Das Supramentale und die Menschheit

Welche Folgen also hätte die Herabkunft des Supramentalen in unser irdisches Dasein für die Menschheit, für diese Gattung, die in eine Welt der Unwissenheit und Unbewusstheit hineingeboren wurde, aber zu einer Aufwärts-Entwicklung ihres Bewusstseins und zum Aufstieg in das Licht, die Macht und die Seligkeit eines spirituellen Wesens und einer spirituellen Natur fähig ist? Die Herabkunft einer so höchst schöpferischen Kraft wie der des Supramentalen und seines Wahrheitsbewusstseins in das irdische Leben könnte nicht nur ein neuer Zug oder Faktor sein, der diesem Leben hinzugefügt oder nach vom gebracht würde, ohne irgendeine andere oder doch nur beschränkte Bedeutung und ohne tiefgehende Wirkungen auf den Rest der Erdnatur zu haben. Selbst wenn diese Macht keine andere entscheidende Wirkung auf die materielle Welt haben würde, in die sie herabgekommen ist, um sich ihr mitzuteilen, könnte es nicht ausbleiben, dass ein unermesslicher Einfluss auf die Menschheit als Ganzes ausgeübt, ja eine radikale Wandlung sowohl im Aussehen wie in den Aussichten ihres Daseins hervorgerufen würde. Man kann zu keinem anderen Schluss kommen, als dass diese Beeinflussung und Wandlung äußerst weitreichend, ja enorm wäre: Sie würde nicht nur das Supramentale und eine supramentale Rasse von Wesen hier auf Erden beheimaten, sondern auch, und zwar als unvermeidliche Konsequenz, im Bewusstsein des Menschen, dem mentalen Wesen, eine fördernde und transformierende Wandlung im Denkvermögen selbst auslösen; außerdem würde sie eine grundsätzliche und transformierende Wandlung seiner Prinzipien und Lebensformen, seiner Handlungsweisen, seines ganzen Lebensstils und Lebenssinns hervorrufen. Sie würde dem Menschen ganz sicher das Tor zum supramentalen Bewusstsein und zum supramentalen Leben öffnen; denn wir müssen annehmen, dass durch eben solch eine Transformation eine Gattung supramentaler Wesen erschaffen wird, genauso wie die menschliche Rasse selbst durch eine zwar weniger radikale, aber doch beträchtliche Anhebung und Erweiterung des Bewusstseins und durch eine Umwandlung der Instrumentierung des Körpers und seiner ihm innewohnenden und sich entwickelnden mentalen und spirituellen Fähigkeiten und Kräfte aus einem zunächst animalischen Zustand entstanden ist. Aber das Wahrheitsprinzip würde, selbst ohne eine solch vollständige Umwandlung, das Prinzip eines ursprünglichen Nichtwissens, das nach Wahrheit sucht und immer nur zu Teilwissen kommt, so wie wir es hier sehen, soweit ersetzen, dass das menschliche Denkwesen nicht mehr länger der Bürger einer zwielichtigen Welt oder ein Knecht und Helfer der Unwissenheit, der Zulieferant von Mischungen aus Wahrheit und Lüge zu sein brauchte, sondern eine Kraft des Lichtes werden könnte und eines Wissens, das sich selbst findet. Und das Mentale könnte sogar im Menschen das werden, was es seinem eigentlichen Ursprung nach ist: Eine untergeordnete, begrenzte und spezielle Tätigkeit des Supramentalen und ein genügend erleuchtetes Gefäß der Wahrheit; zumindest würde alle Falschheit aus seinem Tun verschwinden.

