlung, die getan werden muss, beträchtlich. Aber so wie die Dinge in dieser Welt liegen, sind wir alle voneinander abhängig, nicht wahr. Man kann die Luft nicht atmen, ohne die Schwingungen aufzunehmen, die zahllosen Schwingungen aus allen möglichen Regungen und von allen möglichen Menschen, und man muss – wenn man intakt bleiben will – ständig in diesem Zustand des Filterns sein, von dem ich gesprochen habe. Das heißt, allem Unerwünschten darf man nicht erlauben einzutreten, so als ginge man an verseuchte Orte und würde eine Maske vor das Gesicht halten, damit die Luft gereinigt wird, bevor man sie einatmet. Nun, so etwas Ähnliches muss man tun. Man muss um sich herum eine solch intensive Atmosphäre der totalen Hingabe an das Göttliche haben – um einen herum derart verdichtet –, dass alles, was da durchgeht, automatisch gefiltert wird. Das ist gleichwohl für das ganze Leben äußerst nützlich, weil es schlechte Gedanken, bösen Willen und Menschen gibt, die einem übel gesinnt sind und Formationen bilden. In der Atmosphäre gibt es alle möglichen Arten von absolut Unerwünschtem. Und wenn man die ganze Zeit über aufpassen und nach allen Seiten schauen müsste, würde man nur noch an eines denken: Wie schütze ich mich. Zuerst einmal ist das sehr lästig, und dann, nicht wahr, verliert man auch sehr viel Zeit dabei. Bist du gut eingehüllt von diesem Licht, dem Licht einer vollkommen glücklichen, absolut aufrichtigen Hingabe, dient es dir als wunderbarer Filter. Alles gänzlich Unerwünschte, alles Böswillige kann nicht durchdringen. So kehrt es automatisch dorthin zurück, woher es gekommen ist. Gibt es einen bewussten bösen Willen gegen dich, kommt er an, kann aber nicht durchdringen: Die Tür ist verschlossen, denn sie ist nur für göttliche Dinge offen und für nichts anderes. Also kehrt er ganz ruhig zu seinem Ursprung zurück.

Doch sind das alles Dinge, die man durch eine Art Studium und Wissenschaft erlernen kann. Aber auch ohne Studium oder Wissenschaft kann man sie machen, vorausgesetzt, Aspiration und Hingabe sind absolut und umfassend. Sind Aspiration und Hingabe umfassend, wird es automatisch getan. Doch man muss darüber wachen, dass sie umfassend sind. Und im Übrigen, wie ich bereits sagte, merkt man es sehr gut, da man von dem Augenblick an, wo sie nicht mehr umfassend sind, auch nicht mehr glücklich ist. Du fühlst dich unwohl, sehr elend, entmutigt, etwas unglücklich: „Die Dinge sind heute nicht sehr angenehm. Es sind die gleichen Dinge wie gestern, und da waren sie wunderbar. Heute aber sind sie nicht angenehm!“ – Warum? Weil du gestern in einem Zustand vollkommener Hingabe warst – mehr oder weniger vollkommen –, und heute bist du es nicht mehr. Was also gestern so schön war, ist heute nicht mehr so schön. Diese Freude, die du in dir hattest, dieses Vertrauen, diese Gewissheit, dass alles gut geht, dass das große Werk vollendet wird, diese Zuversicht – all dies, siehst du, ist verhüllt worden, und an seine Stelle ist so etwas wie Zweifel, ja, Unzufriedenheit getreten: „Die Dinge sind nicht schön, die Welt ist scheußlich, die Menschen sind unangenehm.“ Das geht manchmal so weit: „Das Essen ist nicht gut, gestern war es hervorragend.“ Es ist das gleiche Essen, doch heute ist es nicht gut! Das ist der Barometer! Du kannst dir sofort sagen, dass sich da irgendwo eine Unaufrichtigkeit eingeschlichen hat. Das lässt sich ganz leicht erkennen. Du musst dazu nicht sehr gebildet sein, denn, wie Sri Aurobindo es in Elements of Yoga sagte: Man weiß, ob man glücklich oder unglücklich ist, man weiß, ob man zufrieden oder unzufrieden ist, man muss sich nicht fragen, muss sich deswegen nicht komplizierte Fragen stellen, man weiß es! – Also, es ist sehr einfach.

Wenn du dich unglücklich fühlst, kannst du daruntersetzen: „Ich bin nicht aufrichtig!“ Diese beiden Sätze gehören zusammen:

„Ich bin nicht glücklich!“

„Ich bin nicht aufrichtig!“

Was läuft da nun verkehrt? Man beginnt zu schauen, und man findet es sehr schnell heraus….

Sind wir am Ende mit den Fragen oder nicht? (Zu einem Jungen) Du, du hast deine Frage noch nicht gestellt?

Mutter, in den Briefen sagt Sri Aurobindo irgendwo (Letters on Yoga, Cent. Vol. 24, p. 609), dass die Gnade den Gerechten nicht erwählt und den Sünder nicht zurückweist. Sie hat ihr eigenes Unterscheidungsvermögen, das anders ist als das des Mentals. So hilft die Gnade zum Beispiel dem Heiligen Augustinus. Warum sagt Sri Aurobindo dann hier: „Aber die höchste Gnade wird nur unter den Bedingungen des Lichts und der Wahrheit handeln.“?

