Kapitel 9
Musik und Schweigen
Ich kannte einen Musiker, der ihm keineswegs gleichkam, der aber ein sehr guter Musiker war und komponierte. Er komponierte Opern, komische Opern, und Musik zu … keine Konzertmusik. … Er hatte ein großes Blatt Papier, und darauf schrieb er die Namen der verschiedenen Instrumente; und vor jedes schrieb er, ganz einfach so, was es spielen sollte. Ich war mit ihm befreundet und habe ihn arbeiten sehen. Es war, als schriebe er Gleichungen. Als es fertig war, brauchte man es nur einem Orchester zu geben; das war eine herrliche Sache. Der andere, ihr habt es bemerkt, spielte auf dem Klavier sein Thema; er spielte einige Noten, es war nichts, es hörte sich so an wie zwei oder drei Noten: das war sein Thema. Und über dieses Thema begann er nun sofort zu schreiben. Er aber spielte manchmal nicht einmal das Thema auf dem Klavier, er schrieb direkt. Das ist eine besondere Gehirnstruktur. Andere komponierten ausschließlich auf dem Klavier und jemand anderes musste für sie schreiben. Ein anderer musste diese Arbeit tun, die verschiedenen Noten zuordnen und wie sie zu organisieren waren, um die geschaffene Harmonie wiederzugeben. Aber dieser Mann, von dem ich spreche – ihm gaben große Musiker, wie zum Beispiel Saint-Saens, Musiker seiner Zeit, ihre Kompositionen zum Orchestrieren. Sie schrieben das, wie man für Klavier schreibt, für zwei Hände, und er übertrug es in Orchestermusik. Er orchestrierte ganz einfach so, wie ich es gesagt habe, indem er die verschiedenen Instrumentengruppen voneinander trennte und vor jede schrieb, welchen Part sie spielen sollte. (Schweigen)
Mutter, wenn man Musik hört, wie muss man sie wahrhaft hören?
Nun, wenn man ganz still sein kann, still und aufmerksam, einfach, als wäre man ein Instrument, das aufnehmen soll – man rührt sich nicht, und man ist nichts anderes als etwas, das zuhört –, wenn man ganz still sein kann, ganz unbewegt und einfach nur so, dann dringt das ein. Und erst später, nach einiger Zeit, kann man die Wirkung wahrnehmen, was sie ausdrücken wollte oder den Eindruck, den sie in einem hervorrief.
Aber die beste Art zuzuhören ist die, wie ein Spiegel zu sein, unbewegt und ganz konzentriert, ganz still. Im übrigen sieht man die Menschen, die Musik wirklich lieben – ich habe Musiker Musik hören sehen, Musiker, Komponisten oder Spieler, die die Musik wirklich liebten, ich habe gesehen, wie sie Musik hörten –, sie bewegen sich überhaupt nicht mehr, sie sind einfach nur so, sie rühren sich nicht mehr von der Stelle. Alles, alles ist so. Und wenn man es fertigbringt, nicht zu denken, dann ist es sehr gut, dann hat man den vollen Nutzen … Das ist eines der stärksten Mittel für eine innere Öffnung.
