Kapitel 4

Wie wurden Götter und Göttinnen geboren?

Liebe Mutter, wie wurden die Götter und die Göttinnen geboren?

Ich will dir das in ganz kindlicher Form erzählen:

Sie, Aditi, das Schöpferische Bewusstsein, hat zunächst vier Wesen gebildet. Als sie die Aufgabe bekam zu erschaffen, hat sie vier Emanationen, Aussendungen, ihres Wesens geschaffen; und diese vier Emanationen waren erschaffen worden mit der Auflage, das Universum zu entwickeln. Und dann nahm es eine schlechte Wendung, sagen wir‘s mal so; und als die Dinge dann schlecht liefen, machte sie eine Neuschöpfung all der Wesen, die Götter geworden sind; und parallel zu der Unordnung, die durch die vier ersten Emanationen entstanden war, lief die geordnete Entwicklung, das heißt, unter der Leitung des Höchsten die geordnete Schöpfung aller Welten in absteigender Reihenfolge bis zur Materie. Und aus dieser Reihe stammen die Götter, die später erschienen sind: eine Formation, eine immer größer werdende Materialisierung im Bereich des Obermentals, wie Sri Aurobindo es nennt. Und von da an haben die Götter die Schöpfung des materiellen Universums und der Erde geleitet. Und eine der Verfahrensweisen war die Bildung der Erde als symbolische Schöpfung, die für das ganze Universum steht, um das Problem zu verdichten und zu konzentrieren, damit es leichter gelöst werden kann. Und diese Erde, obwohl sie astronomisch unendlich klein ist und so unbedeutend wie nur möglich, ist vom okkulten Standpunkt der Weltschöpfung aus gesehen ein Symbol, das das Universum so vollkommen darstellt, dass durch die Umwandlung der Erde das Universum durch Ansteckung oder Analogie umgewandelt werden kann, weil die Erde das Symbol des Universums ist. Das war das Verfahren, das die Götter angenommen hatten. Und der Sitz dieser Götter ist das Obermental, wie Sri Aurobindo es genannt hat.

Natürlich sind die Dinge nicht so. Glaube nicht, dass ich dir eben die Geschichte so erzählt habe, wie sie sich zugetragen hat. Die Dinge sind nicht so, sondern das ist eine Art und Weise, sie dem Kopf verständlich zu machen. Es sieht so aus, als wäre es so geschehen.

Doch diese vier Wesen, von denen ich zuerst gesprochen habe, sind geschlechtslos, sie waren weder Mann noch Frau; und in der vitalen Welt ist ein ganzer Teil der vitalen Schöpfung aus diesen Wesen hervorgegangen, ein ganzer Teil hat kein Geschlecht. Im Übrigen haben auch die Götter eine Welt geschaffen, die geschlechtslos ist. Das ist die Welt der Engel, was man Engel nennt, was man im Okkultismus Bildner, Gestalter nannte. Das sind geschlechtslose Geister. Sie wurden mit Flügeln dargestellt und sind geschlechtslos.

Es gibt im Universum Wesen, die kein Geschlecht haben, die weder Männer noch Frauen sind, und es gibt viele davon in der vitalen Welt. Es gibt geschlechtliche Wesenheiten in der vitalen Welt, aber in ihrem materiellsten Teil, der der Erde am nächsten ist, und nicht in ihrem wichtigsten. Der wichtigste Teil ist geschlechtslos. Das macht sie übrigens nicht besser, da es dem göttlichen Willen und der göttlichen Verwirklichung feindlich gesinnte Wesen sind, aber es verleiht ihnen eine gewaltige Kraft. Und so haben die Götter im Gegenzug auch eine ganze Gruppe von Wesen geschaffen, die kein Geschlecht haben und von denen die Menschen als Engel sprechen. Wie sagt man? „Dein Schutzengel“, und was noch? Vor allem „Engel“.

(Pavitra) Die Cherubim, die Seraphim.

Ja, ja, das ist es. Sie haben viele Namen gegeben. So ist es!

Liebe Mutter, in den alten Überlieferungen spricht man immer von den Frauen der Götter, die von den Asuras behelligt wurden.

