Das Mentale
Der Begriff „Verstand“ umfasst im normalen Sprachgebrauch ohne Unterschied das ganze Bewusstsein, denn der Mensch ist ein mental denkendes Wesen und gibt allem einen mentalen Ausdruck. Aber in der sprachlichen Bedeutung des Yoga werden die Worte „Verstand“ und „mental“ gebraucht, um speziell den Teil der Natur zu bezeichnen, der mit Erkenntnis und Intelligenz zu tun hat, mit Ideen, mit mentalen oder gedanklichen Wahrnehmungen, mit der Reaktion der Gedanken auf Dinge, mit den wahrhaft denkenden Motivationen und gedanklichen Gestaltungen, mit mentaler Vision und der Willenskraft der Gedanken, die Teil seiner Intelligenz sind. Das vitale Gefühl muss vom Verstand sorgfältig unterschieden werden, obwohl es von einem Element des Verstandes durchzogen ist.
Das Vitale ist die Natur des Lebens, die aus Wünschen und Empfindungen besteht, aus Gefühlen und Leidenschaften, aus Energien in Aktion und dem Willen, sich sein Verlangen zu erfüllen, aus den Reaktionen der Wunschseele des Menschen und aus dem ganzen Spiel der besitzergreifenden und anderer ähnlicher Instinkte, aus Ärger, Angst, Gier und Lust usw., die zu diesem Bereich der Natur gehören.
Auf der Oberfläche des Bewusstseins sind Verstand und Gefühl miteinander vermischt, aber sie sind an sich zwei ganz eigenständige Kräfte und sobald man hinter das alltägliche Oberflächenbewusstsein gelangt, erkennt man sie als separat, entdeckt ihre Unterschiede und kann mithilfe dieser Einsicht durch eine Analyse ihre Vermischung an der Oberfläche des Bewusstseins erkennen. Es ist sehr gut möglich und sogar üblich, für einen kürzeren oder längeren Zeitraum und manchmal auch für sehr lange Zeit, dass der Verstand das yogische oder göttliche Ideal akzeptiert, während das Gefühl nicht davon überzeugt ist und sich ihm nicht übergibt, sondern hartnäckig auf seinem Weg der Wünsche und Leidenschaften weitermacht und der Anziehungskraft des normalen Lebens folgt. Die Spaltung oder der Konflikt zwischen Verstand und Gefühl ist die Ursache der meisten heftigeren Schwierigkeiten in der Sadhana.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:168

… Die Leute denken, dass der Verstand nur eine Art von Aktivität des Denkens ist, doch es gibt auch eine mentale Substanz, so wie es eine vitale und eine physische Substanz der Stofflichkeit gibt.
Und da diese Substanzen existieren, gibt es zu jeder eine entsprechende, dazugehörige Welt mit einem unabhängigen autonomen Dasein. Das heißt, es kann darin einen geistigen Verstand ohne eine körperliche Unterstützung geben. Der physische Körper kann verschwinden, doch der Verstand kann weiterhin existieren. Hier ist es wichtig zu verstehen, dass es eine mentale Substanz gibt, die sehr viel… (Schweigen) wie soll ich es ausdrücken… immaterieller ist als physische Materie.
Einige Leute benützen dafür das nicht klassische Wort „verfeinerte“ (feinstoffliche) Substanz, aber ich denke nicht, dass es genau diese Bedeutung hat. Gut, seht ihr, wir sagen, dass eine Substanz verschiedene Dichten hat und je materieller sie wird, desto dichter wird sie, je weiter sie sich von der Materie entfernt, desto weniger dicht wird sie. Aber es ist trotzdem eine Substanz. Es gibt sogar eine ätherische Substanz. Ich sage nicht, dass dies mit wissenschaftlichen Theorien übereinstimmt, ich garantiere nicht dafür, dass ich nicht wissenschaftliche Ketzereien ausspreche! Aber dies ist eine kosmische Tatsache. (Mutter lacht). Ich glaube ich habe das erwähnt als ich über Okkultismus sprach – die erste Sache, die man verstehen muss, bevor man fähig ist Okkultismus zu praktizieren, ist die, dass die verschiedenen Zustände des Daseins eine unterschiedliche Dichte haben, und sie haben eine individuelle, unabhängige, eigene Existenz.
Es sind existierende Realitäten, wahrhaft echte Substanzen, das heißt, nicht nur eine Art zu sein. Es gibt ein mentales Wesen und mentale Aktivität und zum Beispiel, einen Gedanken, der völlig unabhängig vom Gehirn existiert, wohingegen die materialistischen Theorien sagen, dass es das Gehirn ist, das die mentale Aktivität erzeugt. Aber das ist nicht richtig. Das Gehirn übernimmt die materielle Übertragung der gedanklichen Aktivität und die mentale Aktivität hat ihre eigene Domäne: diese mentale Domäne hat ihre eigene Wirklichkeit, ihre eigene Substanz. Man kann außerhalb seines Gehirns denken, nachdenken, handeln und auch mentale Gedankengebilde außerhalb seines Gehirns entwerfen. Man kann sogar dort leben, sich dort bewegen und von einem Platz zum anderen gehen und ein direktes Wissen mentaler Angelegenheiten in der mentalen Welt bekommen, in einem Wort, absolut unabhängig vom Körper sein, der sich währenddessen tatsächlich in einem Zustand von vollständiger Untätigkeit befinden kann, nicht nur während des Schlafes, sondern auch während er sich in einem kataleptischen Zustand befindet. Und mehr noch, es ist ganz sicher, solange man nicht verstanden hat, dass man aus verschiedenen Zuständen des Wesens besteht, die ihr eigenes unabhängiges Leben besitzen, kann man keine vollständige Kontrolle über sein Wesen erlangen. Dann wird es in dir immer etwas geben, was du nicht mitbekommst.
DIE MUTTER, CWM 6:307

