Kapitel 6

Hingabe an die Mutter

Alles, was er getan hatte, war Vorbereitung eines Feldes;

Seine kleinen Anfänge verlangten nach einem mächtigen Ziel:

Denn alles, was er war, musste jetzt neu gestaltet werden,

Um in ihm ihre Freude zu verkörpern, festzuhalten

In seinem Hause des Lebens ihre Schönheit und Größe.

Doch viel zu weit war nun sein Wesen für sich selbst;

Das Verlangen seines Herzens war ins Unermessliche gewachsen:

Seine eigene Freiheit genügte nicht mehr,

Ihr Licht, ihre Seligkeit erbat er für Mensch und Erde.

Doch erfolglos sind menschliche Macht und menschliche Liebe,

Der Erde Siegel von Unwissenheit und Tod zu brechen;

Die Macht seiner Natur schien eben das Greifen eines Kindes zu sein;

Der Himmel ist ausgestreckten Händen zu hoch.

Dies Licht kommt nicht durch Kampf oder durch Denken;

Im Schweigen des Mentals wirkt das Transzendente

Und das verstummte Herz hört das ungeäußerte Wort.

Eine weite Überantwortung war seine einzige Stärke.

Eine Macht, die auf den Höhen wohnt, muss handeln,

Des Unsterblichen Luft in des Lebens geschlossenen Raum bringen

Und das Endliche mit dem Unendlichen füllen.

Was bedeutet Hingabe?

Hingabe bedeutet, gänzlich in den Händen der Mutter zu sein und in keiner Weise ihrem Licht und Wissen, ihrem Willen und dem Wirken ihrer Kraft durch Egoismus oder sonstwie Widerstand zu leisten.

Hingabe kommt von innen her, sie öffnet und übergibt das Mental, Vital, Physische – alles – der Mutter, damit diese sie als ihr Eigen annimmt und in ihrem wahren Wesen, das ein Teil des Göttlichen ist, neu erschafft; alles Übrige ergibt sich als eine Konsequenz.

Es macht spirituell wenig Sinn, der Mutter gegenüber offen zu bleiben, wenn du gleichzeitig deine Hingabe zurückhältst. Selbstaufgabe oder Überantwortung wird verlangt von denen, die diesen Yoga praktizieren, weil es ohne eine solche progressive Hingabe des Wesens ganz unmöglich ist, dem Ziel irgendwie näherzukommen. Offen zu bleiben, bedeutet, ihre Kraft zum Wirken in dir herbeizurufen, und wenn du dich ihr dann nicht hingibst, läuft es darauf hinaus, dass du die Kraft gar nicht in dir arbeiten lässt – oder dann nur unter der Bedingung, dass sie so wirkt, wie du es willst, und nicht auf die ihr eigene Art und Weise, die jene der Göttlichen Wahrheit ist. Eine Suggestion dieser Art stammt gewöhnlich von einer feindlichen Macht, oder von einem egoistischen Element im Mental oder Vital, das zwar die Gnade oder Kraft möchte, jedoch nur, um sie für seine eigenen Zwecke zu nutzen, und das nicht willens ist, für die Göttliche Absicht zu leben, – es ist bereit, vom Göttlichen alles zu nehmen, was es bekommen kann, ist aber nicht gewillt, sich selbst dem Göttlichen hinzugeben. Die Seele – das wahre Wesen, wendet sich im Gegenteil hin zum Göttlichen und ist nicht nur willens, sondern eifrig darauf bedacht und glücklich, sich hinzugeben.

In diesem Yoga muss man jegliche idealistische Kultur des Verstandes hinter sich lassen. Ideen und Ideale gehören dem Mental an und sind nur Halbwahrheiten; der Verstand begnügt sich auch allzu oft nur mit einem Ideal und im Gefallen zu idealisieren, wobei das Leben immer gleich, untransformiert zurückbleibt, oder nur wenig verändert wird und meist nur dem Anschein nach. Der spirituelle Sucher wendet sich nicht ab vom Streben nach Verwirklichung, hin zu reinem Idealisieren; nicht das Idealisieren, sondern das Realisieren der Göttlichen Wahrheit ist sein beständiges Ziel, entweder im Jenseits oder bereits im Leben – und in letzterem Fall ist es notwendig, das Mental und das Leben zu transformieren, was nicht möglich ist, ohne sich dem Wirken der Göttlichen Kraft, der Mutter, zu überlassen.

Die Suche nach dem Unpersönlichen ist der Weg derer, die sich vom Leben abwenden wollen, und die es für gewöhnlich durch eigene Anstrengung versuchen, nicht durch Öffnung zu einer höheren Macht, oder durch Hingabe; denn das Unpersönliche ist nicht etwas, das führt oder hilft, sondern etwas zu Erreichendes, und es überlässt es jedem Einzelnen, es gemäß seiner natürlichen Veranlagung und Befähigung zu erreichen. Durch eine Öffnung und Überantwortung zur Mutter, andererseits, kann man das Unpersönliche, wie auch alle anderen Aspekte der Wahrheit verwirklichen.

