Kapitel 6

Ein kleines Heilmittel

Worte der Mutter

Nun gibt es ein kleines Heilmittel, das sehr sehr leicht ist. Denn es beruht auf einer einfachen Frage des persönlichen gesunden Menschenverstandes… Du musst dich ein wenig selbst beobachten und dir sagen, sobald du Angst hast: „Es ist die Angst, die die Sache anzieht, vor der ich mich fürchte.“ Wenn du Angst vor der Krankheit hast, ist es, als würde die Krankheit angezogen. Wenn du vor einem Unfall Angst hast, ist es, als würdest du den Unfall anziehen. Nun, wenn du dich ein wenig selbst beobachtest oder dich in deiner Umgebung umschaust, wirst du merken, dass es eine ständige Tatsache ist. Wenn du also auch nur ein wenig vom gesunden Menschenverstand hast, sagst du: „Es ist eine Dummheit, vor etwas Angst zu haben, denn das ist genauso, als würde ich jener Sache einen Wink geben, zu mir zu kommen. Wenn ich einen Feind hätte, der mich töten wollte, würde ich nicht zu ihm gehen und sagen: Du weißt, ich bin es, den du töten willst!“ So etwa ist das. Da also die Angst schlecht ist, wollen wir sie nicht haben. Und wenn du sagst, du kannst sie mit deiner Vernunft nicht unterbinden, so beweist das, dass du keine Kontrolle über dich hast und ein wenig an deiner Selbstbeherrschung arbeiten musst. Weiter nichts.

Oh, es gibt viele Möglichkeiten, sich von der Angst zu befreien. Aber im Grunde findet jeder seine eigene Methode, die für ihn gut ist. Manchen Leuten würde es genügen, wenn man zu ihnen sagte: „Deine Angst ist Schwäche“, und sofort würden sie auf die Möglichkeit kommen, die Angst zu verachten, weil sie Schwäche verabscheuen. Zu anderen sagt man: „Die Angst ist eine Suggestion der feindlichen Kräfte, man muss sie abwehren, wie man die feindlichen Kräfte abwehrt.“ Das gelingt sehr gut. Bei jedem ist es anders. Aber zuerst muss man wissen, dass die Angst sehr schlecht ist. Sie ist etwas sehr Schlechtes, sie wirkt zersetzend. Sie ist wie eine Säure. Wenn man einen Tropfen davon auf etwas gibt, wird die Substanz angegriffen. Der erste Schritt besteht darin, nicht zuzulassen, dass man Angst haben kann. Das ist der erste Schritt. Ich habe Leute gekannt, die sich mit ihrer Angst brüsteten. Jene sind unheilbar. Sie sagten nämlich ganz selbstverständlich: „Ach, stellen Sie sich vor, ich hatte solche Angst!“ – Was ist denn da weiter dabei! Es ist kein Grund, sich zu brüsten. Bei denen kann man nichts machen.

Wenn man also erkennt, dass die Angst weder gut noch vorteilhaft ist, weder edel noch lobenswert ist für ein einigermaßen aufgeklärtes Bewusstsein, dann beginnt man zu kämpfen. Und ich sage, die Vorgehensweise, die für den einen gut ist, muss für den anderen nicht gut sein. Man muss seine eigene Vorgehensweise finden. Das hängt vom Einzelnen ab. Angst ist ebenso eine furchtbare kollektive Sache. Sie ist so ansteckend, dass sie noch stärker übertragen wird als die hochansteckendste Krankheit. Du atmest eine Atmosphäre der Angst ein, und sofort hast du Angst, ohne auch nur zu wissen, wie oder warum oder sonst etwas, nur weil da eine angsterfüllte Atmosphäre herrschte. Panik bei Unfällen ist nichts anderes als eine Atmosphäre der Angst, die sich bei allen verbreitet. Und sie ist durchaus heilbar. Es gibt zahlreiche Fälle, bei denen Menschen einer Panik plötzlich Einhalt geboten, einfach weil sie die Suggestion zurückwiesen und sie mit einer entgegengesetzten Suggestion neutralisieren konnten. Für Mystiker liegt die beste Heilmethode darin, sobald Angst aufsteigt, an Gott zu denken und sich dann in seine Arme zu schmiegen oder an seine Füße zu legen und ihm die ganze Verantwortung für alles zu überlassen, was auch immer einem geschehen mag, innen, außen, überall – und sofort hört die Angst auf. Das ist das Heilmittel für die Mystiker. Es ist das leichteste von allen. Aber nicht jedem wird die Gnade zuteil, ein Mystiker zu sein.