Kapitel 8
Yoga und Angst
Worte Sri Aurobindos
Wenn du den Yoga ausüben willst, hast du dich von der Angst zu befreien. Yoga und Angst können nicht nebeneinander bestehen.

Worte Sri Aurobindos
Es ist ein Fehler zu glauben, dass du durch Angst oder Unglücklichsein vorwärtskommen kannst. Angst ist immer ein Gefühl, das zurückzuweisen ist, denn genau das, wovor du dich fürchtest, wird aller Wahrscheinlichkeit nach eintreten: Angst übt eine Anziehungskraft auf den Gegenstand der Angst aus. Unglücklichsein schwächt die Stärke und öffnet dich noch mehr den Ursachen des Unglücklichseins.
Man kann ruhig, glücklich und fröhlich sein, ohne es in einer leichten oder seichten Weise zu sein – und das Glücksgefühl bringt nicht notwendigerweise eine vitale Reaktion mit sich. Alles, was du zu tun hast, ist zu beobachten und wachsam zu sein – wachsam deshalb, damit du falschen Regungen oder der Rückkehr der alten Gefühle, der Dunkelheit und Verworrenheit usw. nicht zustimmst. Wenn du wachsam bleibst, wird mit dem Anwachsen der Kraft, die dich trägt, eine Fähigkeit der Selbstkontrolle kommen, eine Fähigkeit, die eintretende falsche Wende oder falsche Reaktion zu erkennen und zurückzuweisen. Angst und Unglücklichsein werden dir das nicht geben. Sie kommt allein durch die Wachsamkeit, begleitet von einem Sich-Öffnen gegenüber der stützenden und führenden Kraft.

Worte der Mutter
Es gibt physische Vorgänge, die vom Druck des Yoga herrühren, und die manchmal unbegründete Ängste hervorrufen. Diese können aber Schmerz verursachen, wenn sie nicht zurückgewiesen werden. Es gibt zum Beispiel einen gewissen Druck auf den Kopf, von dem wir schon gesprochen haben und den viele fühlen, vor allem am Anfang, wenn etwas in ihnen noch verschlossen ist und sich öffnen soll. Es ist ein Unbehagen ohne Bedeutung und leicht loszuwerden, wenn man es als Auswirkung eines Drucks von Kräften erkennt, die im Körper mit aller Macht ein schnelles Ergebnis bewirken und die Umwandlung beschleunigen wollen. Indem man dem ruhig begegnet, kann sich diese Auswirkung in eine gar nicht unangenehme Empfindung wandeln. Beunruhigt man sich aber, so bekommt man gewiss heftige Kopfschmerzen, wenn nicht sogar Fieber. Das Unbehagen stammt von einem Widerstand in der Natur. Kannst du ihn aufgeben, so bist du das Unbehagen im Nu los. Wenn du dich aber fürchtest, kann es zu etwas viel Schlimmerem werden. Welcher Art deine Erfahrung auch sei, lass der Angst niemals Raum. Du musst ein unerschütterliches Vertrauen bewahren und das Gefühl haben, dass das, was geschieht, zu geschehen hatte. Hast du einmal den Weg eingeschlagen, musst du tapfer alle Folgen deiner Entscheidung auf dich nehmen. Triffst du aber deine Wahl und weichst dann zurück, wählst dann von neuem und weichst wieder zurück, immer unentschlossen, immer zweifelnd, immer ängstlich, so schaffst du eine Disharmonie in deinem Wesen, die nicht nur deinen Fortschritt hemmt, sondern alle möglichen Störungen im mentalen und vitalen Wesen sowie Unbehagen und Verstimmungen im Körper verursachen kann.

Worte der Mutter
Du bist verängstigt, weil deine Atmung aufzuhören scheint, sobald du dich zu konzentrieren versuchst. Gehe nicht diesen Weg, wenn du voller Ängste bist. Nehmen wir an, es kommt zum Schlimmsten. Was wird dann geschehen? Mag sein, dass du stirbst – und dann? Welchen großen Schaden wirst du davontragen, wenn du tot bist? Unser Yoga ist nichts für Feiglinge. Besitzt du keinen Mut, dann lass es lieber – deine Ängste führen zu einem Desaster.