Hier könnte man natürlich einwenden, dass dies den ganzen Entwicklungsablauf ändern und aus dem Gleichgewicht bringen, ja einen unheilbaren Riss verursachen würde: der Abgrund zwischen Mensch und Tier wäre nicht mehr überbrückbar und der Weg des Fortschritts abgeschnitten, auf dem die Entwicklung von dem Bewusstsein der Tierheit zu jenem der Göttlichkeit vorwärtsdrängt; denn in der angedeuteten Metamorphose wäre eine Art von Göttlichkeit involviert. Man könnte behaupten, wahrer Fortschritt in der Entwicklung hieße, ein neues Prinzip, einen neuen Grad oder ein neues Stadium zu der bereits entstandenen Ordnung hinzuzufügen, nicht aber ein bereits gegebenes Gepräge abzuwandeln. Als der Mensch auftauchte, behielt das Tier seine Tierheit bei und entwickelte sich nicht etwa zu einem Halbmenschen; all die kleinen Veränderungen des Bewusstseins, der Fähigkeiten oder der Gewohnheiten, die das Zusammenleben der Menschen mit den Haustieren bei diesen hervorrief, oder die ihnen der Mensch durch Training beibrachte, sind nur kleine Abwandlungen der Tierintelligenz. Noch weniger können sich Pflanzen auf das Tierbewusstsein zubewegen, oder gar die rohe Materie sich ihrer selbst auch nur im geringsten, nicht einmal unterbewusst oder halbbewusste gewahr werden oder ansprechbar sein oder reagieren. Der grundsätzliche Unterschied bleibt bestehen und muss auch unverändert in der kosmischen Ordnung bestehen bleiben. Dieser Einwand aber setzt voraus, dass die neue Menschheit insgesamt auf derselben Stufe stehen müsse; es könnten sich aber sehr wohl Abstufungen des Bewusstseins in ihr gebildet haben, die den Abstand zwischen ihren am wenigsten entwickelten Elementen und den höheren Tieren überbrücken würden, die sich zwar nicht zu einer Art Halbmenschen entwickeln, aber doch zu einer höheren tierischen Intelligenz gelangen könnten; denn gewisse Experimente zeigen, dass sie keineswegs gänzlich unbegabt zur Weiterentwicklung sind. Diese Abstufungen würden dem Zweck des Übergangs dienen, genauso wie die am wenigsten entwickelten Menschen auf der gegenwärtigen Skala, ohne eine Lücke zu lassen, die so weit wäre, dass sie die Ordnung im Entwicklungsablauf des Weltalls stören würde. Es gibt ja bereits diesen beträchtlichen Abstand zwischen den verschiedenen Schöpfungsstufen, zwischen Materie und Pflanze, zwischen Pflanzen und niederen Tieren, zwischen den verschiedenen Tiergattungen, und schließlich zwischen dem höchsten Tier und dem Menschen, einen Abstand, der immer vorhanden war, und der wahrlich groß genug ist. Es würde also keinen unheilbaren Bruch in der Entwicklungsordnung geben, und der Abstand zwischen menschlichem und tierischem Mentalen, zwischen dem neuen Menschentyp und der alten animalischen Ebene wäre nicht so groß, dass er nicht übersprungen werden könnte, oder einen unüberbrückbaren Abgrund für den Übergang einer höchst entwickelten Tierseele zu dem am wenigsten entwickelten Typ der neuen Menschheit darstellte. Es wäre ein Schritt, ein Sprung, so wie jetzt auch, nicht aber von der Stufe des Tieres zu jener der Gottheit, vom Tiermentalen zum Supramentalen, sondern von einem höchst entwickelten tierhaften Mentalen, das sich menschlichen Möglichkeiten zuwenden würde, – denn ohne das könnte es keinen Entwicklungsübergang vom Tier zum Menschen geben – zu einem menschlichen Mentalen, das zu den Möglichkeiten seiner eigenen höheren noch unerreichten Fähigkeiten erwacht wäre, wenn auch noch nicht zu seiner letzten Vollendung.

