Kapitel 4

Sri Krishnas Welten-Spiel

Worte Sri Aurobindos

Gott ist der Eine. Er ist aber durch sein Einssein nicht begrenzt. Wir erkennen ihn hier als den Einen, der sich immer als die Vielen manifestiert, und zwar nicht unter dem Zwang einer Notwendigkeit, sondern weil er dies so will. Außerhalb von der Manifestation ist er der Undefinierbare, anirdesyam. Er kann weder als der Eine noch als die Vielen beschrieben werden. Dies lehren die Upanishaden und die anderen Heiligen Schriften, wenn sie stets mit Nachdruck betonen: „Er ist der Eine, und es gibt keinen anderen außer ihm“, ekamevadvitiyam. Aber er ist auch konsequenterweise „dieser Mann, jene Frau, dieser Vogel mit seinen blauen Schwingen und jener mit seinen Scharlachaugen“. Er ist der Begrenzte, santa, und der Unbegrenzte, ananta; er ist die individuelle Seele, Jiva. Sri Krishna sagt von sich in der Gita: „Ich bin der Banyanbaum, der symbolische Baum des Lebens, ashvatta, Ich bin der Tod, Ich bin Agni Vaishwanara, Ich bin die Wärme, welche das Essen verdaut, Ich bin Vyasa, Ich bin Vasudeva, Ich bin Arjuna.“ Alles, was das Spiel seines Bewusstseins, caitanya, in seinem unendlichen Sein ist, das alles sind seine Manifestationen. Darum ist auch alles wirklich. Maya bedeutet nichts anderes, als dass Brahman frei ist von jeder Gebundenheit an die Erscheinungsformen, in denen er sich zum Ausdruck bringt. Er ist in keiner Weise durch das eingeschränkt, was wir von ihm erkennen oder über ihn denken. Unsere eigenen Vorstellungen sind das Maya, dem wir entrinnen müssen; sie sind das Maya der Unwissenheit, welches die Dinge so betrachtet, als seien sie abgesondert von Gott, und das die Dinge nicht als Gott erkennt, als einen Ausdruck seines Bewusstseins, caitanya. Darum halten sie das Unbegrenzbare für das in Wirklichkeit Begrenzte, das Freie für das Gebundene. Erinnerst du dich an die Geschichte von Sri Krishna und den Gopis, wie Narada ihn in jedem Haus, in das er kam, bei ganz verschiedenem Tun fand, weil er bei jeder Gopi in einem anderen Körper gegenwärtig war, und doch immer derselbe Sri Krishna. Abgesehen von der religiösen Bedeutung der Geschichte, die dir ja bekannt ist, ist das ein gutes Bild für sein Welten-Spiel. Er ist alles, sarva, und jeder Einzelne. Jeder einzelne Purusha mit dessen scheinbar verschiedener Prakriti und ihrem Wirken ist er. Doch ist er auch zugleich die Erhabenste Personalität, Purushottama, der bei Radha, der Höchsten Prakriti, Paraprakriti, ist. Wenn er es will, kann er sie alle wieder in sein Selbst zurückholen; und er kann sie wieder aus sich herausstellen, wenn er es will. Von dem einen Gesichtspunkt her gesehen, sind sie mit ihm eins. Aus einer anderen Perspektive geschaut, sind sie unterschiedlich und doch eins. Wieder von einem anderen Blickpunkt aus gesehen sind sie immer von ihm verschieden, da sie immer existieren, ob sie in ihm latent sind, oder von ihm nach seinem Gefallen zum Ausdruck gebracht werden. Es ist absolut nutzlos, dass man über diese Gesichtspunkte diskutiert. Warte, bis du Gott selbst schaust, bis du dein Selbst erkennst und ihn erkennst. Dann wird alles Debattieren und Diskutieren unnötig sein.