Kapitel 7
Schweigen, Denken und Wirken
Als ich oben auf der Treppe stand, nachdem ich meinen Brief für Euch hinterlassen hatte, fühlte ich eine intensive Gedankenkraft in mir aufsteigen. Ich fühlte sie in meinem Kopf, aber als wäre es ein offener Raum.
Es ist eine Befreiung, wenn es vollendet ist. Seit 1908, als ich die Erfahrung des Schweigens machte, denke ich nie mit dem Kopf oder dem Gehirn – es ist immer der Weite, die sich gewöhnlich über dem Kopf befindet, in der die Gedanken auftauchen.

Ist das, was ich fühle, wirklich yogische Leere oder hat mein Mental das falsch verstanden? Es dauert schon lange an. Bei anderen Menschen dauert sie, glaube ich, nur ein oder zwei Tage.
Als ich die Leere bekam, dauerte sie Jahre. Was auch immer kam, kam in die Leere, und ich konnte mich jederzeit aus der Aktivität in den reinen stillen Frieden zurückziehen.

Du schreibst: „Als ich die Leere bekam, dauerte sie Jahre. Alles, was sonst noch kam, kam in die Leere…“. In meinem Fall sehe ich nicht, dass etwas kommt. Es bleibt immer gleich oder es wächst. Aber es kann natürlich sein, dass es die Natur auf eine höhere Herabkunft vorbereitet.
Ich hatte viele Monate lang die reine Leere, in der nichts war. Es ist nicht wirklich Leere – denn es gibt so etwas wie Leere nicht – sondern es ist die reine Erfahrung des Selbstes. Dein mentaler Geist, der an alle möglichen Regungen gewöhnt ist, sieht es auf negative Weise. Das ist alles.

Lesen war für mich schwierig, weil das höhere Bewusstsein versuchte herabzukommen. Ich spürte einen starken Druck auf meinem Kopf.
Es müsste doch möglich sein, zu lesen, während das innere Bewusstsein zuschaut und sozusagen den Akt des Lesens sieht. In einem Zustand absoluter inneren Schweigens hielt ich Reden und gab eine Zeitung heraus, aber all das geschah, ohne dass ein Gedanke in mein Mental eindrang oder das Schweigen auch nur im Geringsten gestört oder beeinträchtigt wurde.

Manchmal fühle ich eine Art Leere, als wäre ich nur eine starre Statue. Mein Mental, mein Leben und mein Körper sind ohne Energie. Das macht es mir fast unmöglich zu arbeiten.
Was du beschreibst, ist keineswegs ein Entzug von Lebensenergie; es ist einfach die Auswirkung der Leere und Stille, die in den unteren Teilen dadurch entsteht, dass sich das Bewusstsein oben befindet. Man muss sich nur an den Gedanken gewöhnen, dass man unter diesen Bedingungen handeln kann. In einem Zustand größerer Leere habe ich eine Tageszeitung herausgegeben und in drei oder vier Tagen ein Dutzend Reden gehalten – aber ich habe das nicht irgendwie geschafft, es ist einfach passiert. Die Kraft ließ den Körper die Arbeit tun, ohne dass eine innere Aktivität stattfand.
Ich bin nicht in der Lage, diese Leere, die durch den Entzug der Lebensenergie verursacht wird, von der Leere zu unterscheiden, die durch eine spirituelle Leere verursacht wird.
Der Entzug der Lebensenergie lässt den Körper leblos, hilflos, leer und ohnmächtig zurück, ist aber mit keinerlei Erfahrung verbunden, außer manchmal mit großem Leid und Unbehagen.

Du hattest die Leere jahrelang erlebt. Aber deine schien anders zu sein als meine. Denn du konntest sie als Mauer gegen alles Unerwünschte nutzen.
Ich habe sie nie als Mauer gegen etwas benutzt. Du scheinst mehr über mein Sadhana zu wissen als ich selbst.

Ich glaube, ich habe so viele Stunden harter äußerer Arbeit zu leisten wie fast jeder im Ashram, und ich bin mir nicht bewusst, dass ich irgendeine Muße habe oder dass ich auch nur die kurze Zeit, die ich zur Konzentration habe, in seliger Ruhe verbringe und mit dem schweigenden Brahman kommuniziere. Sogar meine Konzentration ist von der Natur des Handelns, und sie ist keine luftige, stillschweigende Kontemplation, wie deine Informanten sich das vorzustellen scheinen.
Ich möchte hinzufügen, dass ich mein Leben nicht damit verbracht habe, das quietistische Ideal und die quietistische Sadhana zu verteufeln, ohne zu wissen, warum sie diesem Ideal gefolgt sind. Ich habe alle Erfahrungen gemacht, die die quietistische Sadhana geben kann, die Verwirklichung des eigenschaftslosen Parabrahman, der Maya, des Sunya, der Unwirklichkeit der Welt, des Akshara Purusha. Ich weiß auch ganz genau, warum sie sich von der Welt abgewandt haben und durch all die Millionen Schwierigkeiten gegangen sind, denen sie sich nicht stellen wollten. Keine der Schwierigkeiten, von denen du eine oder zwei aufzählst, ist mir fremd – nur habe ich niemandem oder dem Yoga die Schuld dafür gegeben und sie überwunden.
Jeder, der will, kann den quietistischen Yoga praktizieren. Aber wer sich einbildet, sie [die quietistischen Yogas] seien leicht und es gäbe dort diese Schwierigkeiten nicht, oder dass die Sadhakas dieser Pfade alle vollendete Heilige seien, frei von den menschlichen Leidenschaften und Fehlern, die man hier unter den Sadhakas sieht, der unterliegt einer großen Täuschung. Kein Yogapfad ist einfach, und die Vorstellung, dass man durch das Verlassen der Welt und das Eintauchen in sich selbst automatisch die vitale und äußere Natur ablegt, ist eine Illusion. Wenn ich dich auffordere, Gleichmut und Egolosigkeit zu entwickeln, indem du dich dem Göttlichen öffnest, dann tue ich das, weil ich es so getan habe und weil es der beste Weg ist, dies zu tun, und nicht, indem du dich in dich selbst zurückziehst und dich von allem abschottest, was den Gleichmut stören und das Ego erregen könnte. Was die Konzentration und die Vervollkommnung des Wesens und die Suche nach dem inneren Selbst betrifft, so habe ich auf dem Weg zur Arbeit in den Straßen von Kalkutta oder im Umgang mit Menschen während meiner Arbeit ebenso viel getan wie allein und in der Einsamkeit.