Aus dem Eingreifen des Supramentalen, der Herabkunft der höchsten schöpferischen Wahrheits-Macht in die Erdnatur, könnte durchaus eine Wandlung im Evolutionsgesetz, in seinen Methoden und seinem System resultieren: Das Prinzip, Entwicklung durch Wissen voranzutreiben, könnte zu einem viel wichtigeren Element innerhalb der Kräfte des materiellen Weltalls werden. Dies könnte in der neuen Schöpfung von Anbeginn an und in wachsendem Maße auf die Ordnung einwirken, die jetzt gänzlich eine Entwicklung in der Unwissenheit ist, und tatsächlich im völligen Nichtwissen des Unbewussten ihren Anfang nimmt und sich selbst auf den höchsten Gipfeln ihrer Erkenntnis allenfalls einem geringeren Unwissen nähert, da es eher eine Repräsentation von Wissen ist als dessen direkter und vollständiger Besitz. Wenn der Mensch anfangen würde, die Macht und die Mittel eines höheren Wissens in wirklicher Fülle zu entwickeln, wenn das sich entwickelnde Tier das Tor seiner Denkfähigkeit den Anfängen des bewussten Denkens und sogar einer Art rudimentärer Vernunft öffnen würde – auf seinen höchsten Stufen ist es ja schon jetzt gar nicht so weit davon entfernt –, wenn die Pflanze ihre ersten unterbewussten Reaktionen entwickeln und eine Art elementarer Nervenempfindlichkeit erlangen würde; wenn die Materie, diese blinde Form des Geistes, stärker von der verborgenen Macht, die in ihr ist, belebt würde und den geheimen Sinn der Dinge einem subtileren verallgemeinerten Wahrnehmungsvermögen der neuen menschlichen Intelligenz bereitwilliger preisgeben würde, etwa die okkulten Wirklichkeiten, die sie verdeckt, wie zum Beispiel die Erinnerung an die Vergangenheit, die sie immer, sogar in ihrem dumpfen Unbewussten, bewahrt, oder das Wirken ihrer eingeschlossenen Kräfte und der unsichtbaren Regungen, die auf verschleierte Mächte in der materiellen Natur hindeuten, dann wäre dies bereits eine ungeheure Veränderung, die noch größere Veränderungen für die Zukunft versprechen würde; und das würde keine Störung der Weltordnung bedeuten, sondern nur ihre Höherentwicklung. Die Entwicklung würde sich aus sich selbst weiterentfalten und nicht gestört werden oder scheitern. Es ist schwierig für uns, die Transformation der menschlichen Mentalität, auf die ich hingewiesen habe, theoretisch ins Auge zu fassen oder praktisch als etwas zu akzeptieren, was sich unter der Führung des supramentalen Wahrheitsbewusstseins natürlicherweise als Veränderung ergeben würde, weil unsere Vorstellungen vom Mentalen in den Erfahrungen der menschlichen Mentalität verwurzelt sind, in einer Schöpfung, die im Unbewussten ihren Anfang nimmt und von einem – zunächst fast völligen und dann sich langsam vermindernden – Nichtwissen zu dem hohen Grad eines immer noch mangelhaften Wissens kommt, dessen Rahmen und Methoden unzulänglich sind und das keineswegs den Bedürfnissen eines Bewusstseins entspricht, das immer auf sein eigenes, noch unermesslich fernes Absolutes hinzielt. Die offensichtliche Mangelhaftigkeit und Begrenzung des Mentalen im gegenwärtigen Stadium seiner Entwicklung hier halten wir für ein Charakteristikum seiner eigentlichen Natur; in Wirklichkeit aber bedeuten die Schranken, die ihm gesetzt sind, nur zeitweilige Begrenzungen und Maßstäbe seiner noch unbeendeten Aufwärtsentwicklung; die Fehler seiner Methoden und Mittel entstammen seiner Unreife und gehören nicht zu der eigentlichen Natur seines Wesens; obwohl seine Erfolge angesichts der hinderlichen Beschaffenheit