Kapitel 4
Werde dein wahres Selbst
Dies ist deine Arbeit und das Ziel deines Wesens und das, wofür du hier bist: der göttliche Übermensch und ein vollkommenes Gefäß Gottes zu werden. Alles andere, was du zu tun hast, ist nur, dich bereit zu machen – oder dich einer vergänglichen Freude zuzuwenden oder von deinem Ziel abzukommen. Aber das Ziel ist dies und der Zweck ist dieser, und nicht in der Macht des Pfades und der Freude außerhalb des Weges, sondern in der Freude des Zieles liegen die Größe und die Wonne deines Wesens. Die Freude auf dem Weg ist da, weil jenes, das dich anzieht, auch mit dir auf dem Weg ist, und die Kraft emporzusteigen wurde dir gegeben, damit du deine eigenen Gipfel erklimmen mögest.
Wenn du eine Pflicht hast, ist dies deine Pflicht; wenn du fragst, was dein Ziel sein soll, lasse dies dein Ziel sein; wenn du Vergnügen verlangst, gibt es keine größere Freude, denn alle andere Freude ist zerbrochen oder begrenzt: die Freude eines Traums oder die Freude eines Schlafs oder die Freude des Selbst-Vergessens. Aber dies ist die Freude deines ganzen Wesens. Denn wenn du sagst: was ist mein Wesen? – ist dieses dein Wesen: das Göttliche, und alles andere ist zerbrochen oder seine eigene verdrehte Erscheinung. Wenn du die Wahrheit suchst, ist dieses die Wahrheit. Stelle sie vor dich hin und sei ihr in allen Dingen treu.
Es wurde von jemandem treffend gesagt, der nur durch einen Schleier blickte und den Schleier fälschlicherweise für das Gesicht hielt, dass es dein Ziel sei, du selbst zu werden; und er sagte abermals treffend, dass die Natur des Menschen transzendiert werden muss. Dies ist in der Tat seine Natur, und jenes ist in der Tat das göttliche Ziel seiner Selbst-Transzendierung.
Was ist nun das Selbst, dass du transzendieren musst, und was ist das Selbst, das du geworden bist? Denn es ist hier, wo du nicht irren solltest; denn dieser Irrtum, dich nicht zu kennen, ist die Quelle all deines Kummers und der Grund all deines Strauchelns.
Das, was du transzendieren musst, ist das Selbst, das du zu sein scheinst, und das ist der Mensch, wie du ihn kennst, der scheinbare Purusha. Und was ist dieser Mensch? Er ist ein mentales Wesen, versklavt vom Leben und der Materie; und wo er nicht vom Leben und der Materie versklavt ist, ist er der Sklave seines mentalen Geistes. Aber dies ist eine große und schwere Knechtschaft; denn ein Sklave des mentalen Geistes zu sein, bedeutet, ein Sklave der Falschheit, Begrenztheit und des Scheins zu sein. Das Selbst, zu dem du werden musst, ist das Selbst, das du im Innern hinter dem Schleier von Mental, Leben und Materie bist. Man muss der spirituelle, der göttliche, der Übermensch, der wahre Purusha sein. Denn das, was über dem mentalen Wesen steht, ist der Übermensch. Du musst der Meister deines mentalen Geistes, deines Lebens und deines Körpers sein; du musst wie ein König die Natur beherrschen, deren Werkzeug du jetzt bist, – über sie erhoben, die dich jetzt unter ihren Füßen hat. Man muss frei sein und nicht ein Sklave, eins sein und nicht geteilt, unsterblich sein und nicht vom Tod verschattet, voller Licht und nicht verdunkelt, voller Seligkeit und nicht der Spielball von Trauer und Leid, zur Macht erhoben und nicht in Schwäche hinabgeworfen. Man muss in der Unendlichkeit leben und das Endliche besitzen. Man muss in Gott leben und mit ihm in seinem Wesen eins sein. Du selbst zu werden bedeutet, dies zu sein und alles, was daraus hervorströmt.
Sei frei in dir selbst und deshalb frei in deinem Mental, frei in deinem Leben und deinem Körper. Denn der Geist ist Freiheit.
