Kapitel 5

Die Disziplin des Körpers

Worte der Mutter

Es kann keine Körpererziehung ohne Disziplin geben. Der Körper selbst könnte ohne eine strikte Disziplin nicht funktionieren. Und eigentlich ist das Nichterkennen dieser Tatsache die Hauptursache von Krankheit.

Verdauung, Wachstum, Blutkreislauf, alles, alles ist eine Disziplin. Denken, Bewegung, Gesten, alles ist eine Disziplin, und wenn es keine Disziplin gibt, werden die Menschen sofort krank.

Worte der Mutter

Durch eine vernünftige und einsichtige Körpererziehung müssen wir unseren Körper ausreichend stark und geschmeidig machen, damit er in der materiellen Welt zu einem geeigneten Instrument der Wahrheitskraft wird, die sich durch uns manifestieren will.

In der Tat darf der Körper nicht regieren, er muss gehorchen. Denn seiner wahren Natur nach ist er ein gehorsamer und treuer Diener. Unglücklicherweise hat er selten die Fähigkeit zur Unterscheidung, die er im Hinblick auf seine Meister, dem Mental und dem Vital, haben sollte. Er gehorcht ihnen blindlings, zum Schaden seines eigenen Wohlergehens. Das Mental mit seinen Dogmen und seinen starren und willkürlichen Prinzipien, das Vital mit seinen Leidenschaften, seinen Exzessen und Ausschweifungen können das natürliche Gleichgewicht des Körpers im Nu zerstören und in ihm Ermüdung, Erschöpfung und Krankheit hervorrufen. Er muss von dieser Tyrannei befreit werden, und das kann nur durch ein beständiges Einssein mit dem seelischen Zentrum des Wesens geschehen. Der Körper hat eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit und Ausdauer. Er ist zu viel mehr fähig, als man gewöhnlich glaubt, wenn er – statt von den ihn jetzt regierenden unwissenden und despotischen Herrn –, von der zentralen Wahrheit des Wesens gelenkt wird, so wird man mit großer Verwunderung feststellen, was er alles zu leisten vermag. Ruhig und still, stark und ausgeglichen, wird er in jeder Minute die geforderte Leistung vollbringen können, denn er wird gelernt haben, in der Tätigkeit Entspannung zu finden und durch den Kontakt mit den universalen Kräften seine sinnvoll und bewusst ausgegebenen Energien zu erneuern. In diesem gesunden und ausgeglichenen Leben wird sich eine neue Harmonie im Körper offenbaren, die Harmonie einer höheren Ebene widerspiegelnd, die ihm ein vollkommenes Ebenmaß und eine ideale Schönheit der Form geben wird. Und diese Harmonie wird fortschreitend sein, denn die Wahrheit des Wesens ist niemals statisch; sie ist die unaufhörliche Entfaltung einer wachsenden Vollkommenheit, die immer vollständiger und umfassender wird. Sobald der Körper gelernt hat, dieser Bewegung fortschreitender Harmonie zu folgen, wird es ihm möglich sein, durch einen kontinuierlichen Prozess der Transformation der Notwendigkeit von Zersetzung und Zerstörung zu entgehen. Das unwiderrufliche Gesetz des Todes wird dann keinen Grund mehr haben zu existieren.

Wenn wir den Grad der Vollkommenheit erreicht haben, der unser Ziel ist, werden wir erkennen, dass die Wahrheit, die wir suchen, vier Hauptaspekte hat: Liebe, Wissen, Macht und Schönheit. Diese vier Eigenschaften der Wahrheit werden sich spontan in unserem Wesen ausdrücken. Das Seelische wird der Träger der wahren und reinen Liebe sein, das Mental der Träger des unfehlbaren Wissens, das Vital wird die unbesiegbare Macht und Kraft offenbaren und der Körper wird der Ausdruck einer vollendeten Schönheit und Harmonie sein.

Worte der Mutter

In diesem Auszug von „The Four Austerities and the Four Liberations“, spricht die Mutter über die Entbehrungen im physischen Leben – eine der vier Entbehrungen, die die vierfache Disziplin der Liebe, des Wissens, der Macht und der Schönheit begründen.

Die Tapasya oder Disziplin der Schönheit wird uns durch Entbehrungen im physischen Leben zur Freiheit im Handeln führen. Sein grundlegendes Programm wird sein, einen Körper zu formen, der schön an Gestalt ist, harmonisch in seiner Haltung, geschmeidig und gewandt in seinen Bewegungen, kraftvoll in seinen Aktivitäten und robust in seiner Gesundheit und seinen organischen Funktionen.