… Die wahre Aufgabe des Verstandes ist die Gestaltung und die Organisation des Handelns. Der Verstand hat eine bildende und organisierende Kraft und diese verleiht den verschiedenen Elementen der Inspiration den Ordnungssinn, um Inspiration ins Handeln umzusetzen und die Fähigkeit, diese Handlungen zu koordinieren. Und wenn der Verstand sich nur auf diese Rolle beschränken würde, die Inspiration zu empfangen – ob von oben oder vom mystischen Zentrum der Seele – und einfach den Plan für ihre Umsetzung in Handlungen zu gestalten – in großen Zügen für große weltliche Angelegenheiten oder bis ins kleinste Detail für die einfachen Dinge im Leben –, würde er seine Funktion reichlich erfüllen.
Der Verstand ist kein Instrument des Wissens.
Aber er kann das Wissen zur Organisation von Aktion benützen. Er ist ein Werkzeug der Organisation und der Gestaltung, sehr mächtig und sehr fähig, wenn er gut entwickelt ist.
Man kann das sehr deutlich fühlen, wenn man sein Leben organisieren will, – zum Beispiel die verschiedenen Elemente seiner Existenz an ihren Platz rücken will. Es gibt eine gewisse intellektuelle Fähigkeit, die sofort jedes Element an seinen Platz stellt und einen Plan entwirft und alles organisiert. Und das Wissen darüber kommt nicht vom Verstand selbst, wie ich sagte, es kommt aus einer mystischen Tiefe der Seele oder von einem höheren Bewusstsein; und der Verstand konzentriert sich in der materiellen Welt und organisiert es, um dem höheren Bewusstsein eine Basis für seine Aktion zu geben.
Diese Erfahrung macht man sehr deutlich, wenn man sein Leben ordnen will.
Es gibt noch einen anderen Nutzen. Wenn man im Kontakt mit seiner Vernunft ist, dem rationalen Zentrum des Intellekts, mit der reinen Vernunft, übt das eine sehr starke Kontrolle über die vitalen Impulse aus. Alles was aus der vitalen Welt kommt, kann damit sehr entschieden geleitet werden und in einer disziplinierten und geordneten Weise in geordnetes Handeln umgesetzt werden. Aber das Vitale muss bereit sein, sich in den Dienst von etwas anderem zu stellen und nicht für seine eigene Befriedigung zu arbeiten.
Dies sind die zwei Anwendungen des Verstandes: er ist eine kontrollierende Kraft, ein Instrument der Steuerung und er ist eine Kraft der Organisation. Das ist seine wahre Aufgabe.
DIE MUTTER, CWM 8:189

