Erläuterungen der Mutter 2

Bei den vorausgehenden Stufen der Evolution war die Hauptsorge und das Bemühen der Natur auf eine Umwandlung im physischen Organismus gerichtet, denn nur so konnte es eine Veränderung des Bewusstseins geben. Das war eine ihr durch das Unvermögen der schon in der äußeren Form wirkenden Bewusstseins-Kraft aufgezwungene Notwendigkeit, die keine Umwandlung im Körper bewirken konnte. Im Menschen ist aber das Umgekehrte möglich, sogar unvermeidlich. Denn die Evolution kann und muss durch sein Bewusstsein, durch dessen völlige Mutation bewirkt werden, nicht mehr durch einen neuen körperlichen Organismus als erste Instrumentation. In der inneren Wirklichkeit der Dinge war eine Umwandlung des Bewusstseins immer die bedeutungsvollere Tatsache. Die Evolution hat immer eine spirituelle Bedeutung gehabt, die physische Umwandlung war nur Werkzeug dazu. Dieses Verhältnis war dank des anfänglichen abnormen Ungleichgewichts der beiden Faktoren verborgen. Der Körper der äußeren Unbewusstheit überwog und stellte das spirituelle Element, das bewusste Wesen, in den Schatten. Sobald aber das rechte Gleichgewicht hergestellt ist, braucht die Umwandlung des Körpers nicht mehr der Umwandlung des Bewusstseins vorauszugehen. Vielmehr wird das Bewusstsein durch seine Verwandlung jede Mutation, die für den Körper nötig ist, zwangsläufig bewirken. Es ist zu bemerken, dass das menschliche Mental bereits eine Fähigkeit dazu bewiesen hat, der Natur bei der Entwicklung neuer Pflanzen- und Tier-Arten zu helfen. Es hat neue Formen seiner Umgebung erschaffen und durch Erkenntnis und Disziplin bemerkenswerte Umwandlungen in seiner eigenen Mentalität bewirkt. Es ist nicht unmöglich, dass der Mensch der Natur auch bewusst bei seiner eigenen spirituellen und physischen Entwicklung und Umwandlung beistehen sollte. Das Drängen dazu ist bereits vorhanden und schon teilweise wirksam, auch wenn das von der äußeren Mentalität noch unvollständig verstanden und angenommen wird. Eines Tages mag sie es verstehen, tiefer in ihr Inneres eindringen und das Mittel, die geheime Energie, die beabsichtigte Wirkensweise der Bewusstseins-Kraft entdecken, die die verborgene Wirklichkeit dessen ist, was wir die Natur nennen….

Ist aber eine spirituelle Entfaltung auf der Erde die verborgene Wahrheit unserer Geburt in die Materie und gibt es grundsätzlich eine Entwicklung von Bewusstsein, die in der Natur stattgefunden hat, dann kann der Mensch so, wie er jetzt ist, nicht die letzte Form dieser Entwicklung sein: Er ist ein zu unvollkommener Ausdruck des Geistes; das Mental selbst ist eine zu begrenzte Gestaltung und Instrumentation. Mental ist nur ein Mittelbegriff von Bewusstsein. Das mentale Wesen kann nur ein Übergangswesen sein. Wenn also der Mensch unfähig sein sollte, über die Mentalität hinauszukommen, müsste die Entwicklung über ihn hinausgehen; das Supramental und der Übermensch müssten sich selbst manifestieren und die Führung der Schöpfung übernehmen. Ist aber das Mental dazu fähig, sich für das zu öffnen, was es überragt, dann ist nicht einzusehen, warum nicht der Mensch selbst zum Supramental und zum übermenschlichen Wesen gelangen sollte. Zumindest kann er seine Mentalität, sein Leben und seinen Körper der Entwicklung dieser höheren Form des Geistes zur Verfügung stellen, der sich in der Natur offenbart. (The Life Divine, S. 876-77, S. 879)

Auf jeden Fall sind wir jetzt bei einer Gewissheit angelangt, da es ja schon eine beginnende Verwirklichung gibt. Wir haben den Beweis, dass unter bestimmten Umständen der Normalzustand der Menschheit überschritten werden und ein neuer Bewusstseinszustand Gestalt annehmen kann, der zumindest eine bewusste Beziehung zwischen dem mentalen und dem supramentalen Menschen erlaubt.

