Erläuterungen der Mutter 3
Liebe Mutter, kann es nicht Zwischenzustände zwischen dem Menschen und dem Übermenschen geben?
Es wird wahrscheinlich viele geben.
Mensch und Übermensch? Meinst du nicht die neue supramentale Gattung? Meinst du wirklich den Übermenschen, wie wir ihn nennen, den Menschen, der auf menschliche Weise geboren wurde und versucht, sein physisches Wesen, so wie er es durch seine normale menschliche Geburt empfangen hat, umzuwandeln? Ob es Stufen gibt? Es gibt sicher eine unübersehbare Menge von Teilverwirklichungen. Je nach der Fähigkeit eines jeden wird der Umwandlungsgrad verschieden sein, und es steht fest, dass es eine beträchtliche Zahl von Versuchen geben wird, die mehr oder weniger fruchtlos oder mehr oder weniger fruchtbar sind, bevor etwas erreicht wird, das dem Übermenschen gleicht, und auch dies werden mehr oder weniger gelungene Versuche sein.
Übermenschen-Lehrlinge sind all jene, die sich anstrengen, die gewöhnliche Natur zu überwinden, alle, die versuchen, materiell die tiefe Erfahrung zu verwirklichen, die sie mit der göttlichen Wahrheit in Verbindung gebracht hat, alle, die versuchen, statt den Blick zum Jenseits oder nach dem Höchsten zu wenden, physisch, äußerlich die Bewusstseinsveränderung zu verwirklichen, die sie in sich durchgeführt haben… Und da gibt es unzählige Unterschiede beim Erfolg ihrer Anstrengung. Jedes Mal, wenn wir versuchen, kein gewöhnlicher Mensch zu sein, kein gewöhnliches Leben zu führen, in unseren Regungen, unseren Handlungen und unseren Reaktionen die göttliche Wahrheit auszudrücken; wenn wir von dieser Wahrheit geleitet werden, anstatt von der allgemeinen Unwissenheit geleitet zu sein, sind wir Übermenschen-Lehrlinge, und je nach dem Erfolg unserer Anstrengungen sind wir eben mehr oder weniger gute oder mehr oder weniger fortgeschrittene Lehrlinge.
Dies alles sind Etappen, also… Eigentlich geht es bei diesem Rennen zur Transformation darum, zu wissen, welcher von beiden zuerst ans Ziel kommt: wer seinen Körper nach dem Bild der göttlichen Wahrheit umwandeln will oder die alte Gewohnheit dieses Körpers, sich zu zersetzen, bis er so entstellt ist, dass er nicht mehr in seiner äußeren Vollständigkeit weiterleben kann. Das ist ein Wettrennen zwischen der Transformation und dem Zerfall. Denn nur zwei Dinge können Haltepunkte sein und aussagen, inwieweit es gelungen ist: entweder der Erfolg, nämlich ein Übermensch zu werden – dann natürlich kann man sagen: „Jetzt bin ich zu einem Ergebnis gekommen“ –, oder aber der Tod. Bis dahin ist man normalerweise „unterwegs“.
Eines von beidem – entweder das erreichte Ziel oder das plötzliche Abbrechen des Lebens – setzt dem Vormarsch einstweilen ein Ende. Und unterwegs kommt jeder mehr oder weniger weit, aber man wird nicht sagen können, auf welcher Stufe man ist, bis man am Ende ankommt. Die Endstufe zählt. Also erst, wer in einigen hundert oder tausend Jahren kommt und zurückblickt, wird sagen können: „Es gab die und die Stufe, die und die Verwirklichung.“ Das, das ist Geschichte, es wird eine historische Wahrnehmung des Geschehens sein. Bis dahin sind wir alle in der Bewegung und bei der Arbeit.
Wie weit sind wir, und wie weit werden wir kommen? … Es ist besser, nicht zu sehr daran zu denken, weil das die Kniekehlen schwächt und man nicht gut laufen kann. Es ist besser, nur ans Laufen zu denken und an nichts anderes. Nur auf diese Weise kann man gut laufen. Man schaut dorthin, wohin man gehen will, und legt seine ganze Anstrengung in die Bewegung, um vorwärtszukommen. Wie weit wir damit sind, geht uns nichts an. Ich meine: „Das ist Geschichte“, das kommt später. Die Historiker unserer Bemühung werden uns sagen – denn vielleicht sind wir noch da –, sie werden uns sagen, was wir gemacht haben, wie wir es gemacht haben… Nötig ist vorläufig, dass man es macht – das ist das einzig Wichtige.
8. Oktober 1958