Ist die Vernunft die höchste Funktion des Verstandes?
Wenn wir streng genommen vom eigentlich denkenden Verstand sprechen, dem menschlichen, dann sicherlich. Das heißt, mit der Vernunft riskiert man nicht, Fehler zu machen, solange man sich auf der rein menschlichen, auf der rein mentalen Ebene aufhält.
Wie kann der Verstand ein Hindernis für das spirituelle Leben werden?
Weil er nichts davon versteht. Spirituelles Leben geht über ihn hinaus. Es ist nicht die Domäne des Verstandes und der Vernunft und deshalb verstehen sie nichts davon. Die Vernunft ist ein gutes Werkzeug, um alles Ethische, Moral und Selbstbeherrschung auszuüben, aber spirituelles Leben geht über diese Dinge hinaus und deshalb versteht sie nichts davon.
Aber wenn man wirklich Vernunft besitzt, dann muss sie einsehen, dass spirituelles Leben höher steht?
Ja.
Warum wird sie dann zu einem Hindernis?
Unter der Bedingung, dass sie still bleibt und nicht mehr versucht, sich einzumischen, nicht… erst wenn sie versucht einzugreifen, wird sie zum Hindernis, wenn sie sich in ordentlicher Weise zurückzieht und ruhig bleibt, dann ist das sehr gut.
Sie wird zum Hindernis, wenn du versuchst, die Vernunft als Richter und Meister über spirituelle Dinge einzusetzen. Aber sie ist kein Hemmnis, wenn du sie als Werkzeug benutzt, wie alle anderen Teile des Wesens. Sie ist ein exzellenter Vermittler, unter der Bedingung, dass sie ein Werkzeug bleibt und nicht zum Meister werden will, der alles entscheidet und beurteilt. Sie besitzt eine Kraft der Beurteilung, die in ihrem Bereich absolut richtig ist. Aber sobald sie über ihre Domäne hinausgeht, kann sie nicht mehr verstehen und hat kein Unterscheidungsvermögen mehr.
Wenn der Verstand das versteht und sich ruhig verhält mit der Einstellung, ein Vermittler zu sein, und nicht ein Lehrmeister und Richter spiritueller Erfahrungen, dann ist es perfekt. Aber dafür muss das wachsende Bewusstsein auf einer suprarationalen Ebene schon weit genug entwickelt sein, um fähig zu sein, von oben auf den Verstand einzuwirken, um ihn die Sache verstehen zu lassen, denn diese Domäne liegt über der Rationalität und ist nicht ein Teil des Verstandes. Natürlich lehnt der Verstand sie deshalb ab, außer ein Teil des Bewusstseins ist schon genügend entwickelt, um auf ihn einen Einfluss auszuüben, der ihn verstehen lässt. Alles hängt vom Grad der Entwicklung des Bewusstseins des jeweiligen Individuums ab.
DIE MUTTER, CWM 7:168