Die Überantwortung ist notwendigerweise fortschreitend. Niemand kann von Anfang an die vollständige Hingabe haben; so ist es ganz natürlich, dass man, wenn man in sich hineinblickt, zunächst nur ihre Abwesenheit wahrnimmt. Das ist kein Grund, warum das Prinzip der Hingabe nicht angenommen und beständig weiterverfolgt werden sollte, – von Stufe zu Stufe, von Bereich zu Bereich – und nacheinander auf alle Teile der eigenen Natur angewendet werden sollte.

Hingabe und Ego

Es gibt da in einem sehr fundamentalen Teil deiner Natur eine starke Formation von Ego-Individualität, die deinem spirituellen Streben ein haftendes Element von Stolz und spirituellem Ehrgeiz beigemischt hat. Diese Formation hat sich nie bereit erklärt, aufgebrochen zu werden, um etwas Wahrerem und Göttlicherem Platz zu machen. Daher wurde, wann immer die Mutter ihre Kraft auf dich übertragen hat, oder wenn du die Kraft selbst zu dir gezogen hast, ihr eigenes Wirken immer durch diese Formation verhindert. Sie begann sich nach den Vorstellungen des Mentals, oder aufgrund eines Verlangens des Egos aufzubauen, bestrebt, auf ‚eigene Art‘, aus eigener Kraft, ihr eigenes Werk zu schaffen, ihre eigene Sadhana, ihr eigenes Tapasya. Es hat hier nie eine richtige Hingabe gegeben, ein freiwilliges und einfaches Sich-geben in die Hände der Göttlichen Mutter. Und doch ist genau das der einzige Weg, um im supramentalen Yoga erfolgreich zu sein. Hier geht es nicht darum, ein Yogi, ein Sannyasi oder ein Tapaswi zu sein. Hier geht es um Transformation, und die Transformation kann nur durch eine Kraft getan werden, die unendlich viel größer als deine eigene ist; sie kann nur getan werden, indem man wahrlich zu einem Kind in den Händen der Göttlichen Mutter wird.

Ich weiß nicht, ob ich Yoga praktiziere. Kann man sagen, dass ich dein Purna Yoga ausübe?

Jeder, der auf die Mutter ausgerichtet ist, übt meinen Yoga aus. Es ist ein großer Fehler, anzunehmen, dass man den Purna Yoga ‚tun‘ – das heißt, alle Seiten des Yoga durch seine eigene Bemühung ausführen und erfüllen kann. Kein menschliches Wesen ist dazu fähig. Was man vielmehr tun muss, ist, sich in die Hände der Mutter geben, und sich ihr im Dienste, in Liebe [Bhakti] und Aspiration öffnen; dann wirkt die Mutter durch ihr Licht und ihre Kraft in dir, so dass die Sadhana vollbracht wird. Es ist auch falsch, den Ehrgeiz zu haben, ein großer Purna Yogi sein zu wollen, oder gar ein supramentales Wesen, und sich zu fragen, wie weit bin ich dabei gekommen? Die richtige Haltung ist, der Mutter hingegeben zu sein, sich ihr zu überlassen und sich zu wünschen, so zu sein, wie sie es möchte. Das Übrige wird durch die Mutter entschieden und in dir vollbracht.

In welcher Haltung oder Einstellung sollen wir uns für die supramentale Herabkunft bereithalten?

Was Haltung oder Einstellung betrifft, darüber brauchst du dich nicht zu sorgen. Die einzige, durchwegs benötigte Voraussetzung ist ein allumfassender Glaube, sowie die Öffnung und Selbsthingabe zur Mutter.

Ein Übermensch sein zu wollen, ist falsch; es führt nur zum Anschwellen des Egos. Man kann danach streben, das Göttliche möge die supramentale Transformation herbeiführen, aber auch damit sollte man warten, bis das Wesen durch die Herabkunft von Mutters Frieden, Kraft, Licht und Reinheit seelisch geworden und spiritualisiert ist.

Wenn man sich weigert, seelisch neugeboren zu werden, sich weigert, das aus der Mutter neugeborene Kind zu werden, infolge Anhaftens und Festhaltens an intellektuellem Wissen, oder an mentalen Vorstellungen, oder aufgrund vitalen Begehrens, dann wird es ein Scheitern der Sadhana geben.

Ich weiß nicht, ob eine direkte seelische Öffnung in meinem Fall problemlos möglich gewesen wäre.

Die direkte Öffnung des seelischen Zentrums ist nur dann leicht, wenn die Egozentrik des Wesens stark vermindert ist, aber auch, wenn eine starke Liebe für die Mutter, bhakti, da ist. Spirituelle Demut und ein Gefühl der Ergebung und Abhängigkeit sind notwendig.

Es ist also ein willentlicher Entschluss sankalpa der Hingabe. Aber die Hingabe muss an die Mutter erfolgen – nicht an die Kraft, sondern an die Mutter selbst.