Ja, das ist mir aufgefallen. Gerade, als ich las, dachte ich daran.

Ich dachte daran. Ich denke, dass er diesen Satz so geschrieben hat, damit er leicht verständlich ist. Aber eigentlich hat er das, was er sagen wollte, vorher gesagt: Du weist selbst die Gnade zurück. Er formulierte … „sie wird nicht unter Bedingungen handeln“. Das haben wir besprochen. Nicht wahr, das habe ich erklärt: Man verlangt von der Gnade, dass Sie etwas für einen tut, aber dies ist eine Falschheit. Sie wird es nicht tun, weil Sie nur in der Wahrheit handelt.

Aber wieso kommt Sie dann und hilft dem Sünder?

Sie hilft dem Sünder nicht, ein Sünder zu sein! Sie hilft dem Sünder, seine Sünde zu lassen; das heißt, Sie stößt den Sünder nicht weg und sagt zu ihm: „Ich tue nichts für dich.“ Sie ist da, immer, auch wenn er sündigt, um ihm zu helfen, aus seiner Sünde herauszukommen, aber nicht, um seine Sünde fortzusetzen.

Es gibt da einen großen Unterschied zu dem eben Gesagten und dieser Vorstellung: Du bist schlecht und folglich beschäftige ich mich nicht mit dir: „Ich werfe dich weit von mir, geschehe dir, was da mag, ich kümmere mich nicht darum“. Das ist die allgemeine Vorstellung. Man sagt: „Gott hat mich verworfen“, nicht wahr. So ist das nicht. Du magst die Gnade nicht fühlen, aber Sie wird immer da sein, auch beim schlimmsten Sünder, auch beim schlimmsten Verbrecher, um ihm zu helfen, sich zu ändern, sich sein verbrecherisches Tun und seine Sünde abzugewöhnen, wenn er es denn will. Sie wird ihn nicht verwerfen, aber Sie geht nicht hin und hilft ihm bei seinem bösen Tun. Das wäre nicht mehr die Gnade. Verstehst du den Unterschied?

Aber er hat hier einen Satz geschrieben, der … stimmt ganz genau: „…dann stößt du jedes Mal … die göttliche Gnade von dir fort“. Und … „…dann wirst du immer Angriffen gegenüber geöffnet sein, und die Gnade wird sich von dir zurückziehen“… (Schweigen) Nicht die Gnade zieht sich von dir zurück, sondern du ziehst dich von der Gnade zurück. Das ist ein Gefühl und der Ausdruck der Tatsache. Denn im Satz – in einem vorhergehenden Satz heißt es: „…dann stößt du jedes Mal … die göttliche Gnade von dir fort“. Das gibt es genau wieder. Du selbst weist die göttliche Gnade weit von dir. Nachdem du Sie aber zurückgewiesen hast, hast du das Gefühl, Sie hätte sich von dir zurückgezogen, und es ist vielmehr so: „…dann wirst du immer Angriffen gegenüber geöffnet sein, und die Gnade wird sich von dir zurückziehen“. Es ist nicht der Fall, dass Sie sich von dir zurückzieht, du hast nur das Gefühl, Sie ziehe sich von dir zurück.

Das ist der Ausdruck für den Eindruck, den man hat. Es ist aber nicht so, dass die Gnade sich zurückzieht. Denn da steht es, gerade vorher, wo er sagt: „…so darfst du nicht die göttliche Gnade dafür verantwortlich machen, dich im Stich gelassen zu haben“, – du bist es, der Sie von sich weist.

In dem Fall versetzt er sich in die Haltung der Gnade, und im anderen Fall hat er sich in die Haltung der Person versetzt, die sagt: „Die Gnade zieht sich weit von mir zurück.“ Aber nicht die Gnade hat sich zurückgezogen, sondern jene Person selbst hat Sie von sich gewiesen, das heißt, jener hat einen Abstand zwischen sich und der Gnade geschaffen. Eigentlich ist auch „zurückweisen“ kein korrektes Bild; das ist nicht für einen Philosophen geschrieben worden und nicht in philosophischer Terminologie. Im einen Fall hat er diese Haltung eingenommen, im anderen Fall jene Haltung, aber die Erscheinung ist dieselbe; das heißt, es ist sozusagen eine psychologische Distanz zwischen der Gnade und dem Individuum entstanden. Und diese psychologische Distanz bewirkt, dass das Individuum die Gnade nicht mehr empfangen kann und den Eindruck gewinnt, dass sie nicht da ist. In Wirklichkeit ist sie aber da, nur spürt es Sie nicht, da es diesen Abstand zwischen beide geschaffen hat. Das ist die wahre Erscheinung. Es ist nicht so, dass die Gnade weggeht, das Individuum hat nicht einmal die Macht, Sie zurückzuweisen, denn wenn Sie nicht weggehen will, kann es Sie noch so sehr zurückweisen, Sie wird nicht weggehen. Aber es versetzt sich seinerseits in eine Unfähigkeit, Sie zu fühlen und Ihre Wirkungen zu empfangen. Es schafft eine psychologische Barriere zwischen sich und der Gnade.

7. JULI 1954

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