Was, die Frauen der Götter, die von den Asuras behelligt wurden? Ja.

Sind sie ebenfalls dem Materiellen näher? Ist es in der vitalen Welt oder ist es…

Es ist in der vitalen Welt.

(Pavitra) Mutter, und im Mental gibt es Wesen des Mentals…

Es gibt Wesen des Mentalen, die auch geschlechtslos sind, nicht alle, aber viele. Es gibt viele. Es gibt diese mentalen Formationen, die immerwährend sind, die sehr gut gemacht sind, sehr harmonisch, beständig, so etwas wie mentale Konstruktionen, mentale Formationen, die lebendige Wesen sind, die aber, wenn sie sich inkarnieren, ganz neutral von einem männlichen in einen weiblichen Körper übergehen. Das ist ihnen völlig gleichgültig, für sie besteht da kein Unterschied.

Ist das alles? Oder hast du dazu noch etwas?

Mutter, was ist der eigentliche Grund für das Erscheinen des Geschlechts? Denn in der Biologie sieht man, dass die einzelligen Lebewesen ja zunächst geschlechtslos waren; das Geschlecht erscheint später.

Das ist die Natur, mein Kind, die alle möglichen Systeme ausprobiert hat. Das sind alles Mittel, die die Natur anwandte. Möglicherweise war für die Vervollkommnung der Gattung die Verdoppelung notwendig im Hinblick auf die materielle Evolution. Es sieht so aus, denn das wurde ja offensichtlich später angenommen. Ja, die Natur … sie hat wohl alle Möglichkeiten ausprobiert – einfach alles.

Du sagst doch aber, dass sogar die Götter ein Geschlecht haben!

Ja, schon, vielleicht hat die Natur dies unter ihrem Einfluss gemacht. Es ist gewiss nicht so, dass die Götter es haben, weil es auf der Erde erschienen ist. Wir können also logisch folgern: Weil es bei den Göttern so war, ist es auch auf der Erde so geworden. Doch scheint die Natur keine direkten Eingebungen empfangen zu haben. Sie scheint ihren eigenen Weg auf ihre Weise gegangen zu sein. Aber sie hat alle Möglichkeiten ausprobiert. Ich glaube nicht, dass sie etwas nicht versucht hat, und sie macht weiter. Doch hat auch die Natur geschlechtslose Wesen geschaffen, sogar in menschlicher Form, es gab welche. Ich habe sogar einmal eine griechische Statue dieser Art gesehen. Die Griechen kannten das.

Alles, was man sich vorstellen kann, und noch viel mehr, hat die Natur sich vorgestellt. Nur will sie nicht unter Druck gesetzt werden. Sie hat wohl Spaß daran. Sie will also auf ihre Weise vorgehen: probieren, zerstören, neu beginnen, wieder zerstören. Sie kann eine ganze Gattung so (Handbewegung) vernichten, das ist ihr ganz egal. Sie würde einfach sagen: „Nein, das war nicht gut,“ und Schluss damit. Und sie will nicht, dass man sie zur Eile antreibt. Wenn man zu ihr sagt, man finde, das habe lange genug gedauert, es könnte zu einem etwas harmonischeren Ende kommen, begehrt sie auf und ist gar nicht zufrieden. Immer sagt sie: „Warum habt ihr es denn so eilig? Es kommt alles, was ihr wollt, aber es ist nicht nötig, dass es so schnell kommt. Warum habt ihr es so eilig?“ So antwortet sie immer. Sie schweift gern umher.

Was ist die Natur? Das heißt, was für einen Bezug hat sie zur „Höchsten Mutter“?

Ich denke, die Natur ist der materiellste Teil der Schöpferkraft, die sich mit der Erschaffung besonders der Erde befasst, der materiellen Welt, wie wir sie auf der Erde kennen.

Gibt es die Götter der Puranas und die Götter der griechischen und ägyptischen Mythologie wirklich?