Um diese Ergebnisse zu erzielen, wird es – als allgemeine Regel – gut sein, die Gewohnheit zur Hilfe zu nehmen, um sein materielles Leben zu organisieren, denn der Körper funktioniert im Rahmen einer geregelten Routine leichter. Aber man muss wissen, wie man es vermeidet, ein Sklave seiner Gewohnheiten zu werden, wie gut sie auch immer sein mögen; die größtmöglichste Flexibilität muss bewahrt werden, so dass man sie zu jeder Zeit verändern kann, wenn es erforderlich wird.

Man muss Nerven aus Stahl in starken und elastischen Muskeln aufbauen, um alles ertragen zu können, wann immer es unabdingbar ist. Aber zur selben Zeit muss große Sorgfalt darauf verwendet werden, vom Körper nicht mehr zu fordern, als die unbedingt erforderliche Anstrengung, die Verausgabung an Energie, die das Wachstum und den Fortschritt fördert, und zugleich alles kategorisch ausschließen, das Erschöpfung verursacht und letzten Endes zur Verschlechterung und zum Zerfall des Körpers führt.

Eine Körpererziehung, die zum Ziel hat, einen Körper zu formen, der einem höheren Bewusstsein als geeignetes Instrument dienen kann, erfordert sehr strenge Gewohnheiten: eine große Regelmäßigkeit an Schlaf, in der Nahrungsaufnahme, in den Übungen und in jeder Aktivität. Durch ein gewissenhaftes Studieren der eigenen körperlichen Bedürfnisse – denn sie sind bei jedem einzeln unterschiedlich – wird ein allgemeines Programm aufgestellt; und sobald das geschehen ist, muss man es rigoros befolgen, ohne irgendwelche Gaukelei oder Nachlässigkeit. Es darf nicht die kleinste Ausnahme von der Regel geben, der man sich „nur für das eine Mal“ hingibt, die aber oft wiederholt wird – denn sobald man der Versuchung erliegt, sogar „nur das eine Mal“, verringert man die Widerstandsfähigkeit seiner Willenskraft und öffnet die Tür für jeden Fehlschlag. Deshalb darf man keine Schwachheit zulassen: keine nächtlichen Eskapaden mehr, von denen man erschöpft wiederkehrt, keine Schlemmereien und Gelage mehr, welche die normalen Funktionen des Magens durcheinanderbringen, keine Zerstreuungen, Belustigungen und Vergnügungen mehr, die nur Energie vergeuden und einem die Kraft für die tägliche Übung rauben. Man muss sich der Strenge eines vernünftigen und geregelten Lebens unterwerfen und all seine physische Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, einen Körper aufzubauen, der so nah wie möglich an die Vollkommenheit herankommt. Um dieses ideale Ziel zu erreichen, muss man strikt alle Exzesse und jedes Laster, ob klein oder groß, vermeiden; man muss sich den Gebrauch jener langsamen Gifte wie Tabak, Alkohol, usw. verweigern, die sich für die Menschen zu unentbehrlichen Bedürfnissen entwickeln und allmählich den Willen und das Gedächtnis zerstören. Das alles absorbierende Interesse, das beinahe alle Menschen, sogar die intellektuellsten, an der Nahrung, ihrer Zubereitung und ihren Verzehr haben, sollte ersetzt werden durch ein Wissen über die chemischen Substanzen, die der Körper benötigt und einer äußerst wissenschaftlichen Disziplin in deren Aufnahme. Eine andere Disziplin muss derjenigen der Ernährung hinzugefügt werden, nämlich die des Schlafens. Diese besteht nicht darin, ohne Schlaf auszukommen, sondern zu wissen, wie man schläft. Der Schlaf darf kein Fall in die Unbewusstheit sein, die den Körper schwerfällig macht, anstatt ihn zu erfrischen. Wenn man mit Mäßigung isst und Übertreibungen meidet, verringert sich erheblich das Bedürfnis, viele Stunden im Schlaf zu verbringen; die Qualität des Schlafes ist jedoch weitaus wichtiger als die Länge. Um eine wirklich effektive Ruhe und Erholung während des Schlafens zu haben, ist es in der Regel gut, etwas vor dem Schlafengehen zu trinken, zum Beispiel eine Tasse Milch oder Suppe oder ein Fruchtgetränk. Leichte Nahrung gibt einen ruhigen Schlaf. Man sollte reichhaltige Mahlzeiten vermeiden, denn durch sie wird der Schlaf unruhig und durch Alpträume gestört, oder er wird dumpf, schwer und trübe. Aber das Allerwichtigste ist es, das Denken klar zu machen, die Emotionen zu beruhigen und das Überschäumen der Wünsche und der Sorgen, die mit ihnen einhergehen, zu besänftigen. Wenn man vor dem Zubettgehen viel geredet oder eine angeregte Diskussion geführt hat, wenn man ein aufregendes oder sehr interessantes Buch gelesen hat, dann sollte man ohne zu schlafen etwas ruhen, um die mentale Aktivität zu beruhigen, so dass das Gehirn nicht mit störenden Regungen beschäftigt ist, während nur die anderen Teile des Körpers schlafen. Diejenigen, die Meditation praktizieren, werden gut daran tun, sich für einigen Minuten auf einen hohen und beruhigenden Gedanken zu konzentrieren, im Streben nach einem höheren und weiteren Bewusstsein. Das wird für ihren Schlaf eine große Hilfe sein, und sie werden im großen Maß vor der Gefahr bewahrt, in die Unbewusstheit zu sinken, während sie schlafen.