des mentalen Wesens, das mit einem irdischen Körper als Instrument belastet ist, erstaunlich sind, liegen sie doch weit unterhalb und nicht etwa jenseits dessen, was ihm einmal in seiner erleuchteteren Zukunft möglich sein wird. Denn das Mentale ist seiner wahren Natur nach kein Ausbrüter von Irrtümern, kein Vater der Lügen, das an die Fähigkeit zur Falschheit gefesselt, mit seinen eigenen Fehlern verheiratet, der Führer eines blinden Vitalen wäre, was es gegenwärtig viel zu sehr ist, unseren menschlichen Schwächen entsprechend: Seinem Ursprung nach ist es ein Prinzip des Lichtes, ein Instrument, das vom Supramentalen hervorgebracht wurde, und obwohl es innerhalb von Grenzen wirkt, ja sein Wirken sogar Grenzen schafft, sind diese Grenzen doch nur leuchtende Signale eines besonderen Verfahrens, freiwillige und gewollte Schranken, ein Dienst des Endlichen, das sich unter dem Auge der Unendlichkeit immerzu ausdehnt. Dieser Charakter des Mentalen wird sich durch die Berührung mit dem Supramentalen selbst enthüllen und die menschliche Mentalität zu einem Helfer, zu einem kleineren Instrument des supramentalen Wissens machen. Es wird dem Mentalen, wenn es nicht mehr länger durch den Intellekt begrenzt ist, sogar möglich sein, einer Art mentaler Gnosis fähig zu werden, einer leuchtenden Reproduktion der Wahrheit in vermindertem Wirken, so dass sich die Macht des Lichtes nicht nur auf seine eigene, sondern auch auf die niedrigeren Ebenen des Bewusstseins ausdehnt, wenn sich diese zu ihrer Selbsttranszendenz erheben. Das Übermentale, die Stufe der Intuition, die des erleuchteten Mentalen und jene, die ich das höhere Mentale genannt habe, diese und andere Ebenen einer spiritualisierten und befreiten Mentalität werden fähig sein, in dem emporgehobenen menschlichen Mentalen und seinem gereinigten und veredelten Empfinden und der Kraft des Lebens und Handelns etwas von ihren eigenen Kräften widerzuspiegeln und den Aufstieg der Seele zu ihren eigenen Hochebenen und Gipfeln eines aufsteigenden Daseins vorzubereiten. Das ist im wesentlichen die Wandlung, die man als ein Ergebnis der neuen Entwicklungsordnung betrachten kann, die den Einflussbereich des Entwicklungsprinzips selbst beträchtlich erweitern würde und auch die Frage beantworten wird, was sich aus der Herabkunft des Supramentalen in die Erdnatur für die Menschheit ergibt.

Wenn das Mentale, da es aus dem Supramentalen stammt, selbst eine Kraft des Supramentalen, ein Prinzip und eine Macht des Lichtes oder eine Kraft der Erkenntnis ist, die sich spezialisiert hat, um sich einer Absicht unterzuordnen, so nimmt es doch einen anderen Aspekt an, wenn es sich, um seine Aufgabe zu lösen, mehr und mehr von dem supramentalen Lichte, von der unmittelbaren Kraft und der helfenden Erleuchtung durch das supramentale Prinzip trennt. In dem Maße, wie es sich von seiner eigenen höchsten Wahrheit entfernt, wird es zum Erzeuger oder Vater der Unwissenheit und ist damit, oder scheint, die höchste Kraft in einer Welt der Unwissenheit zu sein; es wird selbst vom Unwissen beherrscht und scheint nur noch zu einer teilweisen und unvollständigen Erkenntnis gelangen zu können. Die Ursache für dieses Absinken liegt darin, dass es vom Supramentalen hauptsächlich für die Arbeit der Differenzierung benutzt wird, die notwendig ist, wenn es eine Schöpfung und ein Universum geben soll. Diese differenzierende Kraft, diese Offenbarung des Einen in den Vielen und der Vielen in dem Einen, gibt es im