Zwischen den Göttern der Puranas und den Göttern der griechischen und ägyptischen Mythologie finden sich alle möglichen Ähnlichkeiten; es könnte ein interessantes Studienobjekt sein. Für die moderne westliche Welt sind all diese Gottheiten – die griechischen Götter und anderen „heidnischen“ Götter, wie sie sie nennen – einfach ein Produkt der menschlichen Vorstellungskraft und entsprechen nichts Wirklichem im Universum. Aber dies ist ein schwerer Fehler.

Um den Mechanismus des universellen Lebens, selbst des irdischen Lebens, zu verstehen, muss man in der Tat wissen, dass all diese Wesen reale und lebende Wesen sind, jedes in seinem eigenen Bereich, und eine unabhängige Realität haben. Sie würden auch dann existieren, wenn es keine Menschen gäbe. Die meisten dieser Götter existierten, bevor es den Menschen gab.

Woher kommen die Götter?

Das bedeutet? … „Woher kommt“ bedeutet was? Was für einen Ursprung sie haben? Wer sie geformt hat? … Alles, alles kommt aus dem einen Ursprung, aus dem Höchsten – auch die Götter.

In einer ganz alten Überlieferung wird das erzählt. Ich werde sie dir erzählen, wie man sie Kindern erzählt, auf die Art wirst du verstehen:

Eines Tages beschloss „Gott“, aus sich herauszutreten, sich zu objektivieren, um die Freude zu haben, sich in jedem Detail zu erkennen. Also ließ er zuerst sein Bewusstsein ausströmen – das heißt, er manifestierte sein Bewusstsein – und gab diesem Bewusstsein den Befehl, ein Universum zu verwirklichen. Dieses Bewusstsein begann vier Wesen auszusenden, vier Individualitäten, die tatsächlich höhere Wesen waren, von der höchsten Wirklichkeit – nämlich das Wesen des Bewusstseins, das Wesen der Liebe (oder vielmehr des Ananda), das Wesen des Lebens und das Wesen des Lichtes und Wissens (doch Bewusstsein und Licht ist dasselbe). So war es: Bewusstsein, Liebe bzw. Ananda, Leben und Wahrheit – Wahrheit, das ist das exakte Wort. Das waren natürlich äußerst mächtige Wesen. Sie waren das, was man in dieser Überlieferung die ersten Emanationen nennt, das heißt die ersten Gestaltungen. Und jede wurde sich ihrer Eigenschaft, ihrer Macht, ihrer Befähigung und ihrer Möglichkeiten sehr bewusst, und plötzlich vergaß sie auf ihre Weise, dass sie nur eine Emanation und eine Inkarnation des Höchsten war. Und da ereignete sich folgendes: Als das Licht bzw. Bewusstsein sich vom göttlichen Bewusstsein trennte, mit anderen Worten als es zu denken begann, dass es das göttliche Bewusstsein sei und es kein anderes außer ihm gebe, wurde es plötzlich Finsternis und Nichtbewusstheit. Und als das Leben dachte, alles Leben sei in ihm und es gebe kein anderes als das seine und es hänge überhaupt nicht vom Höchsten ab, wurde sein Leben Tod. Und als die Wahrheit dachte, dass sie die ganze Wahrheit enthalte und dass es keine andere Wahrheit gebe als sie, wurde diese Wahrheit zur Falschheit. Und als Liebe bzw. Ananda überzeugt war, dass sie das höchste Ananda sei und dass es kein anderes gebe als sie und ihre Glückseligkeit, wurde sie das Leid. Und so wurde die Welt, die so schön sein sollte, so hässlich. Als jenes Bewusstsein – du kannst es Göttliche Mutter oder Höchstes Bewusstsein nennen – das sah, war es sehr verdrießlich. Die Göttliche Mutter sagte sich: „Das ist total misslungen!“ Also wandte sie sich zum Göttlichen, zu Gott, dem Höchsten, und bat ihn, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie sprach zu ihm: „Schau, was geschehen ist. Was machen wir jetzt?“ Er sprach: „Beginne von neuem, aber versuche es so zu organisieren, dass die Wesen nicht so unabhängig werden! Sie müssen mit dir in Verbindung bleiben und durch dich mit mir.“ Und so schuf sie die Götter, die recht fügsam waren und nicht so stolz, und diese begannen mit der Erschaffung der Welt. Aber da die anderen vorher da waren, begegneten die Götter ihnen auf Schritt und Tritt. Und so verwandelte sich die Welt in einen Ort des Kampfes, des Krieges, des Streits, des Leidens, der Dunkelheit und so fort, und bei jeder neuen Schöpfung mussten sich die Götter mit den anderen schlagen, die zuvor ausgesandt worden waren: Sie waren eher dagewesen. Sie hatten sich in die Materie gestürzt und verursachten diese ganze Unordnung, die die Götter nun reparieren mussten. Daher also kommen die Götter. Sie sind die zweiten Emanationen.