Nach der Disziplin einer Nacht, die man völlig in einem ruhigen und friedvollen Schlaf verbracht hat, kommt die Disziplin für den Tag, der vernünftig organisiert ist; seine Aktivitäten werden zum einen in progressive und fachgerecht angewandte Übungen unterteilt, wie sie für die Entwicklung des Körpers erforderlich sind, und zum anderen in die eine oder andere Art von Arbeit. Denn beides kann und sollte ein Teil der physischen Tapasya sein. Im Hinblick auf die Übungen wird jeder die auswählen, die für seinen Körper am geeignetsten sind, und, wenn es möglich ist, sollte man sich der Führung eines Fachmannes anvertrauen, der weiß, wie man die Übungen zusammenstellt und abstuft, um ein Maximum an Wirkung zu erzielen. Weder die Wahl noch die Ausführung dieser Übungen sollte durch die Laune bestimmt werden. Man darf nicht diese oder jene Übung tun, weil sie leichter oder unterhaltender erscheint; es sollte kein Wechsel des Trainings geben, bis der Lehrer es für nötig hält. Die Selbstvervollkommnung oder auch nur die Selbstverbesserung jeden individuellen Körpers ist ein Problem, das es zu lösen gilt, und seine Lösung erfordert viel Geduld, Ausdauer und Regelmäßigkeit. Das Leben eines Sportlers ist, entgegen dem Denken vieler Menschen, kein Leben der Vergnügung oder Zerstreuung; im Gegenteil, es ist ein Leben voller methodischer Bemühungen und strenger Gewohnheiten, die keinen Raum für nutzlose Launen lassen, welche dem erstrebten Resultat entgegenstehen.

Ebenso gibt es in der Arbeit eine Disziplin. Sie besteht darin, keine Vorlieben zu haben und alles, was man tut, mit Interesse zu tun. Für jemanden, der in der Selbstvollendung wachsen will, gibt es keine großen oder kleinen Aufgaben, keine wichtigen und unwichtigen; alle sind gleich nutzbringend für denjenigen, der nach Fortschritt und Selbstbemeisterung strebt. Es wird gesagt, man tut eine Sache nur dann gut, wenn man sie mit Interesse tut. Das ist wahr, aber es ist ebenso wahr, dass man lernen kann, an allem Interesse zu finden, selbst an den scheinbar unbedeutendsten Hausarbeiten. Das Geheimnis zu dieser Fähigkeit liegt in dem Drang nach Selbstvollendung. Welcher Beruf oder welche Aufgabe dir auch immer bestimmt ist, du musst sie mit einem Willen zum Fortschritt ausführen; was immer man tut, man muss dabei nicht nur sein Bestes geben, sondern gleichsam immer in einer beharrlichen Anstrengung darum bemüht sein, es immer besser und vollkommener zu machen. Auf diese Weise wird alles ohne Ausnahme interessant, von der materiellsten Routinearbeit bis hin zur künstlerischsten und intellektuellsten Arbeit. Das Betätigungsfeld für die Weiterentwicklung ist unendlich und kann auf die kleinste Sache angewendet werden.