Wenn das Seelische sich manifestiert, wird es dich nicht um Hingabe an die Seele, sondern zur Mutter bitten.

Hingabe und persönliche Anstrengung

Natürlich, es ist die Mutter, die in jedem Sadhak die Sadhana vollbringt – nur hängt das alles von seinem Eifer und seiner Empfänglichkeit ab.

Was du über Sadhana sagst, ist wahr; Sadhana ist notwendig, und die Göttliche Kraft kann nicht im Leeren operieren, sondern muss jeden gemäß seiner eigenen Natur zu dem Punkt führen, an dem er fühlen kann, wie die Mutter in ihm arbeitet und alles für ihn tut. Bis dahin bleiben die Aspiration, die Selbst-Weihung, Zustimmung und Unterstützung des Sadhaks für das Wirken der Mutter und seine Zurückweisung von allem, was im Weg steht, sehr notwendig – ja unerlässlich.

Die Bemühung, die vom Sadhak verlangt wird, ist jene der Aspiration, des Zurückweisens und der Hingabe. Wenn diese drei etabliert sind, kommt der Rest von selbst, durch die Gnade der Mutter und das Wirken ihrer Kraft in dir. Doch die Wichtigste von allen dreien ist die Hingabe, und deren erste notwendige Form ist Vertrauen, Zuversicht und Geduld in Schwierigkeiten. Es gibt keine Regel, die besagt, dass Vertrauen und Zuversicht sich nur halten können, wenn die Aspiration auch da ist. Im Gegenteil, sogar wenn es aufgrund von zu viel Druck der Trägheit an Aspiration fehlt, können Vertrauen, Zuversicht und Geduld weiter bestehen. Wenn Vertrauen und Geduld fehlschlagen, weil die Aspiration ruht, würde das bedeuten, dass sich der Sadhak allein auf sein eigenes Bemühen verlässt; es hieße, „Oh, mein Streben hat versagt, daher gibt es keine Hoffnung für mich – meine Aspiration ist ungenügend, was kann da die Mutter noch für mich tun?“ Ganz im Gegenteil sollte der Sadhak so fühlen: „Macht nichts, meine Aspiration wird zurückkehren. In der Zwischenzeit weiß ich, dass die Mutter mit mir ist, selbst wenn ich sie nicht spüren kann; sie wird mich auch durch die dunkelste Phase tragen.“ Das ist die vollkommen richtige Haltung, die du einnehmen musst. Wer diese Haltung einnehmen kann, dem vermag Depression nichts anzuhaben; selbst wenn sie kommt, bleibt ihr nur übrig, sich verblüfft abzuwenden. Es handelt sich hier nicht um tamasische Hingabe; tamasische Hingabe wäre es, wenn man sagen würde: „Ich werde nichts tun, soll die Mutter alles tun, Aspiration, Zurückweisen, sich Überantworten sind gar nicht nötig; lass die Mutter all das in mir vollbringen.“ Da ist ein großer Unterschied zwischen den beiden Einstellungen. Die eine ist die Haltung des Drückebergers, der nichts machen will, die andere ist diejenige des Sadhaks, der sein Bestes gibt, und der, obwohl er sich für gewisse Zeit in einem Stillstand befindet, und die Dinge nicht nach Wunsch laufen, immer sein Vertrauen in die Kraft und Gegenwart der Mutter hinter allem bewahrt, durch dieses Vertrauen die gegnerische Kraft verwirrt und die Sadhana wieder aktiv in Gang bringt.

Es ist nicht möglich, sich von dem Nachdruck auf persönliche Bemühung zu befreien – und nicht immer wünschenswert, denn persönliche Bemühung ist besser als tamasische Trägheit.

Die persönliche Bemühung muss fortschreitend in eine Bewegung der Göttlichen Kraft umgewandelt werden. Wenn du dir der Göttlichen Kraft bewusst bist, dann rufe sie immer mehr, damit sie deine Bemühung lenkt, sie aufnimmt und in etwas verwandelt, das nicht dir, sondern der Mutter angehört. Es wird eine Art Übertragung stattfinden, ein Aufnehmen der im persönlichen adhara wirkenden Kräfte – keine einmalige, sondern eine progressive Übertragung.

Doch das seelische Gleichgewicht ist notwendig. Eine [Fähigkeit zur] Unterscheidung muss sich entwickeln, die genau erkennt, was die Göttliche Kraft ist, was das Element der persönlichen Bemühung ist und was als Gemisch aus den niederen kosmischen Kräften einfließt. Und bis die Übertragung vollendet ist, was immer Zeit in Anspruch nimmt, muss man als persönlichen Beitrag fortwährend der wahren Kraft zustimmen und fortwährend das ganze niedere Gemisch zurückweisen – das ist sehr wichtig.

Was gegenwärtig gefordert wird ist nicht, die persönliche Bemühung aufzugeben, sondern mehr und mehr die Göttliche Macht zu rufen, damit sie die persönliche Bemühung lenken und führen möge.