Mutter, die vier ersten, die sich veränderten – geschah das durch Zufall oder durch einen Willen?

Nein. Was ist Zufall?

Es wird auch erzählt – und das ist die Fortsetzung der Geschichte oder vielmehr ihr Anfang –, dass Gott wollte, dass seine Schöpfung eine freie Schöpfung sei. Er wollte, dass alles, was von ihm ausging, absolut unabhängig und frei sei, damit es sich mit ihm in Freiheit vereinigen könne und nicht im Zwang. Er wollte nicht, dass sie treu sein müssten, bewusst sein müssten, gehorsam sein müssten. Sie sollten es spontan tun, im Wissen und in der Überzeugung, dass es viel besser sei. Also wurde diese Welt als eine Welt totaler Freiheit, der Freiheit der Entscheidung, geschaffen. Und das bedeutet, dass jeder in jeder Minute die Freiheit der Entscheidung hat – doch mit allen Konsequenzen. Wenn die Entscheidung gut ist, ist sie gut, ist sie aber schlecht, nun, dann kommt, was kommen muss – und was ja auch gekommen ist!

Man kann die Geschichte viel okkulter und spiritueller verstehen. Doch dann ist es wie bei allen Geschichten über das Universum: Will man sie erzählen, damit die Leute sie verstehen, werden es Kindergeschichten. Kann man aber die Wahrheit hinter den Symbolen sehen, versteht man alles. Auch bei dem, was ich dir in dieser scheinbar kleinen Kindergeschichte erzählte, sogar da kannst du auf das Geheimnis der Dinge kommen, wenn du verstehst, was ich dir sagte, und dir der Sinn klar ist.

Einige Überlieferungen behaupten, es sei insofern ein „Zufall“, als es auch anders hätte sein können. Doch es ist so gekommen. Es ist so gekommen, ja. Doch ist leicht einzusehen, dass jedes dieser Elemente, da es ja im Höchsten seinen Ursprung hatte und es in diesem Moment der Emanation dem Ursprung ganz nahe war, in sich das Bewusstsein seiner Göttlichkeit und seiner Überlegenheit trug – zwangsläufig, denn es ist ja keine Schöpfung aus etwas, das dem Göttlichen fremd ist: Es ist einfach das Göttliche, das aus sich selbst ausströmte, als betrachte es sich – es objektiviert sich, um sich alles, was ist, bewusst zu machen. Statt in einem inneren statischen Zustand der Konzentration zu verharren, in dem alles nicht-manifestiert ist, projiziert es dies nach außen, „um zu sehen“, als wolle es alles wahrnehmen, was in ihm ist, nämlich seine unendlichen Möglichkeiten. Es war also alles möglich. Es ist so gekommen – es hätte auch anders kommen können. Im Übrigen ist es nicht ausgeschlossen, dass es neben unserem Weltall, so wie es ist, noch andere Universen gibt, die so verschieden sind, dass sie keine Verbindung untereinander haben können. Es kann sehr wohl sein, dass unser Universum nicht das einzige Heraustreten des Göttlichen aus sich selbst ist. Unser Weltall ist so, wie wir es kennen. Vielleicht sind andere in einem weit weniger beklagenswerten Zustand als dieses! Im Übrigen ist es nur scheinbar beklagenswert. Wenn man hinter die Erscheinung blickt, merkt man, dass es überhaupt nicht beklagenswert ist. Es ist nur eine Art, wie man es sehen kann.