Worte der Mutter
Im gewöhnlichen Leben ist die Tätigkeit des Unterbewussten vorherrschend. Es wirkt hundertmal mächtiger als die bewusstesten Teile des Wesens. Die Menschen sind normalerweise voll Besorgnis und Furcht. Beobachtest du zehn Minuten lang aufmerksam dein Mental, so stellst du fest, dass es während neun Minuten voller Ängste war. Es trägt eine Furcht vor vielen Dingen in sich, großen und kleinen, nahen und fernen, sichtbaren und unsichtbaren, und obgleich dir das im Allgemeinen nicht bewusst wird, ist es dennoch da. Ständige Anstrengung und Disziplin sind nötig, um sich von aller Furcht zu befreien.
Und hast du in dieser Weise das Mental und das Vital von aller Besorgnis und Furcht befreit, so ist es noch schwerer, den Körper zu überzeugen. Doch auch das muss getan werden. Betrittst du den Weg des Yoga, so musst du dich aller Ängste entledigen, derer des Mentals, des Vitals und des Körpers, wo sie in den Zellen sitzen. Der Nutzen all der Stöße und Schläge auf dem Weg des Yoga liegt unter anderem darin, dich von aller Furcht zu befreien. Die Ursachen deiner Ängste begegnen dir immer wieder, bis du frei und gleichmütig, unberührt und rein vor ihnen bestehen kannst. Einer fürchtet zum Beispiel das Meer, ein anderer das Feuer. Dieser wird wohl so lange Feuersbrünsten begegnen, bis er sich so weit in der Gewalt hat, dass keine Zelle seines Körpers mehr zittert. Denn das, was dir Schrecken einjagt, sucht dich hartnäckig so lange auf, bis du davon geheilt bist. Wer die Umwandlung will und den Weg beschreitet, muss völlig unerschrocken sein. Er darf sich von nichts stören oder erschüttern lassen, auch nicht im geringsten Teil seines Wesens.

Worte der Mutter
Seine Angst überwinden bedeutet, dass ein Wesensteil stärker ist als der andere und keine Angst hat und seine Unerschrockenheit bei dem Wesensteil durchsetzt, der sich fürchtet.

Worte der Mutter
…die Angst ist eine Unreinheit, eine der größten Unreinheiten, eine von denen, die am direktesten aus den antigöttlichen Kräften hervorgehen, die das göttliche Wirken auf der Erde zerstören wollen. Die erste Pflicht derer, die wirklich Yoga praktizieren wollen, besteht darin, auch nur den Schatten einer Angst aus ihrem Bewusstsein zu entfernen, mit aller Kraft, aller Aufrichtigkeit, aller Ausdauer, deren sie fähig sind. Um den Weg zu gehen, muss man unerschrocken sein und niemals in die engherzige, kleine, schwache, hässliche Ichbezogenheit zurückfallen, die die Angst ist.
Ein unbezähmbarer Mut, eine vollkommene Aufrichtigkeit und ein so aufrichtiges Sich-selbst-geben, dass man nichts berechnet und um nichts feilscht, sich nicht mit dem Gedanken abgibt, etwas zu erhalten, sich nicht mit dem Gedanken an Schutz anvertraut, nicht einen Glauben hat, der Beweise verlangt – das ist unerlässlich, damit man den Weg gehen kann. Das allein kann dich wirklich bei jeder Gefahr in Sicherheit bringen.

Worte der Mutter
Echter Mut, im tiefsten Sinn, heißt, allem, wirklich allem im Leben, von den kleinsten bis zu den größten Dingen, von den materiellen bis zu den spirituellen Dingen die Stirn bieten zu können, ohne zu zittern, ohne physisch … ohne dass das Herz schneller schlägt, ohne dass die Nerven beben und ohne die geringste Gemütsbewegung in irgendeinem Teil seines Wesens. Die Lage zu meistern mit dem ständigen Bewusstsein der göttlichen Gegenwart, mit einer restlosen Selbsthingabe an das Göttliche, und das ganze Wesen in diesem Willen geeint – damit kann man im Leben vorangehen und alles Erdenkliche meistern. Ich sage: ohne ein Zittern, ohne ein Erbeben – das ist die Folge einer langen Bemühung, es sei denn, man ist mit einer besonderen Gnade geboren, man ist schon so geboren.
