Die Bedeutung von Blumen
„Lieben Blumen?“
Dies ist ihre Art der Liebe, dieses Blühen. Wenn man eine Rose sieht, die sich der Sonne öffnet, so ist es im wesentlichen wie eine Notwendigkeit, ihre Schönheit zu geben. Nur ist es für uns fast unerkennbar, denn sie denken nicht über das nach, was sie tun. Ein Mensch assoziiert stets mit allem, was er tut, diese Fähigkeit, sich selbst als Wandelnden zu sehen, das heißt, an sich zu denken, an sich selbst zu denken als jemanden, der es tut. Der Mensch weiß, dass er etwas tut. Tiere denken nicht. Es ist keineswegs dieselbe Form von Liebe. Und Blumen sind sozusagen nicht bewusst: es ist eine spontane Bewegung, kein Bewusstsein, das seiner selbst bewusst ist, keineswegs. Aber es ist eine große Kraft, die durch all jenes wirkt, das große universale Bewusstsein und die große Kraft universaler Liebe, die alle Dinge in Schönheit aufblühen lässt.
Die Mutter

Die Bedeutung von Blumen
Es ist dieses vitale Element, das Blumen das Gefühl von Schönheit gibt. Es ist vielleicht nicht individualisiert in dem Sinn, wie wir es verstehen, aber es ist ein Gefühl der Spezies, und die Spezies versucht stets, es zu verwirklichen. Ich habe ein erstes Rudiment der psychischen Gegenwart und Schwingung im Pflanzenleben bemerkt, und wirklich ist dieses Blühen, was man eine Blume nennt, die erste Manifestation der psychischen Gegenwart. Das Psychische ist nur im Menschen individualisiert, aber es war vor ihm da; aber es ist nicht dieselbe Art von Individualisation wie im Menschen, es ist mehr fluide: es manifestiert sich als Kraft, als Bewusstsein eher denn als Individualität. Nehmen wir zum Beispiel die Rose; ihre große Vollkommenheit der Form, der Farbe, des Duftes drückt eine Sehnsucht und ein psychisches Geben aus. Blick eine Rose an, die sich am Morgen öffnet, wenn die ersten Sonnenstrahlen auf sie fallen, es ist eine herrliche Selbstgabe in Sehnsucht.
„Jede Blume hat eine besondere Bedeutung, nicht wahr?“
Nicht wie wir es mental verstehen. Es erfolgt eine mentale Projektion, wenn man einer Blume eine präzise Bedeutung gibt. Sie mag reagieren, auf den Kontakt dieser Projektion hin vibrieren, die Bedeutung akzeptieren, aber eine Blume hat kein Äquivalent des mentalen Bewusstseins. Im Pflanzenreich existiert ein Anfang des Psychischen, aber es existiert kein Anfang des mentalen Bewusstseins. In Tieren ist es anders; das mentale Leben beginnt, sich zu formen, und für sie haben Dinge eine Bedeutung. Aber in Blumen ist es vielmehr wie die Bewegung eines kleinen Babys – es ist weder eine Empfindung noch ein Gefühl, sondern etwas von beidem; es ist eine spontane Bewegung, eine sehr spezielle Schwingung. Wenn man also im Kontakt damit ist, wenn man es fühlt, erlangt man einen Ein- druck, der durch einen Gedanken übersetzt werden kann. Auf diese Weise habe ich Blumen und Pflanzen eine Bedeutung gegeben – es gibt eine Art Identifikation mit der Schwingung, eine Wahrnehmung der Eigenschaft, die sie repräsentiert, und nach und nach erfolgt durch eine Art Annäherung (manchmal kommt dies plötzlich, manchmal erfordert es Zeit) ein Zusammenkommen dieser Schwingungen (die einer vital-emotionalen Ordnung angehören) und der Schwingung des mentalen Gedankens, und wenn eine hinreichende Harmonie existiert, hat man eine direkte Wahrnehmung dessen, was die Pflanze bedeuten kann.
In einigen Ländern (besonders hier in Indien), werden gewisse Pflanzen als Medien für Anbetung, Gaben, Hingabe gebraucht. Gewisse Pflanzen werden bei bestimmten Anlässen gegeben. Und ich habe oft festgestellt, dass diese Identifikation ganz im Einklang mit der Natur der Pflanze war, denn spontan, ohne irgendetwas zu wissen, geschah es so, dass ich dieselbe Bedeutung gab, wie sie in religiösen Zeremonien gegeben wird. Die Schwingung war tatsächlich in der Blume selbst vorhanden. Kam es vom Gebrauch her, den man von der Blume gemacht hatte, oder kam es von sehr weit weg, von irgendwo tief innen, unten, von einem Anfang des psychischen Lebens her? Das könnte man nur schwer sagen.
Die Mutter

„Mutter, wenn man dir Blumen bringt, wie gibst du ihnen dann eine Bedeutung?“
Den Blumen? Aber das geschieht in derselben Weise, indem man mit der Natur der Blume, ihrer inneren Wahrheit, Kontakt aufnimmt. Dann weiß man, was sie repräsentiert.
Die Mutter

7. April 1917
Eine tiefe Konzentration ergriff mich, und ich sah, dass ich mich mit einer einzigen Kirschblüte identifizierte, dann durch sie mit allen Kirschblüten, und indem ich tiefer im Bewusstsein herabstieg, wobei ich einem Strom bläulicher Kraft folgte, wurde ich plötzlich zum Kirschbaum selbst, streckte mich zum Himmel wie so viele Arme seiner zahllosen Zweige, die mit ihrem Blumenopfer beladen waren. Dann hörte ich deutlich diesen Satz:
„So hast du dich mit der Seele der Kirschbäume vereinigt, und so kannst du merken, dass es das Göttliche ist, das dieses Blumengebet zum Himmel darbringt.“
Als ich dies niedergeschrieben hatte, war alles ausgelöscht; aber jetzt fließt das Blut des Kirschbaumes in meinen Adern, und mit ihm fließt ein unvergleichlicher Frieden und eine unvergleichliche Kraft. Welcher Unterschied besteht zwischen dem menschlichen Körper und dem Körper eines Baumes? In Wahrheit besteht keiner: das Bewusstsein, das sie belebt, ist identisch dasselbe.
Dann flüsterte der Kirschbaum mir ins Ohr:
„In der Kirschblüte liegt die Heilung für die Beschwerden des Frühlings.“
Die Mutter