„Jedes Mal, wenn wir einen entscheidenden Schritt im spirituellen Fortschritt machen, versuchen die unsichtbaren Feinde des Göttlichen, ihre Revanche zu bekommen, und wenn sie der Seele keinen Schaden zufügen können, schlagen sie den Körper. Aber alle ihre Anstrengungen sind vergeblich und werden schließlich zunichte gemacht, denn die Göttliche Gnade ist mit uns.“ (Worte der Mutter, 1949, S. 215)

Was sind diese „unsichtbaren Feinde des Göttlichen“?

Das sind eben diese vier Persönlichkeiten, die natürlich unzählige Emanationen aus sich entlassen haben, die wiederum andere Emanationen hatten, die Formen bildeten. Und nun sind es Millionen, Millionen und Abermillionen, und unter ihnen haben diese eine gewisse Gewohnheit angenommen, die sie konsequent beibehalten, und sie wollen auch weiterhin nicht, dass ein anderes Gesetz als das ihre herrsche. In Indien werden sie Asuras genannt, die Wesen der Finsternis. Es ist logisch, dass sie so sind. Sie haben mit dem falschen Weg angefangen und machen so weiter. Nun muss ich sagen, dass es welche gibt, die ihre geistige Haltung ändern. In der Gita ist davon die Rede. Ich glaube, es geht um die, die sich bekehren werden, und dann um die, die eine Bekehrung rundweg ablehnen, die lieber verschwinden, lieber vernichtet werden wollen, als sich zu bekehren. Und so ist das eben. Die einen sind so, die anderen so.

Welches sind „die anderen“, die sich bekehrt haben?

Einer hat sich bekehrt und arbeitet sogar mit, es ist der des Bewusstseins und Lichts.

Wenn er bekehrt ist, muss die Schwierigkeit von selbst verschwinden.

Natürlich, und seine Macht bleibt. Das wird ein gewaltiges Wesen.

Du hast gesagt, das Bewusstsein habe sich in Nichtbewusstheit gewandelt. Aber wenn das Bewusstsein sich bekehrt, muss dann die Nichtbewusstheit vergehen?

Er wird wieder Bewusstsein und Licht – er wird wieder das, was er war.

Ist er es noch nicht wieder geworden?

Ich sagte doch eben ganz genau, als er das Nichtbewusste oder die Finsternis wurde, schuf er unzählige Formen – Emanationen, Gestaltungen, Schöpfungen. Und seine Umkehr bedeutet nicht, dass alles Übrige folgt. Sie gehorchen demselben Gesetz der Freiheit, der Freiheit der Entscheidung. Sie können sich bekehren oder auch nicht. Manche wandeln sich, manche weigern sich. Die sich weigern, sind allerdings in der Überzahl.

Wer aber am meisten Schaden anrichtet, das ist der „Herr der Falschheit“. Er ist tatsächlich das größte Hindernis im Universum: Diese ständige Verneinung der Wahrheit. Und er hat einen sehr starken Einfluss auf die irdische Welt, auf die materielle Welt. Im Übrigen nehmen ihn jene, die ihn hier (auf der Erde) sehen können, als ein durchaus wunderbares, glänzendes Wesen wahr. Er betitelt sich mit „Herr der Nationen“, und seine Erscheinung ist gewaltig, leuchtend, mächtig, sehr eindrucksvoll… Historisch war er die Quelle der Inspiration für gewisse Staatschefs, und er nennt sich Herr der Nationen, weil er die Völker beherrscht. Offensichtlich ist er ursprünglich der oberste Organisator dieser beiden letzten Kriege. Bei dieser Gelegenheit hat er sich als Herr der Nationen manifestiert. Er erklärte übrigens, er würde sich nie bekehren. Und er weiß, dass es ein Ende hat – natürlich wird er versuchen, es so weit wie möglich hinauszuschieben. Und er erklärte, vor seiner Vernichtung würde er alles zerstören, was er könne… Man kann sich auf alle möglichen Katastrophen gefasst machen.