Supramentalen selbst, in seiner ganzen Schöpfung; das Eine aber wird niemals in dieser Vielfalt, die sich immer bewusst auf das ewig Eine stützt und ihm auch niemals den Vorrang streitig macht, vergessen oder verloren gehen. Im Mentalen dagegen nimmt die Differenzierung, die Vielfalt, eine Vorrangstellung ein, und das bewusste Gefühl für die All-Einheit ist verlorengegangen, und das getrennte Einzelwesen scheint für sich selbst und durch sich selbst zu existieren, entweder als ein hinreichend selbstbewusstes Ganzes oder in den unbeseelten Dingen als ein unbewusstes Ganzes. Es sollte allerdings festgehalten werden, dass eine Welt oder eine Ebene des Mentalen nicht unbedingt ein Reich des Nichtwissens sein muss, wo Falschheit, Irrtum oder Unwissen einen Platz haben müssen; es kann sich genauso gut um eine freiwillige Selbstbegrenzung der Erkenntnis handeln. Es könnte eine Welt sein, in der sich alle Möglichkeiten, die durch das Mentale bestimmt werden könnten, im Laufe der Zeit offenbaren und eine wahre Form und einen Bereich für ihr Wirken als Ausdruck ihrer selbst und ihrer Fähigkeit der Selbstentwicklung, der Selbstverwirklichung gewissermaßen, und der Selbstentdeckung finden könnten. Dem begegnen wir tatsächlich, wenn wir, im seelischen Erlebnis, dem Vorgang der Herabkunft folgen, der als Involution stattfand und der mit der Materie, mit der Erschaffung des materiellen Weltalls, endet. Was wir hier sehen, sind nicht die Ebenen oder Welten der Herabkunft, wo das Mentale und das Leben etwas von ihrer Wahrheit und etwas vom Licht des Geistes, etwas von ihrem wahren und wirklichen Wesen behalten können; hier sehen wir ein ursprünglich Unbewusstes, und einen Kampf des Vitalen, des Mentalen und des Geistes, um aus der materiellen Unbewusstheit und dem dadurch entstandenen Unwissen aufzutauchen, sich selbst zu finden und zu ihrer ganzen Fülle und zu ihrem höchsten Dasein hin zu entwickeln. Wenn dem Mentalen dieser Versuch gelingt, dann gibt es keinen Grund, warum es nicht seinen wahren Charakter wiederentdecken und wieder ein Prinzip und eine Kraft des Lichtes werden und dann sogar auf seine eigene Weise das Wirken eines wahren und vollkommenen Wissens unterstützen sollte. Auf seinem Gipfel könnte es dann sogar über seine Grenzen hinaus in die supramentale Wahrheit eintreten, zu einem Teil und zu einem Werkzeug des supramentalen Wissens werden oder zumindest, in Übereinstimmung mit diesem Wissen, einer untergeordneten Arbeit der Differenzierung dienen: Auf den niedrigeren Ebenen unterhalb des Supramentalen könnte es sich als eine mentale Gnosis, eine spirituelle oder spiritualisierte Wahrnehmung, als Fühlen, Wirken oder Begreifen offenbaren, das die Werke der Erkenntnis und nicht mehr die der Unwissenheit vollbringen würde. Selbst auf einer noch niedrigeren Ebene wäre es nicht länger ein Labyrinth der Halb-Wahrheit und des Halb-Wissens, sondern ein immer leuchtenderer Weg, der von Licht zu Licht, von Wahrheit zu Wahrheit führte. Dies wäre nicht möglich in einer Welt, in der ein unverwandeltes Mentales oder menschliches Mentales, belastet wie es jetzt ist, mit seinen hinderlichen Unfähigkeiten, noch der Führer oder die Krone der Entwicklung sein will, wohl aber unter der Führung des Wahrheitsbewusstseins als herrschender Macht, und es könnte sogar als Resultat, ja als beinahe unausweichliches Resultat seiner Herabkunft in die menschliche Welt und seiner Berührung mit dem Mentalen der Menschheit verstanden werden.