Spät lernte ich, dass, als der Verstand starb, Weisheit geboren war, vor dieser Befreiung besaß ich nur Wissen.
SRI AUROBINDO, Gedanken und Aphorismen
Noch einmal muss ich wiederholen, dass die Form dieser Aphorismen absichtlich paradox ist, damit der Verstand einen kleinen Schock erhält, um ihn wach zu rufen, eine Anstrengung zu unternehmen, um das zu verstehen. Man darf diese Aphorismen nicht wörtlich nehmen. Einigen Leuten bereitet es Sorgen, dass der Verstand verschwinden soll, bevor man weise wird. Das bedeutet es nicht, überhaupt nicht.
Der Verstand soll nicht länger der Gipfel und der Meister aller Entwicklung sein.
Für eine lange Zeit im Leben, bevor man etwas besitzt, das einem Wissen ähnelt, ist es unerlässlich, dass der Verstand der Lehrmeister ist, ansonsten ist man ein Spielball seiner Instinkte, seiner Launen, seiner mehr oder weniger ungeordneten emotionalen Vorstellungen und man läuft Gefahr, sich nicht nur sehr weit von der Weisheit zu entfernen, sondern sogar von der Einsicht und dem Wissen, die nötig sind, um sich akzeptabel zu verhalten. Aber wenn es einem gelungen ist, all die niederen Teile seines Wesens mithilfe der Vernunft zu leiten, was den Höhepunkt der normalen menschlichen Intelligenz anzeigt, und wenn man dann diesen Punkt überschreiten möchte, wenn man sich von der normalen Einstellung zum Leben befreien möchte, von gewöhnlichen Gedanken, von der alltäglichen Sicht der Dinge, muss man sich, so könnte man sagen, über den Kopf der Vernunft hinwegsetzen, sie aber nicht herablassend niedertrampeln, sondern sie als ein Sprungbrett für etwas Höheres benutzen, für etwas, das über sie hinaus geht, um etwas zu erreichen, das sich sehr wenig mit den Anordnungen des Verstandes beschäftigt; etwas, das sich erlauben kann, irrational zu sein, weil es eine höhere Irrationalität ist, mit einem höheren Licht, das leitet; etwas, das jenseits des alltäglichen Wissens liegt und seine Inspiration von oberen Bewusstseinsebenen erhält, von hoch oben, von der göttlichen Weisheit.
Das ist es, was es bedeutet.
Das Wissen, von dem Sri Aurobindo hier spricht, ist normales Wissen, es ist nicht das Wissen durch Identität; es ist das Wissen, das durch den Intellekt, durch seine Gedanken, durch normale Mittel erreicht werden kann.
Aber noch einmal – und wir haben in jedem Fall Gelegenheit, noch einmal darauf zurückzukommen, wenn wir den nächsten Aphorismus studieren – habt es nicht zu eilig, die Vernunft aufzugeben, in der Überzeugung, dass ihr dadurch unverzüglich Weisheit erlangen könnt, denn ihr müsst für die Weisheit reif sein, ansonsten, wenn man die Vernunft aufgibt, geht ihr das Risiko ein, in die Unvernunft zu verfallen, was ziemlich gefährlich ist.
Viele Male, besonders in der Synthese des Yoga, warnt uns Sri Aurobindo vor den falschen Vorstellungen derjenigen, die glauben, sie könnten Sadhana ohne strikte Selbstkontrolle ausüben und die auf alle Arten von Eingebungen hören, die sie in ein gefährliches Ungleichgewicht bringen, in dem all ihre unterdrückten, versteckten, heimlichen Wünsche ans Tageslicht kommen, unter dem Vorwand der Befreiung von gewöhnlichen Konventionen und der normalen Vernunft.
Man kann nur frei werden, indem man in die Höhen des Bewusstseins aufsteigt, hoch über die menschlichen Leidenschaften. Nur wenn man eine höhere, selbstlose Freiheit erreicht hat und alle Verlangen und seine Impulse abgeschafft hat, hat man das Recht, frei zu sein.
Aber Menschen, die sehr vernünftig und sehr moralisch sind, entsprechend normaler gesellschaftlicher Regeln, sollten sich nicht für weise halten, denn ihre Weisheit ist eine Illusion und enthält keine Wahrheit.
Jemand, der das Gesetz brechen will, muss über dem Gesetz stehen. Jemand, der die Konventionen ignorieren will, muss über den Konventionen leben. Jemand, der alle Regeln verachten möchte, muss über allen Regeln leben. Und das Motiv für diese Befreiung sollte niemals ein persönliches, egoistisches sein: der Wunsch, seine Ambitionen zu befriedigen, seine Persönlichkeit im Ansehen zu heben, aus einem Gefühl der Überlegenheit über andere und einer Verachtung für sie, um sich selbst über die Herde zu erheben und die anderen mit selbstgefälliger Herablassung zu betrachten. Sei auf der Hut, wenn du dich anderen überlegen fühlst und ironisch auf sie herabschaust, als wenn du sagen wolltest: „Ich bin nicht länger aus solchem Stoff gemacht, mit denen habe ich nichts mehr zu tun.“ Dann befindest du dich auf dem Holzweg und läufst Gefahr, in einen Abgrund zu stürzen.
Wenn man wirklich Weisheit erreicht, die wahre Weisheit, die Weisheit, von der Sri Aurobindo hier spricht, gibt es kein „Höheres“ oder „Niedrigeres“ mehr; es gibt dann nur ein Spiel der Kräfte, in dem jedes Ding seinen Platz und seine Wichtigkeit hat. Und wenn es eine Hierarchie gibt, dann ist es eine Hierarchie der inneren Übergabe seiner selbst an das Höchste Wesen. Es ist keine Hierarchie der Überlegenheit in Bezug zu dem, was sich unter einem befindet.
Mit menschlichem Verstehen, menschlicher Beurteilung, menschlichem Wissen ist man nicht fähig, diese Art der Hierarchie der inneren Übergabe zu begreifen. Nur die erwachte Seele kann eine andere erwachte Seele erkennen und dann verschwindet jedes Überlegenheitsgefühl vollständig.
Wahre Weisheit entsteht nur, wenn das Ego verschwindet, und das Ego verschwindet nur, wenn du bereit bist, dich selbst völlig dem höchsten Herrn zu überlassen, ohne jegliches persönliche Motiv und ohne die Erwartung eines Profits daraus – wenn du es deshalb machst, weil du nicht anders kannst.
DIE MUTTER, CWM 10:14