Im Februar hast du eine Botschaft gegeben, die besagt, dass ein „neues Licht auf der Erde zum Vorschein kommt“, und gerade danach (am 5. März 1953) starb Stalin. Ist das ein Hinweis auf etwas?

Das wäre wirklich kein großer Erfolg! Der Tod Stalins hat am gegenwärtigen Zustand der Welt nichts geändert (leider genauso wenig wie der Tod Hitlers). Es wäre schon etwas mehr nötig. Denn es ist hier wie bei dem Mörder, den man durch das Fallbeil hinrichtet: In dem Moment, wo man ihn enthauptet, wird sein Lebensgeist, der bleibt, aus ihm herausgeschleudert. Das ist eine vitale Formation, und sie sucht in einem der wohlwollenden Zuschauer Zuflucht, der dann plötzlich einen Verbrecherinstinkt in sich fühlt. Es gibt viele solche Leute, vor allem ganz junge Kriminelle, die man befragte und die es gesagt haben. Die Antwort lautet häufig: „Es hat mich ergriffen, als ich die und die Person unter dem Fallbeil sah.“

Also, der Tod des einen oder des anderen nutzt nichts. Das nutzt nicht viel – es geht anderswo hin. Es ist nur eine Form. Es ist, wie wenn du in einem bestimmten Hemd etwas ganz Schlechtes tust und dann dein Hemd wegwirfst und sagst: „Jetzt tue ich nichts Schlechtes mehr.“ Und du machst in einem anderen Hemd weiter!

Im Übrigen verschwindet nichts. Die Form verschwindet, doch die Grundbestandteile bestehen weiter. Alles ist ewig, da ja alles das Göttliche ist, und nichts kann aus dem Göttlichen hinausfallen, da ja alles göttlich ist. Doch die Formen verschwinden. Und durch diese Identifizierung mit der Form hat man den Eindruck des Todes. Doch die Grundbestandteile sind ewig, weil alles ewig ist. Die Form ist es, die verschwindet.

Nun möchten einige dieser Wesen eben lieber vollständig aufgelöst sein und lieber einfach total im Unendlichen, in der Einheit verschwinden (das bedeutet, dass sie ihr persönliches Bewusstsein verlieren, sie haben kein persönliches Bewusstsein mehr, als persönliches Bewusstsein sind sie nicht mehr vorhanden), sie geben dem den Vorzug vor einem persönlichen Bewusstsein, das sich dem Göttlichen gibt und aus dieser Tatsache heraus bewusst und persönlich unsterblich wird. Ihnen ist Auflösung und persönliches Verschwinden lieber als Umkehr, das heißt Selbsthingabe.

Warum?

Aus Stolz, vermutlich. Immer ist es Stolz. Eigentlich ist es von Anfang an der Stolz – und fast alle Religionen haben es gesagt. Es ist der Stolz, nämlich eine Art Bewusstsein seiner Macht und seiner Bedeutung.

Du hast gesagt, dass diese vier Emanationen Teile des Höchsten seien. Wie können sie dann ein anderes Bewusstsein als er haben?

Anderes Bewusstsein? Es gibt doch gar kein anderes Bewusstsein! Das Prinzip der Emanation ist ja gerade die Objektivierung eines Teiles von sich, der potenziell die Qualitäten des Urhebers der Emanation behält. Wenn aber diese Emanation, wie ich sagte, mit einem Willen zur Freiheit der Entscheidung erfolgt (wie es ja geschah), können diese Emanationen entweder dieser Freiheit und dieser Unabhängigkeit folgen oder aber weiterhin mit dem Urheber der Emanation verbunden bleiben, da ja Entscheidungsfreiheit ist. Diese Macht und diese Kraft, die sie in sich enthalten, genügen völlig, um ihnen das Gefühl ihrer Bedeutung und ihrer Macht zu geben. Wenn sie sich dafür entscheiden, nicht in freiwilliger Verbindung, in einer Verbindung der Hingabe an den Höchsten zu bleiben, wenn sie sich dafür entscheiden, das Maß an Macht, an Bewusstsein und Kraft, das sie in sich tragen, zu benutzen, um das, was sie zu tun haben, in Unabhängigkeit auszuführen, schneiden sie sich gerade durch diese Tatsache von ihrem Ursprung ab – dennoch sind die Grundbestandteile ihres Wesens aber Elemente, die zum Ursprung gehörten. Und daher gibt es, auch wenn sie sich freiwillig abschneiden, im innersten Bewusstsein ein Band, das unzerstörbar ist. Es ist das Band der Identität. Da sie aber mit dieser essenziellen Qualität der Entscheidungsfreiheit ausgesandt wurden, haben sie in der äußeren Manifestation die freie Wahl, dieses oder jenes zu tun. Das ist der Grund, warum auch beim schlimmsten Verbrecher im tiefsten Herzen irgendwo das göttliche Licht scheint. Du hast sicher jenen Abschnitt von Vivekananda gelesen, in dem er sagt, man müsse dem Verbrecher zurufen: „Erwache…,“ – ich weiß den genauen Wortlaut nicht – „erwache, Lichtwesen, und strahle!“

