Kapitel 4

Vertrauen in die spirituelle Kraft

Worte der Mutter

Das besondere Kennzeichen des Menschen ist offensichtlich diese mentale Fähigkeit, sich beim Leben zuzuschauen. Das Tier lebt spontan, automatisch, und wenn es sich beim Leben zusieht, kann das nur in ganz geringem und bedeutungslosem Maße sein, und daher ist es friedvoll und macht sich keine Sorgen. Auch wenn das Tier leidet, weil ihm ein Unfall zugestoßen ist oder weil es krank ist, wird dieses Leiden durch die Tatsache auf ein Minimum reduziert, dass es das Leiden nicht beobachtet, dass es das Leiden nicht in sein Bewusstsein und in die Zukunft projiziert, dass es sich keine Gedanken über seine Krankheit oder über seinen Unfall macht.

Mit dem Menschen hat diese immerwährende Sorge um die Zukunft begonnen, und diese Sorge ist die Hauptursache – wenn nicht gar die einzige Ursache – seiner Qual. Mit diesem sich objektivierenden Bewusstsein haben die Angst und die leidvollen Vorstellungen begonnen, die Sorge, die Qual, diese Vorahnung künftiger Katastrophen, derentwegen der größte Teil der Menschheit – und nicht der weniger bewusste, sondern der voll bewusste – in ständiger Qual lebt. Der Mensch ist zu bewusst, um gleichgültig zu sein, er ist nicht bewusst genug, um zu wissen, was geschehen wird. Man könnte wirklich sagen, ohne sich zu täuschen, dass er von allen irdischen Geschöpfen das leidvollste ist.

Das menschliche Wesen ist daran gewöhnt, so zu sein, weil es ein atavistischer Zustand ist, den es von seinen Vorfahren geerbt hat, doch das ist wirklich ein elender Zustand. Und erst mit dieser spirituellen Fähigkeit, sich zu einer höheren Ebene zu erheben und die Unbewusstheit des Tieres durch ein spirituelles Überbewusstsein zu ersetzen, wird in das Wesen nicht nur die Fähigkeit, das Ziel des Daseins zu erkennen und den Erfolg der Anstrengung vorauszusehen, eingeführt, sondern auch ein hellsichtiges Vertrauen in eine höhere spirituelle Macht, der man sein ganzes Wesen überantworten, der man sich anvertrauen und der man die Bürde seines Lebens und seiner Zukunft übergeben kann, so dass man jeder Sorge ledig ist.

Natürlich ist es für den Menschen unmöglich, auf das Niveau des Tieres zurückzufallen und das erworbene Bewusstsein zu verlieren. Daher gibt es für ihn nur ein Mittel, einen Weg, um aus seiner Lage, die ich miserabel nenne, herauszukommen und in einen höheren Zustand aufzutauchen, wo die Sorge durch vertrauensvolle Überantwortung und durch die Gewissheit einer lichtvollen Krönung ersetzt wird – dieses Mittel ist die Bewusstseinsänderung.

Eigentlich gibt es keine miserablere Lage, als für ein Dasein verantwortlich zu sein, zu dem man keinen Schlüssel besitzt, das heißt zu dem man nicht die Fäden in der Hand hält, die führen und die die Probleme lösen können. Das Tier macht sich keine Probleme: Es lebt einfach. Sein Instinkt treibt es, es hängt vom kollektiven Bewusstsein ab, das ein angeborenes Wissen hat und das ihm überlegen ist, doch es lebt automatisch, spontan, es hat nicht das Bedürfnis, etwas zu wollen und sich anzustrengen, um es zu verwirklichen. Es ist ganz natürlich so, und da es für sein Leben nicht verantwortlich ist, macht es sich auch keine Sorgen. Mit dem Menschen ist das Gefühl geboren worden, von sich selbst abhängen zu müssen, und da er nicht das notwendige Wissen hat, folgt daraus eine ewige Qual. Diese Qual kann erst aufhören mit einer totalen Überantwortung an ein Bewusstsein, das höher ist als das seinige, dem er sich vollkommen anvertrauen kann, dem er seine Sorgen um sich selbst übergeben kann und die Sorge, sein Leben zu leiten und alles zu organisieren.

Wie soll man ein Problem lösen, wenn man nicht das erforderliche Wissen besitzt? Das Unglück ist, dass der Mensch glaubt, er müsse alle Probleme seines Lebens lösen, doch er hat nicht das notwendige Wissen dazu. Das ist die Quelle, der Ursprung all seiner Schwierigkeiten – diese fortwährende Frage: „Was soll ich tun?“, zu der sich eine andere, noch dringendere gesellt: „Was wird geschehen?“, und gleichzeitig die Unfähigkeit, eine Antwort zu geben. Deshalb beginnen alle spirituellen Disziplinen mit der Notwendigkeit, jede Verantwortlichkeit aufzugeben und sich auf ein höheres Prinzip zu verlassen. Sonst ist Frieden unmöglich.

Und doch wurde das Bewusstsein dem Menschen gegeben, damit er fortschreitet, damit er entdeckt, was er nicht weiß, damit er entwickelt, was er noch nicht ist. Und so kann man sagen, dass es einen höheren Zustand gibt als den eines unbeweglichen und statischen Friedens: Das ist ein Vertrauen, das für einen vollkommen genügt, um den Willen zum Fortschritt zu behalten, die Bemühung zum Fortschritt zu bewahren, während man alle Angst und alle Sorge um Ergebnisse und Konsequenzen los wird. Das ist jenen Methoden einen Schritt voraus, die man quietistisch nennen könnte, die auf der Zurückweisung jeder Aktivität und auf dem Eintauchen in die Unbewegtheit und die innere Stille beruhen, die alles Leben verlassen, weil sogleich gespürt wurde, dass man ohne Frieden keine innere Verwirklichung bekommen kann. Und man dachte ganz selbstverständlich, man könne keinen Frieden bekommen, solange man in den äußeren Verhältnissen lebt, in diesem Zustand der Angst vor dem Problem, das sich stellt und das man nicht zu lösen vermag, da man nicht das Wissen dazu hat.

Der nächste Schritt besteht darin, sich dem Problem zu stellen, aber mit der Ruhe und der Gewissheit eines absoluten Vertrauens in die höchste Macht, die weiß und die einen zum Handeln bewegen kann. Dann kann man, statt das Handeln aufzugeben, in einem höheren Frieden agieren, der stark und dynamisch ist.

Das könnte man einen neuen Aspekt des göttlichen Eingreifens in das Leben nennen, eine neue Art des Eingreifens göttlicher Kräfte in das Dasein, einen neuen Aspekt der spirituellen Verwirklichung.

Worte der Mutter

Wenn du das Göttliche wirklich liebst, stelle es unter Beweis, indem du ruhig und friedvoll bleibst. All das, was im Leben zu einem kommt, kommt vom Göttlichen, um uns eine Lektion zu lehren. Nehmen wir es in der richtigen Einstellung an, werden wir rasch voranschreiten. Versuche es.