Kapitel 8

Yoga im alltäglichen Leben

Worte Sri Aurobindos

Es ist nicht absolut notwendig, sich vom gewöhnlichen Leben abzuwenden, um nach dem Licht zu suchen oder um Yoga zu praktizieren. Dies wird gewöhnlich von jenen getan, die eine klare Trennung vollziehen wollen, um ein rein religiöses oder ausschließlich inneres und spirituelles Leben zu leben – also jene, die der Welt gänzlich entsagen und durch das Beenden der menschlichen Geburt aus dem kosmischen Dasein heraustreten, um in einen höheren Zustand des Bewusstseins oder in die transzendentale Wirklichkeit einzutreten. Andernfalls ist es nur dann notwendig, wenn der Druck des inneren Verlangens so groß wird, dass die Ausführung des gewöhnlichen Lebens nicht länger mit dem Verfolgen des bestehenden spirituellen Zieles vereinbar ist. Bis dahin ist es wichtig, eine Kraft innerer Isolation zu bewahren, fähig zu sein, sich in sich selbst zurückzuziehen und in jedem Augenblick auf die notwendige spirituelle Absicht konzentriert zu sein. Es muss ebenso eine Kraft entwickelt werden, das gewöhnliche äußere Leben aus einer neuen inneren Haltung heraus zu meistern. Damit kann man die Ereignisse jenes Lebens selbst als ein Mittel für den inneren Wandel der menschlichen Natur und für das Wachsen der spirituellen Erfahrung gebrauchen.

Worte Sri Aurobindos

Alle Dinge der Lila, des Göttlichen Spiels, können zu Fenstern werden, die sich der verborgenen Wirklichkeit öffnen. Doch solange man sich damit zufrieden gibt, durch Fenster zu schauen, ist nur ein erster Erfolg zu verzeichnen. Eines Tages wird man den Pilgerstab nehmen müssen und dorthin reisen, wo die Wirklichkeit für immer manifestiert und gegenwärtig ist. Noch weniger aber kann es spirituell befriedigen, bei jenen verschwommenen Spiegelungen zu verweilen, und es drängt sich eine Suche nach jenem Licht auf, das die verschwommenen Spiegelungen darzustellen versuchen. Doch da diese Wirklichkeit und dieses Licht sowohl in uns selbst als auch in einer hohen Region über der sterblichen Ebene sind, können wir bei unserer Suche danach viele der Erscheinungen und Aktivitäten des Lebens verwenden. So wie man eine Blume, ein Gebet, eine Tat dem Göttlichen darbringen kann, kann man ebenfalls eine erschaffene Form, die Schönheit ausdrückt, ein Lied, ein Gedicht, ein Bild und eine Melodie darbringen und hierdurch zu einer Berührung, einer Erwiderung oder einer Erfahrung gelangen. Und wenn man in dieses göttliche Bewusstsein eingetreten ist oder wenn es innerlich wächst, ist sein Ausdruck im Leben durch diese Dinge ebenfalls nicht vom Yoga ausgeschlossen. Diese schöpferischen Tätigkeiten können weiterhin ihren Platz behalten, doch nicht einen wichtigeren Platz als irgendwelche anderen, die man zu göttlichem Gebrauch und Dienst ausübt. Kunst, Dichtung und Musik in ihrer gewöhnlichen Funktion schaffen mentale und vitale, keine spirituellen Werte. Sie können aber einem höheren Ziel zugewandt werden, und dann – wie alle Dinge, die imstande sind, unser Bewusstsein mit dem Göttlichen zu verbinden – sind sie gewandelt und werden spirituell und können als Teil des Yogalebens zugelassen werden. Alles erhält neue Werte, nicht durch sich selbst, sondern durch das Bewusstsein, das es benutzt, denn es gibt nur eine wesentliche, notwendige und unerlässliche Sache, und das ist sich der Göttlichen Wirklichkeit bewusst zu werden, darin zu leben und sie immer zu leben.

Worte der Mutter

Im Integralen Yoga muss das gesamte Leben bis in das kleinste Detail umgewandelt und vergöttlicht werden. Hier gibt es nichts, was unbedeutend und gleichgültig ist. Du kannst nicht sagen: „Wenn ich meditiere, Philosophie lese oder diesen Gesprächen zuhöre, bin ich in diesem Zustand des Geöffnetseins für das Licht und den Ruf danach, doch wenn ich spazieren gehe und Freunde treffe, kann ich mir erlauben, all das zu vergessen.“ Wenn du diese Einstellung beibehältst, bedeutet das, dass du ungewandelt bleiben und niemals die wahre Einung haben wirst. Du wirst immer geteilt bleiben, bestenfalls nur einen Abglanz dieses größeren Lebens erhalten. Denn obwohl gewisse Erfahrungen und Verwirklichungen in der Meditation oder in deinem inneren Bewusstsein kommen können, bleiben doch dein Körper und dein äußeres Leben unverändert. Eine innere Erleuchtung, die den Körper und das äußere Leben nicht berücksichtigt, ist von keinem großen Nutzen, denn sie lässt die Welt so wie sie ist. Das ist bisher immer wieder geschehen. Sogar jene, die eine sehr große und machtvolle Verwirklichung hatten, zogen sich aus der Welt zurück, um ungestört in innerer Ruhe und innerem Frieden zu leben. Die Welt blieb sich selbst überlassen, und unangefochten behielten Elend und Dummheit, Tod und Unwissenheit ihre Herrschaft auf der materiellen Ebene des Daseins. Für jene, die sich derart zurückziehen, mag es angenehm sein, diesem Durcheinander zu entrinnen, vor den Schwierigkeiten wegzurennen und für sich selbst irgendwo einen glücklichen Zustand zu finden, doch die Welt und das Leben lassen sie unverbessert und ungewandelt, und ihr eigenes äußeres Bewusstsein lassen sie ebenso unverändert, und ihr Körper ist unverbesserlicher denn je. Wenn sie in die physische Welt zurückkommen, sind sie im Allgemeinen schlimmer dran als gewöhnliche Menschen, denn sie haben die Beherrschung der materiellen Dinge verloren, und ihre Handlungsweise im physischen Leben wird wahrscheinlich schludrig und hilflos in seinen Bewegungen und der Willkür jeder beliebigen Kraft ausgesetzt sein.

Ein solches Ideal mag für diejenigen gut sein, die es wollen, aber unser Yoga ist das nicht. Denn wir wollen die göttliche Eroberung dieser Welt, die Eroberung all ihrer Bewegungen und die Verwirklichung des Göttlichen hier auf Erden. Aber wenn wir wollen, dass das Göttliche hier herrscht, müssen wir dem Göttlichen alles geben, was wir besitzen, alles, was wir sind, und alles, was wir tun. Es ist nicht damit getan, irgendetwas für unbedeutend zu halten oder zu meinen, das äußere Leben und seine Notwendigkeiten hätten nicht teil am Göttlichen Leben. Wenn wir so denken würden, bliebe alles beim Alten, und es gäbe keine Eroberung der äußeren Welt, nichts Dauerhaftes könnte getan werden.

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