Das führt uns ganz natürlich zur Befreiung im Handeln. Denn man muss in seinem Handeln frei von allen sozialen Konventionen und moralischen Vorurteilen sein. Das bedeutet aber nicht, dass man ein zügelloses und ausschweifendes Leben führen sollte. Im Gegenteil, man legt sich selbst ein Gesetz auf, das weitaus strenger ist als alle sozialen Regeln, denn es toleriert keine Heuchelei und fordert eine vollkommene Aufrichtigkeit. Die gesamte körperliche Aktivität sollte so organisiert sein, dass sie dem Körper hilft, an Gleichgewicht, Kraft und Schönheit zu wachsen. Zu diesem Zweck muss man sich allem Suchen nach Vergnügungen enthalten, sexuelle Vergnügungen eingeschlossen. Denn jeder sexuelle Akt ist ein Schritt in Richtung Tod. Das ist der Grund, warum seit uralten Zeiten in den heiligen und geheimen Schulen dieser Akt für alle Aspiranten nach Unsterblichkeit verboten war. Auf den sexuellen Akt folgt immer eine längere oder kürzere Periode der Unbewusstheit, die die Tür für alle Arten von Einflüssen öffnet und einen Fall im Bewusstsein verursacht. Wenn man sich aber für das supramentale Leben vorbereiten will, darf man niemals dem Bewusstsein erlauben, unter dem Vorwand des Vergnügens oder auch des Ausruhens oder Entspannens in die Schlaffheit und Nichtbewusstheit abzugleiten. Man sollte Entspannung in Kraft und Licht finden, nicht in Dunkelheit und Schwäche. Mäßigung ist deshalb das Gesetz für alle, die nach Fortschritt streben. Diese Mäßigung muss insbesondere bei jenen, die sich für die supramentale Manifestation vorbereiten, durch eine völlige Enthaltsamkeit ersetzt werden, die nicht durch Zwang und Unterdrückung erreicht wird, sondern durch eine Art innere Alchemie, als ein Ergebnis der Umwandlung jener Energien, die normalerweise für den Akt der Zeugung benutzt werden, in Energien für den Fortschritt und die ganzheitliche Transformation. Es ist offensichtlich, dass alle sexuellen Impulse und Begehren aus dem mentalen und vitalen Bewusstsein sowie aus dem physischen Willen eliminiert werden müssen, wenn das Ergebnis umfassend und wirklich nutzbringend sein soll. Jede grundlegende und dauerhafte Umwandlung vollzieht sich von innen nach außen, so dass die äußere Umwandlung das normale, meist zwangsläufige Ergebnis von diesem Vorgang ist.

Eine entscheidende Wahl muss getroffen werden, ob man den Körper entweder den Zielen der Natur zur Verfügung stellt, gehorsam gegenüber ihrer Forderung, die Art, so wie sie ist, aufrechtzuerhalten, oder denselben Körper so vorbereitet, dass er zu einer Stufe für die Schöpfung einer neuen Menschenart wird. Denn es ist nicht möglich, beides zur gleichen Zeit zu tun; in jedem Augenblick hat man zu entscheiden, ob man ein Teil der Menschheit von gestern bleiben will, oder ob man zur Übermenschheit von morgen gehören will.

Man muss aufhören, sich an das jetzige Leben anzupassen und in ihm erfolgreich zu sein, wenn man sich für das zukünftige Leben vorbereiten und zu einem aktiven und leistungsfähigen Teil von ihm werden will.

Man muss sich den Vergnügungen verweigern, wenn man sich für die Freude des Daseins, in einer völligen Schönheit und Harmonie, öffnen will.

Worte der Mutter

Wir sind nicht auf Erden, um das zu tun, was uns gefällt, sondern um Fortschritte zu machen.

Körperübungen werden nicht aus Spaß oder zur Befriedigung der eigenen Launen getan, sondern als eine methodische Disziplin, um den Körper zu entwickeln und zu stärken.

Wahre Weisheit liegt darin, in allem, was man tut, Freude zu finden, und das ist möglich, wenn man alles, was man tut, als einen Weg zum Fortschritt nutzt. Die Vollkommenheit zu erlangen ist schwierig und es muss immer ein großer Fortschritt gemacht werden, um sie zu erreichen.

Vergnügen zu suchen ist mit Bestimmtheit der beste Weg, um dich unglücklich zu machen.

Wenn du wahrhaft Frieden und Glücklichsein willst, dann solltest du dich ständig darum kümmern:

„Welchen Fortschritt muss ich machen, um fähig zu sein, das Göttliche zu erkennen und dem Göttlichen zu dienen?“

Worte der Mutter

Vergiss nicht, um in unserem Yoga erfolgreich zu sein, muss man einen starken und gesunden Körper haben.

Dafür muss der Körper Übungen tun, ein aktives und geregeltes Leben führen, körperlich arbeiten, gut essen und ausreichend schlafen.

Der Weg zur Transformation basiert auf einer guten Gesundheit.