Es gibt einen Teil der Natur, den ich den vitalen Verstand genannt habe. Die Funktion dieses vitalen Verstandes ist es nicht logisch zu denken und zu begründen und Dinge zu erkennen, herauszufinden oder zu bewerten, denn das ist die Funktion des eigentlichen denkenden Verstandes, buddhi – sondern sich Dinge vorzunehmen, sie zu erträumen oder sich vorzustellen, was getan werden könnte.
Er arbeitet Pläne für die Zukunft aus, die der Wille ausführen kann, wenn die Zeit und die Umstände dafür günstig sind, oder er kann die Umstände sogar so beeinflussen, dass sie vorteilhaft werden. In Menschen der Tat ist diese Fähigkeit hervorstechend und führt ihre Natur; große Führungspersönlichkeiten des Handelns besitzen sie immer in sehr hohem Maß. Aber selbst wenn man kein Mensch der Tat oder der praktischen Verwirklichung ist oder wenn die Umstände nicht günstig dafür sind und man nur gewöhnliche unbedeutende Dinge erledigen kann, ist der vitale Verstand beteiligt. Er ist hier in kleinem Umfang tätig oder, was er sehr oft macht, wenn er ein Gefühl von Größe braucht, plant er ins Leere, wohl wissend, dass er seine Pläne nicht verwirklichen kann. Oder er stellt sich großartige Dinge vor oder denkt Geschichten oder Abenteuer aus, in denen man selbst der Held oder der Verursacher ist. Was du beschreibst, als das, was in dir selbst geschieht, ist ein Ansturm des vitalen Verstandes oder der gefühlsmäßigen Einbildung, die ihre Gestaltungen macht. Diese Wirkungsweise ist nicht nur für dich typisch, sondern arbeitet in den meisten Menschen mehr oder weniger genauso – aber in jedem Einzelnen entsprechend des Ausdrucks seiner individuellen Phantasie, seiner Interessen und seiner bevorzugten Ideen und Wünsche. Du musst Herr über die Aktionen des vitalen Verstandes werden und ihm nicht erlauben, von deinem Denken Besitz zu ergreifen und es mitzureißen, wo und wann immer er will.
In der Sadhana, wenn die Erfahrungen anfangen, ist es überaus wichtig, dieser Kraft des vitalen Verstandes nicht zu erlauben, mit dir zu machen, was sie will; denn dann erschafft sie falsche Erfahrungen nach ihren eigenen Vorstellungen und überzeugt den Sadhak, dass diese Erfahrungen wahr seien, oder sie schafft irreale Ziele und bringt ihn dazu, dass sie erreicht werden müssen.
Einige sind auf diese irreführende Kraft des vitalen Verstandes hereingefallen, die von den Mächten der Falschheit benutzt wird, und hat die Betroffenen davon überzeugt, dass sie eine große spirituelle oder soziale Arbeit in der Welt zu tun hätten, und hat sie dadurch in Enttäuschungen und Fehlschläge geführt.
SRI AUROBINDO, CWSA 28: 179

Der vitale Verstand ist der Teil des vitalen Wesens, der sich die Dinge in Gedanken vorstellt und sie entsprechend seiner Impulse und Wünsche, dem Verlangen nach Macht oder Besitz und aus dem Antrieb zum Handeln, den Gefühlen und den Reaktionen aus dem Ego der Natur heraus plant, gestaltet und arrangiert.
Er muss von der Art von Willen unterschieden werden, der die Dinge begründet und entsprechend der Vorgaben des eigentlichen denkenden Verstandes und der unterscheidenden Vernunft arrangiert und plant oder durch Beurteilung, mentale Intuition oder eine direkte Erkenntnis. Der vitale Verstand benützt das Denken nicht im Dienst der Vernunft, sondern zur Befriedigung der Triebe des Lebens und der Impulse der Lebenskraft und wenn er Argumente anführt, benützt er sie, um deren Diktat zu rechtfertigen, und zwingt sie der Vernunft auf, anstatt die Antriebe der Lebenskräfte durch eine unterscheidende Beurteilung zu leiten.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:190