Sei eins mit Gott und allen Wesen; lebe in dir selbst und nicht in deinem kleinen Ego. Denn der Geist ist Einheit.
Sei du selbst, unsterblich, und setzte deinen Glauben nicht in den Tod; denn der Tod gehört nicht zu dir selbst, sondern zu deinem Körper, – denn der Geist ist Unsterblichkeit.
Unsterblich zu sein bedeutet, im Wesen und Bewusstsein und in der Wonne grenzenlos zu sein; denn der Geist ist grenzenlos, und das, was endlich ist, lebt nur durch seine Unendlichkeit.
Dieses alles bist du, deshalb kannst du all dies werden; aber wenn du diese Dinge nicht wärest, könntest du sie niemals werden. Was in dir ist, nur das allein kann in deinem Wesen offenbart werden. Du scheinst in der Tat anders als dieses zu sein, aber warum solltest du dich von Erscheinungen versklaven lassen?
Vielmehr erhebe dich, transzendiere dich, werde du selbst. Du bist ein Mensch, und die ganze Natur des Menschen muss größer werden, als sie jetzt ist. Er war das menschliche Tier, er ist zu mehr als der Tier-Mensch geworden. Er ist der Denker, der Kunsthandwerker, der Sucher der Schönheit. Er soll mehr sein als der Denker, er soll der Seher des Wissens sein; er soll mehr sein als der Handwerker, er soll der Schöpfer und Meister seines Schaffens sein; er soll mehr sein als der Sucher der Schönheit, denn er soll alle Schönheit und alle Wonne genießen. Im Körper sucht er nach seiner unsterblichen Substanz; im vitalen Leben sucht er das unsterbliche Leben und die unendliche Kraft seines Wesens; mental und unvollständig im Wissen, sucht er das ganze Licht und die vollkommene Vision.
Um dies alles zu besitzen muss er der Übermensch werden; dafür muss er sich aus dem Mental zum Supramental erheben. Nenne es das göttliche Mental oder Wissen oder Supramental; es ist die Kraft und das Licht des göttlichen Willens und des göttlichen Bewusstseins. Durch das Supramental sah und erschuf der Geist sich in diesen Welten, durch es lebt er in ihnen und regiert sie. Durch es ist er der Swarat Samrat, Gebieter seiner selbst und Allbeherrscher.
Das Supramental ist der Übermensch; über das Mental hinauszugehen ist deshalb die Bedingung.
Um der Übermensch zu sein, muss man das göttliche Leben führen, ein Gott sein; denn die Götter sind die Kräfte Gottes. Sei eine Kraft Gottes in der Menschheit.
Dies ist gemeint: im göttlichen Wesen zu leben und dich vom Bewusstsein und der Wonne, dem Willen und Wissen des Geistes besitzen und sie mit dir und durch dich spielen zu lassen.
Dies ist deine Verklärung auf dem Berge. Du musst Gott in dir selbst entdecken und ihn sich dir in allen Dingen offenbaren lassen. Lebe in seinem Wesen, leuchte mit seinem Licht, handle mit seiner Kraft, genieße mit seiner Wonne. Sei jenes Feuer und jene Sonne und jener Ozean. Sei jene Freude und jene Größe und Schönheit.
Wenn du dieses auch nur in Teilen getan hast, hast du die ersten Schritte zum Übermenschentum getan.
Das Tier ist ein lebendes Labor, in dem die Natur – wie man sagte – den Menschen herangebildet hat. Der Mensch mag auch selber ein denkendes und lebendes Labor sein, in welchem und mit dessen bewusster Kooperation sie den Übermenschen, den Gott herausarbeiten will. Oder sollten wir nicht eher sagen, Gott manifestieren will? Denn wenn die Evolution die progressive Manifestation der Natur von dem ist, was involviert in ihr schlummerte oder arbeitete, ist sie auch die offenkundige Verwirklichung dessen, was sie im Verborgenen ist… Wenn es wahr sein soll, dass Geist in der Materie eingebunden und die sichtbare Natur der verborgene Gott ist, dann ist die Manifestation des Göttlichen im Menschen und die Verwirklichung Gottes im Inneren und Äußeren das höchste und rechtmäßigste Ziel, das der Mensch erreichen kann.