Man kann mit Gewissheit die Aussage machen, dass es ein Zwischenexemplar zwischen dem mentalen und dem supramentalen Wesen geben wird, eine Art Übermensch, der noch die Eigenschaften und teilweise die Natur des Menschen hat, das heißt, der durch seine äußerlichste Form noch zum Menschen animalischen Ursprungs gehört, der aber sein Bewusstsein hinreichend umwandelt, damit er in seiner Verwirklichung und in seiner Tätigkeit zu einer neuen Gattung gehört, zu einer Gattung von Übermenschen.

Man kann diese Spezies als eine Übergangsgattung ansehen, denn es ist vorauszusehen, dass sie das Mittel entdecken wird, wie man neue Menschenwesen ohne die alte animalische Methode produziert, und diese Menschenwesen – die eine wahre spirituelle Geburt haben werden – werden dann die Elemente für die neue, die supramentale Gattung bilden.

Man könnte also diejenigen als Übermenschen bezeichnen, die durch ihren Ursprung noch zur alten Zeugungsmethode gehören, die aber durch ihre Leistung in bewusster und aktiver Verbindung mit der neuen Welt supramentaler Verwirklichung stehen.

Es scheint so – es ist sogar sicher –, dass schon die Substanz, die diese bereits entstehende Zwischenwelt bilden wird, reicher, mächtiger, lichtvoller und widerstandsfähiger ist, mit bestimmten neuen, subtileren, durchdringenderen Eigenschaften und einer Art angeborener Fähigkeit zur Universalität, zur Viel- und Allseitigkeit, als würde ihr Feinheits- und Verfeinerungsgrad eine viel weiterreichende, wenn nicht gar totale Wahrnehmung der Schwingungen erlauben, und sie beseitigt diese Empfindung der Aufspaltung, die man bei der alten Substanz, der gewöhnlichen mentalen Substanz hat. Es gibt eine Feinheit der Schwingung, durch die die allumfassende Gesamtwahrnehmung etwas Spontanes und Natürliches wird. Der Sinn für die Aufspaltung, die Trennung verschwindet mit dieser Substanz ganz natürlich und spontan. Und diese Substanz ist gegenwärtig fast allgemein in der Erdatmosphäre verbreitet. Sie ist im Wachzustand wahrnehmbar, einfach mit einer geringen Konzentration und einer Art Versunkenheit des Bewusstseins, wenn man es vom normalen Aus-sich-Herausgehen zurücknimmt, zurückzieht. Dieses Aus-sich-Heraustreten, diese Wahrnehmung, die vorher natürlich war, erscheint falsch, irreal und ganz künstlich. Sie entspricht überhaupt nicht mehr den Dingen, wie sie sind, sie gehört zu einer Bewegung, der nichts wirklich Wahres entspricht.

Diese neue Wahrnehmung drängt sich immer mehr auf, sie wird immer natürlicher, und die alte Seinsweise ist manchmal sogar schwer wieder aufzunehmen, als verschwände sie in einer nebelhaften Vergangenheit – etwas, das im Begriff ist, aufzuhören.

Man kann daraus schließen, dass sobald ein Körper, der offenkundig nach der alten animalischen Methode gebildet worden ist, dieses Bewusstsein natürlich und spontan, mühelos, ohne aus sich herauszutreten, zu leben vermag, dies ein Beweis dafür ist, dass er kein Ausnahme- und Einzelfall ist, sondern einfach der Vorläufer einer Verwirklichung, an der, auch wenn sie nicht ganz allgemein wird, doch auf jeden Fall eine Anzahl von Einzelwesen teilhaben kann, die im Übrigen von da an diese Wahrnehmung, abgetrennte Individuen zu sein, verlieren und eine lebendige Gemeinschaft werden.

Diese neue Verwirklichung nimmt sozusagen mit blitzartiger Geschwindigkeit ihren Fortgang, denn wenn wir die Zeit nach der normalen Art betrachten, liegen nur zwei Jahre (etwas mehr als zwei Jahre) zwischen dem Augenblick, als die supramentale Substanz die Erdatmosphäre durchdrang, und dem Augenblick, da diese Veränderung in der Qualität der Erdatmosphäre stattfand.

Wenn die Dinge weiterhin mit dieser Geschwindigkeit voraneilen, wird es mehr als möglich, nahezu offenkundig, dass diese Worte, die Sri Aurobindo in einem Brief geschrieben hat, zu einer prophetischen Ankündigung werden: Das supramentale Bewusstsein tritt 1967 in die volle Verwirklichungsphase ein.1

16. April 1958

1 „4.5.67 is the year of complete realisation.“ (Sri Aurobindo, Letters on Yoga, p. 35)

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