Der wahre denkende Verstand ist nicht an das körperlich Physische gebunden, er ist eine davon getrennte, unabhängige Kraft. Der physische Verstand ist dagegen der Teil des Denkens, der nur mit körperlichen Dingen beschäftigt ist – er hängt vom Verstand der Sinne ab, er sieht nur die Objekte und äußerlichen Handlungen und empfängt seine Ideen nur aus den Daten, die ihm durch äußere Dinge vermittelt werden, und er folgert ausschließlich aus ihnen und kennt keine andere Wahrheit, bis er von oben erleuchtet wird.
SRI AUROBINDO, CWSA 28: 190

Der physische Verstand ist auf körperliche Objekte und Ereignisse fixiert, er sieht und versteht nur diese und er geht mit ihnen entsprechend ihrer Natur um, aber er kann nur mit Schwierigkeiten auf die höheren Kräfte antworten. Wenn er sich selbst überlassen bleibt, ist er der Existenz supraphysischer Dinge gegenüber skeptisch eingestellt, von denen er keine direkte Erfahrung hat und zu denen er keinen Zugang findet. Selbst wenn er spirituelle Erfahrungen hat, vergisst er sie leicht, er verliert deren Eindrücke und Resultate, und findet es schwierig, an sie zu glauben. Eines der Ziele dieses Yoga ist, den physischen Verstand durch das Bewusstsein der höheren spirituellen und supramentalen Ebenen zu erleuchten. Der Hauptgrund menschlicher Selbstentwicklung sowie der Entfaltung von Zivilisation und Kultur liegt ebenso darin, den physischen Verstand durch die Kraft der höheren Elemente des Gefühls und durch die höheren Eigenschaften des Denkens zu erleuchten.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:202

Eine der hauptsächlichen Tätigkeiten des physischen Verstandes besteht darin zu zweifeln. Wenn du auf ihn hörst, wird er immer tausend Gründe finden, um zu zweifeln.
Aber du musst wissen, dass der physische Verstand in der Ignoranz agiert und voll von Unwahrheiten ist.
DIE MUTTER, CWM 14:343

Süße Mutter, ist der physische Verstand dasselbe wie der mechanische Verstand?
Beinahe. Es gibt nur einen kleinen Unterschied, weißt du, keinen großen. Der mechanische Verstand ist noch dümmer als der physische Verstand. Über den physischen Verstand haben wir neulich gesprochen, er ist sich einer Sache nie sicher.
Ich habe euch die Geschichte mit der geschlossenen Tür erzählt, erinnert ihr euch? Sie beschreibt die Natur des physischen Verstandes. Der mechanische Verstand steht auf einer noch niedrigeren Stufe, denn er hört nicht mal auf die Möglichkeit einer überzeugenden Begründung, und das passiert jedem Menschen. Normalerweise lassen wir es zu, aber er kommt daher und wiederholt immer dasselbe, absolut mechanisch, ohne Sinn und Verstand, einfach so. Wenn ihn irgendein Fimmel ergreift, fängt er an… Zum Beispiel, wenn er meint, zählen zu müssen: „Eins, zwei, drei, vier“, wird er damit weitermachen: „eins, zwei, drei, vier; eins zwei, drei, vier.“ Und dabei denkst du vielleicht an alle anderen möglichen Dinge, aber er macht weiter: „Eins, zwei, drei, vier“, so… (Mutter lacht). Oder er greift sich drei, vier Worte, er wiederholt sie und wiederholt sie immer wieder; und wenn man ihn nicht mit einer bestimmten Gewalt gründlich zurückweist und zurückstößt und ihm sagt: „Sei still!“, macht er auf diese Weise unaufhörlich weiter.
DIE MUTTER, CWM 6:318

Der mechanische Verstand ist eine Art Maschine – was immer ihm auch eingegeben wird, dreht die Maschine immer und immer wieder herum.
Es ist die Natur des Mental-Physischen, jede Regung ohne Nutzen immer zu wiederholen. Das nennen wir den mechanischen Verstand – in der Kindheit ist er stark entwickelt, weil der denkende Verstand noch nicht ausgebildet ist und auch nur über einen sehr begrenzten Interessenbereich verfügt. Später wird er zu einer Unterströmung in den mentalen Aktivitäten.
SRI AUROBINDO, CWSA 28:207