Wie weit das ginge, ob die ganze Menschheit davon berührt würde oder nur jener Teil, der auf die Wandlung vorbereitet ist, hinge davon ab, was in der bleibenden Ordnung des Weltalls möglich oder beabsichtigt wäre. Wenn das alte Entwicklungsprinzip, die alte Ordnung beibehalten werden muss, dann könnte nur ein Teil der Menschheit vorwärtsmarschieren, der Rest würde die alte Stellung, Stufe und Aufgabe des Menschen in der Hierarchie beibehalten. Doch auch dann muss es einen Übergang oder eine Brücke zwischen diesen beiden Ebenen oder Ordnungen des Seins geben, mit deren Hilfe die Entwicklung den Übergang von der einen zur anderen schaffen kann; das Mentale wäre da, fähig, mit der supramentalen Wahrheit Fühlung aufzunehmen und dadurch umgewandelt zu werden, und das wäre das Mittel der Seele, sich emporzuschwingen: Es muss einen Status des Mentalen geben, in dem es das Licht empfangen und im Licht zum Supramentalen hinwachsen kann, ohne es allerdings zu erreichen; dadurch würde der Glanz einer größeren Wahrheit seine Strahlen für die Befreiung und Emporhebung der Seele aus der Unwissenheit herabsenden, so wie es sogar jetzt schon in geringerem Maße durch ein trüberes Medium geschieht. Das Supramentale ist hier hinter einem Vorhang verborgen und, obwohl für sein eigenes charakteristisches Wirken nicht organisiert, ist es die wahre Ursache aller Schöpfung hier, ist es die Kraft, die die Wahrheit und Erkenntnis wachsen und die Seele zu ihrer verborgenen Wirklichkeit aufsteigen lässt. Wenn aber das Supramentale einmal in der Welt erschienen ist, kann es kaum getrennt und isoliert bleiben und wird unabwendbar nicht nur den Übermenschen erschaffen, sondern auch den Menschen verwandeln und emporheben. Eine totale Wandlung des mentalen Prinzips, wie wir sie aufgezeigt haben, kann nicht als unmöglich abgelehnt werden.

Das Mentale, wie wir es kennen, besitzt eine Bewusstseinskraft, die ganz verschieden ist von der des Supramentalen; es ist keine Kraft mehr, die sich von diesem herleitete, mit ihm verbunden wäre und von ihm abhinge, sondern sie ist praktisch von ihrem leuchtenden Ursprung getrennt und durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet, die wir für die eigentlichen Charakteristika ihrer Natur halten; einige von ihnen gehören aber auch zum Supramentalen, und der Unterschied liegt in der Weise und in der Reichweite ihres Wirkens, nicht in ihrem Stoff oder ihrem Prinzip. Er besteht darin, dass das Mentale keine Kraft zu umfassendem Wissen hat und erst dann, wenn es über sich hinauszugehen beginnt, eine Kraft des direkten Wissens wird: Es empfängt Strahlen der Wahrheit, lebt aber nicht in der Sonne; es sieht wie durch Filter, und seine Erkenntnis ist durch seine Instrumente gefärbt, es kann nicht mit dem nackten Auge sehen oder direkt in die Sonne blicken. Es ist dem Mentalen nicht möglich, sich in die Sonnenmitte zu stellen oder irgendwohin in den leuchtenden Sonnenkörper oder auch nur in den glanzvollen Strahlenkranz des Himmelskörpers der vollkommenen Wahrheit, und damit unfehlbare oder absolute Erkenntnis zu erwerben oder auch nur daran teilzuhaben. Erst wenn es sich dem Lichte des Supramentalen schon sehr genähert hätte, könnte es irgendwo in der Nähe dieser Sonne, in dem vollen Glanze ihrer Strahlen leben, in der Nähe der vollen und direkten Flamme der Wahrheit: Das menschliche Mentale, selbst das höchst entwickelte, ist weit davon entfernt; es kann bestenfalls in einem begrenzten Kreis, in bescheidenen Anfängen reiner