Eben, als ich dir sagte, dass ich dir diese Geschichte wie eine Kindergeschichte erzählen würde, ging es gerade darum, sie so zu erzählen, als wäre es eine materielle Geschichte. Und so erzählt, wird es dann eine Kindergeschichte. Doch muss man die Dinge in ihrem Bereich sehen, und das ist ein spiritueller und kein materieller Bereich. Es ist nicht so, wie es sich hier abspielen würde.

Was hier geschieht, ist symbolisch, also das Gleiche, als das Kind, das geboren wird, nichts anderes ist als ein Stück von seiner Mutter, sogar materiell, ganz materiell. Denn dieses stoffliche Band ist derart stark, ungefähr einige Stunden, etwa zwei Tage lang unvermindert stark und mindestens zwei Monate lang etwas weniger, aber immer noch sehr spürbar, dass man es wirklich als eine materiell-physische Verlängerung von sich empfindet, doch außerhalb von sich. Das ist das Element der Emanation. Nun, das hält aber die Kinder, wenn sie erwachsen werden, nicht davon ab, gänzlich unabhängig von ihren Eltern und manchmal äußerst verschieden zu werden. Doch am Ursprung, am Anfang, ist es das Gleiche. Es ist einfach dieselbe Materie, vollkommen dieselbe, lediglich äußerlich sichtbar gemacht. Das ist alles.

Bei den Emanationen haben wir die gleiche Erscheinung, doch statt auf einer materiellen Ebene nun auf der höchsten spirituellen Ebene. Und was sich hier abspielt, ist ein Symbol dessen, was da oben vor sich geht.

Nun, kommt es dir nie in den Sinn, dich zu fragen: „Weshalb ist dieses Kind, das so gute, so gerechte, so großzügige, so wahrheitsliebende Eltern hat, ein solcher Spitzbube?“ Man kann sich darüber wundern, doch es scheint nichts Unmögliches zu sein. Nun, das ist das Gleiche. Eigentlich hängt alles von der inneren Verfassung des Wesens ab. Es gibt keine zwei Wesen, die einander gleich wären. Keine innere Verfassung gleicht der anderen. Und alles hängt von der inneren Organisation, von der vollständigen Organisation des Wesens ab, von der Ordnung, in der die Elemente organisiert sind, und welches ihre innere Beziehung ist – wie auch die äußere Form verschieden ist, weil die Zellen nicht auf dieselbe Weise organisiert sind. Doch da das eine Erscheinung ist, die du ständig siehst, in der du geboren bist, die du jeden Tag wahrnimmst, kommt dir das ganz selbstverständlich vor. Aber es ist das Gleiche. Es erscheint dir ganz natürlich, dass ein Kind anders ist als seine Mutter, sein Vater, dennoch ist es das Gleiche. Und in einer Emanation des Höchsten ist zunächst ein Teil notwendigerweise anders als das Ganze, obwohl er potenziell das Ganze enthalten kann, doch drückt er das Ganze nicht aus. Und da er das Ganze nicht ausdrückt, ist er zwangsläufig anders als das Ganze, weil die innere Organisation anders ist. So, ich glaube, das genügt.

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