Einsicht, direkter Vision leben, und es würde lange brauchen – selbst wenn es über sich hinausginge –, bis es zu imitierenden oder bruchstückhaften Traumspiegelbildern einer begrenzten Allwissenheit und Allmacht gelangen könnte, die das Privileg einer abgeordneten Gottheit, eines Gottes, eines Demiurgen sind. Es ist eine schöpferische Kraft, die jedoch tastend und unsicher und nur zufällig oder durch die Gunst der Umstände erfolgreich ist, oder aber, auch wenn sie durch eine gewisse Stärke oder praktische Fähigkeit oder durch Genialität sicherer geworden ist, doch Fehlern unterworfen oder in unüberwindliche Schranken eingepfercht bleibt. Sein höchstes Wissen ist oft abstrakt und nicht zu fassen; es muss, um das Ziel zu erreichen, Notbehelfe und unsichere Mittel benutzen, sich auf Erörterungen, Überlegungen und Beweisführungen, auf Schlussfolgerungen und Ahnungen einlassen, Methoden induktiver oder deduktiver Logik anwenden, die nur zum Erfolg führen, wenn die Voraussetzungen richtig und vollständig sind, und ist selbst dann noch der Gefahr ausgesetzt, aus denselben Daten unterschiedliche Ergebnisse mit unterschiedlichen Folgen abzuleiten; es muss Mittel und Ergebnisse einer Methode akzeptieren, die gewagt ist, sogar dann, wenn sie Anspruch auf Sicherheit erhebt, und die es nicht notwendig hätte, wenn es über ein direktes oder überintellektuelles Wissen verfügte. Es ist unnötig, in der Beschreibung noch weiterzugehen; all das ist die eigentliche Natur unserer irdischen Unwissenheit, deren Schatten sich sogar an die Gedanken und Visionen der Weisen und der Seher hängen und denen man nur entkommen kann, wenn das Prinzip eines wahrheitsbewussten supramentalen Wissens auf die Erde herabkommt und die Herrschaft über ihre Natur übernimmt.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass es sogar im Innersten dieser Involution des Höchsten, in der blinden Versunkenheit des Bewusstseins in der Materie, in dem eigentlichen Wirkungsbereich des Unbewussten, Hinweise auf das Wirken einer unfehlbaren Kraft, auf das Drängen eines geheimen Bewusstseins und seine Eingebungen gibt, als ob das Unbewusste selbst insgeheim von einer Kraft informiert und angespornt würde, die unmittelbares oder absolutes Wissen besitzt; seine Schöpfungsakte sind unendlich viel sicherer als die besten unseres menschlichen Bewusstseins oder auch als das normale Wirken der Lebenskraft. Die Materie oder vielmehr die Energie in der Materie scheint ein sichereres Wissen zu besitzen, eine unfehlbarere Wirkungsweise zu haben, und man kann sich darauf verlassen, dass ihr Mechanismus, wenn er einmal in Bewegung gesetzt ist, seine Rolle richtig und gut spielen wird. Und so ist der Mensch fähig, sich materieller Energie zu bemächtigen und sie für seine eigenen Zwecke zu verwenden, und unter bestimmten Bedingungen kann er sich darauf verlassen, dass sie für ihn arbeitet. Die selbstschaffende Lebenskraft, so erstaunlich reich in ihrer Erfindungsgabe und Fantasie sie ist, scheint eher zu Fehlern, Irrtümern oder Versagern zu neigen; es sieht so aus, als ob ihr größeres Bewusstsein eine größere Fähigkeit zum Irrtum in sich berge. Und doch ist sie gewöhnlich in ihrem Wirken sicher genug; je bewusster aber die Formen und Operationen des Vitalen werden, und zwar besonders dann, wenn das Mentale hinzukommt, desto mehr nehmen auch die Verwirrungen zu, als ob das Anwachsen des Bewusstseins nicht nur einen größeren Reichtum an Möglichkeiten überhaupt mit sich brächte, sondern eben auch an Möglichkeiten zu Fehltritten, Irrtümern, Fehlern und Versagen. Im Mentalen, im Menschen, scheinen wir den Gipfel dieses Widerspruchs zu erreichen, die größte, höchste und umfassendste Leistung des Bewusstseins, aber auch die größte Unsicherheit, die meisten Fehler, Niederlagen und Irrtümer. Das mag daran liegen, so können wir unterstellen, dass in der unbewussten Natur eine Energie mit ihrer Wahrheit am Werke ist, die unfehlbar ihrem eigenen Gesetze folgt, eine Energie, die blind drauflosmarschieren kann, ohne zu stolpern, weil das automatische Gesetz der Wahrheit in ihr lebt und mit Sicherheit wirkt, ohne Abschweifung oder Fehler, wenn nichts von außen dazwischenkommt oder eingreift. Aber in allen normalerweise automatischen Prozessen des Daseins herrscht dieses Gesetz; selbst der Körper besitzt ein unausgedrücktes Wissen um sich selbst, ein instinktiv richtiges Verhalten innerhalb gewisser Grenzen, und wenn er durch keine vitalen Wünsche und Fehlurteile des Mentalen gestört wird, kann er mit einer gewissen Genauigkeit und Sicherheit arbeiten. Das Supramentale allein aber besitzt das Wahrheitsbewusstsein in seiner ganzen Fülle, und wenn das herabkommt und eingreift, dann könnten auch das Mentale, das Leben und der Körper zur vollen Kraft der Wahrheit gelangen und ihre ganze Möglichkeit zur Vollendung erreichen. Sicherlich würde dies nicht in einem Mal geschehen, aber der Entwicklungsprozess würde in Gang kommen und mit wachsender Geschwindigkeit ablaufen. Nicht alle Menschen mögen sofort zu dieser Fülle kommen, aber das menschliche Mentale könnte sich doch vollkommen im Lichte befinden, und eine neue Menschheit könnte ihren Platz als Teil der neuen Ordnung einnehmen.

Das ist die Möglichkeit, die wir zu prüfen haben. Wenn das Mentale dazu bestimmt ist, in sich selbst Erfüllung zu finden, wenn der Mensch nicht dazu verurteilt ist, auf immer ein Knecht der Unwissenheit zu bleiben, dann sind die Unfähigkeiten des menschlichen Geistes, mit denen wir uns beschäftigt haben, nicht so, dass sie unwiderruflich von ihm Besitz ergriffen hätten und für immer mit ihm verbunden wären. Es könnte höhere Organe und Instrumente entwickeln, die letzten Grenzen der Unwissenheit hinter sich lassen und in ein höheres Wissen eintreten und zu stark werden, um von seiner tierischen Natur zurückgehalten werden zu können. Es würde ein befreites Mentales geben, das aus dem Unwissen in das Licht geflüchtet wäre, das seiner Verschmelzung mit dem Supramentalen gewahr wäre, ein natürlicher Vertreter des Supramentalen und fähig, den supramentalen Einfluss in die niedrigeren Bereiche des Daseins herabzubringen, ein Schöpfer im Licht, ein Entdecker in den Tiefen, ein Lichtbringer in der Dunkelheit, der vielleicht helfen würde, sogar das Unbewusste mit den Strahlen eines geheimen Überbewusstseins zu durchdringen. Es würde ein neues mentales Wesen geben, das nicht nur fähig wäre, erleuchtet im Glanze des Supramentalen zu stehen, sondern auch, bewusst in seine Höhen vorzudringen und in es einzutreten, das Vitale und den Körper zu trainieren, etwas von dem supramentalen Licht, der Macht und der Seligkeit widerzuspiegeln und zu halten, danach zu streben, die verborgene göttliche Natur durch einen Prozess der Selbstfindung, Selbsterfüllung und des Ruhens in sich selbst zu befreien, voller Sehnsucht, in das göttliche Bewusstsein aufzusteigen und fähig, das herabkommende göttliche Licht und die göttliche Kraft zu empfangen und zu ertragen und ein geeignetes Gefäß des göttlichen Lebens zu werden.